Polen - geographie. 1 EINLEITUNG Polen, amtlich Republik Polen (Rzeczpospolita Polska), Staat im östlichen Mitteleuropa. Polen grenzt im Norden an die Ostsee und Russland; im Osten an Litauen, Weißrussland und die Ukraine; im Süden an die Slowakei und die Tschechische Republik und im Westen an die Bundesrepublik Deutschland. Die Landesfläche beträgt 312 684 Quadratkilometer. 2 LAND Polen liegt im Osten Mitteleuropas. Der größte Teil der Landschaft wird von einer Tiefebene geprägt. Etwa drei Viertel des Landes liegen tiefer als 200 Meter. 2.1 Physische Geographie Polen lässt sich in mehrere Naturräume unterteilen, die in westöstlicher Richtung verlaufen. Der ausgedehnte nördliche Teil wird vom polnischen Tief- und Plattenland eingenommen. Dieser Naturraum lässt sich in die Küstenebene, den Baltischen Höhenrücken und ein flachwelliges Altmoränengebiet gliedern. Die Küstenregion ist zwischen 40 und 100 Kilometer breit und erstreckt sich entlang der gesamten Ostseeküste, von der 491 Kilometer zu polnischem Staatsgebiet zählen. Sie ist als ausgesprochene Ausgleichsküste entwickelt und weist nur wenige Buchten auf; die markantesten Einschnitte sind die Pommersche Bucht im Westen und die Danziger Bucht bei Gda?sk (Danzig) im Osten. Die von so genannten Nehrungen abgetrennten Haffs, z. B. das Frische Haff bei Elbing, sind wichtige Naturhäfen. Nach Süden schließt der Baltische Höhenrücken an, eine Jungmoränenlandschaft mit ausgeprägtem Relief und zahlreichen Seen. Die Weichsel gliedert dieses Gebiet in eine westliche (Pommersche) und eine östliche (Masurische) Seenplatte. Dieser Naturraum geht weiter nach Süden in das Altmoränengebiet über, das in ostwestlicher Richtung von mehreren Urstromtälern durchzogen wird. Das südliche Drittel von Polen besteht aus Mittel- und Hochgebirgen, die durch Beckenlandschaften voneinander getrennt sind. Die höchsten Erhebungen des Landes gehören zu den Westkarpaten mit den Gebirgszügen der Hohen Tatra und der Beskiden. Der höchste Gipfel des Landes ist die Meeraugspitze (Rysyspitze), die eine Höhe von 2 499 Metern aufweist. Die Sudeten im Südwesten erreichen in der Schneekoppe, die zum Riesengebirge gehört, 1 603 Meter Höhe. Über diesen Gipfel verläuft die Grenze zur Tschechischen Republik. Nördlich der Gebirge befinden sich eine Reihe von Vorgebirgen, das Oberschlesische Becken und das Kleinpolnische Berg- und Hügelland. 2.2 Flüsse und Seen Nahezu alle Flüsse in Polen gehören zum Einzugsgebiet von Oder und Weichsel, die nach Norden in die Ostsee münden. Polen umfasst etwa 10 000 Seen mit einer Fläche von mehr als einem Hektar. Zwei Seen, der Spirdingsee (?niardwy) und der Mauersee (Mamry), sind über 100 Quadratkilometer groß. Die seenreichsten Gebiete sind der Baltische Höhenrücken und die Seenplatten entlang der Küste. Die meisten der rund 120 künstlichen Stauseen liegen in den Mittelgebirgen. Ein ernsthaftes Problem ist die Wasserbelastung. Viele der Stauseen sind stark verschmutzt. Auch die Ostsee und die Flüsse - vor allem Weichsel, Bober, Nida und Bug - haben unter der jahrelangen Einleitung von ungeklärtem Abwasser aus Industrie und Haushalten gelitten. 2.3 Klima Polen liegt im Übergangsbereich zwischen dem ozeanisch geprägten Klima Mitteleuropas und dem kontinentalen Klima Osteuropas. Das Klima im Westen wird noch durch den Golfstrom beeinflusst, nach Osten werden die Temperaturunterschiede im Jahresverlauf größer. Die mittleren Temperaturen im Januar reichen von -1 °C im Westen bis zu -5 °C in den Mittel- und Hochgebirgen der südlichen Landesteile. Im Sommer reichen die Durchschnittstemperaturen von rund 17 °C an der Ostsee bis etwa 20 °C im Südosten. Die höchsten Temperaturen können örtlich über 40 °C liegen. Mit -41 °C wurde 1940 bei Siedlce die tiefste Temperatur gemessen. Die durchschnittliche Niederschlagsmenge beträgt in Polen nur 610 Millimeter; in den Gebirgen liegt sie zwischen 1 200 und 1 500 Millimetern, in den Ebenen um 500 Millimeter. Das Niederschlagsmaximum fällt auf den Sommer. 2.4 Flora und Fauna Polen war ursprünglich zu großen Teilen mit Laub- und Mischwäldern bestanden. Heute sind 29,4 Prozent der Landesfläche bewaldet (2005), wobei vier Fünftel der Wälder aus Nadelwäldern bestehen. Hier sind Kiefern neben Fichten, Lärchen und Tannen vorherrschend. Seltener sind Eichen-Hainbuchenwälder oder reine Buchenwälder. In den zahlreichen Feuchtgebieten dominieren Erlen, Weiden und Pappeln; im nördlichen Polen existieren noch größere Moore. Viele Wälder wurden abgeholzt, um Ackerland zu gewinnen. Ein Großteil ist durch regionale Luftverschmutzung stark geschädigt, vor allem in den südlichen Mittelgebirgen. Andererseits gibt es insbesondere in den zahlreichen Schutzgebieten noch Urwälder. Polens Tierwelt ist sehr artenreich, vor allem in den Nationalparks. Im Nationalpark Bia? owie?a, direkt an der Grenze zu Weißrussland, wurden Wisente neu angesiedelt; die dort freigelassenen Tiere stammen aus einem Zuchtprogramm, dem die letzte Herde reinblütiger Wisente zugrunde lag. In den Hochgebirgen leben noch Wölfe und Braunbären, weitere bemerkenswerte Säugetiere sind Luchse, Wildkatzen, Marderhunde, Fischotter, Elche, Mufflons, Gämsen, Biber, Feldhamster, Perlziesel und Schneehasen. Zur vielfältigen Avifauna (Vogelwelt) gehören Großtrappen, Auerhühner, Weiß- und Schwarzstörche sowie See-, Fisch- und Schreiadler. 2.5 Umweltsituation Die ökologische Gesamtsituation in Polen ist kritisch. Die Energieversorgung des Landes basiert auf der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Viele Baumbestände sind durch den sauren Regen geschädigt. Polen hat außerdem mit der Wasserverschmutzung zu kämpfen, die durch den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden in der Landwirtschaft verursacht wird. Die Küsten an der Ostsee sind stark verschmutzt. Doch die Situation hat sich mittlerweile verbessert. Die Immissionsschutzmaßnahmen in Bezug auf Industrie- und Autoabgase orientieren sich an westeuropäischen Standards. Viele veraltete Industriebetriebe, die einst zu den Hauptverursachern der Umweltverschmutzung gehörten, wurden stillgelegt oder modernisiert. Als Folge davon sind einige Gebiete weniger verschmutzt. Polen verfügt über 17 Nationalparks. Insgesamt stehen 28,1 Prozent (2007) der Landesfläche unter Naturschutz. Im Rahmen des Biosphärenprogramms der UNESCO wurden sieben Biosphärenreservate ausgewiesen. 3 BEVÖLKERUNG Die Einwohnerzahl Polens beträgt 38,5 Millionen (2008). Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte liegt bei 127 Einwohnern pro Quadratkilometer, variiert aber stark zwischen dem relativ dicht besiedelten Süden und dem Norden. Das Wachstum der Bevölkerung beträgt -0,04 Prozent im Jahr (2008). Etwa 98 Prozent der Bevölkerung sind Polen. Die größten ethnischen Minderheiten sind Ukrainer und Weißrussen, zu den kleineren Gruppen gehören u. a. Slowaken, Tschechen, Litauer, Deutsche, Roma und Juden. Die Verstädterung hat seit dem Ende des 2. Weltkrieges zugenommen; mittlerweile leben 62 Prozent der Bevölkerung in Städten (2005). Obwohl die Bevölkerung vergleichsweise jung ist, nimmt das Durchschnittsalter ständig zu. Seit dem Ende der massiven Bevölkerungsverschiebungen in den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg sind Größe und Zusammensetzung der Einwohnerschaft kaum noch durch Wanderungsbewegungen beeinflusst worden. Seit 1950 sind hauptsächlich Deutsche und Juden ausgewandert, eingewandert sind überwiegend polnische Heimkehrer aus den früheren Republiken der Sowjetunion. Etwa zwölf Millionen Menschen polnischer Herkunft leben im Ausland. Sechs bis sieben Millionen von ihnen haben sich in den Vereinigten Staaten niedergelassen. Die Zahl der Polen in Russland und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion wird auf eine bis 2,5 Millionen geschätzt. 3.1 Wichtige Städte Über 40 Städte haben mehr als 100 000 Einwohner, aber nur in fünf von ihnen leben mehr als 500 000 Menschen. Die größten Städte sind die Hauptstadt Warszawa (Warschau, 1,69 Millionen Einwohner; 2005), ?ód? (760 000), Kraków (Krakau, 756 000), Wroc?aw (Breslau, 635 000), Pozna? (Posen, 565 000), Gda? sk (Danzig, 457 000), Szczecin (Stettin, 414 000), Bydgoszcz (Bromberg, 369 000), Katowice (Kattowitz, 319 000) und Lublin (357 000). 3.2 Sprache Die Amtssprache ist Polnisch, das zum westlichen Zweig der slawischen Sprachen gehört und von nahezu 100 Prozent der Bevölkerung gesprochen wird. Minderheitensprachen sind Deutsch, Litauisch, Weißrussisch und Ukrainisch. Zudem existieren zahlreiche Dialekte, die teilweise deutsche und ukrainische Einflüsse widerspiegeln und in erster Linie von älteren Menschen gesprochen werden. Man unterscheidet u. a. Schlesisch (im Südwesten), Masowisch (im Nordosten), Kaschubisch (westlich von Danzig), Großpolnisch (in der Region Posen), Kleinpolnisch (im Südosten). Polnisch wird mit lateinischen Buchstaben geschrieben, gegenüber dem deutschen Alphabet gibt es einige zusätzliche Buchstaben und Sonderzeichen. 3.3 Religion Etwa 91 Prozent der Polen bekennen sich zum katholischen Glauben. Die katholische Kirche mit ihren 27 Diözesen und mehr als 8 900 Gemeinden übt einen bedeutenden gesellschaftlichen Einfluss aus. 1978 wurde der polnische Kardinal Karol Wojty? a zum Papst gewählt und nahm den Namen Johannes Paul II. an. In Polen gibt es noch etwa 35 weitere Kirchen und Religionsgemeinschaften, die zusammen etwa 900 000 Mitglieder haben. Acht dieser Kirchen sind Mitglied des Polnischen Ökumenischen Rats. Die größten dieser Gemeinschaften sind die polnisch-orthodoxe Kirche mit etwa 570 000 Anhängern und die evangelisch-lutherische Kirche (etwa 100 000 Mitglieder). Zudem leben in Polen etwa 10 000 Juden. Die katholische Kirche hatte zur Zeit der kommunistischen Regierung große politische Macht als Sammelbecken oppositioneller Kräfte, vor allem in den siebziger und achtziger Jahren. Danach büßte sie an Einfluss ein. 3.3.1 Feiertage Der Neujahrstag wird in Polen am 1. Januar gefeiert. Der Ostermontag ist ein gesetzlicher Feiertag. Am 1. Mai ist Tag der Arbeit. Fronleichnam findet am Donnerstag nach dem Dreifaltigkeitssonntag (Sonntag nach Pfingsten, 50 Tage nach Ostern) statt. Mariä Himmelfahrt findet am 15. August statt. Am Polnischen Solidaritätstag (31. August) wird die Gründung der Gewerkschaft Solidarno?? (,,Solidarität") gefeiert. Allerheiligen (1. November) ehrt die Heiligen des Christentums. Weihnachten ist Polens wichtigster Feiertag. Am Heiligen Abend, dem wichtigsten Weihnachtsfeiertag, versammelt sich die Familie zu einem Festmahl. Nationalfeiertage sind der 3. Mai, an dem (seit 1990 und zuvor 1918 bis 1939) die Einführung der ersten demokratischen Verfassung im Jahr 1791 gefeiert wird, und der 11. November, der an die Gründung des unabhängigen Polen 1918 erinnert. 3.4 Soziales Die Arbeitslosenrate in Polen liegt bei 17,7 Prozent (2005). Auf einen Arzt kommen 455 Einwohner (2004). Die Kindersterblichkeitsrate beträgt 7 Sterbefälle pro 1 000 Lebendgeburten (2008). Die mittlere Lebenserwartung liegt bei 71,4 Jahren für Männer und 79,7 Jahren für Frauen (2008). In der Volksrepublik Polen gab es ein ausgedehntes Sozialsystem. Zu den umfassenden Sozialleistungen gehörten neben dem sozialen Wohnungsbau und Preissubventionen auch Pensionen und verschiedene Formen der Krankenfürsorge. Seit 1989 orientiert sich vieles in diesem Bereich an marktwirtschaftlichen Prinzipien; es wurden Kranken- und Sozialversicherungen eingeführt, für die Beiträge bezahlt werden müssen. Heute sind private Ärzte und die direkte Abrechnung von Leistungen in den Krankenhäusern üblich. Die meisten Apotheken sind ebenfalls in privater Hand. 4 BILDUNG UND KULTUR 4.1 Bildung und Schulwesen Nach dem 1. Weltkrieg wurde in Polen ein zentralistisches Bildungssystem errichtet. Nach dem 2. Weltkrieg führte die kommunistische Regierung ein Schulsystem nach sowjetischem Muster ein. Der Schulbesuch ist kostenlos, es besteht eine allgemeine Schulpflicht von 9 Jahren (2002-2003). Nach dem Abschluss der achtjährigen Hauptschule gehen fast alle Jugendlichen auf weiterführende Schulen. Etwa 20 Prozent von ihnen besuchen allgemein bildende Schulen, an denen sie für höhere Lehranstalten oder die Universität vorbereitet werden. Polen hat eine lange Tradition der akademischen Ausbildung. Die Jagiellonische Universität in Krakau wurde 1364 gegründet und war damit die zweite Universität in Mitteleuropa. Von den 124 Hochschulen in Polen sind elf Universitäten, 32 technische Institute und zwölf medizinische Akademien; der Rest sind spezialisierte Berufsakademien. Die Universitäten liegen in Krakau, Warschau, Posen, Breslau, Lublin, ?ód?, Thorn, Danzig, Stettin und Kattowitz. 4.2 Kultureinrichtungen Zu den wichtigsten der zahlreichen Museen gehören das Nationalmuseum (gegründet 1862), das Technische Museum (1875) und das Archäologische Museum (1923), alle in Warschau; das Nationalmuseum und die Staatliche Kunstsammlung Wawel (1879) in Krakau; das Archäologische und das Volkskundliche Museum (1956) in ? ód?; das Polnische Meereskundliche Museum (1960) in Danzig und das Oberschlesische Museum (1927) in Kattowitz. Wichtige Büchereien sind die Nationalbibliothek (1928) und die Öffentliche Bibliothek (1907), beide in Warschau, sowie mehrere Universitätsbibliotheken. 