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Gustav Mahler: 3.

Publié le 22/06/2013

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Gustav Mahler: 3. Sinfonie - Texte. In ihren Erinnerungen an Gustav Mahler bewahrte Natalie Bauer-Lechner für die Nachwelt aufschlussreiche Aussagen Mahlers über seine eigenen Werke und deren Entstehung. In der ausgewählten Textpassage äußert sich der Komponist über seine 3. Sinfonie. Gustav Mahler: 3. Sinfonie Steinbach, 4. Juli 1896 Mahler kam heute ganz erschöpft und doch wie trunken von der Arbeit in mein Geigenhäuschen, um mich zum Spazierengehen vor Tisch abzuholen. ,,Es ist furchtbar, wie dieser Satz mir über alles, was ich je gemacht habe, hinauswächst, daß mir die Zweite als ein Kind dagegen erscheint. Das ist weit, weit über Lebensgröße, und alles Menschliche schrumpft wie ein Pygmäenreich dagegen zusammen. Wahres Entsetzen faßt mich an, wenn ich sehe, wohin das führt, welcher Weg der Musik vorbehalten ist, und daß mir das schreckliche Amt geworden, Träger dieses Riesenwerkes zu sein. Heute ist mir, wie einem manchmal durch eigenes Erleben etwas längst Gekanntes aufleuchtet und offenbar wird, plötzlich blitzartig aufgegangen: Christus auf dem Ölberg, der den Leidenskelch bis zur Neige leeren mußte und - wollte. Wem dieser Kelch bestimmt ist, der kann und will ihn nicht zurückweisen, doch muß ihn zu Zeiten eine Todesangst überkommen, wenn er denkt, was ihm noch bevorsteht. Solch ein Gefühl habe ich im Hinblick auf diesen Satz und in der Voraussicht dessen, was ich deshalb werde leiden müssen, um gewiß nicht mehr zu erleben, daß er erkannt und anerkannt werden wird. Wenn ich es sonst auch in Worten noch andeuten und einigermaßen beschreiben und schildern konnte, was in den verschiedenen Sätzen vorgeht, so hört das hier völlig auf; du müßtest in die Natur selbst dich mit mir versenken, die von der Musik so tief an der Wurzel gefaßt wird wie von keiner Kunst und keiner Wissenschaft. Und ich glaube, auch kein Künstler hat von ihrer Mystik so zu leiden wie der Musiker, wenn sie ihn anpackt. (...) Die höchsten Menschheitsfragen, die ich in der Zweiten stellte und zu beantworten suchte: Wozu sind wir? und: Werden wir sein auch über dieses Leben hinaus? - sie können mich hier nicht mehr bewegen. Denn was hat das im All zu bedeuten, wo alles lebt und leben muß und wird? Kann ein Geist, der den ewigen Schöpfungsgedanken der Gottheit in einer Symphonie wie dieser nachdenkt, sterben? Nein, die Zuversicht bekommt man; ewig und unvergänglich wohlgeborgen ist alles; und hier hat auch Menschenleid und -trübsal keinen Raum mehr. Die sublimste Heiterkeit herrscht, ein ewig strahlender Tag, freilich für Götter, nicht für Menschen, für die er das grausig Ungeheuere, ein nimmer Festzuhaltendes ist. In solchen Räumen bewegt sich dieses Werk. Du kannst dir denken, daß auch die äußeren Dimensionen riesenhaft sind. Zu meinem wahrhaften Schrecken habe ich erst heute gesehen, daß dieser Erste Satz eine halbe Stunde, vielleicht noch länger dauern wird. Was werden sie dazu sagen? - kein gerades Haar an mir lassen! Doch ich kann es verantworten. Durch seine Kurzweiligkeit und Mannigfaltigkeit ist dieses Werk, trotz der Gesamtdauer von zwei Stunden, kurz, ja von der größten Knappheit. - Ich werde den Ersten Satz als erste Abteilung bringen und darnach eine lange Pause machen. Das Ganze will ich aber nun doch ,Pan, Symphonische Dichtungen' nennen. (...) Rasend wälzt sich's im Ersten Satz heran gleich dem Südsturm, der in diesen Tagen hier fest und der - ich bin des sicher - alle Fruchtbarkeit in seinem Schoße trägt, da er aus fernen fruchtbar-heißen Ländern kommt - anders als der uns Menschen erwünschte Ostwind-Fächler. In einem fortreißenden Marschtempo braust es immer näher und näher, lauter und lauter, lawinengleich anschwellend, bis sich das ganze Getöse und der ganze Jubel über dich ergießt. Dazwischen ertönt es im mystischen Anklang und als höchst seltsame, geheimnisvolle Ruhepunkte: ,O Mensch, gib acht!' (aus der ,Nacht'.) Auf diesen ersten Satz, zu dessen Riesenaufgabe ich, glaube ich, nicht den Mut gehabt hätte, wären die andern nicht fertig gewesen, folgen nun, gänzlich unterschieden von dem vorigen, die andern Sätze, so mannigfaltig wie die Welt selbst, und gipfeln und finden die befreiende Lösung in der ,Liebe'." Karl-Josef Müller: Mahler. Leben - Werke - Dokumente. München 1988, S. 506-508. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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