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Irak - geographie.

Publié le 06/06/2013

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Irak - geographie. 1 EINLEITUNG Irak (Republik Irak), Staat in Vorderasien, grenzt im Norden an die Türkei, im Osten an den Iran, im Süden an Saudi-Arabien, Kuwait und den Persischen Golf sowie im Westen an Jordanien und Syrien. Die Gesamtfläche beträgt 438 317 Quadratkilometer. Auf dem Gebiet des heutigen Irak entstanden einige der bedeutendsten frühen Hochkulturen der Erde (siehe Assyrien, Babylonien, Mesopotamien, Sumer). Die Hauptstadt des Irak ist Bagdad. 2 PHYSISCHE GEOGRAPHIE Die nördlichen Landesteile werden von den Ausläufern von Taurus und Zagrosgebirge durchzogen. Einzelne Gipfel erreichen hier Höhen von über 3 500 Metern; mit 3 607 Metern ist der Haji Ibrahim der höchste Berg des Landes. Nach Süden fällt das Land zur breiten Schwemmlandebene der Flüsse Tigris und Euphrat ab. Mesopotamien umfasst das Zwischenstromland, das Gebiet zwischen den beiden Flüssen. Tigris und Euphrat durchfließen den Irak von Nordwesten nach Südosten und vereinigen sich etwa 160 Kilometer nördlich des Persischen Golfes zum Schatt el Arab, der in diesen Meeresarm mündet. Der äußerste Südosten des Landes wird von sumpfigem Tiefland am Persischen Golf eingenommen, an dessen Küste der Irak einen Anteil von 58 Kilometern hat. Westlich des Euphrat steigt das Land allmählich zur Syrischen Wüste hin an. 2.1 Klima Der Irak liegt im Bereich subtropischer Winterregen. Die Sommer sind trocken und heiß, die Winter relativ mild. In Bagdad liegt die mittlere Temperatur im Januar bei 9,4 °C, im Juli bei 33,3 °C, wobei Maximaltemperaturen von über 50 °C erreicht werden können. In der Gebirgsregion im Nordosten werden mit bis zu 1 200 Millimetern die höchsten Jahresniederschläge erreicht. Sie fallen fast ausschließlich von Oktober bis Mai. Im zentralen Tiefland werden meist 200 Millimeter unterschritten, während in der Syrischen Wüste regenlose Jahre auftreten können. 2.2 Flora und Fauna Die unterschiedlichen Niederschlagsverhältnisse spiegeln sich im Pflanzenbewuchs wider. Im Gebirge gedeiht Strauchvegetation mit vereinzelten Waldbeständen. Die Uferbereiche werden von Dattelpalmenhainen und Schilfgürteln eingenommen, während die trockenen Gebiete im Süden und Südosten nur spärlich bewachsen sind. Zur reichen Fauna gehören u. a. die Großraubtiere Leopard, Wolf, Goldschakal und Streifenhyäne; Huftiere sind Gazellen, Antilopen, Wildschweine und Wildesel. Bemerkenswerte Nagetiere sind die wüstenbewohnenden Springmäuse. Zur Avifauna des Irak gehören u. a. Greifvögel wie Adler, Geier, Bussarde, Habichte und Milane sowie Hühnervögel wie Stein- und Sandhühner. Eidechsen und Schlangen sind weit verbreitet. 3 BEVÖLKERUNG Die Einwohnerzahl des Landes beträgt 28,2 Millionen (2008). Die Bevölkerungsdichte liegt bei 65 Einwohnern pro Quadratkilometer (2008), wobei Ballungsräumen wie Bagdad weite, unbewohnte Landstriche gegenüberstehen. Am dichtesten besiedelt sind die Ufergebiete der großen Flüsse. Die Wachstumsrate der Bevölkerung liegt bei 2,56 Prozent im Jahr (2008). Die mittlere Lebenserwartung beträgt für Männer 68,3 Jahre und für Frauen 71 Jahre (2008). Etwa 75 Prozent der Einwohner des Irak sind Araber. Die im Bergland des Nordirak wohnenden Kurden machen etwa 20 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Kleinere Volksgruppen sind Turkmenen, Perser und Assyrer. In den ländlichen Gegenden des Landes leben die Menschen noch vielfach in Sippenverbänden und führen ein Nomadenoder Halbnomadenleben. 3.1 Wichtige Städte Etwa 70 Prozent der Einwohner leben in Städten. In der Hauptstadt Bagdad leben 5,62 Millionen Menschen. Weitere große Städte sind die Hafenstadt Basra (406 000 Einwohner) und Mosul (2,55 Millionen Einwohner), ein Zentrum der Erdölindustrie. 3.2 Sprache Die Amtssprache ist Arabisch, das von etwa 75 Prozent der Bevölkerung gesprochen wird. Die im Norden des Landes lebenden Kurden sprechen Kurdisch. Minderheitensprachen sind u. a. Farsi (Persisch), Aserbaidschanisch und Armenisch. 3.3 Religion Etwa 95 Prozent der Iraker sind Muslime (60 Prozent Schiiten, 35 Prozent Sunniten). Die Schiiten leben vorwiegend im Mittel- und Südirak, die meisten Sunniten im Norden des Landes. Einige der heiligen Stätten der Schiiten, insbesondere Nedjef und Kerbela, liegen im Irak. Außerdem leben im Land einige christliche Religionsgemeinschaften (u. a. Nestorianer, Jakobiten und Chaldäer), die Glaubensgruppe der nördlich von Mosul ansässigen Jesiden sowie eine kleine jüdische Gemeinde (in Bagdad). 3.3.1 Feiertage Im Januar begehen die Iraker Neujahr (1. Januar) und den Tag der Armee (6. Januar). Am 8. Februar feiern sie den Putsch von 1963. Der 14. Juli ist der Jahrestag der Revolution. An diesem Tag des Jahres 1958 kam es zum Sturz der Monarchie und zur Ausrufung der Republik. Der 17. Juli erinnert an die Revolution im Jahr 1968. Die muslimischen Feiertage in Irak richten sich nach dem Mondkalender. Zu ihnen gehören Id al-Fitr am Ende des Fastenmonats Ramadan und Id al-Adha, das Opferfest. Dieses Fest findet zu Ehren Abrahams statt, der bereit war, Allah seinen Sohn zu opfern. Auch der heilige islamische Neujahrstag im ersten Monat des neuen Jahres sowie Aschura, einer der höchsten schiitischen Feiertage am 10. Tag des ersten Monats, und der Geburtstag Mohammeds sind staatliche Feiertage. 3.4 Soziales Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 69,6 Jahren. Die meisten medizinischen Einrichtungen sind staatlich. Die dem Irak nach dem 2. Golfkrieg 1991 auferlegten Sanktionen führten zu einer Verschlechterung der medizinischen Versorgung wie auch der Lebensbedingungen allgemein. Erst ab 2000 verbesserte sich die humanitäre Situation merklich, bis der Irak-Krieg 2003 die Lage wieder drastisch verschlechterte. 4 BILDUNG UND KULTUR 4.1 Bildung und Schulwesen Seit 1976 besteht eine allgemeine Schulpflicht von 6 Jahren, woran sich eine dreijährige Sekundarstufe I und eine zweijährige Sekundarstufe II anschließen kann. Die Zahl der Grundschulen sank im Gegensatz zu der der Kindergärten in den achtziger Jahren stark. 1986 nutzten 89,3 Prozent der Jungen und 82,1 Prozent der Mädchen das Angebot eines Besuchs der Primarstufe im Bildungswesen ihres Landes. Der Unterricht wird in arabischer Sprache abgehalten; in einigen Gebieten im Norden ist in den Grundschulen Kurdisch die Unterrichtssprache. Der Alphabetisierungsgrad des Landes liegt bei 41,1 Prozent (2005). Von den sechs Universitäten des Irak befinden sich drei in Bagdad, eine weitere jeweils in Basra, Erbil und Mosul. Darüber hinaus gibt es 19 technische Hochschulen. 4.2 Kultureinrichtungen Zu den führenden Bibliotheken des Landes gehören die Universitätsbibliotheken von Bagdad, Basra und Mosul sowie die Bibliothek des Irakischen Museums und die Nationalbibliothek (beide in Bagdad). Öffentliche Bibliotheken gibt es in fast allen Provinzhauptstädten. Zu den bekanntesten Museen gehören das Irakische Museum, das Überreste der frühen mesopotamischen Kulturen beherbergt, das Irakische Museum für Naturgeschichte sowie das Irakische Armeemuseum. Im Babylon-Museum werden Modelle, Bilder und Malereien des alten Babylon ausgestellt, und im Mosul-Museum gibt es assyrische und andere antike Ausstellungsstücke zu sehen. 4.3 Kunst und Musik Viele der erhaltenen Baudenkmäler des Irak, darunter die Kadhimain-Moschee, der Abbasiden-Palast und der Schrein von Samarra, zeugen noch heute vom arabischen Einfluss. Die Große Moschee in Bagdad ist ein beliebter Wallfahrtsort. Siehe auch islamische Kunst und Architektur; assyrisch-babylonische Literatur; arabische Musik 5 VERWALTUNG UND POLITIK Nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein im Irak-Krieg 2003 (siehe unten Abschnitt 7.14 und 7.15) und der damit einhergehenden Auflösung der bestehenden exekutiven, legislativen und judikativen Institutionen und Strukturen übernahmen zunächst die von den USA geführten Besatzungsmächte die Regierungsgewalt. Im Juli 2003 installierten die Besatzungsmächte einen 25-köpfigen ,,Regierenden Rat", der die wichtigsten ethnischen und religiösen Gruppen des Irak entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung repräsentierte und über gewisse exekutive Vollmachten verfügte. Im März 2004 verabschiedete der Regierende Rat als Voraussetzung für die Rückübertragung der vollen Souveränität an den Irak eine Übergangsverfassung. Die Übergangsverfassung schrieb den Islam als Staatsreligion fest, garantierte aber auch allen anderen Religionen völlige Freiheit. Der Islam bzw. die Scharia wurde als eine Quelle der Gesetzgebung bezeichnet, sollte also nicht die allein gültige Grundlage der Gesetzgebung bilden. Des Weiteren legte die Übergangsverfassung eine föderalistische Struktur fest (mit Autonomie für das Kurdengebiet im Norden des Irak) und reservierte ein Viertel der Parlamentssitze Frauen. Spätestens bis zum 31. Januar 2005 sollten laut der Übergangsverfassung Wahlen zu einem Übergangsparlament stattfinden, das dann bis zum 15. August 2005 eine endgültige Verfassung ausarbeiten sollte. Die Übergangsverfassung galt als eine der fortschrittlichsten Verfassungen in der arabischen Welt. Als weitere Voraussetzung für die Rückübertragung der Souveränität an den Irak setzte der Regierende Rat am 1. Juni 2004 eine Übergangsregierung ein und löste sich selbst auf. Die Resolution 1546 des UN-Sicherheitsrates vom 8. Juni 2004 schließlich regelte abschließend die Übergabe der Macht und der Souveränität von den Besatzungsmächten auf die irakische Übergangsregierung zum 30. Juni 2004; für den weiteren Demokratisierungsprozess übernahm die Resolution den in der Übergangsverfassung vorgegebenen Zeitplan. Die Wahlen zum Übergangsparlament fanden plangemäß am 30. Januar 2005 statt; im März 2005 konstituierte sich das Parlament, und Anfang Mai wurde auch die Regierungsbildung abgeschlossen. Zwei Wochen später als vorgesehen legte die vom Parlament gebildete Verfassungskommission Ende August 2005 den Entwurf einer Verfassung vor, der sich im Wesentlichen an der Übergangsverfassung orientierte; am 15. Oktober 2005 nahm die Bevölkerung in einem Referendum die Verfassung mit großer Mehrheit an. Damit war der Weg frei für die Wahl eines regulären Parlaments, die am 15. Dezember stattfand, und in der Folge für die Bildung einer regulären Regierung. 