4.3 Kunst und Musik Die polnische Kunst stand bis zum 18. Jahrhundert unter dem Einfluss Mitteleuropas und Italiens. Die Reformation förderte die Herausbildung einer landessprachlichen polnischen Literatur, und im 18. und 19. Jahrhundert wurde Polen stark durch die französische Kultur beeinflusst. Im 19. Jahrhundert erfolgte eine explizit nationale Ausrichtung in den polnischen Künsten. Von 1949 bis 1955 war die künstlerische Freiheit aufgrund der Doktrinen des Stalinismus stark eingeschränkt. Nach 1956 liberalisierte sich die staatliche Kulturpolitik. Vor allem die polnische Literatur brachte Großes hervor. Als deren Blütezeit gilt die Zeit der Romantik, die mit Namen wie Adam Mickiewicz, Juliusz S? owacki, Zygmunt Graf Krasi?ski und Cyprian Kamil Norwid verbunden ist. Herausragende Erzähler des Realismus waren Boles?aw Prus, Henryk Sienkiewicz (Nobelpreis 1905) und W?adys? aw Stanis?aw Reymont (Nobelpreis 1924). Stanis? aw Wyspia? ski gilt als Begründer des modernen polnischen Dramas. Nach 1945 wurden Autoren wie Jerzy Andrzejewski, Tadeusz Ró?ewicz, Stanis?aw Lem, Leon Kruczkowski, Zbigniew Za?uski und Andrzej Szczypiorski auch international bekannt. Czes?aw Mi?osz wurde 1980 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet; Wis?awa Szymborska erhielt diese Auszeichnung 1996. Frédéric Chopin ist der bekannteste polnische Komponist; in seiner Klaviermusik verarbeitete er auch Elemente polnischer Volksmusik. Als wichtigste Persönlichkeit der polnischen Musik seit Chopin gilt Karol Szymanowski. Nach dem 2. Weltkrieg bildete sich eine Schule, in der sich zahlreiche Komponisten mit der modernen Musik auseinandersetzten und internationale Anerkennung fanden, wie Witold Lutos?awski, Krzysztof Penderecki und Kazimierz Serocki. Bekannte polnische Musiker waren die Cembalistin Wanda Landowska und der Pianist Ignacy Jan Paderewski. Polen besitzt eine lange Tradition von Volksmusik und Tanz, deren Bedeutung durch die Verstädterung nach dem 2. Weltkrieg allerdings stark nachließ. Reichhaltig ist auch das Repertoire an Volkskunst und Kunsthandwerk in so unterschiedlichen Bereichen wie Töpferei, Webkunst, Stickerei, Plastik, Graphik und Malerei. Derartige Traditionen überlebten vor allem in Regionen wie Kaschubien, einer von Touristen gern besuchten Gegend mit zahlreichen Wäldern und Seen westlich von Danzig. Die polnische Malerei war wenig innovativ. Von Bedeutung sind die Historiengemälde von Jan Matejko. Namhafte Künstler polnischer Abstammung sind Elie Nadelman, Jacob Epstein, Andy Warhol, F. K. Waechter und Roland Topor. Weltbekannt wurde der polnisch-amerikanische Architekt Daniel Libeskind. Polnische Filmregisseure wie Andrzej Wajda, Roman Polanski, Krzysztof Kie?lowski und Krzysztof Zanussi erlangten nach 1950 internationale Anerkennung. Siehe auch polnischer Film. 4.4 Medien 1946 wurden die Massenmedien in Polen verstaatlicht und anschließend vom kommunistischen Regime kontrolliert. 1989 schaffte die demokratische Regierung die Zensur ab und stellte die Subventionen für die kommunistische Presse ein. In Polen gibt es 42 Tageszeitungen (2004) mit einer Auflage von insgesamt 4 Millionen. Die wichtigsten überregionalen Tageszeitungen sind die Gazeta Wyborcza (Wählernachrichten), Rzeczpospolita, Prawo i Gospodarka, ? ycie und Trybuna. Die bedeutendsten Wochenzeitungen sind Polityka, Wprost, Tygodnik Powszechny und Tygodnik Solidarno??. Es gibt zwei öffentlich-rechtliche Fernsehsender (TVP 1 und TVP 2), einen staatlichen Sender für Polen, die im Ausland leben, sowie eine Reihe privater Sender. Der Hörfunk umfasst fünf öffentlich-rechtliche Programme sowie etwa 200 private Stationen. 5 VERWALTUNG UND POLITIK Am 25. Mai 1997 trat durch ein Referendum eine neue Verfassung in Kraft, die am 2. April 1997 verabschiedet worden war. Die zuvor gültige provisorische Verfassung vom 29. Dezember 1993 basierte noch auf der Fassung aus der kommunistischen Ära vom 22. Juli 1952 und markiert den Wandel von einer sozialistischen Volksrepublik zu einer parlamentarischen Republik mit sozialer Marktwirtschaft. Die Reformen von 1989 schafften das kommunistische Regime ab und führten demokratische Prinzipien ein. 5.1 Exekutive Staatsoberhaupt ist der Präsident, der für eine Regierungszeit von fünf Jahren direkt vom Volk gewählt wird und einmal wiedergewählt werden darf (die ersten Präsidentschaftswahlen fanden 1990 statt). Er bildet zusammen mit dem Ministerrat (Regierung) unter Führung des Ministerpräsidenten die Exekutive. Der Präsident kann unter bestimmten Bedingungen das Parlament auflösen und Neuwahlen ausschreiben. Der Ministerpräsident wird vom Präsidenten ernannt, muss aber vom Parlament bestätigt werden. 5.2 Legislative Die Gesetzgebung liegt bei einem Zweikammerparlament, bestehend aus dem Sejm (Unterhaus) mit 460 Abgeordneten, der die oberste legislative Instanz bildet, und dem Senat (Oberhaus) mit 100 Mitgliedern, der die Regionsvertreter versammelt und an der Gesetzgebung mitwirkt. Beide Kammern bilden zusammen die Nationalversammlung. Die Wahlperiode liegt für beide Häuser bei vier Jahren. Bei den (vorgezogenen) Wahlen vom September 1993 galten erstmals Bestimmungen für bestimmte Mindeststimmzahlen; um im Parlament vertreten zu sein, muss eine Einzelpartei eine Fünfprozenthürde überwinden, Wahlbündnisse müssen mindestens 8 Prozent der Stimmen erreichen. Wahlberechtigt sind alle Bürger ab dem 18. Lebensjahr. 5.3 Judikative Nach einer grundlegenden Reform des Gerichtswesens im Dezember 1989 obliegt die Rechtsprechung dem Obersten Gerichtshof, den Gerichten der Wojwodschaften (erste und zweite Instanz bei allen Zivil- und Strafsachen) sowie weiteren Gerichten. Die Aufsicht für alle nachgeordneten Gerichte liegt beim Obersten Gerichtshof. Daneben gibt es eine Verwaltungs- und eine Verfassungsgerichtsbarkeit. 5.4 Kommunalverwaltung Im Januar 1999 trat die im Sommer 1998 beschlossene administrative Neugliederung in Kraft. An die Stelle der 49 Regierungsbezirke traten 16 Woiwodschaften (Verwaltungsbezirke), die über eigene Regionalparlamente verfügen und in 308 Kreise und 65 kreisfreie Städte untergliedert sind. Diese Verwaltungseinheiten sind: Dolno?l?skie (Niederschlesien), Kujawsko-Pomorskie (Kujawien und Pommern), ? ódzkie (Lodz), Lubelskie (Lublin), Lubuskie (Lebus), Ma?opolskie (Kleinpolen), Mazowieckie (Masowien), Opolskie (Oppeln), Podkarpackie (Vorkarpatenland), Podlaskie (Podlachien), Pomorskie (Pommern), ?l?skie (Schlesien), ?wi?tokrzyskie (Heiligkreuz), Warmi?sko-Mazurskie (Ermland und Masuren), Wielkopolskie (Großpolen) und Zachodniopomorskie (Westpommern). 5.5 Politische Parteien Die Parteienlandschaft in Polen ist durch starke Verschiebungen gekennzeichnet. Wichtige Parteien sind bzw. waren das Bündnis der Demokratischen Linken ( Sojusz Lewicy Demokratycznej, SLD), hervorgegangen u. a. aus der kommunistischen Vereinigten Polnischen Arbeiterpartei ( Polska Zjednoczona Partia Robotnicza, PZPR); die Union der Arbeit (Unia Pracy, UP); die liberal-konservative Bürgerplattform (Platforma Obywatelska, PO); die Partei der Selbstverteidigung (Samoobrona Rzeczpospolitej Polskiej, S); die konservative Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwo??, PiS); die Bauernpartei (Polskiego Stronnictwa Ludowego, PSL) und die katholisch-nationale Liga der polnischen Familien (Liga Polskich Rodzin, LPR) sowie die Freiheitsunion (Unia Wolnooeci, UW) und die Wahlaktion Solidarno?? (Akcja Wyborcza Solidarno??, AWS), die sich 1996 auf Betreiben der Gewerkschaft Solidarno?? aus mehr als drei Dutzend kleineren konservativen, katholischen und nationalen Gruppierungen formierte; aus ihr gingen später die PO und die PiS hervor. Von der SLD spaltete sich 2004 die Sozialdemokratie Polens ( Socjaldemokracja Polska, SDPL) ab; 2006 vereinten sich SDPL, SLD, UP und UW zu dem Parteienbündnis Linke und Demokraten (Lewica i Demokraci, LiD). 