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Belgien - geographie.

Publié le 06/06/2013

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Belgien - geographie. 1 EINLEITUNG Belgien, amtlich Königreich Belgien (französisch Royaume de Belgique; niederländisch Koninkrijk België), konstitutionelle Monarchie im Westen Europas. Belgien grenzt im Norden an die Niederlande, im Osten an Deutschland, im Südosten an Luxemburg, im Süden und Westen an Frankreich und im Nordwesten an die Nordsee. Die Niederlande, Luxemburg und Belgien bilden zusammen die Beneluxstaaten (BENELUX: Belgien, Niederlande, Luxemburg). Das Land hat eine Fläche von 30 528 Quadratkilometern. Hauptstadt und gleichzeitig größte Stadt des Landes ist Brüssel. 2 LAND Belgien gliedert sich in drei Regionen: das flandrische Tiefland entlang der 66 Kilometer langen Nordseeküste (Niederbelgien), das Hügelland in der Landesmitte (Mittelbelgien) und die Mittelgebirgshöhen der Ardennen (Hochbelgien). 2.1 Physische Geographie Das flandrische Tiefland erstreckt sich im Nordwesten von der Küste bis maximal rund 50 Kilometer in das Landesinnere. Das Gebiet wird hauptsächlich von Dünen und Poldern bedeckt; die Polder wurden überwiegend zwischen dem 13. und dem 15. Jahrhundert angelegt. Das auf diese Weise dem Meer abgerungene Land macht etwa 10 Prozent der Landesfläche Belgiens aus. Dieses von Kanälen durchzogene Gebiet wird als Weideland genutzt und schwankt in der Höhe zwischen zehn und 30 Metern über dem Meeresspiegel. Das flachwellige Hügelland Mittelbelgiens wird von der Schelde und ihren Nebenflüssen entwässert und ist von breiten Tälern mit fruchtbarem Schwemmland durchzogen. In diesem Gebiet befinden sich zahlreiche Höhlen, Grotten und Schluchten. Die Ardennen, ein dicht bewaldetes Mittelgebirge mit einer durchschnittlichen Höhe von 490 Metern, erstrecken sich über den Südosten Belgiens bis nach Luxemburg und in die nordöstlichen Landesteile von Frankreich. Hier befindet sich der Botrange, mit 694 Metern die höchste Erhebung Belgiens. Das Hochland ist für die Landwirtschaft kaum geeignet. 2.2 Flüsse Die längsten Flüsse Belgiens sind die Schelde und die Maas. Beide Flüsse entspringen in Frankreich und sind in Belgien über weite Strecken schiffbar. An der Schelde, die den stärksten Schiffsverkehr hat, liegen die Hafenstädte Antwerpen, Brüssel und Gent. Die längsten Nebenflüsse der Schelde sind Lys, Dender, Senne und Rupel. Sambre und Ourthe sind die längsten Nebenflüsse der Maas. 2.3 Klima In der Küstenregion ist das Klima ozeanisch mit relativ kühlen Sommern und milden Wintern. Weiter im Landesinneren, und damit von den mäßigenden maritimen Einflüssen entfernt, herrschen größere Temperaturschwankungen vor. In den Ardennen sind die Winter vergleichsweise kalt. Hohe Niederschlagsmengen verzeichnen fast ausschließlich die höher gelegenen Landesteile. Die niederschlagsreichsten Monate sind der April und der November. Die mittlere Jahrestemperatur in Brüssel liegt bei 10 °C, im Januar beträgt die mittlere Temperatur 2,2 °C, im Juli 17,8 °C. Der durchschnittliche Jahresniederschlag liegt in tieferen Lagen bei 699 Millimetern; in den Ardennen werden bis zu 1 500 Millimeter erreicht. 2.4 Flora und Fauna Auf sandigen Böden gedeihen Dünengräser, Heiden oder Kiefernwälder, diese wurden zumeist im Rahmen von Wiederaufforstungsmaßnahmen gepflanzt. Auf lehmigem Untergrund dominieren Eichen, Buchen und Ulmen. Im Hohen Venn, einem Bergland im Osten des Landes, gibt es aufgrund undurchlässiger Tonböden Hochmoore. Viele Tierarten sind für die mitteleuropäische Fauna typisch. Zu den Raubtieren gehören Rotfuchs, Dachs, Fischotter und andere Marderarten, in den Ardennen leben noch Wildkatzen. Paarhufer sind Rehe, Rot- und Damhirsche. Etwa 600 Quadratkilometer des Landes stehen unter Naturschutz. 3 BEVÖLKERUNG Belgien hat etwa 10,4 Millionen Einwohner (2008). Die Bevölkerungsdichte ist mit 344 Einwohnern pro Quadratkilometer eine der höchsten Europas. Am dichtesten besiedelt sind die Industriezentren Brüssel, Antwerpen, Lüttich und Gent sowie die Industrieregion zwischen Mons und Charleroi. Die mittlere Lebenserwartung liegt für Männer bei 75,9 und für Frauen bei 82,4 Jahren (2008). Das jährliche Wachstum der Bevölkerung beläuft sich auf rund 0,2 Prozent. Die Bevölkerung Belgiens setzt sich aus 56 Prozent Niederländisch sprechenden, überwiegend im Norden des Landes (Flandern) lebenden Flamen, 34 Prozent Französisch sprechenden, vor allem im südlichen Belgien (Wallonien) lebenden Wallonen, einer deutschsprachigen Minderheit von einem Prozent östlich von Lüttich und etwa 9 Prozent Zuwanderern zusammen. Zwischen Flamen, die sich kulturell an den Niederlanden orientieren, und Wallonen, die auf die französische Kultur ausgerichtet sind, kam es immer wieder zu sozialen und politischen Konflikten, die auch in der Gegenwart nicht ausgeräumt sind und die belgische Gesellschaft spalten. 3.1 Wichtige Städte Die Urbanisierungsrate ist sehr hoch; insgesamt leben fast 97 Prozent aller Belgier in Städten (2005). Zu den bedeutendsten Städten Belgiens gehören die Hauptstadt Brüssel mit etwa 1,14 Millionen Einwohnern (2000; einschließlich Vororten), Antwerpen (466 000), Gent (235 000), Charleroi (202 000) und Lüttich (189 000). 3.2 Sprache Seit 1963 gibt es in Belgien drei Amtssprachen: Niederländisch im Norden (Flandern), Französisch im Süden (Wallonien) und Deutsch entlang der östlichen Landesgrenze. In der Hauptstadt Brüssel ist sowohl Französisch als auch Niederländisch Amtssprache, die Mehrheit spricht jedoch Französisch. 1971 verschaffte eine Verfassungsänderung diesen drei Sprachgemeinschaften politische Anerkennung und garantierte ihnen kulturelle Autonomie. Eine dreistufige Reform, die in den späten achtziger Jahren begonnen hatte, sollte die finanzielle Autonomie der drei Sprachgemeinden verbessern. 3.3 Religion Etwa 90 Prozent der belgischen Bevölkerung gehören der römisch-katholischen Kirche an. Daneben gibt es protestantische Glaubensgemeinschaften und Anhänger des jüdischen Glaubens. Die Religionsfreiheit ist verfassungsrechtlich verankert; die Gehälter der Geistlichen werden zum Teil vom Staat bezahlt. 3.3.1 Feiertage Die gesetzlichen Feiertage sind Neujahr (1. Januar), Tag der Arbeit (1. Mai), Nationalfeiertag (21. Juli), Mariä Himmelfahrt (15. August), Allerheiligen (1. November), Waffenstillstandstag (11. November), 1. und 2. Weihnachtsfeiertag (25. und 26. Dezember). Daneben sind auch Ostermontag, Christi Himmelfahrt und Pfingstmontag gesetzliche Feiertage. Gefeiert wird auch der Sint Maartens Dag (Martinstag), der mit dem Waffenstillstandstag zusammenfällt. Flandern feiert einen eigenen regionalen Feiertag am 11. Juli und Wallonien am 27. September. Volksfeste haben in Belgien einen sehr wichtigen Stellenwert. Eines der bekanntesten ist das dreitägige Karnevalsfest vor der Fastenzeit in Binche, nahe Mons. 3.4 Soziales Für Leistungen im Krankheitsfall sind Fürsorgeämter zuständig, die sich in jeder Gemeinde befinden. Diese Ämter übernehmen die Kosten für Privatkliniken für mittellose Patienten, verwalten öffentliche Krankenhäuser und organisieren Krankenpflege und Ambulanzen. Die Sozialversicherung basiert auf einem Gesetz von 1944 und gilt für alle Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag. Das Nationale Zentralbüro für Sozialversicherungen zieht den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmeranteil für die Familien-, Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung ein und verteilt die Gelder an die entsprechenden Stellen. 4 BILDUNG UND KULTUR 4.1 Bildung und Schulwesen Es besteht eine allgemeine Schulpflicht von 13 Jahren (2002-2003), der Schulbesuch ist kostenlos. Das Schulsystem gliedert sich in einen sechsjährigen Primarunterricht und den Sekundarunterricht, der drei je zweijährige Unterrichtszyklen umfasst. Seit 1959 gibt es auch Schulen mit kirchlicher Trägerschaft. Gemäß dem Gesetz von 1963 wird der Unterricht in der Sprache der entsprechenden Region abgehalten. In Brüssel werden die Schüler nach ihrer Muttersprache in getrennten Klassen unterrichtet. Die älteste Universität Belgiens ist die 1425 gegründete Katholische Universität Löwen. 