Die Wandlung des Geistes der Zeiten zum Zeitgeist
Publié le 22/02/2012
Extrait du document
Die Redewendung vom »Geist der Zeit«, die in den 40er Jahren zur
Parole des Fortschritts wurde, hatte ursprünglich keinen Bezug auf die
eigene Zeit und ihre prätendierte Geschichtlichkeit. In Goethes Faust
ist der »Geist der Zeiten« nur auf die alten Zeiten bezogen, mit der
skeptischen Wendung, daß es der Herren (Historiker) eigener Geist
sei, in dem die Zeiten sich bespiegeln. Aus derselben Epoche wie Goethes
Entwurf zum Faust stammt Herders Aufsatz über Shakespeare, und
hier wird Goethe am Schluß als der Freund genannt, der den Auftrag
habe, den Genius Shakespeares, dessen Welt schon vergangen sei, in
unsere Sprache und den gegenwärtigen Geist zu übersetzen. Wie jeder
große Mann »im großen Sinne seiner Zeit« philosophiere, so müsse
auch jedes Volk sich sein Drama aufs neue nach seiner Geschichte,
»nach Zeitgeist, Sitte, Meinungen, Sprache« erfinden und nicht das
Vergangene nachahmen. Im Gegensatz also zu einer abgestorbenen
Tradition beruft sich Herder auf den je eigentümlichen Geist der Zeit,
der Sprache oder des Volkes. Denn der »Boden der Zeit« könne nicht
jederzeit dasselbe hervorbringen. Wenn aber ein großer Mensch zu
einer »glücklich oder unglücklich veränderten Zeit« eine dramatische
Schöpfung hervorbrächte, die auf ihre Weise ebenso groß und ursprünglich
wäre wie die des Sophokles oder Shakespeare, dann wäre
trotz der Veränderungen der Zeit dennoch dasselbe erreicht: eine Darstellung
oder »Historia« aus dem großen Buch der Weltbegebenheiten.
Auf die eigene Zeit bezieht sich also der Geist der Zeit, sofern er das
eigentümliche Recht der Gegenwart gegenüber einer nicht mehr wirksamen
Überlieferung meint. Er ist aber kein an ihm selber zeitlicher
Geist, sondern - in Analogie zum Geist des Volkes oder der Sprache -
immer ein und derselbe Geist der »Sphäre der Menschheit«, die in
verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Völkern auf je eigenartige
Weise erscheint.
Erst die Französische Revolution hat durch die Zerstörung der Tradition
auf das Bewußtsein der Zeitgenossen die historisierende Wirkung
gehabt, daß sich von da ab die gegenwärtige Zeit, im Gegensatz zur
ganzen »bisherigen«, nun ausdrücklich zeitgeschichtlich und im Blick
222
auf die Zukunft begreift. Auch dafür, daß der Geist der Zeit problematisch
wird, ist Herder eine vorzügliche Quelle. In der 1. und
2. Sammlung der »Briefe zur Beförderung der Humanität« (1793)
wird der Geist der Zeit zu einem reflektierten Bewußtsein gebracht.
Diese Reflexion auf den Geist der Zeit setzt bezeichnenderweise ein
mit einer Kritik der Zeit, d. h. mit einer kritischen Unterscheidung
der eigenen, neuen Zeit von allen älteren, die ihr vorangingen. »Wie
kommt es, ... daß unsere Poesie, verglichen mit der Poesie älterer
Zeiten, an öffentlichen Sachen so wenig teilnimmt? ... Ist diese Muse
jetzt entschlafen? oder hat sie ... etwas anderes zu schaffen, daß sie,
vom Geiste der Zeit nicht erweckt, das Geräusch um sich her nicht
hört?« 616 Darum will Herder beachten, was uns »der göttliche Bote,
die Zeit«, darbringt, und nach dem Vorbild des Horaz, der in einer
noch kritischeren Zeit gelebt habe, »die Blüte der Zeit« brechen. Die
Poesie dürfe zwar nicht allzu nahe teilnehmen wollen an den »Händeln
der Zeit«, denn in kurzem sei die »Situation der Zeit« vorbei;
aber als eine »Stimme der Zeit« folgte sie doch dem Geist der Zeit617
und oft wehe in ihr sogar ein »prophetischer Geist der Zeiten«. -
Unsere Bücher- und Zeitschriftentitel wie »Die geistige Situation der
Zeit«, »Stimmen der Zeit«, »Zeitwende«, »Zwischen den Zeiten« usw.