5.6 Verteidigung Die Streitkräfte haben eine Stärke von 141 500 Soldaten (2004), davon im Heer 89 000, in der Marine 14 300 und in der Luftwaffe 30 000. Es besteht eine allgemeine Wehrpflicht mit einer Dauer von 18 Monaten (bei der Marine zwei Jahre). Zur Ausrüstung der polnischen Armee gehören etwa 2 800 Panzer, 500 Kampfflugzeuge, drei UBoote, ein Zerstörer sowie circa 20 kleinere Kampfschiffe. Der Verteidigungshaushalt beträgt 4 095 Millionen US-Dollar (2003). 6 WIRTSCHAFT Nach dem 2. Weltkrieg wurde in Polen eine sozialistische Marktwirtschaft nach sowjetischem Vorbild eingeführt; nahezu alle Produktionsmittel, die Bodenschätze, die Verkehrsunternehmen, das Finanzwesen und der Handel wurden verstaatlicht. Privatbesitz blieb im Wesentlichen auf die Landwirtschaft, das Handwerk und verschiedene Dienstleistungen beschränkt. Bedeutendster Wirtschaftszweig wurde das produzierende Gewerbe, gefolgt von der Land- und der Bauwirtschaft. Vom Ende der siebziger Jahre an hatte Polen mit enormen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen; sie resultierten u. a. aus der hohen Kreditaufnahme zum Aufbau der Industrie; daraus ergaben sich hohe Auslandsschulden und eine große Inflation. Diese wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die sich im Laufe der achtziger Jahre noch verschlimmerten, waren mitverantwortlich für den Zusammenbruch des kommunistischen Systems und dessen Ersatz durch eine Koalitionsregierung unter Führung der Gewerkschaftsbewegung Solidarno?? 1989. Im Dezember 1989 leitete die Regierung ein Reformprogramm ein, um die zentral gelenkte Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft umzuwandeln. Hinzu kamen Auflagen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Das Paket sah eine konvertierbare Währung, die Freigabe der Preise, Beseitigung der Planwirtschaft sowie die Privatisierung vieler staatlicher Unternehmen vor; sie wurden in Aktiengesellschaften umgewandelt, die zum Teil auch von ausländischen Investoren gekauft wurden. Viele Unternehmen gingen bankrott oder waren für eine spätere Privatisierung vorgesehen. Diese Umstrukturierung führte zu einem raschen Anstieg der Arbeitslosigkeit, da viele Unternehmen durch die verminderte Kaufkraft Arbeiter entlassen mussten. Das Bruttoinlandsprodukt sank; der Rückgang des Realeinkommens um etwa ein Drittel wurde zum Teil durch eine neue Arbeitslosenversicherung aufgefangen. Nach und nach begann sich die polnische Wirtschaft zu erholen. Steigende Produktion, sinkende Arbeitslosigkeit, ein Rückgang der Inflation und eine Zunahme der Kaufkraft zeigen, dass sich die Krise abgeschwächt hat. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt 338 733 Millionen US-Dollar (2006; Dienstleistungen 63,9 Prozent, Industrie 31,5 Prozent, Landwirtschaft 4,5 Prozent); das ergibt ein BIP pro Einwohner von 8 883,80 US-Dollar (2006). Das Wirtschaftswachstum liegt bei 6,1 Prozent (2006), die Inflationsrate bei 1 Prozent (2006), die Staatsverschuldung bei 54 268 Millionen US-Dollar (1999). Von den 17,2 Millionen Erwerbstätigen (2006) arbeiten etwa 29 Prozent in der Industrie, 17 Prozent in der Landwirtschaft, 53 Prozent im Dienstleistungssektor (2005). Die Arbeitslosenrate, die zu Beginn der neunziger Jahre auf 18 Prozent gestiegen war, sank bis 2005 auf 17,7 Prozent. 6.1 Gewerkschaften Bis 1980 gehörten alle Gewerkschaften zum staatlich unterstützten Zentralen Gewerkschaftsrat. Der unabhängigen Gewerkschaft Solidarno?? (Solidarität) schlossen sich 1980 etwa 85 Prozent der Beschäftigten, rund zehn Millionen, an. Im Mai 1981 wurde auch eine unabhängige Land-Solidarno?? für die privaten Landwirte zugelassen. Beide Organisationen wurden während des Kriegsrechtes im Oktober 1982 verboten und erst im April 1989 wieder zugelassen. Das kommunistische Regime schuf während der achtziger Jahre die Polnische Gewerkschaftsallianz (polnische Abkürzung OPZZ). 6.2 Landwirtschaft Obwohl die Landwirtschaft in Polen nach wie vor eine wichtige Rolle spielt, ist das Land außerstande, den Eigenbedarf an Lebensmitteln, Futtergetreide und Pflanzenölen selbst zu decken. Unter der kommunistischen Herrschaft war die Landwirtschaft in einen genossenschaftlichen und einen privaten Sektor geteilt. Die kleinen privaten Betriebe umfassten über 70 Prozent der Anbaufläche und erbrachten etwa 80 Prozent der jährlichen Ernte. Die größten Anbaugebiete befinden sich in den Ebenen im Zentrum des Landes, die besten Böden befinden sich in den Becken im Süden. Etwa 39,6 Prozent der Fläche werden als Ackerland genutzt (2005). Die mangelnde Technisierung der Landwirtschaft ist eines der Haupthindernisse für einen Beitritt Polens in die Europäische Union. Die wichtigsten Anbauprodukte sind Getreide (Roggen, Weizen, Gerste, Hafer), Zuckerrüben und Kartoffeln. Im Umland der Städte werden Gemüse und Obst angebaut. Hühner, Schweine, Rinder und Schafe sind die wichtigsten Zuchttiere in Polen; Erzeugnisse der Viehwirtschaft sind Fleisch, Eier, Milch, Butter, Käse und Wolle. Aufgrund der relativ geringen Ausstattung mit Zugmaschinen gibt es in Polen noch sehr viele Arbeitspferde. 6.3 Forstwirtschaft und Fischerei Der jährliche Einschlag an Rundhölzern liegt bei rund 20,6 Millionen Kubikmetern. Etwa vier Fünftel davon sind Nadelhölzer. Rund ein Drittel des Einschlags wird als Bauholz, der Rest wird als Grubenholz, als Brennstoff oder für die Papierherstellung verwendet. Die jährliche Fischfangmenge liegt bei etwa 193 000 Tonnen (2005). Rund 6 Prozent davon sind Süßwasserfische. Seit 1960 arbeitet der größte Teil der polnischen Fischereiflotte nicht mehr in der Ostsee, sondern im Ochotskischen Meer zwischen der Ostküste Russlands, der Halbinsel Kamtschatka und den Kurilen; von dort stammen etwa 75 Prozent des jährlichen Fanges. Wichtigste Fangprodukte sind Dorsch, Hering, Tintenfische und Kabeljau. Die wichtigsten Fischereihäfen sind ? winouj?cie (Swinemünde), Ko?obrzeg (Kolberg), Dar?owo, Ustka, W?adys?awowo, Puck (Putzig) und Hel (Hela). 6.4 Bergbau Etwa 2 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten in der Bergbauindustrie. Der wichtigste Bereich ist der Steinkohlenbergbau; Polen besitzt die größten Kohlevorkommen Europas. Die Kohleproduktion ist von 266 Millionen Tonnen jährlich gegen Ende der achtziger Jahre mittlerweile auf etwa 161 Millionen Tonnen (2003) gefallen. Polen ist außerdem einer der führenden Schwefelproduzenten (2,9 Millionen Tonnen). Daneben werden nennenswerte Mengen an Braunkohle, Kupfer, Blei, Zink, Magnesit (Bitterspat) und Steinsalz abgebaut. Die Förderung an Rohöl betrug in den frühen neunziger Jahren 1,3 Millionen Barrel, außerdem wurden 5,63 Milliarden Kubikmeter Erdgas gewonnen (2003). 6.5 Industrie Vor dem 2. Weltkrieg war die Basis der polnischen Industrie durch folgende Bereiche geprägt: Textilien, Eisen und Stahl, Chemie, Nahrungsmittel und Maschinenbau. In der Nachkriegszeit wurden diese Zweige ausgebaut, daneben wurde aber auch Gewicht auf neue Produkte gelegt, wie Petrochemikalien, Werkzeugmaschinen, elektronische Geräte, Schiffe, Kunstdünger und Kupfer. Die Industrie ist in den alten Zentren von Oberschlesien und Warschau, ?ód? und Krakau konzentriert, obwohl es durchaus Bemühungen gab, auch in kleineren Städten und ländlichen Gegenden Industriebetriebe anzusiedeln. 