1970 wurde sie in zwei unabhängige Universitäten geteilt, eine mit Französisch als Unterrichtssprache, die andere mit Niederländisch. Weitere bedeutende Universitäten befinden sich in Gent (gegründet 1817, Unterrichtssprache Niederländisch) und Lüttich (gegründet 1817, Unterrichtssprache Französisch), die Freie Universität Brüssel wurde 1834 unter der neu gebildeten belgischen Regierung eröffnet. 1965 entstanden in Mons und Antwerpen staatliche Universitäten. 1970 wurde die Freie Universität Brüssel ebenfalls in zwei unabhängige Institutionen mit getrennten Unterrichtssprachen geteilt. In Antwerpen, Brüssel, Gent, Lüttich und Mons gibt es jeweils eine Königliche Akademie der Schönen Künste und ein Königliches Musikkonservatorium. Staatliche Landwirtschaftshochschulen befinden sich in Gent und Gembloux-sur-Orneau. In Belgien sind etwa 250 000 Studenten immatrikuliert. 4.2 Kultureinrichtungen In allen größeren Städten gibt es Fach- und allgemeine Bibliotheken. Nationalbibliothek und größte Sammlung von Nachschlagewerken ist die Bibliothèque Royale Albert I. (gegründet 1837) in Brüssel. Weitere umfangreiche Universitätsbibliotheken existieren in Gent, Lüttich und Löwen. Das Königliche Museum der Schönen Künste (1890) in Antwerpen ist für seine Sammlung von Werken des flämischen Malers Peter Paul Rubens berühmt. Im Königlichen Museum der Schönen Künste Belgiens (1830) in Brüssel befinden sich eine Kunstsammlung mit Werken aus verschiedenen Epochen, ein Konzertsaal und ein Kino. 4.3 Kunst Im Mittelalter markierte der französisch-burgundische Diplomat Philippe de Comines mit seinen Mémoires (Erstdruck 1524) den Beginn der neuzeitlichen politischen Geschichtsschreibung. Charles de Coster verfasste mit La légende et les aventures héroïques, joyeuses et glorieuses de Thyl Uhlenspiegel et de Lamme Goedzak au pays de Flandres et ailleurs (1867; Tyll Uhlenspiegel und Lamm Goedzak. Legende von ihren heroischen, lustigen und ruhmreichen Abenteuern im Land der Flandern und andern Orts) ein Meisterwerk der belgischen Literatur. Der vom Naturalismus beeinflusste Schriftsteller Camille Lemonnier ( Happe-chair, 1886; Der eiserne Moloch) ebnete der Literatur der Bewegung des so genannten Jungen Belgien den Weg, dessen zentraler Vertreter Émile Verhaeren zudem als bedeutendster belgischer Lyriker der Moderne gilt. Hendrik Conscience avancierte zum Erneuerer der flämischen Literatur. Maurice Maeterlinck, der 1911 den Nobelpreis für Literatur erhielt, prägte das symbolistische Theater nachhaltig. Der bedeutende französische Surrealist Henri Michaux war belgischer Herkunft. Einer der bekanntesten belgischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts ist Georges Simenon, der mit seinen Kriminalromanen um den Kommissar Maigret Weltruhm erlangte. Ein bedeutender flämischer Bildhauer der Zeit um 1400 war Claus Sluter mit seinem Mosesbrunnen (1395-1406). Zu den bedeutendsten flämischen Malern des 15. und 16. Jahrhunderts gehören der herausragende Altarbild- und Porträtmaler Hans Memling, Jan van Eyck, Wegbereiter der spätgotischen Malerei, Rogier van der Weiden, der stilbildend auf seine Nachfolger wirkte, Mabuse, der Meister der Tiermalerei Frans Snijders und - in der Nachfolge von Hieronymus Bosch mit seinen apokalyptischen Landschaften - Pieter Bruegel der Jüngere, genannt Höllenbruegel. Im 17. Jahrhundert entstanden die Werke des Malers und Kupferstechers Jan Fyt, von Peter Paul Rubens und Sir Anthonis van Dyck, dem größten flämischen Porträtisten der Aristokratie. Jacob Jordaens gilt neben Rubens als herausragendster Vertreter des flämischen Barock, an dessen Schwelle der Spätmanierist Carel van Mander stand. Alfred Stevens wurde vor allem durch seine Genremalerei bekannt, wobei er sich auf Vorbilder aus dem 15. bzw. 17. Jahrhundert berufen konnte, namentlich auf Petrus Christus und David Teniers. International berühmte Künstler des 20. Jahrhunderts sind James Ensor und Frans Masereel mit seinen Holzschnitten sowie die Surrealisten Paul Delvaux und René Magritte. Pierre Alechinsky wurde vor allem durch eine traumhaft-automatisch wirkende Bildersprache bekannt. Im 16. Und 17. Jahrhundert waren die Musterbücher des flämischen Baumeisters Hans Vredeman de Vries mit Architektur- und Perspektivdarstellungen, Ornamenten, Gartenentwürfen und Möbelvorlagen in vielen Auflagen und Übersetzungen in den Niederlanden und Deutschland, in Skandinavien und England weit verbreitet. Victor Horta gilt gemeinhin als einer der führenden Vertreter des architektonischen Art Noveau bzw. Jugendstils; seine innovativen Ideen spiegelt bereits sein erstes Hauptwerk, das Hôtel Tassel in Brüssel (entworfen 1892), wider. Weitere Gebäude Hortas in Belgien sind bzw. waren das Parteigebäude der belgischen Sozialisten Maison du Peuple (1899 fertig gestellt; 1964 zerstört) mit seiner Glas- und Eisenfassade, das Palais des Beaux-Arts (1922-1928) in Brüssel und der dortige Bahnhof (1936-1941). Ein weiterer herausragender Vertreter des belgischen Jugendstils war der Architekt und Designer Henri van de Velde. Sein eigenes Wohnhaus in der Nähe von Brüssel (1895) legt hiervon beredtes Zeugnis ab. 4.4 Medien Staatliche Radio- und Fernsehsender in Belgien strahlen ihre Programme sowohl in französischer als auch in niederländischer Sprache aus. Die Kosten werden über eine Rundfunk- und Fernsehgebühr gedeckt. Daneben gibt es eine Vielzahl von Privatsendern. Über ein ausgedehntes Kabelnetz können Radio- und Fernsehsendungen aus dem Ausland empfangen werden (u. a. französische, luxemburgische, niederländische, deutsche, britische und italienische Programme). In Belgien werden 29 Tageszeitungen vertrieben, etwa zwei Drittel erscheinen in französischer Sprache. 5 VERWALTUNG UND POLITIK Belgien ist eine konstitutionelle Monarchie. Staatsoberhaupt ist der König, der vorwiegend repräsentative Funktion hat. Die belgische Verfassung wurde 1831 verabschiedet und 1893, 1921, 1970, 1971, 1980, 1989 und letztmals 1993 geändert. 1970 wurden zahlreiche Reformen zur Beilegung des Sprachenstreits durchgeführt; dabei wurde auch eine neue Verwaltungsgliederung beschlossen. Viele Befugnisse liegen bei den drei Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel. 5.1 Exekutive Die Exekutive liegt beim Monarchen, der den Ministerpräsidenten, die Minister und die Richter ernennt. Der Monarch ist Oberbefehlshaber der Armee. Zu seinen Rechten gehören darüber hinaus die Einberufung und Auflösung des Parlaments, die Verleihung von Adelstiteln und die Bewilligung von Gnadengesuchen. Jeder königliche Akt muss von einem Minister gegengezeichnet werden, der dafür dem Parlament gegenüber verantwortlich ist. Es ist die Pflicht des Monarchen, ein Kabinett zu vereidigen, das den Mehrheitsverhältnissen im Parlament entspricht. 5.2 Legislative Die Legislative liegt beim Parlament, das aus dem Senat (Sénat, Senaat) und dem Abgeordnetenhaus (Chambre des Représentants, Kamer van Volksvertegenwoordigers) besteht. Der Senat hat 71 Mitglieder, von denen 40 direkt gewählt und 31 größtenteils durch die Regionalparlamente ernannt werden. Die Legislaturperiode der Senatsmitglieder beträgt vier Jahre. Das Abgeordnetenhaus setzt sich aus 150 Mitgliedern zusammen, die durch freie Wahlen für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt werden. Ab dem 18. Lebensjahr besteht Wahlpflicht. 5.3 Judikative Die belgische Verfassung schreibt ein unabhängiges Rechtswesen vor. Das Zivilrecht beruht im Wesentlichen auf dem französischen Code Napoléon. Die höchsten Gerichte Belgiens sind der Oberste Kassationshof und fünf Zivil- und Strafappellationsgerichtshöfe. Auf der nächsten Stufe stehen die fünf Berufungsgerichte in Antwerpen, Brüssel, Gent, Lüttich und Mons sowie fünf Arbeitsgerichtshöfe. Daneben gibt es Bezirksgerichte und Friedensgerichte. Das Schwurgericht nimmt sowohl zivil- als auch strafrechtliche Fälle an. Das Urteil wird in allen Fällen mit der Mehrheit von zwölf Geschworenen gefällt. 