haben ihren historischen Ursprung in dem bestimmten Zeitbewußtsein,
das die Französische Revolution hervorgebracht hat: erst seitdem
beruft man sich in letzter Instanz auf die Zeit.
Aber was ist dieser so viel berufene und beredete Geist der Zeit? »Ist
er ein Genius, ein Dämon? . .. oder gar ein Lufthauch der Mode, ein
Schall der Äolsharfe? Man hält ihn für eins und das andere. Woher
kommt er? wohin will er? wo ist sein Regiment? wo seine Macht und
Gewalt? Muß er herrschen? muß er dienen? kann man ihn lenken?
Hat man Schriften darüber? Wie lernt man ihn aus der Erfahrung
kennen? Ist er der Genius der Humanität selbst? oder dessen Freund,
Vorbote, Diener?«618 Er geht durch alle Geister hindurch, jedermann
untersteht ihm handelnd wie leidend, er vermag alles, er sieht alles -
gleich der Weisheit im biblischen Buche der Weisheit (7, 22). Aber erst
die Reformation, die Wissenschaften und Künste haben ihn frei gemacht,
und die Buchdruckerkunst hat ihm Flügel gegeben. Seine
Mutter ist die »selbstdenkende Philosophie« und sein Vater der mühsame
»Versuch«. Er ist das Ganze der geschichtlichen Folgen, er ist
sehr alt und zugleich immer neu. »Er hat aus den vorigen Zeiten gesammelt,
sammelt aus den jetzigen und dringt in die folgenden Zeiten.
Seine Macht ist groß, aber unsichtbar; der Verständige bemerkt und
223
nutzt sie; dem Unweisen wird sie, meistens zu spät, nur in erfolgten
Wirkungen glaubhaft.«819 Als Geist der Geschichte herrscht und dient
er den Menschen zugleich, aber seine eigentlichen Lenker sind nicht die
Vielen, sondern die Wenigen, die viel wagen und leiden. Die flüchtige
Mode der Zeit ist seine unechte Schwester, mit der er zuweilen einen
lehrreichen Umgang hat. Am besten lernt man ihn aus der eigenen
Erfahrung und aus Geschichten kennen, die im Geist ihrer Zeiten geschrieben
sind. Er ist nicht zuletzt als der Geist unserer Zeit ein Vorbote
der Humanität, und Briefe zur Beförderung der Humanität
waren ja überhaupt der Anlaß zu Herders Reflexion auf die Zeit.
Als unser Zeitgeist ist der Geist der Zeit der »Gemeingeist« des »aufgeklärten
oder sich aufklärenden« Europa, der gegenwärtige und
zukunftsvolle »europäische Weltgeist«. Als Geist ist er eine strebende
Bewegung, Kraft und Wirkung, die Leben erweckt, als Geist der Zeit
ist er in die Aufeinanderfolge der geschichtlichen Zustände verflochten,
und als Geist unserer Zeit auf den Gemeingeist des christlichen
Europa bezogen.
Diese den Geist der Zeit bestimmende Humanität ist auch noch in den
40er Jahren wirksam gewesen, aber mit einer wesentlichen Veränderung.