6.6 Energie Die Gesamtmenge an elektrischer Energie, die in Polen gewonnen wird, betrug 2003 141,2 Milliarden Kilowattstunden (Wasserkraftwerke 1,2 Prozent, Wärmekraftwerke 98,1 Prozent). Es gibt keine Atomkraftwerke. Der Stromverbrauch pro Einwohner liegt bei 3 142 Kilowattstunden (2003). 6.7 Währung und Bankwesen Währungseinheit in Polen ist der Z? oty (Z? ), der in 100 Groszy unterteilt ist. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems wurde der Z? oty im Inland zu seinem wahren Wert gehandelt. Zum 1. Januar 1995 wurden in Polen neue Banknoten und Münzen eingeführt. Der neue Z?oty wurde im Verhältnis 1:10 000 umgetauscht. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum freien Markt war die freie Konvertierbarkeit des neuen Z?oty im Mai 1995; die Währung behielt dabei etwa ihren Wert. Die Polnische Nationalbank, gegründet 1945, ist auch die Landeszentralbank Polens. 6.8 Außenhandel Die wichtigsten Importgüter sind Maschinen und Geräte, Erdölderivate, elektrische Energie, Chemikalien, Konsumgüter und landwirtschaftliche Produkte. Hauptexporte sind Maschinen und Geräte, Rohmetalle, Chemikalien, Stoffe und Kleidung sowie Lebensmittel. Die Handelsbilanz ist negativ. Während der Zeit der kommunistischen Herrschaft wurde der Außenhandel im Wesentlichen mit den anderen Staaten des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) abgewickelt; die wichtigsten Handelspartner waren die UdSSR, die DDR und die Tschechoslowakei. Die wichtigsten Handelspartner heute sind die EU-Staaten, insbesondere die Bundesrepublik Deutschland, die Niederlande, Italien und Großbritannien, sowie Russland. Mit zahlreichen Gläubigerländern hat Polen einen Schuldenerlass oder ein Stundungsabkommen erreicht. 6.9 Verkehrswesen Die Gesamtlänge des Straßennetzes beträgt 423 997 Kilometer (2003), von denen 70 Prozent befestigt sind. Das polnische Schienennetz hat eine Länge von 19 599 Kilometern (2005), über ein Drittel davon ist elektrifiziert. In Polen gibt es etwa 4 000 Kilometer Binnenwasserstraßen; sie müssen allerdings modernisiert werden, bevor sie sich kommerziell betreiben lassen. Die wichtigsten schiffbaren Flüsse sind Weichsel, Oder, Bug, Warthe, Narew und Netze; die Flusssysteme sind durch etwa 1 200 Kilometer Kanäle miteinander verbunden. Die wichtigsten Binnenhäfen sind Gleiwitz, Breslau und Warschau. Nahezu der gesamte Seehandel wird über die drei großen Seehäfen Danzig, Stettin und Gdingen abgewickelt. Die staatliche Fluglinie Polskie Linie Lotnicze (LOT) verkehrt im In- und Ausland; Polen wird auch von ausländischen Fluglinien angeflogen. Das Drehkreuz des polnischen Luftverkehrs ist Warschau. Daneben gibt es elf weitere Flughäfen für den Inlandsflugverkehr. 6.10 Tourismus In den siebziger Jahren erlebte Polen einen raschen Anstieg der Zahl ausländischer Touristen; zwischen 1977 und 1979 besuchten jährlich neun bis elf Millionen Ausländer das Land. Die politischen Unruhen ließen diesen Boom zurückgehen und zu Beginn der achtziger Jahre gab es nicht mehr als zwei Millionen ausländische Touristen pro Jahr; erst in jüngerer Zeit erholte sich der Fremdenverkehr wieder. Der größte Teil der Besucher stammte aus den anderen Ostblockstaaten; die meisten westlichen Besucher waren Deutsche. Die Zahl der ausländischen Besucher lag 1999 bei nahezu 18 Millionen. Die Hauptreiseziele sind die Strandbäder entlang der Ostsee, die Seenplatte, das Bergland der Karpaten und Sudeten und die zahlreichen historischen Stätten und kulturellen Einrichtungen des Landes. Einem Ausbau der Bäder an der Ostsee steht die hohe Umweltverschmutzung entgegen. Die polnische Entwicklungsbehörde will die touristische Infrastruktur rasch ausbauen; landesweit sind an über 300 Orten neue Luxushotels und weitere Verbesserungen vorgesehen. 7 GESCHICHTE Die Ursprünge des polnischen Staatswesens liegen weitgehend im Dunkeln. Bereits im 9. Jahrhundert soll es einen mächtigen polnischen Staat unter ebenso mächtigen Fürsten gegeben haben, was jedoch historisch nicht belegbar ist. Festzustehen scheint, dass eine staatliche Organisation der Polanen durch die ständigen Übergriffe der Ungarn zunächst verhindert bzw. erheblich erschwert worden war. Erst nach der endgültigen Niederlage der Ungarn in der Schlacht auf dem Lechfeld (bei Augsburg) gegen das Heilige Römische Reich unter Otto I. 955 und dem Rückzug der Ungarn Richtung Südosten war der Weg für die Errichtung eines Staatswesens auf dem Gebiet des heutigen Polen frei. 7.1 Die Piasten Erster historisch einwandfrei belegbarer Herrscher war Mieszko I. (Regierungszeit ca. 960 bis 992) aus dem Geschlecht der Piasten, der um 960 von seinem Zentrum Posen an der mittleren Warthe aus die polnischen Stämme zwischen Oder und Masowien östlich der mittleren Weichsel unter seine Herrschaft brachte. 963 erkannte Mieszko für das Gebiet zwischen Oder und Warthe die Lehensherrschaft des römisch-deutschen Kaisers an; 966 trat er zum römisch-katholischen Christentum über und reihte damit seinen Herrschaftsbereich in den Kreis der abendländisch-christlichen Staaten ein - im Gegensatz zu den Ostslawen, die sich wenig später dem griechisch-orthodoxen Ritus anschlossen. 968 erhielt Polen in Posen ein erstes Bistum, und 986 begab sich Mieszko für seinen gesamten Herrschaftsbereich in lockere Lehensabhängigkeit vom Heiligen Römischen Reich. Mieszkos Sohn und Nachfolger Boleslaw I. Chrobry (992-1025) gelang es in langwierigen Kriegen gegen die böhmischen Przemysliden und Kaiser Heinrich II., das jetzt erstmals ,,Polen" genannte Territorium erheblich zu erweitern: Er brachte Schlesien, Kleinpolen (das Gebiet um die obere Weichsel mit Krakau), Pommern, Mähren und als Lehen die Lausitz unter seine Herrschaft und hielt zeitweise Böhmen und Kiew besetzt. 1025 ließ er sich mit Billigung des Papstes zum König krönen. 7.1.1 Niedergang und Teilung des Piastenreiches Unter Boleslaw I. hatte Polen einen ersten Höhepunkt seiner Macht erreicht; aber schon unter seinem Sohn und Nachfolger Mieszko II. (1025-1034) zerfiel das Großreich wieder: Mieszko verlor den Großteil der von seinem Vater unterworfenen Gebiete wieder, ebenso verlor er die relative Unabhängigkeit vom Heiligen Römischen Reich sowie 1033 auch die Königswürde. Mieszkos Sohn Kasimir I. (1034/1039-1058) konnte nach anfänglichen inneren Auseinandersetzungen die Piastenherrschaft wieder einigermaßen konsolidieren und verlorene Gebiete zurückgewinnen; Boleslaw II. (1058-1079) gelang es dank des Investiturstreites, der die Herrschaftsgewalt des römischdeutschen Kaisers erheblich schwächte und in dem Boleslaw Partei für die päpstliche Seite ergriff, die Königswürde zurückzuerlangen. Bereits Boleslaws Nachfolger Wladislaw I. Hermann (1079-1102) legte den Königstitel wieder ab und nahm stattdessen nach Kiewer Vorbild einen Großfürstentitel an. Wie schon bei den vorangegangenen Thronwechseln, so kam es auch nach Wladislaws Tod 1102 zwischen seinen Söhnen zu heftigen Auseinandersetzungen um die Herrschaft; am Ende setzte sich Boleslaw III. Krzywousty (1102-1138) durch. Der führte, um die zermürbenden, den Adel stärkenden Nachfolgekämpfe für die Zukunft zu unterbinden, eine feste Nachfolgeregelung nach dem