1989 wurde ein Sondergericht eingeführt, um die Verfassungskonflikte zu klären, die sich aus der Machtverschiebung von der zentralen Regierung zu den Regionsregierungen ergeben. 5.4 Kommunalverwaltung Seit dem Föderalisierungsgesetz von 1980 bestehen in Belgien drei Regionen (Flandern, Wallonien und die Hauptstadtregion Brüssel), drei Gemeinschaften (die flämisch-, französisch- und deutschsprachige) und vier Sprachgebiete. Die Regionen haben eigene Parlamente, die für das Bildungs- und Gesundheitswesen sowie für Bereiche wie Raumordnung, Umwelt, Naturschutz etc. zuständig sind. Darüber hinaus ist Belgien in zehn Provinzen (je fünf in Flandern und Wallonien) sowie 589 Gemeinden gegliedert. Die Provinzen sind Antwerpen, Flämisch-Brabant, Ostflandern, Westflandern und Limburg in Flandern sowie Hennegau, Lüttich, Luxemburg, Namur und Wallonisch-Brabant in Wallonien. Die einzelnen Provinzen haben einen eigenen Provinziallandtag (Provinzrat) mit 50 bis 90 direkt gewählten Mitgliedern. Jede Gemeinde hat einen Bürgermeister, der vom König ernannt wird. Der Gemeinderat wird für sechs Jahre gewählt. Die Gemeindeverwaltungen haben auf allen Ebenen relativ große Entscheidungsfreiheit. 5.5 Politik Aus den ursprünglich flämischen und wallonischen Flügeln der drei großen Parteien sind in den siebziger Jahren selbständige Parteien hervorgegangen. Die wichtigsten sind die beiden christdemokratischen Parteien Christen-Democratisch en Vlaams (CD&V), die 2003 aus der Christlijke Volkspartij (CVP) hervorging, und Parti Social Chrétien (PSC), die beiden sozialistischen Parteien Socialistische Partij (SP) und Parti Socialiste (PS) sowie die beiden liberalen Parteien Vlaamse Liberalen en Demokraten (VLD) und Parti Réformateur Libéral-Front Démocratique des Bruxellois Francophones (PRL-FDF). Weitere Parteien sind der rechtsextreme Vlaams Belang (VB), die Nachfolgeorganisation des Vlaams Blok, die flämische Volksunie (VU), der Rassemblement Wallon und zahlreiche kleinere Parteien wie etwa die flämischen und die wallonischen Grünen (Anders Gaan Leven bzw. Ecolo). 5.6 Verteidigung Belgien ist Gründungsmitglied der NATO (North Atlantic Treaty Organization: Nordatlantikpakt), deren Hauptquartier in Brüssel ist. Es besteht keine Wehrpflicht. Militärische Ausbildung und Ausrüstung werden entsprechend einem Abkommen von 1948 mit den Niederlanden abgestimmt. 1994 wurde beim Militär aus Kostengründen eine Stellenkürzung von über 80 000 Stellen auf etwa 40 000 vorgenommen. 6 WIRTSCHAFT In Belgien sind vor allem die Wirtschaftssektoren Industrie und Dienstleistungen gut entwickelt. Während nur 2 Prozent der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft arbeiten, sind 25 Prozent in der Industrie und 73 Prozent in Dienstleistungsunternehmen beschäftigt. Mehr als zwei Drittel aller Arbeitnehmer sind in drei Gewerkschaftsverbänden organisiert, dem Arbeiterverband (Fédération Générale du Travail de Belgique), dem Verband christlicher Gewerkschaften (Confédération des Syndicats Chrétiens) und dem Verband liberaler Gewerkschaften. Belgien importiert große Mengen an Rohstoffen, die dann zu Produkten verarbeitet werden, die schließlich wieder in den Export gehen - die Wirtschaft des Landes ist stark exportorientiert. Der Großteil der Industrie, einschließlich der Stahl-, Kohle-, Erdöl- sowie chemischen Industrie, wird von sechs Großunternehmen kontrolliert. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt 394 033 Millionen US-Dollar (2006). Davon wurden 74,7 Prozent im Dienstleistungssektor, 24,3 Prozent in der Industrie und nur 1 Prozent in der Landwirtschaft erzielt. Das BIP pro Kopf beläuft sich auf umgerechnet 37 381,40 US-Dollar. 6.1 Landwirtschaft Der Agrarsektor ist überwiegend kleinbetrieblich strukturiert und deckt etwa 60 Prozent des gesamten Nahrungsmittelbedarfs Belgiens. Circa 45 Prozent der Fläche des Landes werden für den Anbau von Feldfrüchten oder zur Viehhaltung verwendet. Hauptanbauprodukte sind Zuckerrüben, Kartoffeln, Weizen und Gerste, daneben Obst, Tomaten, Hopfen, Tabak und Flachs. Darüber hinaus sind auch Viehzucht und Milchproduktion von großer Bedeutung. Belgien produziert etwa 95 Prozent seines Fleischbedarfs selbst und ist weitgehend unabhängig von Butter-, Eier- und Milchimporten. 6.2 Forstwirtschaft und Fischerei Etwa ein Fünftel der Fläche Belgiens ist von Wäldern bedeckt, die vor allem als Erholungsgebiete genutzt werden. In den letzten Jahren wurden im Rahmen von Aufforstungsmaßnahmen ausgedehnte Nadelwälder angelegt. Das für die Papierindustrie benötigte Holz wird importiert. Der größte Fischereihafen Belgiens ist Ostende. Die belgischen Fischer finden vor allem im Nordatlantik reiche Fischgründe. Gefangen werden hauptsächlich Heringe, Seezungen, Schollen, Kabeljaue, Sprotten und Garnelen. 6.3 Bergbau Die Reserven an Belgiens einzig bedeutendem Rohstoff, der Kohle, sind bereits zum größten Teil ausgebeutet. Die Kohlenförderung ging bereits im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts drastisch zurück. Dazu ein kurzer Einblick: 1986 wurden noch 5,6 Millionen Tonnen Kohle abgebaut, 1991 waren es nur noch 634 000 Tonnen und 1992 nur noch 278 000 Tonnen. Viele Kohlenbergwerke besonders in den südlichen Bergbauregionen um Mons, Charleroi, Lüttich und Namur wurden geschlossen. Unter diesem Umstand litten vor allem die wallonischen Industriegebiete. Ein Teil der heute benötigten Kohle wird im Campine-Becken im Norden des Landes gefördert. Ihren Hauptbedarf an Kohle deckt Belgiens Industrie durch Importe. Von geringerer wirtschaftlicher Bedeutung ist der Abbau von Zink, Blei, Kupfer und Mangan. 6.4 Industrie Belgiens bedeutendster Wirtschaftszweig ist die verarbeitende Industrie. Vor allem mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Jahr 1957 und der Einführung eines Regierungsprogramms zur Förderung von Investitionen erlebte die belgische Industrie einen enormen Aufschwung. Wichtige Stützpfeiler der belgischen Industrie bilden die Eisen- und Stahlindustrie, Metallverarbeitung, der Maschinen- und Fahrzeugbau, die chemische und petrochemische sowie pharmazeutische Industrie. Ebenfalls große Bedeutung kommen der Glas- und Papierindustrie, der Nahrungs- und Genussmittelindustrie sowie der Textilindustrie zu. Die Hauptstandorte der belgischen Textilindustrie konzentrieren sich vor allem auf die Ballungsräume von Brügge, Brüssel, Gent und Lüttich sowie auf die Städte Limburg, Kortrijk (französisch Courtrai) und Mechelen. Saint-Nicholas ist ein Zentrum der Teppichindustrie. Der in Antwerpen konzentrierten Verarbeitung von Diamanten, insbesondere der Produktion von geschliffenen Industriediamanten, kommt weltweit ein hoher Stellenwert zu. 6.5 Energie Belgien deckt 57,14 Prozent seines Energiebedarfs mit Atomkraft, 40,44 Prozent werden aus fossilen Energieträgern gewonnen, die Anteile regenerativer Energiequellen sind sehr gering. Im Januar 2003 beschloss das Parlament den Ausstieg des Landes aus der Kernenergie bis zum Jahr 2025, der erste Reaktor soll bis 2015 abgeschaltet werden. 6.6 Währung und Bankwesen Währungseinheit ist seit dem 1. Januar 2002 der Euro zu 100 Cents, der den Belgischen Franc (= 100 Centimes) als Währung ablöste. Die Nationalbank von Belgien (Banque Nationale de Belgique) ist das oberste Organ des belgischen Bankensystems. Sie wurde 1850 gegründet und gibt die Banknoten in Belgien aus. 6.7 Außenhandel Der Außenhandel Belgiens erfolgt über die Handelsunion mit Luxemburg (BLEU), die 1921 gegründet wurde. Bis 1990 arbeitete diese Handelsunion mit einem doppelten Wechselkurs. Der Belgische Franc war in Luxemburg anerkanntes Zahlungsmittel. 1948 schlossen sich Belgien, Luxemburg und die Niederlande zu einer Zollunion zusammen. 1958 wurde die Wirtschaftsunion durch einen Staatsvertrag vollzogen. 1960 folgte die Ratifizierung dieses Vertrages durch die Gründung der ,,Union Economique Benelux" (Benelux-Vertrag). Der ratifizierte Vertrag beinhaltet die vollständige Liberalisierung des Waren- und Kapitalverkehrs und den Austausch von Arbeitskräften zwischen den drei Ländern. Wichtige Importprodukte sind u. a. Maschinen und Fahrzeuge, Transportanlagen, lebende Tiere, chemische Erzeugnisse, elektrische Geräte, Schmuck, Textilprodukte und Nahrungsmittel. Exportiert werden beispielsweise Eisen- und Stahlwaren, Textilien, chemische Produkte, Maschinen- und Transportanlagen, Nahrungsmittel und Vieh sowie geschliffene Diamanten. Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Großbritannien, Italien und die USA sind die wichtigsten Handelspartner. 1951 wurde Belgien Mitglied in der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), sechs Jahre später war Belgien Gründungsmitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM). 6.8 Verkehrswesen Der Hauptzugang Belgiens zum Meer erfolgt über die in den Niederlanden liegenden Mündungen von Schelde und Maas. Antwerpen liegt zwar etwa 85 Kilometer vom Meer entfernt, ist aber einer der größten Seehäfen Europas (weitere Seehäfen sind in Zeebrügge und Ostende). Die belgischen Flüsse sind über ein gut ausgebautes Kanalnetz miteinander verbunden (Albertkanal, Charleroi-Brüssel-Kanal und Brüssel-Rupel-Kanal). Die Gesamtlänge der Kanäle und schiffbaren Flüsse beträgt etwa 1 600 Kilometer. Das Straßennetz umfasst 150 567 Kilometer (2004). Mit einer Länge von 3 542 Kilometern (2005) hat Belgien ein überaus dichtes Schienennetz. Die belgische Eisenbahn ist ein staatlich geführtes Unternehmen. Die nationale Fluggesellschaft Sabena fliegt weltweit zahlreiche bedeutende Großstädte an. 6.9 Tourismus Zu den bevorzugten Zielen des Fremdenverkehrs gehören neben der Hauptstadt Brüssel weitere historisch bedeutende Städte wie etwa Antwerpen, Gent und Brügge. Während in den Ardennen ausgezeichnete Möglichkeiten für Wanderungen bestehen, ist der Badetourismus an der Küste vor allem in den Seebädern Ostende, Knokke und Zeebrügge gut entwickelt. 7 GESCHICHTE Belgien als selbständiger Staat existiert erst seit 1830/31; sein Name allerdings verweist auf eine lange Geschichte: Er leitet sich her von den Belgen, einem vorwiegend keltischen Stammesverband, bzw. von der Bezeichnung Gallia Belgica für diejenige römische Provinz, die in etwa das heutige Belgien, die Niederlande und Nordostfrankreich umfasste und sich linksrheinisch bis ins Gebiet der heutigen Schweiz nach Süden zog. Im Zuge der Völkerwanderung kamen ab dem 3. Jahrhundert Franken in den Norden der Provinz Gallia Belgica (und begründeten damit die romanisch-germanische Sprachgrenze). Seit dem 5. Jahrhundert gehörte das Gebiet zum expandierenden Frankenreich; bei der Teilung des Karolingerreiches durch den Vertrag von Verdun 843 kam der größte Teil des heutigen Belgien mit Ausnahme von Flandern im Westen an das Mittelreich bzw. Lotharingien (Lothringen) und mit Lothringen 880, endgültig 925 an das Westreich bzw. das im Entstehen begriffene Heilige Römische Reich. Die Grafschaft Flandern wurde französisches Lehen. 1384/85 kam Flandern und in der Folgezeit auch der Rest des heutigen Belgiens an das Herzogtum Burgund. Die Versuche der burgundischen Herrscher, ihre Ländereien zu einem starken burgundischen Reich zwischen Frankreich und Deutschland zu vereinen, endeten mit dem Tod des letzten burgundischen Herzogs Karl dem Kühnem 1477. 7.1 Habsburgische Herrschaft 1477 heiratete Maria von Burgund, die Erbtochter Karls des Kühnen, Maximilian von Österreich, den späteren Kaiser Maximilian I. Damit ging das gesamte burgundische Reich, außer dem Herzogtum Burgund selbst und der Picardie, an die Habsburger. 1506 ging das burgundische Erbe über Maximilians und Marias Sohn Philipp den Schönen an dessen Sohn Karl, den späteren Kaiser Karl V., über. 1555 überließ Karl V. seine burgundischen Länder, d. h. auch die alten Niederlande, seinem Sohn Philipp II. von Spanien. In Reaktion auf die rigorosen Rekatholisierungsbestrebungen (siehe Gegenreformation) Philipps II., aber auch auf wirtschaftliche Restriktionen und die Angriffe auf die niederländische Selbstverwaltung seitens des spanischen Königs kam es in den Niederlanden zunehmend zu Unruhen, die 1566 im Bildersturm in Flandern einen ersten Höhepunkt erreichten. Die blutige Strafexpedition des neuen spanischen Statthalters in den Niederlanden, des Herzogs von Alba, provozierte neuerliche Unruhen, die sich schließlich zum Niederländischen Freiheitskampf (1568-1648) ausweiteten. 1576 traten die 17 Provinzen der Niederlande mit der Genter Pazifikation ein letztes Mal als vereinte politische Kraft gegen Spanien auf. 1579 kam es zur Spaltung: Die zehn südlichen, katholisch-aristokratischen Provinzen verbanden sich zur Union von Arras, schlossen Frieden mit Spanien und blieben als Spanische Niederlande unter spanischer Herrschaft; sie bildeten den Kern des heutigen Belgien. Die sieben nördlichen, calvinistisch-bürgerlichen Provinzen schlossen sich zur Union von Utrecht zusammen, sagten sich 1581 als ,,Republik der Vereinigten Niederlande" bzw. Generalstaaten von Spanien los und setzten ihren Freiheitskampf gegen Spanien fort. Im Westfälischen Frieden 1648 wurden die Vereinigten Niederlande schließlich formal als selbständiger Staat anerkannt und damit im Wesentlichen die belgisch-niederländische Grenze fixiert. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges waren die Spanischen Niederlande ein bevorzugtes Ziel der antihabsburgischen Expansionspolitik Frankreichs unter Ludwig XIV. Im Pyrenäenfrieden (1659), dem Frieden von Aachen am Ende des Devolutionskrieges (1668) und dem Frieden von Nimwegen (1678) musste Spanien wichtige Gebiete und Festungen im Westen und Südwesten der Spanischen Niederlande an Frankreich abtreten, u. a. Cambrai, Lille, Arras und Dünkirchen. Nach dem Tod des letzten spanischen Habsburgers und dem um seine Nachfolge ausgebrochenen Spanischen Erbfolgekrieg, der sich zu einem nicht geringen Teil in den Spanischen Niederlanden abspielte, kamen die Spanischen Niederlande im Frieden von Utrecht 1713 bzw. Rastatt 1714 an die österreichischen Habsburger; sie wurden nun als Österreichische Niederlande bezeichnet. Zugleich nahm die Grenze zu Frankreich in etwa ihre heutige Gestalt an. Während des Österreichischen Erbfolgekrieges (1740-1748) waren die Österreichischen Niederlande ab 1745 von Frankreich besetzt; im Frieden von Aachen (1748) kamen sie wieder an Österreich zurück. Unter österreichischer Herrschaft erlebten die Niederlande eine Zeit des Friedens (mit Ausnahme der Zeit des Erbfolgekrieges), des wirtschaftlichen Wiederaufschwungs und der kulturellen Blüte. Die Österreichischen Niederlande insgesamt waren ein nahezu selbständiger Staat, nur durch Personalunion mit den österreichischen Landen verbunden, und die einzelnen Provinzen waren weitgehend autonom. Als dann allerdings Kaiser Joseph II. nach 1780 seine Reformpolitik (siehe Josephinismus) auch auf die Österreichischen Niederlande ausdehnte, u. a. also auch die Verwaltung zentralisierte, die Autonomie der Provinzen deutlich beschnitt und die Österreichischen Niederlande insgesamt enger an Österreich anzubinden suchte, kam es wieder zu Unruhen in den Niederlanden, die 1789, parallel zur Französischen Revolution, in einem Aufstand gegen die Österreichische Herrschaft und in der Vertreibung der Österreicher 1790 kulminierten. Die Österreichischen Niederlande erklärten sich sogleich als Vereinigte Belgische Staaten für unabhängig; aber noch 1790 konnten die Österreicher unter Josephs Nachfolger Leopold II., der einige der josephinischen Reformen wieder zurücknahm, ihre Herrschaft über die Niederlande wiederherstellen. 1792 besetzte im Rahmen des 1. Koalitionskrieges das revolutionäre Frankreich die Österreichischen Niederlande, 1793 eroberten die Österreicher ihre Niederlande zurück, 1794 besetzten erneut die Franzosen das Land. Im Frieden von Campo Formio 1797 trat Österreich die Österreichischen Niederlande formell an Frankreich ab. 7.2 Französische und niederländische Herrschaft Die ehemals Österreichischen Niederlande wurden in das französische Staatsgebiet eingegliedert und verwaltungstechnisch und rechtlich als Teil Frankreichs behandelt. Die französische Herrschaft war wenig beliebt, brachte dem Land aber politische und vor allem wirtschaftliche Vorteile: Durch die Eingliederung des Bistums Lüttich wurde das Territorium vergrößert und vereinheitlicht; durch die Wiedereröffnung der Schelde für die Schifffahrt erlebte Antwerpen einen Wiederaufschwung als Handelszentrum, und durch die Kontinentalsperre wurden die Grundlagen für den industriellen Aufstieg des späteren Belgien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelegt. 