6 WIRTSCHAFT Die Wirtschaftsstruktur des traditionell auf Agrarwirtschaft ausgerichteten Landes änderte sich grundlegend, als mit dem Abbau der reichen Erdöllagerstätten begonnen wurde. Der Irak, Mitglied der OPEC, verfügt nach Saudi-Arabien über die zweitgrößten Erdölreserven der Welt. Der gesamte Erdölsektor befindet sich unter staatlicher Kontrolle. Nach dem 2. Golfkrieg schwächte das von den Vereinten Nationen verhängte Erdölembargo die Wirtschaft des Irak erheblich: Der Irak durfte zunächst überhaupt kein Erdöl mehr exportieren, ab 1995 dann nur in begrenztem Umfang, die Ausfuhrerlöse jedoch ausschließlich für den Import von Nahrungsmitteln und Medikamenten und ähnlichen Gütern der Grundversorgung verwenden. Der Irak-Krieg 2003 brachte die Wirtschaft vorübergehend nahezu vollständig zum Erliegen, insbesondere auch den Erdölexport. Nach dem Sturz des Hussein-Regimes hoben die Vereinten Nationen alle Sanktionen gegen den Irak auf, darunter auch das Erdölembargo; jedoch flossen die Erlöse aus dem Erdölexport vorerst in einen von einem internationalen Beirat überwachten Entwicklungsfonds, d. h., der Irak konnte nicht frei über die Verwendung der Exporterlöse entscheiden. Gestört und zeitweise völlig unterbrochen wurde der Erdölexport aber auch nach dem Krieg, und zwar durch immer wieder aufflammende Kampfhandlungen sowie durch Anschläge auf Förderanlagen und Pipelines. Insgesamt konnte die irakische Wirtschaft nach dem Krieg in höherem Maß als zuvor auf ausländische Investitionen zählen. 6.1 Land- und Forstwirtschaft, Fischerei Etwa 75 Prozent der Landesfläche sind Wüste oder Halbwüste, 13,1 Prozent (2003) werden als Ackerland genutzt. In den Bergländern des Nordens ermöglichen die Niederschläge Regenfeldbau, in den südlichen Landesteilen erfolgt entlang von Euphrat und Tigris überwiegend Bewässerungsfeldbau. Insgesamt werden 8,1 Prozent (2003) der Anbauflächen im Irak künstlich bewässert. Hauptanbauprodukte sind Weizen und Gerste, im sumpfigen Tiefland auch Reis. In den intensiv bewirtschafteten nahen Uferbereichen werden Obst- und Gemüsekulturen angebaut (vor allem Zitrusfrüchte, Granatäpfel, Feigen und Hülsenfrüchte). Eine Sonderstellung als weitaus bedeutendste Kulturpflanze nimmt die Dattelpalme ein. Auch die Viehzucht stellt einen wichtigen Erwerbszweig dar; im Vordergrund stehen dabei Rinder-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelhaltung. Außerdem werden im Irak die berühmten arabischen Vollblutpferde gezüchtet. Forstwirtschaft wird in nur geringem Umfang betrieben. Dagegen ist der Fischfang in Euphrat und Tigris ergiebig. 6.2 Bergbau Wichtigster Bodenschatz im Irak ist das Erdöl. Die Erdölfelder sind auf drei Hauptgebiete verteilt: am Persischen Golf bei Basra, im nördlichen Teil des Landes zwischen Mosul und Kirkuk und im Osten des Irak, nahe der iranischen Grenze. Ebenfalls bedeutend sind die Erdgas-, Schwefel- und Phosphatvorkommen. Darüber hinaus werden in kleinerem Umfang Meersalz und Gips gewonnen. 6.3 Industrie Auch im produzierenden Gewerbe nimmt der Erdölsektor eine dominierende Rolle ein. Bis Anfang der siebziger Jahre kontrollierten ausländische Gesellschaften die irakische Erdölindustrie. Zwischen 1972 bis 1975 wurden sämtliche ausländische Erdölgesellschaften von der Regierung verstaatlicht und von der Iraq National Oil Company sowie der Northern Petroleum Organization übernommen. Wichtige Raffineriestandorte sind Bagdad, Basra und Kirkuk. Eine Verflüssigungsanlage für Erdgas befindet sich in Taji, in der Nähe von Bagdad. Weitere Produktionszweige sind die Verarbeitung von Nahrungsmitteln und Tabak sowie die Herstellung von Textilien und Baustoffen. Bereits in den sechziger Jahren wurden die meisten größeren Industriebetriebe verstaatlicht. Die bedeutendsten Industriestandorte konzentrieren sich in den Ballungsräumen um Bagdad und Basra. 6.4 Verkehrswesen Das irakische Eisenbahnnetz ist über Syrien mit der Türkei und Europa verbunden (siehe Bagdadbahn). Die Irakische Staatsbahn verfügt über eine Schienenlänge von 2 400 Kilometern. Im August 2000 nahmen der Irak und Syrien erstmals seit 19 Jahren wieder den Zugverkehr zwischen beiden Staaten auf. Das Straßennetz umfasst 45 550 Kilometer; davon sind etwa 70 Prozent befestigt. Die Flussschifffahrt hat immer mehr an Bedeutung verloren. Auch die Seeschifffahrt im Persischen Golf ist erheblich zurückgegangen. Internationale Flughäfen gibt es in Bagdad und Basra. 6.5 Energie 98 Prozent der benötigten Elektrizität werden in Wärmekraftwerken erzeugt. An den Hauptflüssen Euphrat und Tigris wurden mehrere Wasserkraftwerke errichtet. 7 GESCHICHTE Das Gebiet des heutigen Irak entspricht etwa dem ehemaligen Mesopotamien, das eine ganze Reihe von Hochkulturen hervorbrachte. Die älteste, uns heute bekannte Hochkultur bestand im Reich der Sumerer und entwickelte sich wahrscheinlich im 4. Jahrtausend v. Chr. Ihre Blütezeit erreichte sie unter der 3. Dynastie von Ur gegen Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. Anschließend folgten Zeiten der Vorherrschaft von Babylonien und Assyrien. Nach der 539 v. Chr. erfolgten Eroberung durch Kyros den Großen von Persien blieb das Gebiet bis zur Besetzung durch Alexander den Großen 331 v. Chr. unter persischer Herrschaft. Nach Alexanders Tod regierte die Seleukiden-Dynastie für etwa 200 Jahre in Mesopotamien. Anschließend folgte eine lange Zeit der Herrschaft weiterer persischer Dynastien (Arsakiden, Sassaniden), bis die muslimischen Araber im 7. Jahrhundert n. Chr. das Gebiet einnahmen. Von 750 bis 1258, unter dem Kalifat der Abbasiden, war Bagdad Hauptstadt der islamischen Kultur. Nach der Plünderung Bagdads durch die Mongolen 1258 und weiteren Überfällen des mongolischen Eroberers Timur-i Läng (Tamerlan) in den folgenden Jahrzehnten wetteiferten türkische und persische Herrscher um die Vorherrschaft, bis schließlich das Osmanische Reich im 17. Jahrhundert die Kontrolle übernahm. 7.1 Türkische Vorherrschaft Seit der 1534 erfolgten Eroberung des Gebiets hatten die Türken mehrere Jahrhunderte lang einheimische Herrscher zur Ausübung der Verwaltungsfunktionen eingesetzt. Bis 1831 wurden diese jedoch durch türkische Herrscher ersetzt, und die in die drei Verwaltungsbezirke Mosul, Bagdad und Basra unterteilte Provinz Irak kam direkt unter türkische Verwaltung. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts zeigten Großbritannien und Deutschland starkes Interesse an dem Gebiet um Euphrat und Tigris. Die Briten sahen hier die Möglichkeit eines direkten Landweges nach Indien und gründeten 1861 eine Dampfschiffgesellschaft für die Navigation auf dem Tigris bis zum Hafen von Basra. Unterdessen plante Deutschland den Bau einer Eisenbahnlinie in den Mittleren Osten (,,von Berlin nach Bagdad") und erhielt gegen den Einwand der Briten eine Genehmigung für den Eisenbahnbau bis zum Persischen Golf. Trotz dieser diplomatischen Niederlage gelang es der britischen Regierung, ihre Position durch Protektoratsabkommen mit ansässigen arabischen Führern zu festigen. Nachdem das Osmanische Reich als Verbündeter des Deutschen Reiches in den 1. Weltkrieg (1914-1918) eingetreten war, drangen britische Streitkräfte im November 1914 nach Mesopotamien vor. Im März 1917 besetzten die Briten Bagdad, und im Oktober 1918 war Mesopotamien vollständig unter britischer Militärkontrolle. 7.2 Das britische Mandat Um sich die Unterstützung der Araber bei einem militärischen Aufstand gegen das Osmanische Reich zu sichern, hatte die britische Regierung zu Beginn des Krieges einer Gruppe arabischer Führer für den Fall einer erfolgreichen Revolte die Unabhängigkeit ihrer Länder versprochen. Im Juni 1916 kam es zu einem von Faisal al-Husein (später Faisal I., erster König des Irak) angeführten Aufstand. Unter der Führung des britischen Generals Edmund Allenby und nach dem taktischen Konzept des britischen Oberst T. E. Lawrence erzielten die arabischen und britischen Streitkräfte Erfolge gegen die osmanischen Truppen, und es gelang ihnen, das arabische Gebiet von der osmanischen Herrschaft zu befreien. 1918 wurde ein Waffenstillstand vereinbart, und die britische und französische Regierung erklärten gemeinsam ihre Absicht, die Errichtung unabhängiger arabischer Nationen in den vormals von Osmanen kontrollierten arabischen Gebieten zu unterstützen. 1920 erhielt Großbritannien vom Völkerbund das Mandat über den Irak und plante für den neuen Staat eine provisorische Regierung. Ein britischer Hochkommissar sollte der von einem arabischen Ministerrat geleiteten Regierung des Königreiches vorstehen. Faisal wurde aufgefordert, Führer der neuen Nation zu werden. Im August 1921 wurde Faisal bei einem Volksentscheid mit 96 Prozent der abgegebenen Stimmen zum König des Irak gewählt. 7.3 Die Monarchie König Faisal forderte offiziell die Überführung des britischen Mandats in einen Bündnisvertrag. Daraufhin wurde im Juni 1922 zwischen Großbritannien und dem Irak ein Bündnis- und Schutzvertrag unterzeichnet. Im Frühjahr 1924 wurde eine konstituierende Versammlung einberufen, und im März 1925 wurden die ersten Parlamentswahlen abgehalten. Im Oktober 1932 trat der Irak dem Völkerbund bei. König Faisal I. starb 1933; Nachfolger wurde sein Sohn, König Ghasi I. 7.4 Internationale Abkommen 1931 erhielt die Irakische Erdölgesellschaft das alleinige Recht zur Nutzung der Ölfelder im Raum von Mosul. 1934 eröffnete die Gesellschaft eine Pipeline von Mosul nach Tripoli (Libanon); 1936 wurde eine Pipeline nach Haifa (Israel) fertig gestellt. Im gleichen Jahr unterzeichneten der Irak und Saudi-Arabien einen Nichtangriffspakt. Im April 1939 starb Ghasi I.; sein drei Jahre alter Sohn, König Faisal II., wurde zunächst von einem Regenten vertreten. 