Der Geist der Zeit, von dem die Jungdeutschen und Junghegelianer
reden, hat nicht mehr den geistigen Umriß der Herderschen
Humanität, sondern er ist — über allen bestimmten Inhalt hinaus —
eine zeitliche Bewegung des Fortschritts schlechthin. Der Zeiten Geist
verwandelt sich, unter dem Einfluß von Hegels Gleichsetzung der
Philosophie mit dem Gedanken der Zeit, zum Zeitgeist im eigentlichen
Sinn dieses Wortes. Dieser Bedeutungswandel ist in seinen Hauptmomenten
zu betrachten.
Als aus dem »Geist der Zeit« geboren wird in Hegels theologischen
Jugendschriften, also noch vor 1800, die Revolution im »Geisterreiche
« begriffen,820 durch die das Christentum die heidnische Welt
überwand, und diese große Veränderung im Geist der Zeit ist auch
das historische Muster für das epochale Bewußtsein des 19. Jahrhunderts
geworden. Doch bedeutet bei Hegel selber die Rede vom Geist
der Zeit noch keine Verzeitlichung des Geistes als solchen. Diese wird
trotz aller apriorischen Konstruktion erst durch Fichtes Vorlesungen
über »Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters« (1804/5) in die
Wege geleitet, um durch Arndts »Geist der Zeit« (1805), worin sich
der »Ekel an der Gegenwart« in den »Geist des Vergangenen« und die
»Weissagung des Künftigen« flüchtet, zu einer populären Wirkung zu
kommen. Mit dieser Schrift und Fichtes Vorlesungen beginnt jene
224
Kette der Zeitkritik, die zunächst bis zu Marx und Kierkegaard und
weiter zu Wagner und Nietzsche reicht. Doch ist auch für Fichte der
»Geist der Zeit« im Grunde noch ein »ewiger« Geist und also gerade
kein solcher der Zeit. Weil aber Fichte sein eigenes Zeitalter im
Zeichen der vollendeten Sündhaftigkeit sah und aus diesem Gesichtspunkt
seine Kritik unternahm, war er genötigt, innerhalb der gleichen
chronologischen Zeit einen Unterschied aufzustellen: in ein und derselben
Zeit können sich verschiedene Zeitalter kreuzen, und nicht alle
Genossen einer bestimmten Zeit sind ein »Produkt« des eigentlichen
Charakters der Zeit.621 Für seine eigenen Betrachtungen über die
gegenwärtige Zeit beansprucht Fichte, daß sie kein bloßes Zeitprodukt
sind, sondern über den Zeiten schwebend und jenseits von aller Zeit.
Aber sind sie dann nicht ein leerer Traum, fallend in eine leere Zeit,
ohne Bedeutung für die »wahre und wirkliche« Zeit? Was ist aber die
wirkliche Zeit im Unterschied zur leeren Zeit des Zeitvertreibs? »In
die wahre und wirkliche Zeit fällt etwas, wenn es Prinzip wird, notwendiger
Grund und Ursache neuer und vorher nie dagewesener Erscheinungen
der Zeit. Dann erst ist ein lebendiges Leben geworden,
das anderes Leben aus sich erzeugt.«622 Das Kriterium von Fichtes
Kritik der gegenwärtigen Zeit ist also die Zukunftsfülle des gegenwärtigen
Lebens und als die wahrhaft zukunftsvolle Tendenz der
Gegenwart glaubt er am Schluß seiner Vorträge, die Erneuerung des
religiösen Lebens erkennen zu können.