Senioratsprinzip ein: Alle erbberechtigten Söhne sollten jeweils eine eigene Provinz erhalten, der älteste zudem als Großfürst eine Art Oberherrschaft (Seniorat) über alle Provinzen und die Entscheidungsbefugnis in Fragen der Außen- und der Kirchenpolitik. Die neue Erbregelung erwies sich als verhängnisvoll für den Gesamtstaat: Zum einen verhinderte sie keineswegs Konflikte zwischen den Erben, zum anderen bewirkte sie eine mehr oder weniger weit gehende Verselbständigung der Teilfürstentümer Großpolen, Kleinpolen, Schlesien und Masowien, die wiederum in mehrere Fürstentümer unterteilt wurden. Schlesien etwa nahm - in enger Anlehnung an Böhmen - eine relativ eigenständige Entwicklung. Die Zersplitterung und teilweise auch Rivalität im Inneren hatte auch einen erheblichen Machtverlust nach Außen zur Folge: 1157 brachte Kaiser Friedrich I. Barbarossa den Krakauer Großfürsten und Senior Boleslaw IV. K?dzierzawy (1146-1173) dazu, die Lehenshoheit des römisch-deutschen Kaisers wieder anzuerkennen, und 1181 verlor Polen Pommern, das Boleslaw III. erst wieder zurückgewonnen hatte, an das deutsche Reich. Ebenfalls im 12. Jahrhundert setzte die Kolonisierung aus dem deutschen Reich ( siehe Ostkolonisation) ein, die insbesondere die westlichen Gebiete erfasste und hier Stadtentwicklung und Landwirtschaft maßgeblich prägte. 1225 sah sich Herzog Konrad I. von Masowien gezwungen, den Deutschen Orden gegen die Pruzzen zu Hilfe zu rufen, da sich sein Teilfürstentum nicht gegen die ständigen Überfälle der Pruzzen verteidigen konnte und von den anderen polnischen Fürstentümern keine Unterstützung zu erwarten war; die Verselbständigung der Teilfürstentümer war schon zu weit fortgeschritten, eine gegenseitige Verantwortung weitgehend abhandengekommen. Bis 1308 hatte der Deutsche Orden die Pruzzen unterworfen und seine Herrschaft über Pomerellen einschließlich Danzig ausgeweitet. Bis zur Rückgabe Pomerellens an Polen 1466 war dieses Gebiet zwischen Polen und dem Deutschen Orden umstritten und umkämpft. Nach der Besetzung Pomerellens förderte der Orden hier intensiv die Ansiedelung deutscher Bauern, Handwerker und Händler. Infolge der Zersplitterung war Polen 1240/41 auch nicht in der Lage, der Goldenen Horde ( siehe Mongolensturm) ausreichenden Widerstand entgegenzusetzen: 1241 wurde ein polnisches Heer bei Liegnitz geschlagen, Lublin, Krakau und Breslau wurden verwüstet. 1295 suchte Großfürst Przemyslaw II. (1279-1296) durch die Erneuerung der Königswürde Polen wieder zu vereinen, scheiterte jedoch. 7.1.2 Wiedervereinigung und Konsolidierung Anfang des 14. Jahrhunderts brachte der Herzog von Kujawien, Wladislaw I. Lokietek (1306/20-1333), mit Hilfe einiger Kleinfürsten und unterstützt vom Klerus nach langwierigen, schweren Kämpfen neben Kujawien auch Groß- und Kleinpolen unter seine Herrschaft und ließ sich 1320 in Krakau, das fortan Krönungsort der polnischen Könige blieb, zum König krönen. Sein Sohn Kasimir III., der Große (1333-1370), konsolidierte den Staat im Inneren, baute eine funktionierende Verwaltung auf, reformierte Rechtsprechung und Gesetzgebung und schuf damit eine wesentliche Grundlage für den Aufstieg Polens zur Großmacht. 1364 gründete er die Universität Krakau - nach Prag die zweitälteste Universität Mitteleuropas. In der Außenpolitik beendete er die Konflikte mit den Nachbarn im Süden und im Norden: 1335 überließ er Schlesien vertraglich böhmischer Lehenshoheit, und 1343 verzichtete er gegenüber dem Deutschen Orden auf Pomerellen und das Culmer Land, erhielt dafür das inzwischen an den Orden verlorene Kujawien zurück. Außerdem weitete er seinen Herrschaftsbereich nach Osten aus: Er brachte Masowien unter seine Lehenshoheit, eroberte Ruthenien und das westliche Wolhynien. Von der großen Pestwelle, die Mitte des 14. Jahrhunderts nahezu ganz Europa heimsuchte, blieb Polen verschont, da Kasimir an den polnischen Grenzen die Quarantäne eingeführt hatte. Dennoch hatte die Pest nachhaltige Folgen für Polen: Dank Kasimirs Toleranz konnten zahlreiche Juden, die anderswo, vor allem in Deutschland, verfolgt wurden, nach Polen einwandern. Aus ihnen entwickelte sich dann das Ostjudentum mit der jiddischen Sprache. Kasimir III. starb 1370 ohne männlichen Erben; mit ihm endete die Piasten-Dynastie. Schon 1339/55 hatte Kasimir seinen Neffen Ludwig I. von Ungarn aus dem Haus Anjou zu seinem Nachfolger auf dem polnischen Thron bestimmt, hatte dem polnischen Adel für die Zustimmung zu dieser Nachfolgeregelung allerdings auch erhebliche Zugeständnisse machen müssen. Ludwig I. hatte ebenfalls keine Söhne, konnte aber den polnischen Adel - durch weitere umfassende Privilegien im Vertrag von Kaschau 1374 - dazu bewegen, die weibliche Erbfolge anzuerkennen. Der Adel verfügte nun über weit reichende Mitbestimmungsrechte u. a. bei der Königswahl, genoss Steuerfreiheit und stellte alle hohen Beamten. Nach Ludwigs Tod 1382 folgte ihm seine Tochter Hedwig auf dem polnischen Thron. 1386 heiratete sie auf Betreiben des polnischen Adels Großfürst Jagie??o von Litauen, nachdem er und der Großteil der noch heidnischen Litauer zum Christentum übergetreten waren, und begründete damit die polnisch-litauische Personal-, später Realunion sowie die Dynastie der Jagiellonen in Polen. 7.2 Die Jagiellonen Jagie??o wurde 1386 als Wladislaw II. (1386-1434) zum König von Polen gekrönt. Polen-Litauen war zur Zeit seines Zusammenschlusses der größte Flächenstaat in Europa und wurde von Wladislaw sukzessive noch nach Osten und Südosten ausgeweitet: 1387 erkannte Moldau die polnische Oberhoheit an, 1389 die Walachei und 1396 Bessarabien und Siebenbürgen. Der ständige Konflikt mit dem Deutschen Orden eskalierte unter Wladislaw sowie seinen Nachfolgern Wladislaw III. (1434-1444) und besonders Kasimir IV. Andreas (1447-1492) in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in mehreren Kriegen. 1410 fügte ein polnisch-litauisches Heer dem Deutschen Orden bei Tannenberg eine vernichtende Niederlage zu, erreichte im 1. Thorner Frieden 1411 jedoch nur geringe territoriale Zugeständnisse. Erst nach weiteren drei Kriegen erhielt Polen im 2. Thorner Frieden 1466 Pomerellen mit Danzig, das Culmer Land und das Ermland sowie u. a. die Marienburg. Für das ihm verbliebene Gebiet (etwa Ostpreußen) musste der Deutsche Orden dem polnischen König den Lehenseid leisten; es blieb auch nach der Säkularisierung des Ordenslandes 1525 polnisches Lehen und wurde erst 1657 im Vertrag von Wehlau (während des 1. Nordischen Krieges) aus der polnischen Lehenshoheit entlassen, kam an Brandenburg und bildete später den Kern des Königreiches Preußen. Durch die Expansion nach Osten und vor allem durch seinen Sieg über den Deutschen Orden schwang sich Polen-Litauen im 15. Jahrhundert zur Führungsmacht in Osteuropa auf. Zudem besetzten die Jagiellonen zeitweise auch den böhmischen und den ungarischen Thron: Kasimirs IV. Sohn Wladislaw wurde 1471 von den böhmischen Ständen als Wladislaw II. zum König erhoben, und 1490 übernahm er auch den ungarischen Thron. Die jagiellonische Herrschaft in Böhmen und Ungarn endete 1526 mit dem Tod Ludwigs II.; in beiden