7.5 2. Weltkrieg Gemäß dem Bündnis mit Großbritannien brach der Irak Anfang September 1939 seine diplomatischen Beziehungen zu Deutschland ab. Der englandfreundliche Premierminister General Nuri as-Said wurde im März 1940 durch den Nationalisten Rashid Ali al-Gailani ersetzt, der einen Konfrontationskurs zu den Briten einschlug. Der Druck von Seiten Großbritanniens auf die Einhaltung des britisch-irakischen Bündnisses führte am 30. April 1941 zu einem blutigen Staatsstreich, bei dem eine neue, mit den Achsenmächten kooperierende Regierung unter Premierminister Gailani gebildet wurde. Nach militärischer Intervention erlangte Großbritannien jedoch wieder die Kontrolle über die Transportwege des Irak. Kurz darauf wurde eine englandfreundliche Regierung aufgestellt, die später durch ein Kabinett unter Vorsitz von Said ersetzt wurde. Am 17. Januar 1943 erklärte der Irak als erster unabhängiger muslimischer Staat den Achsenmächten den Krieg. Die fortwährende irakische Unterstützung der Alliierten während des Krieges verstärkte die Position der arabischen Führer hinsichtlich eines Zusammenschlusses arabischer Staaten. 7.6 Krieg mit Israel 1947 vereinbarten die Königreiche Irak und Transjordanien gegenseitige militärische und diplomatische Hilfe. Unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung Israels im Mai 1948 beteiligten sich irakische Truppen an der Seite anderer arabischer Staaten am 1. Arabisch-Israelischen Krieg ( siehe Nahostkonflikt). 7.7 Prowestliche Abkommen Am 24. Februar 1955 schloss der Irak mit der Türkei den Bagdadpakt, den bis Jahresende auch Großbritannien, Pakistan und der Iran unterzeichneten. Im Februar 1958 schlossen sich die Königreiche Irak und Jordanien zur Arabischen Föderation zusammen. Dieses Bündnis stellte einen Gegenpol zu der kurz vorher zwischen Ägypten und Syrien gegründeten Vereinigten Arabischen Republik (VAR) dar. Im Mai wurde der frühere irakische Regierungschef Nuri as-Said zum Premierminister der Arabischen Föderation ernannt. 7.8 Die Republik Nach dem blutigen Staatsstreich von General Qasim Kassem, bei dem auch König Faisal II. ums Leben kam, wurde am 14. Juli 1958 die Republik ausgerufen. In der Folgezeit wandte sich der Irak vom prowestlichen Kurs der Monarchie ab und löste auch das Bündnis mit Jordanien auf. Kassem unternahm jedoch gleichzeitig auch Versuche, das Vertrauen des Westens durch die Beibehaltung der Erdöllieferungen zu gewinnen. Im März 1959 verließ der Irak den Bagdadpakt, der daraufhin unter dem Namen CENTO (Central Treaty Organization) neu strukturiert wurde. 1961 und 1962 kam es im Norden des Landes zu Aufständen von Kurden. Der Konflikt wurde erst 1970 vorübergehend beigelegt, als die Regierung der Bildung einer autonomen kurdischen Region zustimmte, und kurdische Minister ins Kabinett berief. 7.9 Militärische Umstürze Am 8. Februar 1963 wurde Kassem durch eine Gruppe größtenteils der Baath-Partei angehörender Offiziere gestürzt und am darauf folgenden Tag hingerichtet. Unter dem neuen Präsidenten Abdul Salam Aref und (nach seinem Tod 1966) seinem Bruder und Nachfolger Abdul Rahman Aref verbesserten sich die Beziehungen zum Westen. 1967 nahm der Irak auf jordanischer Seite am Sechstagekrieg gegen Israel teil. Am 17. Juli 1968 übernahm die Baath-Partei nach dem Sturz der bestehenden Regierung die Macht, und Generalmajor Ahmed Hassan al-Bakr, der vorher das Amt des Premierministers innegehabt hatte, wurde zum Vorsitzenden des Revolutionsrates ernannt. In den folgenden Jahren behielt der Irak seine antiwestliche Haltung bei. Mit dem Anstieg der Ölpreise nahmen ab Ende 1973 die Einnahmen auf dem Erdölsektor erheblich zu. 7.10 Der Krieg mit dem Iran - Erster Golfkrieg Anfang 1974 brachen im Norden des Landes schwere Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Kurden aus. Die von Mustafa al-Barzani angeführten Kurden erhielten Waffen und anderes Kriegsmaterial aus dem Iran. Nachdem der Irak Anfang 1975 eingewilligt hatte, dem Iran größere Zugeständnisse bei der Beilegung gemeinsamer Grenzstreitigkeiten zu machen, brach der Iran seine Unterstützung der Kurden ab, wodurch der kurdischen Revolte ein schwerer Schlag versetzt wurde. Im Juli 1979 wurde General Saddam Hussein Nachfolger von Präsident al-Bakr. 1979 verschärften sich die Spannungen zwischen Iran und Irak, da dieser die in der iranischen Provinz Khusistan nach Autonomie strebenden Araber unterstützte. Zur traditionellen Rivalität beider Staaten - verstärkt durch den religiösen Gegensatz zwischen Sunniten und Schiiten - kam das Ringen um die Vorherrschaft am Persischen Golf. Im September 1980 widerrief der Irak das 1975 mit dem Iran getroffene Abkommen und meldete Ansprüche auf das gesamte Mündungsgebiet des Schatt el Arab an. Die Streitigkeiten entwickelten sich zu einem Krieg, als irakische Truppen in die iranische Provinz Khusistan einmarschierten. Anfang 1982 startete der Iran einen Gegenangriff, und bis zum Mai war es ihm gelungen, fast das gesamte, 1980 vom Irak besetzte Gebiet zurückzuerobern. Die folgenden Kriegsjahre forderten hohe Verluste auf Seiten der Zivilbevölkerung. Nach der im August 1988 in Kraft getretenen Waffenruhe mit dem Iran mobilisierte die irakische Regierung erneut Truppen, um die Kurdenaufstände niederzuwerfen. Gegen Ende der achtziger Jahre rüstete der Irak mit Hilfe von Bankkrediten und moderner, zum Teil aus Westeuropa und den Vereinigten Staaten stammender Technik wieder auf. Siehe auch Erster Golfkrieg 7.11 Die Besetzung Kuwaits - Zweiter Golfkrieg Nach Auseinandersetzungen über die Erdölförderung marschierten irakische Truppen im August 1990 in Kuwait ein, besetzten in kurzer Zeit das gesamte Land und erklärten es zur 19. Provinz des Irak. Eine Reihe von Resolutionen des UN-Sicherheitsrates zur Verurteilung dieser Invasion gipfelten in einem Ultimatum, das den bedingungslosen Rückzug der irakischen Truppen aus Kuwait bis zum 15. Januar 1991 forderte. Da der Irak dieser Forderung nicht nachkam, startete eine Koalition unter Führung der Vereinigten Staaten eine heftige militärische Aktion gegen militärische und zivile Ziele im Irak und in Kuwait. Im sich daraus entwickelnden Zweiten Golfkrieg erlitt der Irak eine Niederlage und zog sich im Februar aus Kuwait zurück. Im April erkannte der Irak die UN-Bedingungen für einen Waffenstillstand an. Nach der Stationierung einer UN-Friedenstruppe zur Überwachung der irakisch-kuwaitischen Grenze wurden die alliierten Streitkräfte abgezogen. Während dieser Zeit schlugen irakische Truppen Aufstände der Schiiten im Süden und der Kurden im Norden nieder, woraufhin Hunderttausende von Kurden in die Türkei und den Iran flüchteten. Daraufhin wurden für die kurdische Bevölkerung im Norden des Irak Schutzzonen unter Aufsicht der Vereinten Nationen errichtet. 1992 wurde der Irak unter massivem internationalem Druck zur Zerstörung der ihm verbleibenden Massenvernichtungswaffen aufgefordert; die wirtschaftlichen Sanktionen sollten bis zur Erfüllung dieser Forderung in Kraft bleiben. 7.12 Innere Konflikte 1993 wurde von den UN offiziell mitgeteilt, dass die Demontage der irakischen Anlagen zur Herstellung atomarer, biologischer und chemischer Waffen abgeschlossen sei, worauf der Irak die Aufhebung des von den UN verhängten Handelsembargos verlangte, das aber lediglich gelockert wurde. Die Versuche des Irak, den Widerstand im eigenen Land zu brechen, gingen auch 1994 weiter. Die Regierung verhängte gegen die im Norden des Landes lebenden Kurden ein Wirtschaftsembargo und ging gegen die in den Sumpfgebieten im Süden lebenden Schiiten militärisch vor. Im August 1996 eskalierte der Machtkampf der Guerillas der beiden rivalisierenden Kurdenorganisationen, der von Iran geförderten Patriotischen Union der Kurden (PUK) und der von der irakischen Regierung unterstützten Kurdischen Demokratischen Partei (KDP). Der Eroberung mehrerer Städte durch Einheiten der KDP folgte eine Massenflucht aus dem Norden des Irak in den Iran. Daraufhin marschierten Truppen der iranischen Armee in den Norden des Irak ein. Der Konflikt weitete sich aus, als türkische Einheiten die irakische Grenze überschritten, um vermutete Stützpunkte von Mitgliedern der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) zu zerstören. Die massive militärische Unterstützung der KDP durch nationale Truppen zog internationale Proteste nach sich; die Vereinigten Staaten verstärkten zwischenzeitlich ihre militärische Präsenz im Persischen Golf. Im November 1996 unterzeichneten Vertreter von PUK und KDP ein Friedensabkommen. Darin vereinbarten sie die Bildung einer gemeinsamen Regierung für das Kurdengebiet im Norden des Landes. 7.13 Neuerliche Konflikte mit den Vereinten Nationen und den USA Im April 1995 lockerten die UN das 1990 verhängte Embargo und gestatteten dem Irak in begrenztem Umfang den Export von Erdöl und im Gegenzug die Einfuhr von Nahrungsmitteln und Medikamenten aus dem Erlös des Ölexports. Allerdings nahm der Irak erst im Dezember 1996 den Ölexport wieder auf; bis dahin hatte er sich dem ,,Öl-für-Lebensmittel"-Programm wegen angeblicher Einschränkung seiner Souveränität verweigert. In den Folgejahren wurde das Programm zur Ausfuhr von Erdöl für humanitäre Zwecke regelmäßig durch UN-Resolutionen verlängert. Anfang 1998 drohte der seit dem Herbst 1997 schwelende Konflikt um die UN-Waffeninspektoren in einer militärischen Auseinandersetzung zu gipfeln. Die irakische Führung hatte unter Verletzung der UN-Resolution über die Zerstörung von Massenvernichtungswaffen den Inspektoren den Zugang zu verschiedenen Anlagen, in denen man Waffenproduktions- bzw. -lagerstätten vermutete, untersagt. Im Februar 1998 gelang UN-Generalsekretär Kofi Annan die Beilegung des Konflikts: Er handelte mit der irakischen Führung ein Abkommen aus, in dem der Irak den UN-Kontrolleuren den freien Zutritt zu allen verdächtigen Anlagen, auch zu den acht Palästen Husseins, zusagte. Die Untersuchungen der acht Präsidialanlagen ergaben jedoch keinerlei Hinweise auf Produktion oder Lagerung von Massenvernichtungswaffen. Im August 1998 erklärte der Irak, er werde mit der UN-Abrüstungskommission (UNSCOM) und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in der bis dahin praktizierten Form nicht länger zusammenarbeiten. Im November wurde die UNSCOM vom Irak als ,,Spionage-Instrument Washingtons" bezeichnet und jede Zusammenarbeit mit den Waffeninspektoren der Vereinten Nationen ausgesetzt. Die USA forderten den Irak auf, die Inspektoren wieder ihrer Tätigkeit nachgehen zu lassen und drohten mit einem Militärschlag. Nachdem im November ein bereits eingeleiteter Angriff von den USA in letzter Minute ausgesetzt worden war, fanden im Dezember 1998 Luftangriffe auf Bagdad statt: Mit der ,,Operation Wüstenfuchs", einer in der Nacht zum 16. Dezember begonnenen, vier Tage