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Christoph Martin Wieland: Geschichte des Agathon (Sprache & Litteratur).

Publié le 13/06/2013

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Christoph Martin Wieland: Geschichte des Agathon (Sprache & Litteratur). Mit seinem einflussreichen Werk Geschichte des Agathon (1766/67) schuf der deutsche Schriftsteller Christoph Martin Wieland den ersten Bildungsroman der deutschen Literatur, ein in der Folge häufig benutztes narratives Muster. Der Roman schildert den abenteuerlichen Lebenslauf eines jungen Griechen, der durch seine vielfältigen Erlebnisse einen Reifeprozess durchläuft, an dessen Ende die Integration in seine Lebenswelt steht. Die ausgewählten Textabschnitte bieten explizite Aussagen zur Programmatik des Bildungsromans. Christoph Martin Wieland: Geschichte des Agathon Weil nach unserm Plan der Character unsers Helden auf verschiedene Proben gestellt werden sollte, durch welche seine Denkungsart und seine Tugend erläuert, und dasjenige, was darinn übertrieben, und unächt war, nach und nach abgesondert würde; [...] (A 4) Alles, was wir vorläufig von der Entwicklung sagen können, ist dieses: daß Agathon in der Schlußperiode seines Lebens, welche den Beschluß unsers Werkes macht, ein ebenso weiser als tugendhafter Mann seyn wird, und (was uns hiebey das beste zu seyn däucht,) daß unsre Leser begreifen werden, wie und warum er es ist; warum vielleicht viele unter ihnen, weder dieses noch jenes sind; und wie es zugehen müßte, wenn sie es werden sollten. (A 5) Andre Zeiten erfordern andre Sitten; andre Umstände, andre Bestimmungen und Wendungen unser Verhaltens. In moralischen Romanen finden wir freylich Helden, welche sich immer in allem gleich bleiben - und darum zu loben sind - denn wie sollte es anders seyn, da sie in ihrem zwanzigsten Jahre Weishheit und Tugend bereits in eben dem Grade der Vollkommenheit besitzen, den die Socraten Epaminondas nach vielfachen Verbesserungen ihrer selbst kaum im sechzigsten erreicht haben? Aber im Leben finden wir es anders. Desto schlimmer für die, welche sich da immer selbst gleich bleiben - Wir reden nicht von Thoren und Lasterhaften - die besten haben an ihren Ideen, Urtheilen, Empfindungen, selbst an dem worinn sie vortrefflich sind, an ihrem Herzen, an ihrer Tugend, unendlich viel zu verändern. Und die Erfahrung lehrt, daß wir selten zu einer neuen Entwicklung unsrer Selbst, oder zu einer merklichen Verbesserung unsers vorigen innerlichen Zustandes gelangen, ohne durch eine Art von Medium zu gehen, welches eine falsche Farbe auf uns reflectiert, und unsre wahre Gestalt eine Zeitlang verdunkelt. Wir haben unsern Helden bereits in verschiedenen Situationen gesehen; und in jeder, durch den Einfluß der Umstände, ein wenig anders als er würklich ist. Er schien zu Delphi ein blosser speculativer Enthusiast; und man hat in der Folge gesehen, daß er sehr gut zu handeln wußte. Wir glaubten, nachdem er die schöne Lyane gedemüthiget hatte, daß ihm die Verführungen der Wollust nichts anhaben könnten, und Danae bewieß, daß wir uns betrogen hatten; es wird nicht mehr lange anstehen, so wird eine neue vermeynte Danae, welche seine schwache Seite ausfündig gemacht zu haben glauben mag, sich eben so betrogen finden. Er schien nach und nach ein andächtiger Schwärmer, ein Platonist, ein Republicaner, ein Held, ein Stoiker, ein Wollüstling; und war keines von allen, ob er gleich in verschiedenen Zeiten durch alle diese Classen gieng, und in jeder eine Nüance von derselben bekam. So wird es vielleicht noch eine Zeitlang gehen - Aber von seinem Character, von dem, was er würklich war, worinn er sich unter allen diesen Gestalten gleich blieb, und was zuletzt, nachdem alles Fremde und Heterogene durch die Folge seiner Umstände davon abgeschieden seyn wird, übrig bleiben mag - davon kan dermalen die Rede noch nicht seyn. Ohne also eben so voreilig über ihn zu urtheilen, wie man gewohnt ist, es im täglichen Leben alle Augenblicke zu thun - wollen wir fortfahren, ihn zu beobachten, die wahren Triebräder seiner Handlungen so genau als uns möglich seyn wird auszuspähen, keine geheime Bewegung seines Herzens, welche uns einigen Aufschluß hierübe geben kan, entwischen lassen, und unser Urtheil über das Ganze seines moralischen Wesens so lange zurükhalten, bis - wir es kennen werden. (A 320,12-321,12) Christoph Martin Wieland: Geschichte des Agathon. Unveränderter Abdruck der Editio princeps (1767). Bearbeitet von Klaus Schaefe. Berlin 1961, S. 27. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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