Ländern folgten die Habsburger nach. Dem Machtzuwachs nach Außen stand die Schwächung der Krongewalt im Inneren gegenüber: Auch die Jagiellonen, insbesondere Kasimir IV., sahen sich wie schon ihre Vorgänger auf dem polnischen Thron zu weiterer Privilegierung des Adels, sowohl des Hochadels, der Magnaten, als auch des niederen Adels, der Schlachta, gezwungen. Der Reichstag, der Sejm, der sich ausschließlich aus Adel und hohem Klerus zusammensetzte, gewann zunehmend Macht über den König; das Gesetz Nihil novi von 1505 z. B. legte fest, dass nichts Neues ohne Zustimmung des Sejm angeordnet werden dürfe. Die zunehmende Privilegierung des Adels, die Übernahme zahlreicher Regierungsfunktionen durch den Adel hatte auf der anderen Seite die sukzessive Entrechtung der Bauern und des Bürgertums und den Niedergang der Städte zur Folge. Ende des 15., Anfang des 16. Jahrhunderts sah sich das polnisch-litauische Großreich Angriffen von Osten ausgesetzt: von Osmanen und Tataren, an die sie die Schwarzmeerküste und Moldau verloren, und von dem Moskauer Großfürstentum, das große Teile Litauens eroberte. Im Inneren dagegen erlebte Polen unter Sigismund I. (1506-1548) und Sigismund II. August (1548-1572) ein ,,Goldenes Zeitalter", eine Blütezeit der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Die Reformation breitete sich rasch aus, vor allem beim Bürgertum und Teilen des Adels, und trotz der bald einsetzenden Gegenreformation war das konfessionelle Klima in Polen von außerordentlicher Toleranz geprägt. Unterdessen spitzte sich die Auseinandersetzung mit Moskau im Livländischen Krieg (1558-1582) wieder zu, in dem Polen 1561 Kurland und Livland erwarb. 1569 wurde u. a. vor dem Hintergrund der anhaltenden Bedrohung aus dem Osten durch die Union von Lublin die Personalunion zwischen Polen und Litauen in eine Realunion umgewandelt, d. h., Litauen wurde faktisch in den polnischen Staat integriert. 7.3 Wahlkönigtum Mit Sigismund II. August starb 1572 die Jagiellonen-Dynastie im Mannesstamm aus. Die Auseinandersetzung um die Herrschaft in Polen entschied der polnische Adel de facto für sich: Polen wurde in eine Wahlmonarchie umgewandelt; den König wählte der Sejm, d. h. der Adel. Polen wurde somit eine Adelsrepublik mit einem äußerst schwachen König an der Spitze. Das Liberum Veto, 1652 institutionalisiert, durch das jedes Sejm-Mitglied durch seinen Einspruch den Reichstag beschlussunfähig machen konnte, verwandelte Polen schließlich in eine zeitweise handlungsunfähige Adelsanarchie, die zum Spielball sowohl der divergierenden Interessen der polnischen Adelsfraktionen als auch der ausländischen Mächte wurde. Erster Wahlkönig war Heinrich III. von Frankreich, der jedoch 1574 nach nur einem Jahr die polnische Krone wieder aufgab, um den französischen Thron zu besteigen. Auf ihn folgte Stephan IV. Báthory (1575-1586), der erfolgreich gegen Zar Iwan IV., den Schrecklichen, Krieg führte und einige Reformen in Heerwesen und Verwaltung durchführte und als einer der bedeutendsten Herrscher Polens gilt. 7.3.1 Polen unter den Wasa-Königen 1587 gelangte mit Sigismund III. (1587-1632) die schwedische Wasa-Dynastie auf den polnischen Thron. 1609 griff Sigismund in die russischen Thronwirren (Smuta) ein, konnte Smolensk und andere Gebiete zurück gewinnen, scheiterte aber mit seinem Plan, seinen Sohn Wladislaw, den späteren Wladislaw IV. Wasa (1632-1648), auf Dauer auf dem Zarenthron zu etablieren und ein polnisch-russisches Großreich zu errichten. In der kurz nach 1600 einsetzenden, langwierigen dynastischen Auseinandersetzung mit Schweden verlor er Livland an Schweden. Die Innenpolitik war geprägt von Konflikten mit dem Adel und dem gescheiterten Versuch, eine absolutistische Herrschaft zu errichten. Unter Johann II. Kasimir (1648-1668) erreichte die polnisch-schwedische Auseinandersetzung im 1. Nordischen Krieg (1655-1660) ihren Höhepunkt; sie endete mit der endgültigen Abtretung Livlands an Schweden im Frieden von Oliva 1660 (und dem erwähnten Verzicht auf Ostpreußen 1657). Im seit 1654 andauernden Krieg mit Russland verlor Polen 1667 die östliche Ukraine einschließlich Kiew und Smolensk. Ebenso glücklos wie nach Außen agierte Johann II. im Inneren; 1668 legte er die polnische Krone nieder und beendete damit die Wasa-Herrschaft in Polen. Unter Micha? Wi?niowiecki (1669-1673) brach 1672 der Krieg gegen das Osmanische Reich wieder aus (siehe Polnisch-Türkische Kriege). 1673 besiegte ein polnisches Heer unter Johann Sobieski die Osmanen; 1674 wurde Sobieski in Anerkennung seines Sieges als Johann III. Sobieski (1674-1696) zum polnischen König gewählt. 1683 schlug Johann III. Sobieski als Oberbefehlshaber über die polnischen und die österreichischen Truppen die Türken vor Wien und leitete damit die Vertreibung der Türken aus Mitteleuropa ein. Seinen territorialen Besitzstand konnte Polen in den Türkenkriegen des 17. Jahrhunderts weitgehend behaupten. 7.3.2 Die Sächsisch-polnische Personalunion 1697 wurde der sächsische Kurfürst Friedrich August I. als August II. (1697-1706 und 1709-1733) zum König gewählt; die sächsisch-polnische Personalunion dauerte - mit Unterbrechungen - bis 1763. Ab 1700 war Polen in den 2. Nordischen Krieg (1700-1721) gegen Schweden involviert - diesmal auf der Seite Russlands. Schweden besiegte zunächst Russland, dann Polen, vertrieb August II., ließ 1704 Stanislaus I. Leszczynski zum König wählen und zwang August 1706 zum Verzicht auf die polnische Krone. Nach dem russischen Sieg über die Schweden bei Poltawa konnte sich August II. 1709 mit russischer Hilfe wieder in Polen etablieren. Aus dem 2. Nordischen Krieg ging Polen zwar ohne territoriale Verluste hervor, dafür war es politisch weitestgehend in russische Abhängigkeit geraten. Zudem hatte der Krieg dringend notwendige, die Adelsanarchie eindämmende Reformen verhindert; dazu kam noch, dass Russland Polen eine Reform seiner Verfassung untersagte, um das Land weiter in seiner Abhängigkeit zu halten. Nach Augusts II. Tod 1733 wählte die Mehrheit des polnischen Adels auf Betreiben Frankreichs erneut Stanislaus I. Leszczynski zum König, die Minderheit wählte, von Russland unterstützt, Augusts II. Sohn August III. (1733-1763). Im Polnischen Thronfolgekrieg (1733-1735) setzte Russland schließlich seinen Kandidaten durch. Aufgrund der Personalunion mit Sachsen wurde Polen in den Siebenjährigen Krieg (1756-1763) hineingezogen und hatte vor allem unter den preußisch-russischen Kampfhandlungen schwer zu leiden. Unter August III. hatte die Adelsanarchie unterdessen solche Ausmaße erreicht, dass Polen bzw. sein König praktisch handlungsunfähig war. Nach dem Tod Augusts III. setzte die russische Zarin Katharina II., die Große, 1764 die Wahl ihres Günstlings Stanislaus II. August (1764-1795) durch. Stanislaus suchte Reformen einzuleiten (u. a. die Abschaffung des Liberum Veto), die die nahezu schrankenlose Macht des Adels zugunsten der Krone eindämmen sollten; er stieß damit jedoch auf den Widerstand großer Teile des Adels, der nichts von seinen Privilegien preisgeben wollte, und auf den Widerstand der Nachbarn Russland und Preußen, die befürchteten, dass sich ein reformiertes Polen ihrem Einfluss entziehen würde. Die Auseinandersetzungen um die Reformen mündeten 1768 in einen Bürgerkrieg zwischen Reformern und Reformgegnern; Letztere fanden Unterstützung bei Russland und Preußen, Erstere beim Osmanischen Reich (eine Mächtekonstellation, die daneben wesentlich zum Ausbruch des Russisch-Türkischen Krieges von 1768 beitrug). 