1814 wurde das Land von der antinapoleonischen Koalition besetzt, und 1815 war es Schauplatz der letzten und entscheidenden Schlacht gegen Napoleon, der Schlacht bei Waterloo. Im Zuge der Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress 1815 wurden die südlichen, ehemals Österreichischen Niederlande mit den nördlichen, der Republik der Vereinten Niederlande, und dem ehemaligen Bistum Lüttich zum ,,Königreich der Niederlande" unter dem nordniederländischen Haus Oranien-Nassau vereinigt. Der protestantische König Wilhelm I. betrieb eine rigide, reaktionäre Einigungspolitik, die den überwiegend katholischen Süden nicht nur vor den Kopf stieß, sondern trotz formeller Gleichberechtigung auch benachteiligte. Dies sowie das unter der französischen Herrschaft gewachsene Nationalbewusstsein der Belgier führten zu wachsender Unzufriedenheit mit dem neuen Staat und schließlich zum Aufstand. 7.3 Unabhängigkeit und Neutralität Nach der Julirevolution in Frankreich 1830 brach am 25. August 1830 in Brüssel der belgische Aufstand gegen die nordniederländische Herrschaft aus. Die Aufständischen - eine Koalition aus Katholiken und Liberalen - vertrieben die Niederländer aus Brüssel, und im Rahmen der so genannten Septemberrevolution wehrten sie erfolgreich die niederländische Offensive zur Rückeroberung Belgiens ab. Am 4. Oktober 1830 proklamierte eine provisorische Regierung die Unabhängigkeit Belgiens; im Dezember 1830 anerkannten die europäischen Großmächte auf ihrer Londoner Konferenz die Unabhängigkeit Belgiens. Am 7. Februar 1831 gab sich Belgien eine liberale Verfassung, die Vorbildcharakter für verschiedene andere liberale Verfassungen in Europa hatte und mit der die konstitutionelle Monarchie in Belgien etabliert wurde, und am 4. Juni 1831 wurde Leopold I. aus dem Hause Sachsen-Coburg-Saalfeld zum ,,König der Belgier" (1831-1865) gewählt. Am 15. Oktober bestätigten die europäischen Großmächte auf einer weiteren Konferenz in London die Unabhängigkeit Belgiens. Die Niederlande verweigerten die Anerkennung der Unabhängigkeit Belgiens, versuchten in den Jahren 1831 bis 1833, Belgien zurückzuerobern, scheiterten aber vor allem auch am französischen Eingreifen. Erst im Londoner Protokoll vom 19. April 1839 erkannten die Niederlande das unabhängige Belgien an; zugleich wurden im Londoner Protokoll die Grenzen Belgiens festgelegt (Belgien erhielt Teile von Luxemburg und Limburg); außerdem erklärten die Großmächte Belgien für neutral und sich selbst zu Garanten der Neutralität. Sowohl politisch wie auch wirtschaftlich konsolidierte sich der neue Staat rasch. Zwar war die Koalition zwischen Katholiken und Liberalen bald in Rivalität umgeschlagen, aber der liberal-katholische Gegensatz, der sich vor allem auch um die Schulaufsicht drehte, konnte nach und nach beigelegt werden, z. B. 1879 durch ein liberales Schulgesetz. In wirtschaftlicher Hinsicht nahm Belgien, besonders das französischsprachige Wallonien, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf dem europäischen Kontinent eine Vorreiterrolle in der Industrialisierung ein. Dank seiner wirtschaftlichen Stärke gewann Wallonien eine bevorzugte Stellung innerhalb des Gesamtstaates und drängte die flämischsprachigen Regionen in den Hintergrund. Zudem waren die französischsprachigen Wallonen als die reiche Oberschicht, gemessen an ihrem geringeren Bevölkerungsanteil, in Politik und Verwaltung gegenüber den Flamen deutlich überrepräsentiert. Dieses politische Ungleichgewicht ließ die wallonisch-flämische Sprachenfrage allmählich zum drängenden Problem werden. Zwar wurde in Flandern die flämische Sprache per Gesetz von 1873, 1878 und 1888 der bislang alleinigen Amtssprache Französisch als Schul- und Amtssprache gleichgestellt; in der Praxis wurde jedoch vielfach gegen diese Gesetze verstoßen. Die rasche Industrialisierung und die hohe Bevölkerungsdichte (die höchste in Europa) und die damit immer dringlicher werdende soziale Frage ließen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die Sozialdemokratie in Belgien rasch erstarken. Die sich zunehmend organisierenden Sozialdemokraten erzwangen Verbesserungen in der Arbeitsgesetzgebung, und durch einen Generalstreik erreichten sie 1893 die Einführung des allgemeinen Wahlrechts für Männer, das allerdings das Besitz- und Bildungsbürgertum weiterhin bevorzugte. Leopolds Sohn und Nachfolger Leopold II. (1865-1909) konzentrierte sich auf die Kolonialpolitik. Ab den späten siebziger Jahren betrieb er die Erforschung und Erschließung des Kongo (vor allem durch den britischen Afrikaforscher Sir Henry Morton Stanley), die in den achtziger Jahren in die Errichtung des Kongo-Freistaates ( siehe Demokratische Republik Kongo) mündete. Die internationale Berliner Kongokonferenz bestätigte 1885 den Kongo-Freistaat als persönlichen Besitz König Leopolds. Wie Belgien selbst so erhielt auch der Kongo-Freistaat neutralen Status. Die Rücksichtslosigkeit, mit der Leopold den Kongo-Freistaat ausbeutete, führten ab der Jahrhundertwende sowohl zu Unruhen im Kongo als auch zu internationalen Protesten und Untersuchungen, in deren Folge sich Leopold 1908 gezwungen sah, den KongoFreistaat als Kolonie an den belgischen Staat zu übertragen. Leopolds II. Nachfolger Albert I. (1909-1934) reformierte die Verwaltung des Kongo tief greifend. 7.4 1. Weltkrieg Am 2. August 1914, bei Ausbruch des 1. Weltkrieges, forderte das Deutsche Reich im Vorfeld seines Angriffs auf Frankreich, der nach dem Schlieffenplan durchgeführt werden sollte, Belgien ultimativ auf, den deutschen Truppen den freien Durchmarsch nach Frankreich zu gewähren. Belgien lehnte ab; die deutschen Truppen marschierten am 4. August unter Verletzung des neutralen Status in Belgien ein (und provozierten damit die britische Kriegserklärung an Deutschland) und besetzten fast ganz Belgien; nur ein kleines Gebiet im Nordwesten konnte von den Belgiern gehalten werden. Das Land kam unter die Verwaltung deutscher Generalgouverneure und wurde entsprechend den Sprachgrenzen in Verwaltungseinheiten eingeteilt. Während des Krieges litt Belgien außerordentlich schwer durch die an die Deutschen zu entrichtenden Kontributionen, durch die Deportationen belgischer Arbeiter nach Deutschland sowie weitere Repressionen gegen die Zivilbevölkerung, vor allem aber durch die Materialschlachten in der zweiten Kriegshälfte besonders im Westen Belgiens. Trotz allem lehnte es Albert ab, die Neutralität ganz aufzugeben und sich den Alliierten mit allen Konsequenzen anzuschließen; er beharrte auf dem Status eines Assoziierten. 7.5 Zwischenkriegszeit Im Versailler Vertrag, der den 1. Weltkrieg beendete, erhielt Belgien Eupen-Malmedy und Moresnet vom Deutschen Reich, außerdem das Mandat des Völkerbundes über die bislang deutsche Kolonie Ruanda-Urundi, und schließlich wurde die Neutralität Belgiens aufgehoben. Nach der Aufhebung der Neutralität orientierte sich Belgien außenpolitisch an Frankreich. 1919 schloss Belgien eine Militärkonvention mit Frankreich, beteiligte sich ab 1921 an der Besetzung des Ruhrgebietes, und 1925 schloss es neben Frankreich, Großbritannien und anderen den Locarnopakt mit dem Deutschen Reich, der die Unverletzlichkeit der deutschen Westgrenze, d. h. auch der belgisch-deutschen Grenze garantierte. Alberts Nachfolger Leopold III. (1934-1951) gab 1936 die Anlehnung an den Westen wieder auf, kündigte die Militärkonvention mit Frankreich und erklärte Belgien erneut für neutral. Nach dem Krieg wurde Belgien (wie schon zeitweise während des Krieges) bis 1921 von einer großen Koalition aus Katholischer Partei, Liberalen und Sozialisten regiert, deren vordringliche Aufgabe der Wiederaufbau des Landes und die Durchführung von Reformen waren. 