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Augustinus: Bekenntnisse - Anthologie.

Publié le 17/06/2013

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Augustinus: Bekenntnisse - Anthologie. In seinen autobiographischen Bekenntnissen schildert Augustinus u. a. den langen inneren Kampf hin zu innerem Frieden und zur Gewissheit, dass seine Schuld vergeben sei. Den Wendepunkt markiert das hier wiedergegebene zwölfte Kapitel des achten Buches, in dem er von seiner Bekehrung berichtet. Der genannte Alypius war ein enger Freund, der Augustinus' Ringen um Wahrheit begleitete. Augustinus: Bekenntnisse Jetzt aber, da meine grabende Selbstschau aus dem geheimen Grunde mein ganzes Elend hervorgebracht und dem Herzen zum Anblick gehäuft hatte, erhob sich der schwere Sturm, der einen schweren Regen von Tränen brachte. Um ihn ganz und laut zu vergießen, stand ich auf und ging weg von Alypius - denn Alleinsein schien mir besser zum Werke der Tränen - und ging weit genug, bis mir die Gegenwart auch des Freundes nicht mehr lästig fallen konnte. So war mir's jetzt, und er fühlte es; ich hatte, glaube ich, ein paar Worte gesagt, schon mit tränenschwerem Klang der Stimme, und also war ich aufgestanden. Er blieb zurück, wo wir gesessen hatten, sehr betroffen. Ich aber warf mich unter einem Feigenbaum zu Boden, ich weiß nicht, wie es kam, und ließ den Tränen ihren Lauf, und Ströme brachen aus meinen Augen, das Opfer, das Du liebst, und vieles sagte ich Dir, nicht in diesen Worten, aber in diesem Sinne: ,,Und Du, Herr, wie lange noch? Wie lange noch, Herr? Wirst Du zürnen bis zum Ende? Ach, denke nicht mehr unserer alten Missetaten!" Denn nur sie, ich fühlte es, hielten mich noch auf. Ich stieß meinen Jammer laut hinaus: ,,Wie lange noch, wie lange dieses ,Morgen, ja morgen'? Warum nicht heute? Warum nicht in dieser Stunde das Ende meiner Schmach?" So sprach ich und weinte in der bittersten Zerknirschung meines Herzens. Da auf einmal höre ich aus dem Nachbarhaus die Stimme eines Knaben oder Mädchens im Singsang wiederholen: ,,Nimm es, lies es, nimm es, lies es!" Augenblicklich machte ich andere Miene, gespannt besann ich mich, ob unter Kindern bei irgendeinem Spiel so ein Leierliedchen üblich wäre, aber ich entsann mich nicht, das irgendwo gehört zu haben. Ich hemmte die Gewalt der Tränen und stand vom Boden auf: ich wußte keine andere Deutung, als daß mir Gott befehle, das Buch zu öffnen und die Stelle zu lesen, auf die zuerst ich träfe. Denn von Antonius hatte ich gehört, wie er bei einer Evangelienverlesung, zu der er sich von ungefähr eingefunden hatte, die Worte ,,Geh hin, verkaufe alles, was du hast, gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach", als wäre es für ihn vermeint, was man da las, sich zur Mahnung genommen und bei diesem Gottesspruch sogleich zu Dir gekehrt hatte. So ging ich eilends wieder an den Platz, wo Alypius saß; denn dort hatte ich das Buch des Apostels hingelegt, als ich aufgestanden war. Ich ergriff es, schlug es auf und las still für mich den Abschnitt, auf den zuerst mein Auge fiel: ,,Nicht in Schmausereien und Trinkgelagen, nicht in Schlafkammern und Unzucht, nicht in Zank und Neid, vielmehr ziehet an den Herrn Jesus Christus und pfleget nicht des Fleisches in seinen Lüsten." Weiter wollte ich nicht lesen, und weiter war es auch nicht nötig. Denn kaum war dieser Satz zu Ende, strömte mir Gewißheit als ein Licht ins kummervolle Herz, daß alle Nacht des Zweifelns hin und her verschwand. Dann legte ich den Finger, vielleicht war's auch ein Merkzeichen, in das Buch, schloß es und teilte mich, schon Ruhe im Gesicht, dem Alypius mit. Dann aber teilte er mir, was in ihm jetzt vorging und was ich nicht wissen konnte, auf folgende Weise mit. Er wollte sehen, was ich gelesen hätte: ich zeigte es ihm, und er las noch hinaus über die Stelle. Ich wußte nicht, was da noch folgte. Es folgte aber: ,,Des Schwachen im Glauben aber nehmt euch an." Das bezog er auf sich, und er sagte es mir. Ihn aber konnte diese Mahnung nur bestärken, und ohne alle Unruhe des mit sich Kämpfenden trat er dem Entschluß und Vorsatz zum Guten bei, der ganz zu seiner sittlichen Verfassung paßte, durch die er sich schon lange sehr zu seinen Gunsten von mir unterschieden hatte. Wir gehen hinein zur Mutter, sagen's ihr: sie freut sich. Wir erzählen, wie alles herging: sie jubelt und frohlockt, und immer wieder pries sie Dich, ,,der Du mächtig bist, mehr zu tun, als wir erbitten und erdenken", weil sie sah, wieviel mehr Du ihr gewährt hattest, als was sie für mich in Jammer, Weinen und Seufzen zu erbitten pflegte. Denn Du hast mich gewandelt hin zu Dir, daß ich nichts mehr nach dem Weibe fragte, nichts nach einer Hoffnung sonst auf diese Welt: nun stand ich mit ihr auf jenem Richtscheit des Glaubens, auf dem Du mich vor so vielen Jahren ihr im Gesichte gezeigt hattest. Und ,,Du hattest ihre Trauer in Freude gewandelt", viel reichlicher, als ihr Wunsch gegangen war, viel köstlicher und keuscher als die an Enkeln aus meinem Fleische, die sie erwartet hatte. Augustinus: Bekenntnisse. Übersetzt von Joseph Bernhart. Frankfurt am Main 1956, S. 148f. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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