Von Fichte wandert das Wort vom Geist der Zeit zur Zeitkritik der
Romantiker, um bei den Schriftstellern der 30er und 40er Jahre zum
allverbreiteten Schlagwort zu werden. Indem man im Umbruch der
Zeiten alles Geschehen immer bewußter auf den Geist der »Epoche«
bezieht und sich an einer epochalen Wende zwischen den Zeiten fühlt,
wird die endliche Zeit als solche zum Schicksal des Geistes.623 Erst dadurch
bekommt die Rede vom Geist der Zeit jenen zeitansprechenden
Klang, der ihr auch heute noch eignet. »Es ist charakteristisch«,
schreibt der Verfasser der »Epigonen«,624 »daß wir immer von der
Zeit reden, von unsrer Zeit. Wo fängt sie denn an, und was hat sie
eigentlich so Besonderes ...?« Der Lügner Münchhausen, in dem
Gott der Herr alle »Winde des Zeitalters« einfing, verkörpert in
Immermanns Werk den allgemeinen Geist seiner Zeit, dessen Kehrseite
die Erwartung einer neuen Zeit war. Aber auch bei Immermann
ist noch Hegels Bewußtsein lebendig, daß unter der bunten Oberfläche
der Zeit ein ewiger Weltgeist pulsiert, der nur darauf wartet, die
Rinde zu durchbrechen, um zu einem gegenwärtigen Dasein zu kom-
225
men. Der in Münchhausen verkörperte Zeitgeist ist nicht der Geist der
Ewigkeit, der »in stillen Klüften sein geheimes Werk treibt«, sondern
»der bunte Pickelhäring«, den »der schlaue Alte« - Hegels »List der
Vernunft«625 - »unter die unruhige Menge emporgeschickt hat«. Dieses
zweideutige Zeitbewußtsein, das die Gegenwart nach Oberfläche
und Tiefe als eine zeitliche und ewige unterscheidet, ging zugleich
mit dem konservativen Zug in Immermanns revolutionärer Zeitkritik
bei den Junghegelianern verloren. Die Stellung zur Zeit wird nun
eindeutig festgemacht an den zwei Enden einer radikalen Kritik des
Bestehenden und einer Bereitung der Zukunft, die nicht nur erhofft
und erwartet, sondern aktiv gewollt wird. Der Geist der gegenwärtigen
Zeit bekommt eine fortschrittliche Auslegung in die Zukunft
hinein, als der wahren Bewegung der Zeit und damit des Geistes.
Theoretische Kritik und praktische Veränderung verwandeln das beständige
»Planen«, das Immermann noch als Charakter der Zeit beschreibt,
zu einem theoretisch begründeten Handeln. Die Geschichte
wird als Fortschritt in der Bewegung der Zeit zur obersten Instanz
auch des Geistes erhoben und der Geist der Hegelschen Metaphysik
folgerichtig verzeitlicht.
Zugleich mit dieser bewußten Verzeitlichung entstehen die Ersätze
der Ewigkeit, die das Jahrhundert des verendlichten Geistes kennzeichnen.
Immermann hat in der Erinnerung der christlichen Erwartung
eines tausendjährigen Reichs »chiliastische« Sonette gedichtet, deren
Sprache wie eine Vorwegnahme von Versen Georges klingt und
die auch innerlich mit dessen Verkündigung eines neuen »Reichs« verwandt
sind. Ermattet vom Tragen des Joches der Zeit und satt der
Verachtung ruft er den künftigen König an, um dessen Thron sich, was
die Größten vereinzelt gewollt haben, als leichter Arabeskenkranz
schlingt.
Ich schau in unsre Nacht und seh den Stern,
Nach dem die Zukunft wird ihr Steuer richten.
Bei dessen schönem Glanze sich die Pflichten
Besinnen werden auf den rechten Herrn.
Einst geht er auf. Noch aber ist er fern.
Es sollen unsres jetzigen Tags Geschichten
Zu Fabeln erst sich ganz und gar vernichten.
Dann wird gepflanzt der neuen Zeiten Kern.
226
Dieser künftige Herrscher in der Fülle der Zeit wird kein vom Krieg
umwehter Held sein und auch kein Prophet, der die Menschen durch
die Macht seines Wortes versklavt. Er predigt nicht und lehrt sie kein
Gebet, »er gibt den Augen nichts und nichts den Ohren«. Er ist ein
verleiblichter Gott und ein schöner Mensch.