1919 wurden der Achtstundentag und die Rentenversicherung sowie das gleiche Wahlrecht für Männer eingeführt. Letzteres brachte den Sozialisten große Zugewinne, so dass sie die Liberalen als zweitstärkste Kraft nach den Katholiken ablösen konnten. Von 1921 bis 1935 waren die Sozialisten mit Ausnahme der Jahre 1925 bis 1927 in der Opposition; die Regierung lag zumeist in den Händen einer katholisch-liberalen Koalition, den Ministerpräsidenten stellten meist die Katholiken. Angesichts der katastrophalen Staatsfinanzen kam 1935 erneut eine große Koalition aus Katholiken, Liberalen und Sozialisten zustande, an deren Spitze 1938/39 der Sozialist Paul-Henri Spaak stand. Seit den zwanziger Jahren trat wieder der wallonisch-flämische Sprachenstreit in den Vordergrund. Durch Sprachengesetze von 1932 und 1938, die für Flandern und Wallonien die jeweilige Sprache als Amts-, Schul- und Gerichtssprache festlegten und nur für die Gebiete an den Sprachgrenzen sowie für Brüssel weiterhin die Zweisprachigkeit vorschrieben, konnte der Streit vorübergehend beruhigt werden. 7.6 2. Weltkrieg Zu Beginn des 2. Weltkrieges richtete Belgien zusammen mit den Niederlanden einen Friedensappell an die Kriegsparteien - ohne jeden Erfolg. Am 10. Mai 1940 marschierten deutsche Truppen, erneut unter Verletzung der Neutralität, in Belgien ein und drängten innerhalb kurzer Zeit die belgischen und alliierten Truppen über die belgische Westgrenze zurück. Ende Mai unterzeichnete Leopold III. als Oberbefehlshaber der belgischen Armee gegen den Willen seiner Regierung die Kapitulation; die Regierung erklärte die Kapitulation für ,,illegal und verfassungswidrig" und mit Unterstützung des Parlaments den König für amtsenthoben und ging über Paris nach London ins Exil. Leopold blieb als deutscher Kriegsgefangener in Belgien. Belgien wurde einer deutschen Militärverwaltung unterstellt; die Wirtschaft wurde für die deutsche Kriegsführung ausgebeutet, Arbeitskräfte wurden ins Deutsche Reich und zahllose Juden in die Vernichtungslager im Osten deportiert, die Zivilbevölkerung war zahlreichen Repressionen ausgesetzt. Unterstützt wurde das deutsche Besatzungsregime dabei von der 1930 entstandenen faschistischen Rexbewegung; sie kollaborierte eng mit der deutschen Verwaltung. Im Zuge des Vormarsches der Alliierten nach ihrer Landung in der Normandie im Juni 1944 mussten die Deutschen im September 1944 Belgien räumen. Die Exilregierung kehrte sogleich nach Brüssel zurück und zwang Leopold III. mit dem Vorwurf der Kollaboration, zugunsten seines Bruders Karl auf sein Amt zu verzichten. Ende 1944 war Belgien Schauplatz der deutschen Ardennenoffensive. 7.7 Nachkriegszeit Die ersten Jahre nach dem 2. Weltkrieg waren geprägt von der Auseinandersetzung mit der Rolle der Belgier während der deutschen Besatzung, allen voran mit der Rolle des Königs. Gegen Tausende Belgier wurden Verfahren wegen Kollaboration mit den Deutschen eingeleitet. Nach dem Krieg formierten sich die Katholiken als christlich-demokratische Christelijke Volkspartij (CVP) und Parti Social Chrétien (PSC) neu; sie blieben in der Folgezeit stärkste Kraft, gefolgt von den sozialistischen Parteien Socialistische Partij (SP) und Parti Socialiste (PS) und den liberalen Parteien Partij voor Vrijheid en Vooruitgang (PVV) und Parti Réformateur Libéral (PRL) sowie mehreren kleineren Parteien. Obwohl stärkste Kraft, mussten die Christdemokraten die Regierung bis in die sechziger Jahre häufig den Sozialisten überlassen und sich selbst mit der Oppositionsrolle begnügen. Außenpolitisch verabschiedete sich Belgien erneut von seinem neutralen Status. Zunächst vor allem wirtschaftlich, dann aber auch politisch kooperierte Belgien nun eng mit den Nachbarstaaten Niederlande und Luxemburg; zusammen bildeten sie die so genannten Beneluxstaaten. 1945 trat Belgien als Gründungsmitglied den Vereinten Nationen bei, zusammen mit den Niederlanden und Luxemburg 1948 dem Brüsseler Pakt, der späteren Westeuropäischen Union, und 1949 der NATO. 7.8 Kontroverse um den Monarchen Nach schweren Regierungskrisen und innenpolitischen Kontroversen um die Wiedereinsetzung Leopolds III. votierten am 12. März 1950 in einer Volksabstimmung 57,6 Prozent der Wähler für eine Rückkehr Leopolds auf den Thron. Am 20. Juli bestätigte das Parlament die öffentliche Meinung und rief Leopold III. auf den Thron zurück. Wenig später sah sich der König allerdings durch einen von Sozialisten und Kommunisten ausgerufenen Generalstreik zum Thronverzicht gezwungen; nach Beratungen mit der Regierung erklärte er sich am 1. August 1950 zum Rücktritt bereit, und am 16. Juli 1951 dankte er zugunsten seines Sohnes Baudouin I. ab. 7.9 Zusammenarbeit mit Europa Die fünfziger Jahre waren geprägt von den gemeinsamen Bestrebungen der westeuropäischen Staaten, sich zu einer politischen und wirtschaftlichen Union zusammenzuschließen. In diesem Prozess spielte Belgien eine wichtige Rolle: 1951 war Belgien maßgeblich am Zustandekommen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, Montanunion) beteiligt; 1952 trat es der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft bei, und nachdem diese 1954 am französischen Veto gescheitert war, engagierte sich Paul-Henri Spaak, damals Außenminister, für einen engeren politischen und wirtschaftlichen Zusammenschluss der westeuropäischen Staaten, der 1957 mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG, die heutige Europäische Union) mit Sitz in Brüssel verwirklicht wurde. Ebenfalls 1957 wurde Belgien Mitglied der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM). 7.10 Die Krise des Königreiches und der Nation Im Zuge der allgemeinen Dekolonisation entwickelte die belgische Regierung Pläne für eine sukzessive Entlassung ihrer Kolonie Belgisch-Kongo (des ehemaligen KongoFreistaates, heute die Demokratische Republik Kongo) in die Unabhängigkeit. Als aber 1959 schwere Unruhen im Kongo ausbrachen, entließ König Baudouin die Kolonie am 30. Juni 1960 - früher als geplant - in die Unabhängigkeit. Am 1. Juli 1962 erlangte auch das noch immer belgisch verwaltete UN-Treuhandgebiet Ruanda-Urundi als Ruanda und Burundi die Unabhängigkeit. Die rigorose Sparpolitik, die sich die Regierung nach dem Wegfall der Kolonie durchzusetzen gezwungen sah, sowie die Krise in der vor allem in Wallonien angesiedelten Schwerindustrie und der gleichzeitige wirtschaftliche Aufschwung Flanderns führte in den sechziger Jahren zu einem Wiederaufleben des Sprachenstreites, der nun weite Bereiche der Innenpolitik und vielfach auch die Regierungsbildung zu dominieren begann: Mehrere der seit 1958 fast ausschließlich CVP-geführten Koalitionen zerbrachen am wallonisch-flämischen Konflikt. Die gesetzliche Fixierung der Sprachgrenze 1962 konnte das Problem nicht lösen; die Aufteilung des Einheitsstaates Belgien in die drei Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel 1970 zog Konflikte hinsichtlich der Durchführung der Regionalisierung und in deren Folge häufige Regierungswechsel nach sich. Unter dem Christdemokraten Wilfried Martens, der von 1979 bis 1992 mit einer kurzen Unterbrechung 1981 als Ministerpräsident an der Spitze wechselnder Koalitionen stand, beruhigte sich die Situation vorübergehend. 1980 wurde ein Föderalisierungsgesetz erlassen, das einige Bereiche, vor allem die Kultur, aber z. B. auch die regionale Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik, in die alleinige Zuständigkeit der drei Regionen überantwortete. 