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Friedrich Schleiermacher: Über die Religion.

Publié le 17/06/2013

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Friedrich Schleiermacher: Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern - Anthologie. Friedrich Schleiermachers ganz im Geiste der deutschen Romantik verfasste Schrift Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern machte ihn nach dem Erscheinen 1799 schnell berühmt. Anschauung und Gefühl erklärte er hier zu den zentralen Begriffen seines theologischen Denkens. Die Textbeispiele stammen aus den Kapiteln ,,Apologie" (,,Erste Rede") und ,,Über das Wesen der Religion" (,,Zweite Rede"). Friedrich Schleiermacher: Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern Apologie (...) Von alters her ist der Glaube nicht jedermanns Ding gewesen, von der Religion haben immer nur Wenige etwas verstanden, wenn Millionen auf mancherlei Art mit den Umhüllungen gegaukelt / haben, mit denen sie sich aus Herablassung willig umhängen ließ. Jetzt besonders ist das Leben der gebildeten Menschen fern von allem was ihr auch nur ähnlich wäre. Ich weiß daß Ihr ebensowenig in heiliger Stille die Gottheit verehrt, als Ihr die verlassenen Tempel besucht, daß es in Euren geschmackvollen Wohnungen keine anderen Hausgötter gibt, als die Sprüche der Weisen und die Gesänge der Dichter, und daß Menschheit und Vaterland, Kunst und Wissenschaft, denn Ihr glaubt dies alles ganz umfassen zu können, so völlig von Eurem Gemüte Besitz genommen haben, daß für das ewige und heilige Wesen, welches Euch jenseit der Welt liegt, nichts übrig bleibt, und Ihr keine Gefühle habt für dasselbe und mit ihm. Es ist Euch gelungen das irdische Leben so reich und vielseitig zu machen, daß Ihr der Ewigkeit nicht mehr bedürfet, und nachdem Ihr Euch selbst ein Universum geschaffen habt, seid Ihr überhoben an dasjenige zu denken, welches Euch schuf. (...) In das Hilferufen der Meisten über den Untergang der Religion stimme ich nicht ein, denn ich wüßte nicht, daß irgendein Zeitalter sie besser aufgenommen hätte als das gegenwärtige, und ich habe nichts zu schaffen mit den altgläubigen und barbarischen Wehklagen, wodurch sie die eingestürzten Mauern ihres jüdischen Zions und seiner gotischen Pfeiler wieder emporschreien möchten. (...) Über das Wesen der Religion (...) Stellet Euch auf den höchsten Standpunkt der Metaphysik und der Moral, so werdet Ihr finden, daß beide mit der Religion denselben Gegenstand haben, nämlich das Universum und das Verhältnis des Menschen zu ihm. Diese Gleichheit ist von lange her ein Grund zu mancherlei Verirrungen gewesen; daher ist Metaphysik und Moral in Menge in die Religion eingedrungen, und manches was der Religion angehört, hat sich unter einer unschicklichen Form in die Metaphysik oder die Moral versteckt. Werdet Ihr aber deswegen glauben, daß sie / mit einer von beiden einerlei sei? Ich weiß, daß Euer Instinkt Euch das Gegenteil sagt, und es geht auch aus Euren Meinungen hervor; denn Ihr gebt nie zu, daß sie mit dem festen Tritte einhergeht, dessen die Metaphysik fähig ist, und Ihr vergesset nicht fleißig zu bemerken, daß es in ihrer Geschichte eine Menge garstiger unmoralischer Flecken gibt. Soll sie sich also unterscheiden, so muß sie ihnen ungeachtet des gleichen Stoffs auf irgendeine Art entgegengesetzt sein; sie muß diesen Stoff ganz anders behandeln, ein anderes Verhältnis der Menschen zu demselben ausdrücken oder bearbeiten, eine andere Verfahrungsart oder ein anderes Ziel haben: denn nur dadurch kann