Die Würdigung, die F. Engels626 Immermann nach seinem Tode zuteil
werden ließ, zeigt, wie sehr er auch bei den Radikalen als ein Sprecher
der Zeit galt. Engels Charakteristik der Memorabilien und Epigonen
kommt zu dem Schluß, daß Immermann zwar die geschichtlichen Forderungen
der Zeit erkannt habe und selber schon zu den »Modernen«
gehöre, aber durch seine preußischen Sympathien gegen die Zeitentwicklung
noch einigermaßen verstockt gewesen sei. Er beschließt seinen
Aufsatz mit einem Hinweis auf den jugendbewegten Charakter der
»neuen« Zeit, deren Prüfstein die »neue Philosophie« sei. Die Jugend
von Heute habe im Unterschied zu der »vor fünfundzwanzig Jahren«,
die Immermann schilderte, die Schule Hegels durchgemacht, manches
Samenkorn sei schon herrlich aufgegangen aus der Fruchtkapsel des
Systems, und so müsse man weiter für die Realisierung der Freiheit
kämpfen. Bei Marx verwandelt sich der Chiliasmus des Epigonen und
das Freiheitspathos der Junghegelianer in die politische Eschatologie
des kommunistischen Manifests. Am Ende der Dialektik des Kapitalismus
steht das Insgesamt der vergesellschafteten Menschen, welche die
Produktion unter ihre Kontrolle bringen. Aber auch dieser Zustand
ist noch ein Reich der Lebensnot und Notwendigkeit, und erst jenseits
von ihm beginnt das wahre »Reich der Freiheit«627 - das »Reich
Gottes« auf Erden, wie es der junge Hegel als das Ziel seines Tuns genannt
hat.628
Aus dem gleichen epochalen Bewußtsein ist Kierkegaards christliche
Reaktion entsprungen. Die Zeit, deren Unglück die Zeitlichkeit ist,
benötige etwas unbedingt Feststehendes, »denn je mehr man das
Ewige entbehren zu können glaubt. . ., desto mehr bedarf man im
Grunde seiner«.629 Im Gegensatz zu den »künstlichen Nachäffungen«
der Ewigkeit in der Zeitlichkeit hat Kierkegaard in seinen religiösen
Reden von der »Erwartung einer ewigen Seligkeit« und von der »Unveränderlichkeit
Gottes« 63° gepredigt. Nimmt der dem beständigen
Wechsel unterworfene Mensch diesen Gedanken vollkommen ernst, so
versetzt er ihn in Angst und Verzweiflung, zugleich ist er aber auch
beruhigend und beseligend. Denn vergeblich ist die Bemühung des
Menschen, einer ewigen Unveränderlichkeit zum Trotz er selbst sein zu
wollen. Die für den Menschen maßgebliche Zeit ist aber nicht die
227
Ewigkeit selbst, sondern der »Augenblick«, in dem die Zeit und die
Ewigkeit einander berühren.631 Er ist die eigentlich »entscheidende«
Zeit, weil sich in ihm die unterschiedslos vorübereilende Zeit nach den
Dimensionen der Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart scheidet. Um
sie aber so unterscheiden zu können, darf der Augenblick kein Atom
der Zeit, sondern muß er ein Moment der Ewigkeit sein. Die Zeit als
solche ist ohne wirkliche Gegenwart, nur im Augenblick ist sie da als
der springende Punkt der Entscheidung. Von dieser Bedeutung des
Augenblicks, der nicht nur das Verschwindende ist, konnten die Griechen
noch keinen Begriff haben,632 weil erst das Christentum mit dem
Bewußtsein der Sündigkeit auch das der Zeitlichkeit und der Ewigkeit
hervorgebracht hat. Christlich verstanden ist der Augenblick der
Reflex des Ewigen in der Zeit, »ihr erster Versuch, gleichsam die Zeit
zum Stehen zu bringen«. Damit beginnt die Geschichte des geistigen
Selbstseins. Ein Augenblick im strengsten Sinn war es für Kierkegaard,
als er die Kirche angriff und seine Zeit vor die Frage stellte, ob sie den
Ernst der Ewigkeit wahrhaben wolle. Geschichtlich betrachtet hat aber
sein Angriff auf das bestehende Christentum tiefere Wurzeln im
Geiste der Zeit und größere Folgen für die Zukunft gehabt als sein
Versuch, die Zeit vor Gott zum Stehen zu bringen.