dauernden Militäraktion unter Einsatz von Marschflugkörpern und Kampfflugzeugen, reagierten die USA und Großbritannien auf weitere Behinderungen der UN-Waffeninspektoren. Ende Dezember 1998 verweigerte der Irak die weitere Anerkennung der Flugverbotszonen im Norden und Süden des Landes. Diese Zonen waren von den USA, Großbritannien und Frankreich 1991 und 1992 eingerichtet worden, um irakische Luftangriffe auf aufständische Kurden im Norden und schiitische Rebellen im Süden zu stoppen. Zudem schloss das irakische Parlament per Dekret eine Rückkehr der UN-Waffeninspekteure in den Irak aus. Zehn Tage nach dem Militäreinsatz griffen USFlugzeuge Stellungen im Norden des Landes an, da sie bei der Überwachung der Flugverbotszonen mit Bodenluftraketen beschossen worden waren. Am 20. Februar 1999 wurde der ranghöchste schiitische Ayatollah, Sadiq al-Sadr, ermordet. Hinter dem Anschlag vermuteten politische Beobachter die Führung in Bagdad. Nach dem Anschlag kam es in den südirakischen Städten Kerbala und Nasiriya sowie in Bagdad zu schweren Unruhen, bei denen allein in Saddam-Stadt, einem Vorort Bagdads, 300 Menschen starben. Im Dezember 1999 rief der UN-Sicherheitsrat mit der Resolution 1284 eine neue Kommission zur Rüstungskontrolle im Irak ins Leben, die UNMOVIC, die die Arbeit der UNSCOM fortsetzen soll. Der Irak lehnte die Resolution ab. Bei den Parlamentswahlen vom März 2000 wurde die regierende Baath-Partei erwartungsgemäß mit großer Mehrheit als stärkste politische Kraft bestätigt. Am 16. Februar 2001 griffen 24 Kampfflugzeuge amerikanischer und britischer Streitkräfte irakische Kommando- und Radarstellungen nahe der Hauptstadt Bagdad an. Nach amerikanischer Darstellung handelte es sich bei den Angriffen um eine Routineoperation zur Durchsetzung der Respektierung der Flugverbotszonen. Die Luftangriffe stießen auf erhebliche internationale Kritik und ließen die Vermutung aufkommen, sie seien erste Anzeichen eines neuen, wieder schärferen Kurses der USA bzw. deren neuem Präsidenten George W. Bush in der Irak-Frage. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 rückte die US-Regierung den Irak in die Nähe des islamistischen Terrorismus und forderte ihn zur Abrüstung und zur Wiederzulassung der UN-Waffeninspektoren auf; im Januar 2002 reihte Bush den Irak neben Iran und Nordkorea schließlich in die so genannte ,,Achse des Bösen" ein und verschärfte in der Folgezeit seine Drohungen gegen den Irak. Im März 2002 nahmen hochrangige irakische Politiker mit Vertretern der Vereinten Nationen - darunter auch UN-Generalsekretär Kofi Annan - Verhandlungen über eine Rückkehr der UN-Waffeninspektoren in den Irak auf; sie endeten im Juli 2002 ergebnislos. Erst als der mit Kriegsdrohungen verbundene Druck der USA auf die UN, den Irak per Resolution zur Abrüstung zu zwingen, immer stärker wurde, erklärte sich die irakische Führung im September 2002 bereit, die UN-Waffeninspektoren ohne Vorbedingung ins Land zurückkehren zu lassen, und sagte die Erfüllung der die Massenvernichtungswaffen betreffenden UN-Resolutionen zu. Im Oktober 2002 wurde Saddam Hussein für weitere sieben Jahre im Amt des Staatspräsidenten bestätigt. Bei der Abstimmung hatten angeblich alle der fast 11,5 Millionen stimmberechtigten Iraker für Hussein votiert; einen Gegenkandidaten gab es nicht. Als Dank für sein Volk erließ Hussein eine Generalamnestie. Am 8. November 2002 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat auf Druck der USA und nach langwierigen Auseinandersetzungen die Resolution 1441. Darin wurde der Irak aufgefordert, detaillierte Informationen über seine Waffenprogramme zur Verfügung zu stellen, außerdem den UN-Waffeninspekteuren ungehinderten Zugang zu allen Lagern und Produktionsstätten atomarer, biologischer und chemischer Massenvernichtungswaffen zu gewähren. Bei mangelhafter Kooperation drohte die Resolution dem Irak mit ,,ernsten Konsequenzen". Fünf Tage später akzeptierte der Irak - nach einigen verbalen Scheingefechten - die Resolution bedingungslos, und am 27. November 2002 nahmen die UN-Waffeninspektoren ihre Arbeit im Irak wieder auf. In der Folgezeit konnten die UN-Waffeninspektoren zunehmend ungehindert ihrer Arbeit nachgehen und verbesserte der Irak allmählich - wenn auch widerstrebend - seine Kooperation mit den Inspektoren. Die Inspektionen lieferten keinen Hinweis darauf, dass der Irak noch über Massenvernichtungswaffen bzw. entsprechende Forschungsund Produktionseinrichtungen verfügte. Dennoch verschärften die USA, unterstützt von Großbritannien, unter Hinweis auf vermeintliche Verstöße des Irak gegen die Resolution 1441 ihren Druck auf den UN-Sicherheitsrat und den Irak, verlegten umfangreiche Truppenkontingente in die Golfregion und strebten immer offensichtlicher einen Krieg gegen den Irak an - auch ohne UN-Mandat. Als vorrangiges Ziel galt den USA nicht mehr ausschließlich - wie in den einschlägigen UN-Resolutionen gefordert - die Entwaffnung des Irak, sondern vielmehr der Sturz des Hussein-Regimes. Im UN-Sicherheitsrat fand der amerikanisch-britische Kurs jedoch keine Mehrheit; u. a. Deutschland sowie die Vetomächte Frankreich und Russland lehnten es ab, einer Resolution, die einen Krieg gegen den Irak legitimiert, zuzustimmen und forderten, überzeugt, dass der Konflikt sich friedlich lösen ließe, eine Verlängerung und Vertiefung der Inspektionen. Unterdessen hatten sich, gefördert von den USA, im Dezember 2002 in London die Vertreter von etwa 50 irakischen Oppositionsgruppen versammelt, um über die politische Ordnung im Irak nach einem Sturz Husseins zu beraten. Jedoch waren diese zum Teil zutiefst verfeindeten Gruppen politisch, religiös und ethnisch in so hohem Maße inhomogen, dass sie sich auf eine für alle annehmbare Lösung nicht einigen konnten. 7.14 Der Irak-Krieg Nachdem am 10. März 2003 Frankreich und Russland im UN-Sicherheitsrat ihr Veto gegen einen amerikanisch-britischen Resolutionsentwurf, der dem Irak eine letzte Frist zur Entwaffnung bis zum 17. März setzte, angekündigt und sich der Sicherheitsrat weiterhin mehrheitlich gegen einen Krieg und für die Verlängerung der Waffeninspektionen ausgesprochen hatten, zogen die USA und Großbritannien am 17. März ihren Resolutionsentwurf zurück. Bush stellte Hussein ultimativ vor die Alternative, binnen 48 Stunden freiwillig das Land zu verlassen, andernfalls einen Krieg zu provozieren. Der Irak wies dieses Ultimatum zurück. Kurz nach Ablauf des Ultimatums begannen die USA und Großbritannien, die unterdessen etwa 250 000 Soldaten in der Golfregion stationiert hatten, mit Bombenangriffen auf ausgewählte Ziele in Bagdad den als Operation Iraqi Freedom titulierten Krieg gegen den Irak - ohne UN-Mandat und nach weit verbreiteter Auffassung im Widerspruch zum Völkerrecht. Die ersten Angriffe galten offensichtlich der Person Saddam Hussein, verfehlten jedoch allem Anschein nach ihr Ziel. Strategie der Alliierten war, einerseits durch Shock and Awe (,,Schock und Einschüchterung"), d. h. den Einsatz unzähliger Bomben und Marschflugkörper, den Irak zum Aufgeben zu veranlassen, andererseits ihre Bodentruppen von der irakischen Südgrenze aus möglichst rasch nach Bagdad vorstoßen und die Stadt einnehmen zu lassen. Beide Strategien waren nur bedingt erfolgreich: Der irakische Widerstand war größer als erwartet, und obwohl es im Irak eine breite Opposition gegen das Regime Hussein gab, liefen weder - wie erhofft - die von dem sunnitischen Regime unterdrückten Schiiten, die sich vor allem im Süden konzentrierten, zu den Alliierten über noch die regulären Truppen oder zumindest größere Teile davon. Aber die zum Teil heftigen Kämpfe um die südirakischen Städte Umm Kasr, Basra, Nasiriya, An-Najaf und auch bei Kerbela etwa 80 Kilometer vor Bagdad führten zu einer drastischen Verschärfung der humanitären Situation in den genannten Städten. Trotz der unvorhergesehenen Schwierigkeiten militärischer und logistischer Art gelang es den US-Truppen, am 9. April 2003 in das Zentrum von Bagdad vorzustoßen und die Stadt einzunehmen, womit das Regime Hussein für gefallen galt. Wenige Tage zuvor hatten britische Truppen bereits Basra eingenommen. Begleitet wurde der Fall des Regimes vom Jubel großer Teile der Bevölkerung, aber auch, da nun jegliche Ordnungsmacht fehlte, landesweit von Plünderungen in großem Umfang, von denen nicht nur Einrichtungen des alten Regimes und der Baath-Partei betroffen waren, sondern z. B. auch Krankenhäuser, Universitäten sowie das Irakische Nationalmuseum in Bagdad. Am 10. und 11. April nahmen kurdische Truppen, unterstützt von US-Einheiten, Kirkuk und Mosul im Norden des Irak ein, die irakischen Truppen zogen sich kampflos zurück. Damit waren nach den Ölfeldern im Süden auch die beiden wichtigsten Ölstädte im Norden unter alliierter Kontrolle. Zuletzt eroberten US-Truppen nach letzten schweren Gefechten Tikrit, die Heimatstadt und Hochburg Saddam Husseins. Von Saddam Hussein selbst fehlte jedoch jede Spur - ebenso von den angeblich vorhandenen Massenvernichtungswaffen, die ja von den Alliierten USA und Großbritannien als offizieller Kriegsgrund ins Feld geführt worden waren. 