7.11 Bundesstaat Im Juli 1988 verabschiedete das Parlament eine Verfassungsänderung und leitete damit die wichtigste Phase der Umwandlung des Einheits- in einen Bundesstaat ein. Die Regionen erhielten damit mit Wirkung von 1989 an weitgehende Autonomie in den Bereichen Wirtschafts-, Finanz-, Arbeits-, Energie-, Umwelt- und Bildungspolitik. Im August 1991 beschloss die Regierung die letzte Stufe der Staatsreform: Die Regionen sollten eigene direkt gewählte Parlamente erhalten, begrenzte Steuerhoheit sowie das Recht, in den Bereichen Kultur, Bildung, Gesundheit, Naturschutz und Energiepolitik internationale Verträge abzuschließen. Bei den Parlamentswahlen im November 1991 erlitt die christlichdemokratisch-sozialistische Regierungskoalition schwere Verluste. Nachdem Wilfried Martens keine mehrheitsfähige Regierung zustande brachte, beauftragte König Baudouin Jean-Luc Dehaene, ebenfalls Christdemokrat, mit der Regierungsbildung. Dehaene ging eine Koalition mit den Sozialisten ein, die zwar über die Mehrheit im Parlament verfügte, nicht aber über die Zweidrittelmehrheit, die zur Durchführung der letzten Stufe der Staatsreform, d. h. zu einer Verfassungsänderung notwendig war. Am 6. Februar 1993 verabschiedete das Parlament schließlich nach langen Verhandlungen die unterdessen leicht modifizierte Staatsreform, die auch eine Reduzierung der Mandate in Abgeordnetenhaus und Senat einschloss. Am 8. Mai 1993 trat die Verfassungsänderung in Kraft; im ersten Artikel der Verfassung wird Belgien nun als Bundesstaat definiert. Die erhoffte langfristige Beruhigung des wallonisch-flämischen Konflikts blieb jedoch aus; auch in der Folgezeit kam es immer wieder zu zum Teil gewalttätigen Ausschreitungen, und vor allem das finanzstärkere Flandern fordert weitergehende, vor allem finanzielle Autonomie der Regionen ein. Am 31. Juli 1993 starb König Baudouin I., Nachfolger wurde sein Bruder Albert II. Im Juli 1992 ratifizierte das Parlament den Vertrag von Maastricht. Um die Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen, leitete Dehaene einen rigorosen Sparkurs ein, über den die Koalition mit den Sozialisten beinahe zu zerbrechen drohte. Nach den Wahlen vom Mai 1995, bei denen die Christdemokraten leicht verloren, die Sozialisten leicht hinzugewannen, setzte Dehaene die Koalition mit den Sozialisten fort, desgleichen seinen Sparkurs, um die Kriterien zur Aufnahme in die Europäische Währungsunion zu erfüllen. Im März 1995 schaffte Belgien die Wehrpflicht ab und im Juni 1996 als letztes Land der Europäischen Union auch die Todesstrafe. Ab dem Herbst 1996 befand sich Belgien innenpolitisch in einer Krise, ausgelöst durch die Festnahme des mehrfachen Kinderschänders und -mörders Marc Dutroux. Die Untersuchungen in diesem Fall brachten zahllose Versäumnisse, Schlampereien und Korruption in Polizei und Justiz zu Tage, provozierten in Belgien Massendemonstrationen gegen Politik und Verwaltung, die so genannten ,,Weißen Märsche", und veranlassten die Regierung Dehaene zur Vorlage eines umfangreichen Reformkatalogs, der die politischen Strukturen in Belgien demokratischer und durchschaubarer gestalten sollte. Daneben erschütterte die so genannte Agusta-Affäre die Glaubwürdigkeit der belgischen Politik: Hochrangige Politiker wie Willy Claes, Wirtschaftsminister von 1988 bis 1992 und anschließend NATO-Generalsekretär, sollen von dem italienischen Helikopterhersteller Agusta und dem französischen Flugzeugbauer Dassault Bestechungsgelder in Höhe von mehreren Millionen Franc angenommen haben. Im Mai 1998 wurde Belgien die Erfüllung der Konvergenzkriterien für die Teilnahme an der Einführung des Euro zum 1. Januar 1999 bescheinigt. Seit dem 1. Januar 2002 ist der Euro Währungseinheit in Belgien. Einen Monat nach den Parlamentswahlen vom 13. Juni 1999 vereidigte König Albert II. die Regierung des liberalen Ministerpräsidenten Guy Verhofstadt. Sie stützt sich auf eine Koalition aus flämischen und wallonischen Liberalen (VLD und PRL-FDF), flämischen und wallonischen Grünen (Anders Gaan Leven und Ecolo) sowie flämischen und wallonischen Sozialisten (SP und PS). Die Parlamentswahlen vom Mai 2003 bestätigten die Liberalen als stärkste Kraft, dicht gefolgt von den Sozialisten, die wie die Liberalen gegenüber 1999 hinzugewonnen hatten. Die Grünen dagegen verloren vier Fünftel ihrer Sitze, während der rechtsextreme, fremdenfeindliche, separatistische Vlaams Blok zur Besorgnis vieler demokratischer Kräfte erneut weiter erstarkt war. Liberale und Sozialisten einigten sich auf eine Fortführung ihrer Koalition, jedoch ohne die Grünen, und am 12. Juli 2003 wurde die neue sozialliberale Regierung mit Verhofstadt als Ministerpräsidenten vereidigt. Als erste Amtshandlung beschloss die neue Regierung, das 1993 geschaffene, umstrittene Völkermordgesetz abzuschaffen bzw. es dahingehend zu modifizieren, dass Klagen auf der Grundlage dieses Gesetzes nur noch dann möglich sind, wenn Opfer oder Täter entsprechender Menschenrechtsverletzungen belgische Staatsbürger oder seit längerem in Belgien wohnhaft sind. Nach dem alten Gesetz konnten in Belgien Menschenrechtsklagen gegen Personen weltweit eingereicht werden. Es lagen u. a. Klagen gegen den US-Präsidenten George W. Bush und Mitglieder seiner Regierung vor, gegen den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon sowie den britischen Premierminister Tony Blair, was zu erheblichen außenpolitischen Irritationen geführt hatte. Alle Verfahren ohne klaren Bezug zu Belgien wurden eingestellt. Eine weitere vordringliche Aufgabe der Regierung war die Reform der Sozialsysteme, die mit Einschnitten für Arbeitnehmer, Arbeitslose und Rentner einherging und teils heftige Proteste der Betroffenen hervorrief. Bei den Regionalwahlen in Flandern im Juni 2004 erfuhr der Vlaams Blok einen weiteren Zuwachs und wurde zweitstärkste Kraft hinter den Christdemokraten. Die Parteien der Zentralregierung hatten in Flandern ebenso wie in Wallonien, wo gleichzeitig gewählt wurde, und bei den Wahlen zum Europäischen Parlament zugunsten von Christdemokraten und Rechtsextremen Verluste hinzunehmen, was auch zu einer Schwächung der Zentralregierung führte. Das gegen den Vlaams Blok bzw. drei seiner Unterorganisationen anhängige Verfahren wegen Verstoßes gegen das Antirassismusgesetz, in dem im April 2004 ein erstes Urteil gegen die rechtsextremen Organisationen ergangen war, hatte offensichtlich keine negativen Auswirkungen auf das Wahlergebnis. Als im November 2004 das Oberste Gericht das Urteil vom April bestätigte, löste sich der Vlaams Blok auf, um einem Verbot und anderen Sanktionen zu entgehen, und gründete sich als Vlaams Belang neu. Die Parlamentswahlen im Juni 2007 bestätigten den Trend zu Lasten der Regierungsparteien: Die beiden liberalen, vor allem aber die sozialistischen Parteien verloren erheblich an Stimmen und damit ihre Mehrheit im Parlament, während die Christdemokraten deutlich hinzugewannen, insbesondere deren flämische Fraktion, die CD&V unter ihrem Spitzenkandidaten Yves Leterme, den der König nun mit der Regierungsbildung beauftragte. Allerdings war es Leterme auch nach sechs Monaten noch nicht gelungen, eine tragfähige Koalition zusammenzubringen; die Regierungsbildung scheiterte vor allem an dem flämisch-wallonischen Interessengegensatz in Bezug auf die künftige Struktur des Staates - insbesondere Flandern forderte größere Autonomie -, was das Land in eine tiefe Staatskrise führte. Unterdessen blieb Verhofstadt geschäftsführend, mit eingeschränkten Befugnissen und - aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Parlament - ohne großen Handlungsspielraum im Amt, bis er im Dezember 2007 - von König Albert II. formell beauftragt - eine Übergangsregierung bildete, die auf den 23. März 2008 befristet wurde und aus der dann eine vom Wahlsieger Leterme geführte Regierung hervorgehen sollte. Diese Übergangsregierung unter Verhofstadt als Übergangsministerpräsidenten umfasste fünf Parteien: flämische und wallonische Christdemokraten bzw. Konservative, flämische und wallonische Liberale sowie wallonische Sozialisten. Die Übergangsregierung brachte vor allem eine Staatsreform auf den Weg, die den drei Regionen Flandern, Wallonien und Brüssel größere Kompetenzen in einigen Bereichen zugestand; damit entschärfte sie vorerst den flämisch-wallonischen Interessengegensatz und schuf die Voraussetzung für die Bildung einer tragfähigen Koalition. In der Folge einigten sich die fünf Parteien auf einen Koalitionsvertrag, und am 20. März 2008 wurde die Übergangsregierung unter Verhofstadt plangemäß von der Fünf-Parteien-Regierung unter Leterme abgelöst. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