Und so ist es kein Zufall, sondern in der Sache begründet, wenn Heidegger
aus Kierkegaards protestantischer Christlichkeit rein weltliche
Konsequenzen zog und seinem Paradox die Spitze abbog.633 Indem
er von Kierkegaards »Krankheit zum Tode« nur den Tod übrig behält
und die Verzweiflung beseitigt, wird die Verzweiflung am Inder-
Welt-Sein 634 zur Selbstbehauptung des Daseins und der Tod zur
obersten Autorität des auf sich selber stehenden Seins.635 Zugleich mit
dieser Verendlichung des zeitlichen Daseins wird aber die Zeit selbst
vermittelst des Todes zum Stillstand gebracht. Als der einzig gewisse
und im voraus feststehende Punkt wird der Tod das eigentliche »nunc
stans« des endlichen Daseins, so daß die vom Tod her bestimmte Zeit
nun selbst den Schein einer Ewigkeit und Beständigkeit annimmt.636
In der Erwartung des künftigen Nichts als der einzig gewissen Zukunft
des Seins, das man selbst ist, verkehrt sich die christliche Eschatologie
in ihr Gegenteil: der Tod dieser nicht mehr und doch noch
christlichen Lehre vom Sein ist das jüngste Gericht des in der Welt existierenden
Daseins, welches - es weiß nicht wozu - »zu sein« hat, indem
es schlechterdings »da« ist. Der Tod übernimmt als das schon
immer im voraus gesetzte Ziel die Rolle der Ewigkeit in einem zu
allem wie nichts entschlossenen Dasein.637
228
Was Goethe das »Allzuflüchtige« nennt und Hegel eine »Sandbank
der Zeitlichkeit«, ist in Heideggers endlicher Metaphysik der Endlichkeit
der Fels, an dem die Ewigkeit strandet. Weil diese Philosophie
der Zeitlichkeit aber nicht nur einen theologischen »Hintergrund« hat,
sondern ihrer Substanz nach eine Theologie ohne Gott ist, die dem
Christentum im doppelten Sinne »entsprang«, vermochte sie auch mit
aller Schärfe den antiken Bezug des Seins zur Zeit als beständige Gegenwart
oder »Anwesenheit« zu erkennen.638 Die Ewigkeit als beständige
Gegenwart ist aber nicht nur der griechische, am Himmel
erschaute Grundbegriff von der Zeit, sondern auch der von Hegel und
Goethe.
Liens utiles
- Wasserskilaufen 1 EINLEITUNG Wasserskilaufen, Freizeit- und Wettkampfsportart, bei der der Läufer auf einem oder zwei Spezialskiern mit Hilfe eines Lifts oder von einem Motorboot mit einer Geschwindigkeit von 25 bis etwa 60 Kilometer pro Stunde über die Wasseroberfläche gezogen wird.
- Radsport 1 EINLEITUNG Radsport, Sammelbegriff für alle sportlichen Disziplinen, die als Wettkampf oder in der Freizeit auf einem Fahrrad ausgeübt werden.
- Automobilsport 1 EINLEITUNG Automobilsport, zum Motorsport zählende Geschwindigkeitsrennen, die mit Kraftfahrzeugen (Automobilen) ausgetragen werden.
- Leichtathletik 1 EINLEITUNG Leichtathletik, Sammelbezeichnung für eine Gruppe sportlicher Disziplinen, die im Freien oder in der Halle von Einzelsportlern oder Mannschaften wettkampfmäßig ausgetragen werden.
- Poker 1 EINLEITUNG Poker, Kartenspiel mit mehreren Varianten, bei dem die Spieler Geld auf den Wert ihrer Karten setzen, um die Kasse (auch ,,Pott" genannt) zu gewinnen, die aus den Einsätzen der Spieler besteht.