7.15 Nachkriegsordnung Der Jubel der Iraker über den Fall des Regimes wich bald Protesten gegen die amerikanisch-britische Besatzung des Irak. Die USA als die Führungsmacht der Alliierten waren nicht bereit, die Hauptverantwortung für den Wiederaufbau und die politische Neuordnung des Irak den Vereinten Nationen zu übertragen, wie von zahlreichen Staaten und auch im Irak selbst gefordert; allenfalls im Bereich der dringend notwendigen humanitären Hilfe wollten die USA den Vereinten Nationen Kompetenzen einräumen. Auch lehnten die USA die Rückkehr der UN-Waffeninspektoren in den Irak ab, entsandten vielmehr eigene Kontrolleure - deren Suche nach Massenvernichtungswaffen allerdings ebenfalls erfolglos blieb. Eine Woche nach dem Fall der wichtigsten irakischen Städte nahm der von den USA eingesetzte ehemalige US-General James Garner seine Arbeit als Leiter der Zivilverwaltung im Irak auf; nach nur einem Monat im Amt wurde er von dem US-Diplomaten Paul Bremer abgelöst. Bereits am 15. April 2003 hatte auf Initiative der USA im Schatten des antiken Ur ein erstes Treffen der ehemaligen irakischen Opposition stattgefunden, auf dem über die Neugestaltung des Landes beraten wurde. Einige wichtige Gruppierungen, wie etwa der schiitische Oberste Rat der Islamischen Revolution im Irak, nahmen allerdings nicht teil, und als Ergebnis kam lediglich eine Einigung auf zentrale Grundwerte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Föderalismus zustande. Knapp zwei Wochen später nahmen die Oppositionsgruppen ihre Beratungen in Bagdad wieder auf, nun unter Teilnahme aller wichtiger Gruppierungen, jedoch wieder ohne greifbares Ergebnis. Anfang Mai fand im Irak eine erste Wahl statt, und zwar die des Bürgermeisters von Mosul. Unterdessen erklärte US-Präsident Bush am 1. Mai 2003 die Kampfhandlungen (nicht aber den Krieg) im Irak für beendet. In den Wochen nach dem Fall Bagdads nahmen die Alliierten eine Reihe hochrangiger Vertreter des Hussein-Regimes fest bzw. stellten sich diese freiwillig, darunter auch Husseins stellvertretender Ministerpräsident Tarik Aziz. Die seit über drei Jahrzehnten den Irak regierende Baath-Partei wurde von der US-Besatzungsmacht für aufgelöst erklärt. Sowohl der Wiederaufbau der Infrastruktur (vor allem Wasser- und Energieversorgung) und der Wirtschaft als auch die Stabilisierung der Sicherheitslage kamen erheblich langsamer voran als erwartet; antiamerikanische Proteste und Ausschreitungen nahmen im Gegenteil zu, und bald häuften sich auch die gezielten Angriffe auf Truppen und Einrichtungen der USA. Die USA reagierten mit Gegenangriffen, breit angelegten Razzien und zahlreichen Festnahmen und vermuteten ,,organisierten Widerstand" hinter den Anschlägen. Der politische Wiederaufbau stellte die USA vor noch größere Probleme: Im April sagten sie zunächst die rasche Einsetzung einer irakischen Übergangsregierung zu; da sich aber die Sicherheitslage nicht besserte, zudem die verschiedenen politischen, ethnischen und religiösen Gruppen und Parteien hinsichtlich politischer und personeller Konzepte zu keinem Konsens fanden, vertagten die USA die Bildung einer irakischen Regierung jedoch bald wieder. Der zunehmende Druck der Bevölkerung und der politischen und religiösen Führer, die die politische Verantwortung im Irak bei den Irakern sehen wollten, zwang die USA dann allerdings zu einer Art Zwischenlösung: Sie setzten einen von ihnen in Absprache mit irakischen Repräsentanten zusammengestellten 25-köpfigen ,,Regierenden Rat" mit exekutiven Vollmachten ein. Dieser Rat konstituierte sich am 13. Juli 2003, setzte sich aus 13 Schiiten, je fünf Sunniten und Kurden, einem Turkmenen und einem Christen zusammen und bestand zum großen Teil aus Personen, die die Jahre des Hussein-Regimes außerhalb des Irak bzw. außerhalb des Wirkungskreises des Regimes verbracht hatten. Zu den exekutiven Vollmachten des Rates gehörte vor allem die Ernennung von Ministern, die Festlegung der Grundlinien der irakischen Politik sowie die Erstellung des Haushalts, und er hatte den Auftrag, die Ausarbeitung einer Verfassung einzuleiten. Der US-Verwalter Bremer behielt sich jedoch ein Vetorecht gegen alle Entscheidungen des Rates vor. Bereits am 22. Mai 2003 hatte der UN-Sicherheitsrat die Resolution Nummer 1483 zur Nachkriegsordnung im Irak verabschiedet. Die Resolution war von den USA, Großbritannien und Spanien eingebracht und vor ihrer Verabschiedung auf Betreiben vor allem Russlands, Chinas und Frankreichs einer ganzen Reihe von Änderungen unterzogen worden. Die wichtigsten Punkte der Resolution waren: die Aufhebung aller Sanktionen gegen den Irak (mit Ausnahme des Waffenembargos); die Installierung eines UN-Sonderbeauftragten für den Irak mit deutlich mehr als den ursprünglich von den USA vorgesehenen, auf die Koordination der humanitären Hilfe begrenzten Aufgaben; die Beendigung des ,,Öl-für-Lebensmittel"-Programms sechs Monate nach Verabschiedung der Resolution; die Einrichtung eines durch einen internationalen Beirat überwachten Entwicklungsfonds für den Irak, in den u. a. die Erlöse aus dem Erdölexport fließen und der für humanitäre Zwecke, den Wiederaufbau von Wirtschaft und Infrastruktur und die Kosten der irakischen Zivilverwaltung verwendet werden sollte. Des Weiteren erkannte die Resolution die USA und Großbritannien de facto als Besatzungsmächte mit weit reichenden Vollmachten an, betonte aber auch mehrmals das Recht des irakischen Volkes, ,,seine eigene Zukunft frei zu bestimmen" und forderte die Besatzungsmächte auf, die Bedingungen dafür zu schaffen. Nach zwölf Monaten sollte die Durchführung der Resolution überprüft werden, d. h., der Status der USA und Großbritanniens als Besatzungsmächte war bis mindestens Mai 2004 festgeschrieben. Als UN-Sonderbeauftragten für den Irak berief UN-Generalsekretär Annan den erst seit wenigen Monaten als UN-Menschenrechtskommissar amtierenden Sergio Vieira de Mello. Mit einer weiteren Resolution (Nr. 1500 vom 14. August 2003) erkannten die Vereinten Nationen den Regierenden Rat an und installierten für zunächst zwölf Monate die Unterstützungsmission UNAMI (United Nations Assistance Mission for Iraq) zur Koordination von humanitären Hilfeleistungen und zur Beratung in politischen Fragen. Mit fortschreitender Andauer der Besatzung häuften sich die Angriffe und Anschläge auf die Besatzungstruppen, insbesondere auf die der USA. Die durch die Einsetzung des Regierenden Rates erhoffte Stabilisierung war ausgeblieben. Im August 2003 erschütterten drei Anschläge bisher nicht da gewesenen Ausmaßes das Land, aber auch die Glaubwürdigkeit der für die Sicherheit verantwortlichen Besatzungstruppen. Die Anschläge forderten insgesamt über 100 Tote, darunter der UN-Sonderbeauftragte de Mello sowie Ayatollah Mohammed Bakr al-Hakim, der einflussreichste Führer der irakischen Schiiten. Gerichtet waren die Anschläge nicht gegen die Besatzungsmacht USA direkt, sondern gegen Personen und Organisationen, die mit ihnen zusammenarbeiteten. Die Verantwortung für die Anschläge übernahmen islamistische Organisationen, die - zumindest teilweise - vermutlich dem Umfeld von al-Qaida angehörten. Am 1. September 2003 ernannte der Regierende Rat nach langen Verzögerungen ein 25-köpfiges Kabinett, das sich nach demselben religiösen und ethnischen Proporz zusammensetzte wie der Rat selbst und nun die laufenden Regierungsgeschäfte übernahm. Die eigentliche Macht verblieb aber weiterhin in den Händen der Besatzungsmacht USA. Große Verzögerungen gab es auch im Hinblick auf die Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die nach den Vorstellungen der USA binnen eines halben Jahres abgeschlossen sein sollte: Ende September 2003 stellte der irakische Verfassungsausschuss, der lediglich über die Art und Weise der Bestellung einer verfassunggebenden Versammlung entscheiden sollte, nach zweimonatigen Beratungen seine Tätigkeit ein, ohne zu einem Ergebnis gekommen zu sein. Über Inhalte der künftigen Verfassung war zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt nicht beraten worden. Von irakischer Seite verlautete, dass die Ausarbeitung einer Verfassung mindestens ein Jahr in Anspruch nehmen würde. Das bedeutet, dass sich gegenüber den Plänen der USA auch die Wahl repräsentativer Organe und somit die Übertragung der vollen Souveränität an das irakische Volk und der Abzug der Besatzungsmächte erheblich verzögern würden. Vor dem Hintergrund einer rapide zunehmenden Anzahl von Anschlägen auf die Besatzungstruppen, internationale Hilfsorganisationen und zunehmend auch auf irakische Einrichtungen und ihre Vertreter drängten die USA nun aber auf eine möglichst rasche Rückgabe der Souveränität an eine irakische Regierung. Am 15. November 2003 schlossen sie mit dem Regierenden Rat ein Abkommen, dem zufolge Mitte 2004 eine irakische Übergangsregierung die volle Souveränität übernehmen soll, während zugleich die Besetzung des Irak enden und sich in eine ,,Militärpräsenz im Einverständnis mit den irakischen Behörden" umwandeln würde. Zuvor soll der Regierende Rat als Grundlage für die Übergangsregierung bis Februar 2004 ein provisorisches Grundgesetz erarbeiten, das die Grund- und Menschenrechte sowie Demokratie, Gewaltenteilung und Föderalismus festschreibt. Im Oktober 2003 stellte eine internationale Geberkonferenz, an der etwa 70 Staaten und Organisationen teilnahmen, dem Irak etwa 33 Milliarden US-Dollar für den Wiederaufbau in Aussicht. Zudem erließen einige Staaten wie Deutschland, Frankreich, Russland und Japan dem Irak einen Teil seiner Auslandsschulden, die auf insgesamt etwa 100 Milliarden US-Dollar geschätzt werden. Im Dezember 2003 beschloss der Regierende Rat die Errichtung eines Sondertribunals, das die zwischen 1968, als die Baath-Partei an die Macht kam, und dem 1. Mai 2003 begangenen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Massentötungen verfolgen soll. Zu diesen Verbrechen gehören z. B. die Massenexekutionen an irakischen Kurden in den achtziger Jahren sowie Verbrechen gegen den Iran im 1. Golfkrieg und gegen Kuwait im 2. Golfkrieg. Da Saddam Hussein am 13. Dezember 2003 nahe Tikrit von US-Truppen gefangen genommen worden war, stand dem Tribunal nun auch der Hauptverantwortliche für die genannten Verbrechen als Angeklagter zur Verfügung. Am 1. März 2004 einigte sich der Regierende Rat auf den Text eines provisorischen Grundgesetzes. Diese Übergangsverfassung schreibt den Islam als Staatsreligion fest, garantiert aber auch den anderen Religionen Freiheit; sie nennt den Islam als eine, aber nicht alleinige Quelle der Gesetzgebung und Rechtsprechung; außerdem verankert sie u. a. die föderale Struktur des Landes und reserviert ein Viertel der Parlamentssitze Frauen. Diese Verfassung stieß im Irak auf ein geteiltes Echo: Radikale Schiiten lehnten sie ab, gemäßigte Kräfte begrüßten sie als Erfolg. Aufgrund des Einspruches der radikaleren Schiiten verzögerte sich die Unterzeichnung der Verfassung bis zum 8. März; am Ende aber wurde sie in ihrem ursprünglichen Wortlaut in Kraft gesetzt. In der Folgezeit verschärfte sich die Lage im Irak zusehends. Die Anschläge auf die Besatzungstruppen wurden immer zahlreicher, radikalisierte Iraker, insbesondere die Milizen des radikalen Schiitenpredigers Muktada al-Sadr, und Besatzungstruppen lieferten sich immer häufiger Gefechte. In einigen Gegenden verloren die Besatzungsmächte zeitweise die Kontrolle. Trotz dieser Lage hielt die US-Zivilverwaltung am 30. Juni 2004 als dem Termin für