dasjenige, was dem Stoff nach einem andern gleich ist, eine besondere Natur und ein eigentümliches Dasein bekommen. Ich frage Euch also: was tut Euere Metaphysik - oder wenn Ihr von dem veralteten Namen, der Euch zu historisch ist, nichts wissen wollt - Euere Transzendentalphilosophie? sie klassifiziert das Universum und teilt es ab in solche Wesen und solche, sie geht den Gründen dessen was da ist nach, und deduziert die Notwendigkeit des Wirklichen, sie entspinnet aus sich selbst die Realität der Welt und ihre Gesetze. In dieses Gebiet darf sich / also die Religion nicht versteigen, sie darf nicht die Tendenz haben Wesen zu setzen und Naturen zu bestimmen, sich in ein Unendliches von Gründen und Deduktionen zu verlieren, letzte Ursachen aufzusuchen und ewige Wahrheiten auszusprechen. - Und was tut Euere Moral? Sie entwickelt aus der Natur des Menschen und seines Verhältnisses gegen das Universum ein System von Pflichten, sie gebietet und untersagt Handlungen mit unumschränkter Gewalt. Auch das darf also die Religion nicht wagen, sie darf das Universum nicht brauchen um Pflichten abzuleiten, sie darf keinen Kodex von Gesetzen enthalten. - ,,Und doch scheint das, was man Religion nennt, nur aus Bruchstücken dieser verschiedenen Gebiete zu bestehen." - Dies ist freilich der gemeine Begriff. Ich habe Euch letzthin Zweifel gegen ihn beigebracht; es ist jetzt Zeit ihn völlig zu vernichten. Die Theoretiker in der Religion, die aufs Wissen über die Natur des Universums und eines höchsten Wesens, dessen Werk es ist, ausgehen, sind Metaphysiker; aber artig genug, auch etwas Moral nicht zu verschmähen. Die Praktiker, denen der Wille Gottes Hauptsache ist, sind Moralisten; aber ein wenig im Stile der Metaphysik. Die Idee des Guten nehmt Ihr und tragt sie in die Me- / taphysik als Naturgesetz eines unbeschränkten und unbedürftigen Wesens, und die Idee eines Urwesens nehmt Ihr aus der Metaphysik und tragt sie in die Moral, damit dieses große Werk nicht anonym bleibe, sondern vor einem so herrlichen Kodex das Bild des Gesetzgebers könne gestochen werden. Mengt aber und rührt wie Ihr wollt, dies geht nie zusammen, Ihr treibt ein leeres Spiel mit Materien, die sich einander nicht aneignen. Ihr behaltet immer nur Metaphysik und Moral. Dieses Gemisch von Meinungen über das höchste Wesen oder die Welt, und von Geboten für ein menschliches Leben (oder gar für zwei) nennt Ihr Religion! und den Instinkt der jene Meinungen sucht, nebst den dunklen Ahndungen, welche die eigentliche letzte Sanktion dieser Gebote sind, nennt Ihr Religiosität! Aber wie kommt Ihr denn dazu, eine bloße Kompilation, eine Chrestomathie für Anfänger für ein eignes Werk zu halten, für ein Individuum eignen Ursprunges und eigener Kraft? Wie kommt Ihr dazu, seiner zu erwähnen, wenn es auch nur geschieht um es zu widerlegen? Warum habt Ihr es nicht längst aufgelöset in seine Teile und das schändliche Plagiat entdeckt? Ich hätte Lust, Euch durch einige sokratische Fragen zu ängstigen, und Euch zu dem Geständ / nisse zu bringen, daß Ihr in den gemeinsten Dingen die Prinzipien gar wohl kennt, nach denen das Ähnliche zusammengestellt und das Besondere dem Allgemeinen untergeordnet werden muß, und daß Ihr sie hier nur nicht anwenden wollet, um mit der Welt über einen ernsten Gegnstand scherzen zu können. (...) Friedrich Schleiermacher: Über die Religion. Reden an die Gebildeteten unter ihren Verächtern. Hamburg 1958, S. 1-26. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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