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Naturalismus (Sprache & Litteratur).

Publié le 13/06/2013

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Naturalismus (Sprache & Litteratur). 1 EINLEITUNG Naturalismus (Literatur), im Allgemeinen die Bezeichnung für jegliche Art von Literatur, die ohne Stilisierung, Überhöhung oder Beschönigung außersprachliche Wirklichkeit exakt abzubilden sucht. Im Besonderen benennt der Begriff eine europäische Literaturströmung der Moderne zwischen 1870 und 1900, die auf eine naturgetreue Widerspiegelung der empirisch erfassbaren Realität abzielte und eine bis dahin unbekannte Hinwendung zur sozialen Umwelt (vor allem der ärmeren Bevölkerungsschichten) vollzog. Der Naturalismus nahm in Frankreich und Skandinavien seinen Anfang und ging u. a. mit seiner gesellschaftskritischen Tendenz über die Bestrebungen des bürgerlichen bzw. poetischen Realismus weit hinaus. Wichtige Vertreter waren in Frankreich die Brüder Edmont und Jules Goncourt, Émile Zola und Guy de Maupassant sowie in Skandinavien Henrik Ibsen und (zumindest in seiner Frühphase) August Strindberg. Programmatisch wurde hierbei Zolas Aufsatz Le roman expérimental (1888, Der experimentelle Roman), in dem Kunst definiert wird als ,,ein Stück Natur, gesehen durch ein Temperament". Der hier formulierte subjektive Impuls allerdings, der im strukturellen Aufzeigen objektiver Zusammenhänge von Wirklichkeit besteht, trat im deutschen Naturalismus oftmals zurück. Historisch fällt der deutsche Naturalismus in die Zeit der letzten Regierungsjahre Bismarcks und des Regentschaftsbeginns Wilhelm II. Sein überragender Vertreter war Gerhart Hauptmann. Programmatisch äußerte er sich etwa in Wilhelm Bölsches Naturwissenschaftliche Grundlagen der Poesie (1887). Die deutsche Dokumentar- und Protokoll-Literatur der sechziger Jahre nahm naturalistische Schreibverfahren ansatzweise wieder auf. Siehe auch deutsche Literatur. 2 GRUNDLAGEN Eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung des Naturalismus in Deutschland waren die - verspätete - Industrialisierung und die damit verbundenen Konsequenzen (Heranbildung einer neuen Arbeiterklasse) bzw. Probleme (Arbeitslosigkeit, Armut etc.). Dies führte zu einer dramatischen Verschärfung der Klassengegensätze und politischen Konflikte. Philosophisch wurde auch der deutsche Naturalismus von der deterministischen Gesellschaftstheorie Auguste Comtes geprägt. Nachhaltigen Einfluss übten die Schriften John Stuart Mills und Herbert Spencers sowie die Milieutheorie Hippolyte Taines aus. Als Sozialdarwinismus wirkte zudem Charles Darwins Theorie eines ,,Überleben des Stärkeren" im Naturalismus weiter. All diese Soziologen, Philosophen und Biologen vertraten einen empirischen, antimetaphysischen Positivismus, der allein die sinnlich erfahrbare Erscheinungswelt zur Erkenntnisgrundlage erklärte. Als wichtige Prägungsfaktoren des Menschen wurden Erbe (Rasse), Umwelt (Milieu) und geschichtlicher Kontext bestimmt. Vor allem Zola nahm in seinem 20-bändigen Romanwerk Les Rougon-Macquart (1871-1893) die grundlegenden deterministischen Modelle der Zeit mit auf, verband sie mit Formen sozialer Anklage und bereitete derart dem deutschen Naturalismus den Weg. 3 NATURALISTISCHE ZEITSCHRIFTEN Seinen Ausgang nahm die naturalistische Bewegung in Deutschland zunächst in Zeitschriften, die in Manifesten gegen die affirmative Literatur der Gründerzeit polemisierten. Hierzu gehörten die Kritischen Waffengänge der Brüder Julius und Heinrich Hart (gegründet 1882), Die Gesellschaft von Michael Georg Conrad (gegründet 1885), die Berliner Monatshefte für Literatur, Kritik und Theater von Heinrich Hart (gegründet 1885) und Die Revolution der Literatur von Karl Bleibtreu (gegründet 1885). Gegen dekorative Monumentalkunst und falsche Idyllik machten Autoren Front, die sich als Nachfahren des Jungen Deutschland um Heinrich Heine, Karl Gutzkow und Ludwig Börne empfanden. Auch bei Christian Dietrich Grabbe und Georg Büchner fanden sich Anregungen. Gleichzeitig wurde ein Schreibstil in der Tradition der großen Realisten des 19. Jahrhunderts, namentlich Honoré de Balzacs, Gustave Flauberts, Iwan Turgenjews, Fjodor M. Dostojewskijs (Schuld und Sühne) und Lew Tolstojs eingeklagt, deren zum teil episch-totale Werke erstmals übersetzt - und, wie bei Dostojewskij mit seinem Personal der Außenseiter, Verbrecher und Dirnen, als Großstadtromane sozialkritisch gedeutet wurden. 4 WICHTIGE AUTOREN Die wichtigsten Vertreter naturalistischer Literatur in Deutschland waren Arno Holz, Johannes Schlaf und Gerhart Hauptmann. Jedoch zeigt sich gerade bei diesen Schriftstellern, inwieweit theoretisches Programm und literarisches Produkt oftmals auseinanderklafften. Holz und Schlaf, die mehrere Werke zusammen verfassten, entwickelten in dem Novellenband Papa Hamlet (1889) den für den Naturalismus charakteristischen Sekundenstil, der Eindrücke minutiös im zeitlichen Nacheinander festhielt. Auch führten sie den Dialekt als Element in die Literatursprache ein, um größere Authentizität zu erlangen. Im Gegensatz zu Zola aber forderten beide, schöpferische Subjektivität nach der mathematischen Formel Kunst = Natur - X so weit als möglich auszuschalten: ,,Die Kunst hat die Tendenz, wieder Natur zu sein. Sie wird sie nach Maßgabe ihrer jeweiligen Reproduktionsbedingungen." Ihr 1890 in Berlin uraufgeführtes Drama Familie Selicke über das Elend im Kleinbürgermilieu fand den Beifall von Theodor Fontane. Gerhart Hauptmann veröffentlichte mit seiner Novelle über den Untergang des Bahnwärter Thiel (1887, Buchausgabe 1892) und seiner Familie ein weiteres, für den literarischen Naturalismus in Deutschland typisches Werk. In schneller Folge entstanden Hauptmanns zunächst noch stark von Ibsen beeinflusste Dramen, darunter Vor Sonnenaufgang (1889), Das Friedensfest (1890), Einsame Menschen (1891), Die Weber (1892), Der Biberpelz (1893), Michael Kramer (1900) und Die Ratten (1911). In Fuhrmann Henschel (1898) machte Hauptmann das bislang tabuisierte Thema sexueller Abhängigkeit zum Gegenstand, in Rose Bernd (1903) zeigte er das Schicksal einer von Männern missbrauchten Frau, die aufgrund der Umstände und des Milieus, in dem sie lebt, zur Kindsmörderin wird. Weitere zentrale Autoren des deutschen Naturalismus waren Karl Bleibtreu (1859-1928), Helene Böhlau (1859-1940), Max Halbe (1865-1944), Georg Hirschfeld (18731942), Otto Erich Hartleben (1864-1905), Hermann Sudermann und Detlev von Liliencron, dessen Novellen und Gedichte allerdings bereits zum Impressionismus weisen. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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