die Rückgabe der vollen Souveränität an den Irak fest. Eine wesentliche Voraussetzung für die Übernahme der Souveränität durch irakische Institutionen war am 1. Juni 2004 die Einsetzung einer Übergangsregierung. Diese Regierung hatte der Regierende Rat in Absprache mit den Vereinten Nationen und den USA, jedoch nicht immer nach deren Wünschen zusammengestellt. Präsident der Übergangsregierung, der im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben beschränkt ist, wurde der Sunnit Ghasi al-Jawer; das Amt des Ministerpräsidenten übernahm der Schiit Iyad Allawi. Insgesamt repräsentiert die 36-köpfige Übergangsregierung - wie vor ihr der Regierende Rat - alle relevanten Bevölkerungsgruppen des Irak; auch sechs Frauen gehören der Regierung an. Einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung auf einen souveränen Irak markierte am 8. Juni 2004 die Verabschiedung der Resolution 1546 durch den UN-Sicherheitsrat: Die Resolution schrieb die Rückgabe der Souveränität durch die Besatzungsmächte an den Irak und damit das Ende der Besatzung spätestens zum 30. Juni 2004 fest, und sie erkannte die am 1. Juni eingesetzte Übergangsregierung an. Außerdem gab die Resolution den Zeitplan für den weiteren Demokratisierungsprozess vor: Wahlen zu einer provisorischen Nationalversammlung bis zum 31. Dezember 2004, spätestens bis zum 31. Januar 2005; daran anschließend Bildung einer demokratisch legitimierten Übergangsregierung und Ausarbeitung einer endgültigen Verfassung; und schließlich Abhaltung von Wahlen als Grundlage für die Bildung einer demokratischen Regierung bis zum 31. Dezember 2005. Des Weiteren regelte die Resolution Status, Kompetenzen und Einsatzdauer der von den USA geführten multinationalen Streitkräfte im Irak, und sie übertrug die Verfügungsgewalt über die Erlöse aus dem Erdöl- und Erdgasexport weitgehend der Übergangsregierung. Und schließlich wies die Resolution den Vereinten Nationen beim politischen und institutionellen Wiederaufbau des Irak eine führende Rolle zu. 7.16 Rückgabe der Souveränität Im Vorfeld der für den 30. Juni 2004 geplanten Rückgabe der Souveränität an den Irak häuften sich die Attentate; täglich kamen Dutzende Iraker, aber auch Ausländer ums Leben. Um angesichts dieser gespannten Lage zu verhindern, dass die Machtübertragung von Attentaten überschattet wurde, verlegte man sie um zwei Tag vor: Am 28. Juni 2004 also übertrug die US-Zivilverwaltung die Souveränität der irakischen Übergangsregierung, die Übergangsregierung wurde vereidigt, und die USZivilverwaltung löste sich auf. Formell endete damit auch die Besatzung; aber gemäß der Resolution 1546 blieben die US-geführten Truppen weiter im Land und für die Sicherheit zuständig. Mit der Rückgabe der Souveränität wurden auch die Kriegsgefangenen, darunter Saddam Hussein, in die juristische Verantwortung des Irak übergeben. Vor dem Hintergrund anhaltender Anschläge verabschiedete die Übergangsregierung wenige Tage nach ihrem Amtsantritt ein Notstandsgesetz, das es ihr erlaubte, zeitlich und regional begrenzt und unter juristischer Kontrolle das Kriegsrecht auszurufen, und auch die Todesstrafe wurde wieder eingeführt. Im August 2004 wählte die etwa 1 000-köpfige irakische Nationalkonferenz den Nationalrat, der bis zu den Wahlen im Dezember 2004 oder Januar 2005 als Übergangsparlament fungieren und im Wesentlichen die Regierung beraten und kontrollieren sowie die Wahlen vorbereiten sollte. Dem Nationalrat gehörten 100 Abgeordnete an, die die wichtigsten Konfessionen und Ethnien vertraten (45 schiitische und 20 sunnitische Araber, 24 Kurden, sechs Turkmenen und fünf Christen bzw. Vertreter anderer Minderheiten). Vorsitzender des Nationalrates wurde der Kurde Fuad Masum, so dass nun die drei höchsten Ämter im Irak - Staatspräsident, Ministerpräsident und Vorsitzender des Nationalrates - von je einem Sunniten, einem Schiiten und einem Kurden besetzt waren. Zugleich bleiben die Vereinten Nationen im Irak präsent bzw. bauten ihre Präsenz aus: Im August 2004 verlängerten sie das Mandat der UNAMI um ein weiteres Jahr, und mit dem Pakistaner Ashraf Jehangir Qazi wurde ein neuer UN-Sondergesandter im Irak installiert. Eine große Herausforderung für die Übergangsregierung und den soeben erst gewählten Nationalrat stellte die Besetzung Najafs einschließlich der Imam-Ali-Moschee durch den radikalen Schiiten al-Sadr und seine Milizen dar, die fast den ganzen August 2004 über andauerte. Najaf ist neben Kerbela das höchste Heiligtum der Schiiten und daher besonders sensibel, weshalb sich ein militärisches Eingreifen der irakischen und vor allem der amerikanischen Streitkräfte auf dem Boden des Heiligtums verbot. Weder die Übergangsregierung, noch der Nationalrat konnten al-Sadr zum Abzug bewegen; erst dem Großayatollah Ali al-Sistani, dem einflussreichsten schiitischen Geistlichen im Irak, gelang es, ein Friedensabkommen mit al-Sadr auszuhandeln. Al-Sadr zog mit seinen Milizen aus der Imam-Ali-Moschee ab; aber auch die irakischen und die amerikanischen Streitkräfte verließen Najaf, das nun zu einer waffenfreien Zone erklärt wurde. In der Folge entwickelte sich Medinat Sadr (auch Sadr-City, früher SaddamCity), ein schiitisches Armenviertel in Bagdad mit etwa zwei Millionen Einwohnern, zur umkämpften Hochburg der Anhänger al-Sadrs. Zugleich verschärften sich auch die Kämpfe um die Zentren des sunnitischen Widerstands (u. a. Fallujah, Samarra) im so genannten sunnitischen Dreieck nördlich von Bagdad; Fallujah, wo sich sunnitische Extremisten vermutlich aus dem Umkreis des aus Jordanien stammenden Al-Qaida-Führers im Irak, Abu Mussab al-Sarkawi, verschanzt und ein talibanartiges Regime errichtet hatten, stürmten US-Truppen im November 2004 in ihrer bis dahin größten Offensive seit der Besetzung des Irak. Zu einem weiteren schwerwiegenden Problem entwickelten sich die immer häufigeren Geiselnahmen: Radikale Iraker brachten Mitarbeiter von ausländischen Streitkräften, Unternehmen, Hilfsorganisationen oder der Presse in ihre Gewalt und suchten mit der Drohung, ihre Geiseln hinzurichten, deren Regierungen zum Abzug ihrer Truppen aus dem Irak oder zu anderen Zugeständnissen zu zwingen. In einigen Fällen machten die Geiselnehmer ihre Drohung wahr, in anderen kamen die Geiseln wieder frei; aber es ließ sich durch die Geiselnahmen kaum ein Staat zum Abzug seiner Soldaten bewegen. Im Herbst 2004 war den Sicherheitskräften - den US-amerikanischen wie den irakischen - die Kontrolle über Teile des Irak, insbesondere das sunnitische Dreieck, aber auch die Hochburgen der schiitischen Al-Sadr-Anhänger, weitgehend entglitten. Zudem wurde von hochrangigen US-Verantwortlichen der Krieg selbst sowie das Nachkriegsmanagement schwer in Frage gestellt: US-Verteidigungsminister Rumsfeld konstatierte, dass es keine Beweise für eine Verbindung zwischen al-Qaida und Saddam Hussein gegeben habe; und der US-Waffeninspektor Charles A. Duelfer stellte in seinem Abschlussbericht fest, dass der Irak weder Massenvernichtungswaffen besessen habe, noch die Kapazitäten, sie zu bauen, wenngleich Hussein offenbar versuchte, die Voraussetzungen für ihre Herstellung zu schaffen. Damit waren die beiden offiziellen Hauptkriegsgründe der USA - die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen und die mutmaßliche Verbindung zwischen Hussein und al-Qaida - entkräftet. Der frühere US-Zivilverwalter Bremer beklagte zudem, dass die USA nicht ausreichend Bodentruppen im Irak stationiert hätten, um die seit dem Kriegsende um sich greifende Gesetzlosigkeit wirksam zu bekämpfen und für Sicherheit zu sorgen. Zuvor hatte außerdem UN-Generalsekretär Annan den Irak-Krieg in deutlichen Worten für illegal erklärt. Und im Februar 2005 rückte schließlich die CIA offiziell von ihrer vor dem Krieg verbreiteten Überzeugung, der Irak sei im Besitz von Massenvernichtungswaffen, ab. Vor dem Hintergrund der anhaltenden Gewalt - es gab im Durchschnitt etwa 120 Anschläge pro Tag - verhängte die Übergangsregierung Anfang November 2004 den Ausnahmezustand (der in der Folgezeit immer wieder verlängert wurde), woraufhin die Zahl der Anschläge zwar erkennbar zurückging, die Sicherheit aber bei weitem noch nicht gewährleistet war. Trotz dieser unsicheren Lage und trotz der von vielen Seiten geäußerten Bedenken legte die Übergangsregierung die in der UN-Resolution 1546 vorgesehenen Wahlen zur provisorischen Nationalversammlung auf den 30. Januar 2005 fest. Im Vorfeld der Wahlen kam es - trotz des Ausnahmezustandes - zu zahlreichen Anschlägen auf irakische Sicherheitskräfte, Vertreter und Büros der Parteien, Registrierungsbüros für die Wähler und ähnliche Institutionen und Einrichtungen. Diese Anschläge zielten darauf ab, die potentiellen Wähler, insbesondere die sunnitischen, einzuschüchtern und von der Wahl abzuhalten; sunnitische Geistliche riefen darüber hinaus zum Wahlboykott auf. An den Wahlen selbst, die den Umständen entsprechend weitgehend regulär, wenn auch von Gewalt überschattet verliefen, nahmen entgegen der befürchteten geringen Wahlbeteiligung immerhin etwa 60 Prozent der Wahlberechtigten teil. Erwartungsgemäß gewannen die schiitischen Parteien und Gruppierungen: Das von Großayatollah Ali al-Sistani unterstützte schiitische Wahlbündnis Vereinigte Irakische Allianz gewann 48,2 Prozent der Stimmen bzw. 140 der insgesamt 275 Sitze und damit die absolute Mehrheit der Mandate. Zweitstärkste Kraft wurde die gemeinsame Liste der größten Kurdenparteien mit 25,7 Prozent bzw. 75 Mandaten, gefolgt von der säkularen schiitischen Irakischen Liste von Übergangsministerpräsident Iyad Allawi mit 13,8 Prozent bzw. 40 Mandaten. Die Sunniten, die unter Saddam Hussein die Geschicke des Landes bestimmt hatten, gewannen nur wenige Mandate und hatten nun praktisch keinen politischen Einfluss mehr. Am 16. März 2005 trat das neu gewählte Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Auseinandersetzungen zwischen den Fraktionen der Schiiten und der Kurden um Personen und den politischen Kurs verzögerten die Regierungsbildung. Schon die Wahl eines Parlamentspräsidenten - Voraussetzung für die Wahl des Staatspräsidiums - gestaltete sich schwierig: Hier hatten sich Schiiten und Kurden darauf geeinigt, den Posten mit einem Sunniten zu besetzen, um die Sunniten, auch wenn sie nur mit wenigen