Kurzgeschichte (Sprache & Litteratur).
Publié le 13/06/2013
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Kurzgeschichte (Sprache & Litteratur). 1 EINLEITUNG Kurzgeschichte, Lehnwort des amerikanischen Short Story. Im Gegensatz zu den großen Prosaformen Roman und Novelle bezeichnet der Begriff eine kurze, verdichtete literarische Erzählung. Die Kurzgeschichte verwendet meist ein schmales Figureninventar in einer komprimierten, geradlinigen Handlung und zielt auf eine dramatische, effektvolle Klimax. Die in der epischen Prosa häufige thematische Vielfalt tritt zurück zugunsten einer zentralen Aussage. So gesehen steht sie einem eher anekdotischen Erzählen nahe (siehe Anekdote). 2 VORLÄUFER Die Kurzgeschichte, wie wir sie heute kennen, entwickelte sich im 19. Jahrhundert und ist eng verbunden mit der Veränderung der Lesegewohnheiten und der Umstrukturierung des Buch- und Zeitschriftenmarktes. Die seit 1800 populären literarischen Taschenbücher, Kalender, Almanache und Zeitschriften entwickelten einen steigenden Bedarf an kurzen, unterhaltsamen Erzählungen, der durchaus auch von angesehenen Autoren gedeckt wurde, denn für das seinerzeit entstehende Berufsschriftstellertum eröffnete sich hier eine lukrative Einnahmequelle und ein leichter Zugang zu einem breiten Publikum. Besonders die Romantik entwickelte großes Interesse an literarischen Kurzformen, wie sie z. B. Heinrich von Kleist und E. T. A. Hoffmann meisterhaft beherrschten. Außerhalb Deutschlands ist die Kurzgeschichte im 19. Jahrhundert z. B. in den USA durch Edgar Allan Poe und Nathaniel Hawthorne repräsentiert, in Frankreich durch Guy de Maupassant und durch Nikolaj Gogol in Russland. Vorherrschend waren spannende oder komische Erzählungen; mit Poe schlug außerdem die Geburtsstunde der Kriminal- und Detektivgeschichten (siehe Kriminalliteratur; Detektivgeschichte). Maupassants Texte zeigen, welche Meisterschaft des knappen Ausdrucks und der Ausgewogenheit für eine vollkommen gebaute Erzählung erforderlich ist. Im Laufe des Jahrhunderts verschob sich die Erzählintention allmählich vom Handlungsablauf zur Figurenpsychologie. Zugleich machte sich ein steigendes Interesse an einer Verfeinerung und Ökonomisierung der Erzähltechnik bemerkbar: kunstvolle Differenzierung der Ereignisfolge, Weglassen alles Überflüssigen, exakte Abwägung der Erzählhaltung sowie sorgfältige Wahl der Stilmittel wurden immer wichtiger. Poe definierte in seiner Besprechung (1842) von Hawthornes Twice-Told Tales (1837) als erster Schriftsteller die Kurzgeschichte mit entsprechenden Kriterien und demonstrierte ihre Eigenarten in vielen seiner eigenen Erzählungen. In The Cask of Amontillado beispielsweise sind Figurenkonstellation, Handlungsführung und Dialoge so geschickt angelegt, dass der Leser unausweichlich in die adäquate Gemütslage zu dem die Geschichte beschließenden Mord gerät. Für Henry James, einen der Meister der Kurzgeschichte, dessen Erzähltheorien Generationen von Autoren beeinflusst haben, war das Wirken einer ,,central intelligence" beim Formen und Filtern eines Erzählstoffes maßgeblich. So verwendete James in der Geistergeschichte The Jolly Corner den Erzähler, um ein Gefühl der unmittelbaren psychologischen Nähe zum Geschehen zu bewirken, und schrieb mit The Turn of the Screw den Prototyp der modernen phantastischen Erzählung, in der auch am Schluss unklar bleibt, ob es sich um tatsächliche Ereignisse handelt oder nur um hysterische Phantasien der Protagonistin. (Siehe auch phantastische Literatur). 3 DIE MODERNE KURZGESCHICHTE Nach 1900 wurde jährlich in fast allen Sprachen eine enorme Zahl von Kurzgeschichten veröffentlicht, viele davon in Zeitungen und Zeitschriften. Experimente mit Stoffen und Erzähltechniken wetteiferten mit Geschichten traditionellen Zuschnitts (William Somerset Maugham, Katherine Mansfield, Sylvia Plath u. a.). Nirgendwo entfaltete sich die Gattung so fruchtbar wie unter den Dichtern der USA, die mit ,,short story" auch ihre moderne Benennung prägten und eine stattliche Reihe von ,,short story writers" von weltliterarischem Rang hervorbrachten: Dazu gehörten etwa Ambrose Bierce, Mark Twain, O. Henry, Stephen Crane, Thomas Wolfe und Ernest Hemingway (siehe amerikanische Literatur). Hemingways Kurzgeschichten stecken trotz des knappen Stiles scheinbar voll unwichtiger Details. Sie dienen indessen nur dazu, das Seelenleben seiner Figuren in feinsten Nuancen darzustellen. Neben der von James Joyce (Dubliners, 1914) und Franz Kafka (Die Verwandlung, 1915) begründeten modernen Kurzform ist im Nachkriegsdeutschland vor allem Hemingways lapidare Prosa Vorbild für die Kurzgeschichte, die sich, wie bei Wolfgang Borchert, Günter Eich und Heinrich Böll, der Stilmittel im Zuge einer Kahlschlag-Vorstellung der deutschen Literatur um 1945 bediente. Jedoch reichten die deutschen Nachahmer nur selten an das amerikanische Original heran. Weitere deutschsprachige Verfasser von Kurzgeschichten sind und waren Elisabeth Langgässer, Günter Weissenborn, Ernst Kreuder, Gerd Gaiser, Wolfdietrich Schnurre, Marie Luise Kaschnitz, Hans Bender, Martin Walser, Wolfgang Hildesheimer, Siegfried Lenz, Ilse Aichinger, Peter Bichsel, Günter Kunert und Hermann Kant. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.
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