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Gesellschaftsroman (Sprache & Litteratur).

Publié le 13/06/2013

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Gesellschaftsroman (Sprache & Litteratur). Gesellschaftsroman, Bezeichnung für eine im 19. Jahrhundert vor allem im Realismus sich durchsetzende Form des Romans, die in der Darstellung eines komplexen Handlungsgefüges Bezug auf die zeitgenössische Gesellschaft nimmt. Der Begriff ist insofern vage und in der Literaturwissenschaft umstritten, als er auf Voraussetzungen beruht, die gerade in jüngster Zeit in Frage gestellt worden sind. Hierzu gehört zum einen die Annahme, dass es eine vom Roman unabhängige, klar bestimmbare Bezugsgröße gebe, nämlich einen als Totalität beschreibbaren Zustand der jeweiligen Gesellschaft, und zum anderen, dass der Gesellschaftsroman ein mehr oder weniger getreues Abbild dieser Totalität widerspiegele. Die Bezeichnung ist daher weniger ein gattungstheoretischer Begriff, der von bestimmten poetologischen Konzeptionen ausgeht, sondern eher ein literaturhistorischer Terminus, der eine primär sozialwissenschaftlich orientierte Perspektive voraussetzt. Seiner Motivation nach ist der Gesellschaftsroman des 19. Jahrhunderts zunächst durchaus als Hinwendung zur empirischen Realität zu verstehen. Im Gegensatz zum Entwicklungs- oder Bildungsroman, der noch eine prinzipielle Autonomie des Individuums annahm, ging es seinen Vertretern darum, die Abhängigkeit des Einzelnen von sozialen, ökonomischen und politischen Verhältnissen darzustellen. Anders als der Roman der Romantik, für den eine Reflexion auf die Komposition sowie die Darstellung einer wunderbaren Begebenheit charakteristisch sind, folgt der Gesellschaftsroman dem Prinzip der Wahrscheinlichkeit. Andererseits aber brachte gerade das Bemühen um eine Annäherung an die Wirklichkeit immer komplexere literarische Verfahrensweisen hervor, die sich einem bloßen Abbildcharakter gerade widersetzen: ,,Das goldene Zeitalter des Romans im 19. Jahrhundert kann durch ein prekäres Gleichgewicht zwischen dem immer nachdrücklicheren Streben nach Wirklichkeitstreue und dem immer schärferen Bewusstsein der Künstlichkeit einer gelungenen Komposition gekennzeichnet werden", schrieb dementsprechend Paul Ricoeur. Kennzeichnend für die Entwicklung des realistischen Gesellschaftsromans, die dann zum modernen Roman des 20. Jahrhunderts führt, ist die zunehmende Verselbstständigung der Komposition, die Einsicht in die eigene Scheinhaftigkeit, die im Bewusstsein davon mündet, dass gerade der ästhetische Schein eine Reflexion über das Wirkliche ermöglicht, während der naive Versuch einer bloßen Abbildung dem falschen Schein der Täuschung bzw. der Ideologie erliegt. Als Vertreter des Gesellschaftsromans gelten u. a. Stendhal, Honoré de Balzac, die Brüder Goncourt, Gustave Flaubert, Émile Zola, Charles Dickens, William Makepeace Thackeray, George Eliot, George Meredith, Anne und Charlotte Brontë, Henry James, Iwan Turgenjew, Fjodor M Dostojewskij, Lew Tolstoj, Karl Gutzkow, Theodor Fontane sowie Thomas und Heinrich Mann. Verfasst von: Dietmar Götsch Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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