Abgeordneten im Parlament vertreten waren, dennoch politisch zu integrieren; jedoch fand sich zunächst kein von allen Seiten akzeptierter Kandidat. Erst am 3. April 2005 wählte das Parlament relativ einmütig den Schiiten Hajim al-Hassani, bisher Industrieminister in der Übergangsregierung, zu seinem Präsidenten. Wenige Tage später wählte es den Kurden Jalal Talabani zum Staatspräsidenten; seine Stellvertreter im dreiköpfigen Präsidialrat wurden der bisherige Übergangspräsident, der Sunnit Ghasi al-Jawer, sowie der bisherige Finanzminister, der Schiit Adel Abdel Mahdi. Zum Ministerpräsidenten berief Talabani den Schiiten Ibrahim al-Jaafari; damit übernahmen die Schiiten das einflussreichste Amt in der Staatsführung. Nach weiteren langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien, Ethnien und Religionen präsentierte al-Jaafari Ende April sein Kabinett, bestehend aus 17 Schiiten, acht Kurden, sieben Sunniten sowie je einem Christ und einem Turkmenen; sieben Ministerämter gingen an Frauen. Wenngleich einige wenige Ministerposten, darunter die wichtigen Ministerien für Verteidigung, für Öl und für Stromversorgung, vorerst nicht besetzt waren, wurde das Kabinett vom Parlament fast einstimmig bestätigt und am 3. Mai 2005 vereidigt. In den darauf folgenden Tagen wurden u. a. auch das Öl- und das Verteidigungsministerium vergeben, beide an USA-freundliche Politiker. Wie schon die Parlamentswahlen, so wurden auch die Wahl des Staatspräsidenten sowie die Bildung und die Vereidigung der Regierung von schweren Anschlägen in fast allen Teilen des Landes begleitet. Auseinandersetzungen in der vom Parlament gebildeten Verfassungskommission zwischen Kurden und Schiiten auf der einen und Sunniten auf der anderen Seite verzögerten die für den 15. August 2005 vorgesehene Vorlage einer neuen Verfassung; und als sie Ende August schließlich dem Parlament vorgelegt wurde, verweigerten ihr dort die Sunniten die Zustimmung, wie sie sie auch schon in der Verfassungskommission abgelehnt hatten. Hauptstreitpunkt war die föderale Struktur, die der Verfassungsentwurf für den Irak vorsah: Die Sunniten, die vorwiegend im erdölarmen Zentralirak leben, fürchteten von den Einnahmen aus Ölförderung und -export im kurdischen Norden und schiitisch dominierten Süden und Südosten abgeschnitten zu werden. Als Kompromiss verzichtete man in dem Verfassungsentwurf, der sich im Übrigen eng an der Übergangsverfassung orientierte, auf eine genauere Definition des Föderalismus-Begriffs und ließ die Möglichkeit von Nachbesserungen zugunsten der Sunniten offen. Um in Kraft treten zu können, musste die Verfassung von der Bevölkerung in einem Referendum bestätigt werden. Unterdessen setzten extremistische Gruppen ihre Anschläge vor allem auf Einrichtungen der Staatsmacht unvermindert fort; mehrere Dutzend Anschläge mit zahlreichen Toten pro Tag waren der Normalfall. Ein besonders schlimmer Zwischenfall ereignete sich am 30. August 2005, als in Folge einer Massenpanik mehr als 900 schiitische Pilger in Bagdad zu Tode kamen. Vermutlich hatte das Gerücht, in den Pilgerzug habe sich ein Selbstmordattentäter gemischt, die Massenpanik ausgelöst. Begleitet von Anschlägen und unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen fand am 15. Oktober 2005 das Referendum über die (vorläufige, weil noch nachzubessernde) Verfassung statt. Mit landesweit mehr als 78 Prozent der Stimmen (bei einer Wahlbeteiligung von etwa 63 Prozent) akzeptierten die Iraker die neue Verfassung klar. Die Annahme der Verfassung machte den Weg frei für die Wahl eines neuen Parlaments und die anschließende Einsetzung einer endgültigen Regierung sowie die Überarbeitung derjenigen Passagen der neuen Verfassung, die die Sunniten kritisiert hatten. 7.17 Die erste reguläre Nachkriegsregierung Die Parlamentswahlen fanden wie geplant am 15. Dezember 2005 statt und verliefen den Umständen entsprechend regulär und - dank des Einsatzes von etwa 30 000 irakischen und amerikanischen Sicherheitskräften - relativ friedlich. Stärkste Kraft wurde bei einer Wahlbeteiligung von fast 70 Prozent mit 128 der insgesamt 275 Mandate wieder die schiitische Vereinigte Irakische Allianz, gefolgt von den Kurdenparteien (53 Mandate). Drittstärkste Kraft wurde diesmal, da zahlreiche Sunniten den Boykottaufrufen nicht mehr folgten, das sunnitische Parteienbündnis Irakische Front der Übereinstimmung (44 Mandate). Die säkulare Irakische Liste des ehemaligen Ministerpräsidenten Allawi kam auf 25 Mandate, die sunnitische Irakische Front für Nationalen Dialog auf elf. Die Auseinandersetzung zwischen den ethnischen und religiösen Gruppen um die Postenverteilung sowie al-Jaafaris Weigerung, das Amt des Ministerpräsidenten abzugeben, blockierten die Regierungsbildung jedoch auf Monate hinaus. Erst als im April 2006 al-Jaafari sich bereit erklärte, zurückzutreten, war der Weg für die Regierungsbildung frei: Das Parlament bestätigte Talabani als Staatspräsidenten, der daraufhin den Schiiten Nuri al-Maliki mit der Regierungsbildung beauftragte. Am 20. Mai trat die neue, aus Schiiten, Kurden und Sunniten bestehende ,,Regierung der nationalen Einheit" unter al-Maliki ihr Amt an; die drei zentralen, für die Sicherheit zuständigen Ministerien für Inneres, Verteidigung und Nationale Sicherheit wurden erst mehr als zwei Wochen später endgültig besetzt. Neben der inneren Befriedung des Landes stellte die Klärung des Verhältnisses zu den Besatzungsmächten, insbesondere den USA, die größte Herausforderung für die neue Regierung dar. Eine weitere zentrale Aufgabe war die von den Sunniten geforderte und ihnen zugesagte Überarbeitung der Verfassung. 7.17.1 Am Rande des Bürgerkrieges Die Hoffnung, durch eine frei gewählte Regierung würde sich die Sicherheitslage im Lande erheblich entspannen, erfüllte sich nicht. Anschläge sowie bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen den ethnischen und religiösen Gruppen, insbesondere zwischen Schiiten und Sunniten, aber auch zwischen Irakern und Besatzungsmächten forderten weiterhin eine hohe Zahl an Opfern. Die Aufdeckung von mutmaßlichen Massakern von US-Soldaten an irakischen Zivilisten verschärfte die ohnehin zunehmenden Spannungen zwischen Irakern und Besatzungsmächten und ließen in der irakischen Bevölkerung die Forderung nach einem Abzug der ausländischen Truppen immer lauter werden. Einen wichtigen Schritt in Richtung auf eine Verbesserung der Sicherheitslage sahen sowohl die irakische als auch die amerikanische Regierung in der Tötung alSarkawis, des Al-Qaida-Chefs im Irak, durch einen US-Angriff im Juni 2006. Al-Sarkawi galt als Drahtzieher zahlreicher blutiger Anschläge und Geiselnahmen, als Inbegriff des hasserfüllten Terroristen. Tatsächlich aber schwächte der Tod ihres Anführers im Irak al-Qaida nicht. Seit dem Frühjahr 2006 hatte sich die Anzahl täglicher Anschläge deutlich erhöht, und weder den irakischen Sicherheitskräften und der irakischen Regierung noch den Besatzungstruppen gelang es, diesen Terror nachhaltig einzudämmen. Täglich starben im Durchschnitt etwa 100 irakische Zivilisten - im Jahr 2006 nach UN-Angaben insgesamt rund 34 500 -, Hunderttausende Iraker waren geflohen, etwa zwei Millionen ins Ausland, circa 1,8 Millionen waren als Binnenflüchtlinge im Irak geblieben. Das Todesurteil gegen Hussein wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und seine Hinrichtung am 30. Dezember 2006 drohten die Lage zusätzlich zu verschärfen. Obwohl die US-Regierung - ganz im Gegensatz etwa zu UN-Generalsekretär Annan - die Zustände im Irak nicht als Bürgerkrieg einstufte, sondern lediglich als ,,neue Phase" bezeichnete, sah sie sich Ende 2006 gezwungen, ihre Strategie im Irak zu überdenken und gegebenenfalls zu ändern. Den Vorschlägen der im März 2006 auf Betreiben des US-Kongresses eingesetzten so genannten Baker-Kommission (eigentlich Iraq Study Group), die für einen sukzessiven Rückzug der US-Truppen und vor allem neue diplomatische Initiativen im gesamten Nahen Osten plädierte, folgte sie dabei allerdings nicht, sondern setzte vielmehr auf eine (vorübergehende) Verstärkung der US- Truppen um etwa 30 000 Soldaten auf mehr als 160 000, auf Arbeitsbeschaffungs- und Wirtschaftsprogramme sowie auf Druck auf die irakische Regierung, Reformen in Angriff zu nehmen. ,,Sicherheitsoffensiven" amerikanischer und irakischer Streitkräfte seit Jahresbeginn 2007, die ihrerseits zahlreiche Tote forderten, änderten vorerst nichts an der bürgerkriegsartigen Situation und den täglichen Anschlägen im Land. Mitte 2007 mussten selbst die USA einräumen, dass die Truppenverstärkung nicht den erhofften Erfolg gebracht hatte. Ebenso wenig konnte die labile, von Zerfallserscheinungen gekennzeichnete und geschwächte Regierung al-Maliki Erfolge vorweisen: Die für eine Befriedung der Volks- und Religionsgruppen so wichtigen Reformen, etwa eine gerechtere Verteilung der Einnahmen aus dem Ölgeschäft unter Schiiten, Sunniten und Kurden, die Wiederzulassung von ehemaligen Baath-Mitgliedern (in der Regel Sunniten) zum Staatsdienst und die Entwaffnung der verschiedenen Milizen, wurden nicht oder nur sehr zögerlich in Angriff genommen (die Rehabilitierung von Baath-Mitgliedern etwa erhielt erst nach einjähriger Diskussion Anfang 2008 Gesetzeskraft). Trotzdem ließ sich ab der zweiten Jahreshälfte 2007 ein Rückgang der Gewalt beobachten, und gegen Ende des Jahres schien sich ein Mindestmaß an Stabilität etabliert zu haben. Kritisch wurde die Lage wieder, als die irakische Armee mit fast 30 000 Mann im März 2008 eine Großoffensive gegen die verschiedenen Schiiten-Milizen in Basra, allen voran die Milizen al-Sadrs, unternahm, um die Stadt und vor allem das Ölgeschäft wieder unter die Kontrolle der Regierung zu bringen. Die Milizen hatten sich in Basra festgesetzt, nachdem die Briten im Dezember 2007 die Kontrolle über die Provinz offiziell an den Irak übergeben hatten. Die Offensive scheiterte trotz amerikanischer und britischer Unterstützung; stattdessen erhoben sich auch in anderen Landesteil einschließlich Bagdads schiitische Milizen gegen irakische und amerikanische Truppen. Das Scheitern dieses ersten großen Einsatzes der irakischen Armee schwächte die Regierung weiter und drohte das Land erneut zu destabilisieren. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.
irak