« 3.3. 1 Feiertage Die gesetzlichen Feiertage sind Neujahr (1.

Januar), Tag der Arbeit (1.

Mai), Nationalfeiertag (21.

Juli), Mariä Himmelfahrt (15.

August), Allerheiligen (1.

November),Waffenstillstandstag (11.

November), 1.

und 2.

Weihnachtsfeiertag (25.

und 26.

Dezember).

Daneben sind auch Ostermontag, Christi Himmelfahrt und Pfingstmontaggesetzliche Feiertage.

Gefeiert wird auch der Sint Maartens Dag (Martinstag), der mit dem Waffenstillstandstag zusammenfällt.

Flandern feiert einen eigenen regionalen Feiertag am 11.

Juli und Wallonien am 27.

September.

Volksfeste haben in Belgien einen sehr wichtigen Stellenwert.

Eines der bekanntesten ist das dreitägige Karnevalsfestvor der Fastenzeit in Binche, nahe Mons. 3.4 Soziales Für Leistungen im Krankheitsfall sind Fürsorgeämter zuständig, die sich in jeder Gemeinde befinden.

Diese Ämter übernehmen die Kosten für Privatkliniken für mittellosePatienten, verwalten öffentliche Krankenhäuser und organisieren Krankenpflege und Ambulanzen. Die Sozialversicherung basiert auf einem Gesetz von 1944 und gilt für alle Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag.

Das Nationale Zentralbüro für Sozialversicherungen ziehtden Arbeitgeber- und den Arbeitnehmeranteil für die Familien-, Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung ein und verteilt die Gelder an die entsprechenden Stellen. 4 BILDUNG UND KULTUR 4.1 Bildung und Schulwesen Es besteht eine allgemeine Schulpflicht von 13 Jahren (2002–2003), der Schulbesuch ist kostenlos.

Das Schulsystem gliedert sich in einen sechsjährigen Primarunterrichtund den Sekundarunterricht, der drei je zweijährige Unterrichtszyklen umfasst.

Seit 1959 gibt es auch Schulen mit kirchlicher Trägerschaft.

Gemäß dem Gesetz von 1963wird der Unterricht in der Sprache der entsprechenden Region abgehalten.

In Brüssel werden die Schüler nach ihrer Muttersprache in getrennten Klassen unterrichtet. Die älteste Universität Belgiens ist die 1425 gegründete Katholische Universität Löwen.

1970 wurde sie in zwei unabhängige Universitäten geteilt, eine mit Französisch alsUnterrichtssprache, die andere mit Niederländisch.

Weitere bedeutende Universitäten befinden sich in Gent (gegründet 1817, Unterrichtssprache Niederländisch) und Lüttich(gegründet 1817, Unterrichtssprache Französisch), die Freie Universität Brüssel wurde 1834 unter der neu gebildeten belgischen Regierung eröffnet.

1965 entstanden inMons und Antwerpen staatliche Universitäten.

1970 wurde die Freie Universität Brüssel ebenfalls in zwei unabhängige Institutionen mit getrennten Unterrichtssprachengeteilt. In Antwerpen, Brüssel, Gent, Lüttich und Mons gibt es jeweils eine Königliche Akademie der Schönen Künste und ein Königliches Musikkonservatorium.

StaatlicheLandwirtschaftshochschulen befinden sich in Gent und Gembloux-sur-Orneau.

In Belgien sind etwa 250 000 Studenten immatrikuliert. 4.2 Kultureinrichtungen In allen größeren Städten gibt es Fach- und allgemeine Bibliotheken.

Nationalbibliothek und größte Sammlung von Nachschlagewerken ist die Bibliothèque Royale Albert I.(gegründet 1837) in Brüssel.

Weitere umfangreiche Universitätsbibliotheken existieren in Gent, Lüttich und Löwen. Das Königliche Museum der Schönen Künste (1890) in Antwerpen ist für seine Sammlung von Werken des flämischen Malers Peter Paul Rubens berühmt.

Im KöniglichenMuseum der Schönen Künste Belgiens (1830) in Brüssel befinden sich eine Kunstsammlung mit Werken aus verschiedenen Epochen, ein Konzertsaal und ein Kino. 4.3 Kunst Im Mittelalter markierte der französisch-burgundische Diplomat Philippe de Comines mit seinen Mémoires (Erstdruck 1524) den Beginn der neuzeitlichen politischen Geschichtsschreibung.

Charles de Coster verfasste mit La légende et les aventures héroïques, joyeuses et glorieuses de Thyl Uhlenspiegel et de Lamme Goedzak au pays de Flandres et ailleurs (1867; Tyll Uhlenspiegel und Lamm Goedzak.

Legende von ihren heroischen, lustigen und ruhmreichen Abenteuern im Land der Flandern und andern Orts ) ein Meisterwerk der belgischen Literatur.

Der vom Naturalismus beeinflusste Schriftsteller Camille Lemonnier ( Happe-chair , 1886; Der eiserne Moloch ) ebnete der Literatur der Bewegung des so genannten Jungen Belgien den Weg, dessen zentraler Vertreter Émile Verhaeren zudem als bedeutendster belgischer Lyriker der Moderne gilt.

Hendrik Conscience avancierte zum Erneuerer der flämischen Literatur.

Maurice Maeterlinck, der 1911 den Nobelpreis für Literatur erhielt, prägte das symbolistischeTheater nachhaltig.

Der bedeutende französische Surrealist Henri Michaux war belgischer Herkunft.

Einer der bekanntesten belgischen Schriftsteller des 20.

Jahrhunderts istGeorges Simenon, der mit seinen Kriminalromanen um den Kommissar Maigret Weltruhm erlangte. Ein bedeutender flämischer Bildhauer der Zeit um 1400 war Claus Sluter mit seinem Mosesbrunnen (1395-1406).

Zu den bedeutendsten flämischen Malern des 15.

und 16.

Jahrhunderts gehören der herausragende Altarbild- und Porträtmaler Hans Memling, Jan van Eyck, Wegbereiter der spätgotischen Malerei, Rogier van der Weiden, derstilbildend auf seine Nachfolger wirkte, Mabuse, der Meister der Tiermalerei Frans Snijders und – in der Nachfolge von Hieronymus Bosch mit seinen apokalyptischenLandschaften – Pieter Bruegel der Jüngere, genannt Höllenbruegel. Im 17.

Jahrhundert entstanden die Werke des Malers und Kupferstechers Jan Fyt, von Peter Paul Rubens und Sir Anthonis van Dyck, dem größten flämischen Porträtisten der Aristokratie.

Jacob Jordaens gilt neben Rubens als herausragendster Vertreter des flämischen Barock,an dessen Schwelle der Spätmanierist Carel van Mander stand.

Alfred Stevens wurde vor allem durch seine Genremalerei bekannt, wobei er sich auf Vorbilder aus dem 15.bzw.

17.

Jahrhundert berufen konnte, namentlich auf Petrus Christus und David Teniers.

International berühmte Künstler des 20.

Jahrhunderts sind James Ensor und FransMasereel mit seinen Holzschnitten sowie die Surrealisten Paul Delvaux und René Magritte.

Pierre Alechinsky wurde vor allem durch eine traumhaft-automatisch wirkendeBildersprache bekannt. Im 16.

Und 17.

Jahrhundert waren die Musterbücher des flämischen Baumeisters Hans Vredeman de Vries mit Architektur- und Perspektivdarstellungen, Ornamenten,Gartenentwürfen und Möbelvorlagen in vielen Auflagen und Übersetzungen in den Niederlanden und Deutschland, in Skandinavien und England weit verbreitet.

Victor Hortagilt gemeinhin als einer der führenden Vertreter des architektonischen Art Noveau bzw.

Jugendstils; seine innovativen Ideen spiegelt bereits sein erstes Hauptwerk, das Hôtel Tassel in Brüssel (entworfen 1892), wider.

Weitere Gebäude Hortas in Belgien sind bzw.

waren das Parteigebäude der belgischen Sozialisten Maison du Peuple (1899 fertig gestellt; 1964 zerstört) mit seiner Glas- und Eisenfassade, das Palais des Beaux-Arts (1922-1928) in Brüssel und der dortige Bahnhof (1936-1941).

Ein weitererherausragender Vertreter des belgischen Jugendstils war der Architekt und Designer Henri van de Velde.

Sein eigenes Wohnhaus in der Nähe von Brüssel (1895) legthiervon beredtes Zeugnis ab. 4.4 Medien Staatliche Radio- und Fernsehsender in Belgien strahlen ihre Programme sowohl in französischer als auch in niederländischer Sprache aus.

Die Kosten werden über eineRundfunk- und Fernsehgebühr gedeckt.

Daneben gibt es eine Vielzahl von Privatsendern.

Über ein ausgedehntes Kabelnetz können Radio- und Fernsehsendungen aus demAusland empfangen werden (u.

a.

französische, luxemburgische, niederländische, deutsche, britische und italienische Programme).

In Belgien werden 29 Tageszeitungenvertrieben, etwa zwei Drittel erscheinen in französischer Sprache. 5 VERWALTUNG UND POLITIK. »

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