« der Grundschulen sank im Gegensatz zu der der Kindergärten in den achtziger Jahren stark. 1986 nutzten 89,3 Prozent der Jungen und 82,1 Prozent der Mädchen das Angebot eines Besuchs der Primarstufe im Bildungswesen ihres Landes.

Der Unterricht wird inarabischer Sprache abgehalten; in einigen Gebieten im Norden ist in den Grundschulen Kurdisch die Unterrichtssprache.

Der Alphabetisierungsgrad des Landes liegt bei41,1 Prozent (2005).

Von den sechs Universitäten des Irak befinden sich drei in Bagdad, eine weitere jeweils in Basra, Erbil und Mosul.

Darüber hinaus gibt es 19 technischeHochschulen. 4.2 Kultureinrichtungen Zu den führenden Bibliotheken des Landes gehören die Universitätsbibliotheken von Bagdad, Basra und Mosul sowie die Bibliothek des Irakischen Museums und dieNationalbibliothek (beide in Bagdad).

Öffentliche Bibliotheken gibt es in fast allen Provinzhauptstädten. Zu den bekanntesten Museen gehören das Irakische Museum, das Überreste der frühen mesopotamischen Kulturen beherbergt, das Irakische Museum für Naturgeschichtesowie das Irakische Armeemuseum.

Im Babylon-Museum werden Modelle, Bilder und Malereien des alten Babylon ausgestellt, und im Mosul-Museum gibt es assyrische undandere antike Ausstellungsstücke zu sehen. 4.3 Kunst und Musik Viele der erhaltenen Baudenkmäler des Irak, darunter die Kadhimain-Moschee, der Abbasiden-Palast und der Schrein von Samarra, zeugen noch heute vom arabischenEinfluss.

Die Große Moschee in Bagdad ist ein beliebter Wallfahrtsort.

Siehe auch islamische Kunst und Architektur; assyrisch-babylonische Literatur; arabische Musik 5 VERWALTUNG UND POLITIK Nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein im Irak-Krieg 2003 ( siehe unten Abschnitt 7.14 und 7.15) und der damit einhergehenden Auflösung der bestehenden exekutiven, legislativen und judikativen Institutionen und Strukturen übernahmen zunächst die von den USA geführten Besatzungsmächte die Regierungsgewalt.

Im Juli2003 installierten die Besatzungsmächte einen 25-köpfigen „Regierenden Rat”, der die wichtigsten ethnischen und religiösen Gruppen des Irak entsprechend ihrem Anteil ander Gesamtbevölkerung repräsentierte und über gewisse exekutive Vollmachten verfügte.

Im März 2004 verabschiedete der Regierende Rat als Voraussetzung für dieRückübertragung der vollen Souveränität an den Irak eine Übergangsverfassung.

Die Übergangsverfassung schrieb den Islam als Staatsreligion fest, garantierte aber auchallen anderen Religionen völlige Freiheit.

Der Islam bzw.

die Scharia wurde als eine Quelle der Gesetzgebung bezeichnet, sollte also nicht die allein gültige Grundlage der Gesetzgebung bilden.

Des Weiteren legte die Übergangsverfassung eine föderalistische Struktur fest (mit Autonomie für das Kurdengebiet im Norden des Irak) undreservierte ein Viertel der Parlamentssitze Frauen.

Spätestens bis zum 31.

Januar 2005 sollten laut der Übergangsverfassung Wahlen zu einem Übergangsparlamentstattfinden, das dann bis zum 15.

August 2005 eine endgültige Verfassung ausarbeiten sollte.

Die Übergangsverfassung galt als eine der fortschrittlichsten Verfassungen inder arabischen Welt. Als weitere Voraussetzung für die Rückübertragung der Souveränität an den Irak setzte der Regierende Rat am 1.

Juni 2004 eine Übergangsregierung ein und löste sichselbst auf.

Die Resolution 1546 des UN-Sicherheitsrates vom 8.

Juni 2004 schließlich regelte abschließend die Übergabe der Macht und der Souveränität von denBesatzungsmächten auf die irakische Übergangsregierung zum 30.

Juni 2004; für den weiteren Demokratisierungsprozess übernahm die Resolution den in derÜbergangsverfassung vorgegebenen Zeitplan.

Die Wahlen zum Übergangsparlament fanden plangemäß am 30.

Januar 2005 statt; im März 2005 konstituierte sich dasParlament, und Anfang Mai wurde auch die Regierungsbildung abgeschlossen.

Zwei Wochen später als vorgesehen legte die vom Parlament gebildeteVerfassungskommission Ende August 2005 den Entwurf einer Verfassung vor, der sich im Wesentlichen an der Übergangsverfassung orientierte; am 15.

Oktober 2005 nahmdie Bevölkerung in einem Referendum die Verfassung mit großer Mehrheit an.

Damit war der Weg frei für die Wahl eines regulären Parlaments, die am 15.

Dezemberstattfand, und in der Folge für die Bildung einer regulären Regierung. 6 WIRTSCHAFT Die Wirtschaftsstruktur des traditionell auf Agrarwirtschaft ausgerichteten Landes änderte sich grundlegend, als mit dem Abbau der reichen Erdöllagerstätten begonnenwurde.

Der Irak, Mitglied der OPEC, verfügt nach Saudi-Arabien über die zweitgrößten Erdölreserven der Welt.

Der gesamte Erdölsektor befindet sich unter staatlicherKontrolle.

Nach dem 2.

Golfkrieg schwächte das von den Vereinten Nationen verhängte Erdölembargo die Wirtschaft des Irak erheblich: Der Irak durfte zunächst überhauptkein Erdöl mehr exportieren, ab 1995 dann nur in begrenztem Umfang, die Ausfuhrerlöse jedoch ausschließlich für den Import von Nahrungsmitteln und Medikamenten undähnlichen Gütern der Grundversorgung verwenden.

Der Irak-Krieg 2003 brachte die Wirtschaft vorübergehend nahezu vollständig zum Erliegen, insbesondere auch denErdölexport.

Nach dem Sturz des Hussein-Regimes hoben die Vereinten Nationen alle Sanktionen gegen den Irak auf, darunter auch das Erdölembargo; jedoch flossen dieErlöse aus dem Erdölexport vorerst in einen von einem internationalen Beirat überwachten Entwicklungsfonds, d.

h., der Irak konnte nicht frei über die Verwendung derExporterlöse entscheiden.

Gestört und zeitweise völlig unterbrochen wurde der Erdölexport aber auch nach dem Krieg, und zwar durch immer wieder aufflammendeKampfhandlungen sowie durch Anschläge auf Förderanlagen und Pipelines.

Insgesamt konnte die irakische Wirtschaft nach dem Krieg in höherem Maß als zuvor aufausländische Investitionen zählen. 6.1 Land- und Forstwirtschaft, Fischerei Etwa 75 Prozent der Landesfläche sind Wüste oder Halbwüste, 13,1 Prozent (2003) werden als Ackerland genutzt.

In den Bergländern des Nordens ermöglichen dieNiederschläge Regenfeldbau, in den südlichen Landesteilen erfolgt entlang von Euphrat und Tigris überwiegend Bewässerungsfeldbau.

Insgesamt werden 8,1 Prozent (2003)der Anbauflächen im Irak künstlich bewässert.

Hauptanbauprodukte sind Weizen und Gerste, im sumpfigen Tiefland auch Reis.

In den intensiv bewirtschafteten nahenUferbereichen werden Obst- und Gemüsekulturen angebaut (vor allem Zitrusfrüchte, Granatäpfel, Feigen und Hülsenfrüchte).

Eine Sonderstellung als weitaus bedeutendsteKulturpflanze nimmt die Dattelpalme ein.

Auch die Viehzucht stellt einen wichtigen Erwerbszweig dar; im Vordergrund stehen dabei Rinder-, Schaf-, Ziegen- undGeflügelhaltung.

Außerdem werden im Irak die berühmten arabischen Vollblutpferde gezüchtet.

Forstwirtschaft wird in nur geringem Umfang betrieben.

Dagegen ist derFischfang in Euphrat und Tigris ergiebig. 6.2 Bergbau Wichtigster Bodenschatz im Irak ist das Erdöl.

Die Erdölfelder sind auf drei Hauptgebiete verteilt: am Persischen Golf bei Basra, im nördlichen Teil des Landes zwischenMosul und Kirkuk und im Osten des Irak, nahe der iranischen Grenze.

Ebenfalls bedeutend sind die Erdgas-, Schwefel- und Phosphatvorkommen.

Darüber hinaus werden inkleinerem Umfang Meersalz und Gips gewonnen. 6.3 Industrie Auch im produzierenden Gewerbe nimmt der Erdölsektor eine dominierende Rolle ein.

Bis Anfang der siebziger Jahre kontrollierten ausländische Gesellschaften die irakischeErdölindustrie.

Zwischen 1972 bis 1975 wurden sämtliche ausländische Erdölgesellschaften von der Regierung verstaatlicht und von der Iraq National Oil Company sowie der Northern Petroleum Organization übernommen.

Wichtige Raffineriestandorte sind Bagdad, Basra und Kirkuk.

Eine Verflüssigungsanlage für Erdgas befindet sich in Taji, in. »

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