7.4 Die Polnischen Teilungen In dieser Situation schlug der preußische König Friedrich der Große schon 1769 eine territoriale Reduzierung Polens vor, und 1772 einigten sich Preußen, Russland und Österreich auf die 1. Polnische Teilung. Der Verlust von fast 30 Prozent seines Territoriums löste in Polen eine schwere Krise aus, führte zu einer nationalen Rückbesinnung und ließ in weiten Kreisen die Einsicht in die Notwendigkeit politischer Reformen wachsen. In einem ersten Reformschritt schuf sich Polen u. a. zwei zentrale Behörden, die Nationale Erziehungskommission und den Immerwährenden Rat, die ein vorbildliches Bildungs- und Verwaltungssystem errichteten. Am 3. Mai 1791 verabschiedete der Sejm eine neue, das Staatswesen reformierende Verfassung - im Übrigen die erste geschriebene Verfassung Europas. Durch diese Verfassung wurden u. a. die freie Königswahl und das Liberum Veto abgeschafft und dem Bürgertum (begrenzte) Mitspracherechte eingeräumt. Gegen diese Verfassung formierte sich eine Adelsopposition, und sie hatte die Intervention Russlands und Preußens gegen die Refomer und die erzwungene Rücknahme der Reformen 1792 zur Folge. Russland und Preußen bedienten sich als Gegenleistung für ihre Intervention in der 2. Polnischen Teilung großzügig an polnischem Territorium und reduzierten den polnischen Staat auf etwa ein Drittel seiner ursprünglichen Fläche. 1794 erhoben sich die Polen in einem Aufstand unter Tadeusz Kosciuszko; im Oktober 1794 wurde der Aufstand von Russland und Preußen niedergeschlagen, und im Januar 1795 teilten Russland, Preußen und Österreich in der 3. Polnischen Teilung den Rest des Landes unter sich auf und liquidierten damit den Staat Polen vollends. Stanislaus II. August musste abdanken. 7.5 Polen unter Fremdherrschaft Die Liquidation des polnischen Staates schärfte das Nationalbewusstsein unter den Polen, und sie einte Polen und liberale Kräfte in ganz Europa im Kampf für die Wiedererrichtung eines souveränen polnischen Staates. Als ,,natürlicher" Verbündeter der Polen bot sich nun, während der Koalitionskriege, Frankreich an, der Gegner der drei Teilungsmächte Russland, Preußen und Österreich. Nach seinen Siegen über Preußen und Russland 1806/07 schuf Napoleon im Frieden von Tilsit (7./9. Juli 1807) als neues polnisches Staatswesen das Herzogtum Warschau, das sich vor allem aus den Gewinnen Preußens aus der 2. und 3. Teilung zusammensetzte und, nachdem es 1809 noch um den österreichischen Anteil aus der 3. Teilung erweitert worden war, etwa ein Fünftel des ursprünglichen Staatsgebiets umfasste. Napoleon gab dem neuen Staat eine am französischen Vorbild orientierte Verfassung, führte den Code Napoléon ein und setzte König Friedrich August I. von Sachsen als Herzog ein. 7.5.1 Kongresspolen Nach Napoleons Niederlage in Russland besetzten russische Truppen 1813 das Herzogtum Warschau und bereiteten damit der polnischen Eigenstaatlichkeit erneut ein Ende. Auf dem Wiener Kongress 1814/15 schufen die europäischen Großmächte ein neues polnisches Staatswesen, das so genannte Kongresspolen bzw. Königreich Polen, das in etwa das Gebiet des Herzogtums Warschau umfasste, im Westen allerdings zugunsten Preußens um das Großherzogtum Posen verkleinert. Krakau wurde ,,Freie Stadt". Das neue Königreich kam in Personalunion an Russland, erhielt jedoch eine eigene Verfassung und Verwaltung sowie die Zusage, dass die Einheit der polnischen Nation gewahrt werde. Die repressive, die Verfassung und die polnische Nationalität missachtende Politik Zar Nikolaus' I. (1825-1855) provozierte 1830 einen ersten Aufstand der Polen gegen die russische Fremdherrschaft, den Novemberaufstand. Der Aufstand wurde von russischen Truppen brutal niedergeschlagen, die Verfassung und der autonome Status des Königreiches wurden kassiert, die polnische Armee aufgelöst und das Land einer rigorosen Russifizierungspolitik unterworfen. 1846 brach im österreichischen Galizien und in Krakau ein weiterer Aufstand aus, der ebenfalls niedergeschlagen und an dessen Ende Krakau Österreich einverleibt wurde, und ebenso scheiterte 1848 eine Erhebung im preußisch verwalteten Posen. Zar Alexander II. (1855-1881) schlug in Polen zunächst einen etwas liberaleren Kurs ein; den Forderungen nach der Wiederherstellung der Autonomie gab er jedoch nicht nach, verstärkte im Gegenteil, je nachdrücklicher die Autonomie zurückgefordert wurde, wieder den Druck auf Polen. Im Gegenzug erhoben sich die Polen 1863/64 in einem letzten großen Aufstand, dem Januaraufstand, den Russland wiederum - mit preußischem Einverständnis - blutig niederschlug. Die Folge war eine Verschärfung der Russifizierungspolitik, Polen wurde zu einem russischen Gouvernement degradiert. Die Nationalbewegung in Kongresspolen war damit aber keineswegs zerschlagen; in breiten Kreisen - von der Arbeiterschaft in den Industriezentren über das Bürgertum bis zum Adel - erhielt vielmehr der Wunsch nach Eigenstaatlichkeit neue Brisanz. Dabei gab es unterschiedliche Vorstellungen davon, wie die Eigenstaatlichkeit zu erreichen sei: Während die eine Gruppe eine Lösung in panslawistischem Rahmen, d. h. innerhalb Russlands, propagierte, strebte die andere Richtung die Wiederherstellung eines souveränen polnischen Staates durch die Schwächung bzw. Zerschlagung des Russischen Reiches durch dessen Gegner an. Für die revolutionäre Ausprägung der ersten Gruppe stand Rosa Luxemburg, die auf eine Revolution im gesamten Russischen Reich und im Ergebnis auf die Loslösung Polens aus dem Reich setzte; einer der prominentesten Vertreter der zweiten Gruppe war Józef Pi?sudski. Die Polen im österreichischen Galizien erhielten 1868 nach der Schaffung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie weit reichende Autonomie, vor allem in Sprache und Kultur; hier entwickelte sich ein sehr starkes polnisches Nationalbewusstsein. In den preußischen Teilen Polens dagegen setzte, insbesondere nach der Reichsgründung 1871, in die auch Posen einbezogen worden war, eine Germanisierungspolitik ein, die dann vor allem vor dem Hintergrund des Kulturkampfes in den betroffenen Gebieten einen polnisch-deutschen Antagonismus heraufbeschwor. 7.5.2 Der 1. Weltkrieg Der Ausbruch des 1. Weltkrieges gab den Hoffnungen der polnischen Nationalisten auf die Wiedererrichtung eines souveränen polnischen Staates neuen Auftrieb, zumal schon im August 1914 Russland die Schaffung eines wiedervereinigten freien Polen zugesagt hatte. Im November 1916 proklamierten die Mittelmächte ihrerseits, allen voran das Deutsche Reich, ein unabhängiges Königreich Polen, um so Polen im Krieg gegen Russland für ihre Seite zu gewinnen. Allerdings forderte das Deutsche Reich auch die Abtretung eines breiten Gebietsstreifens von Ostpreußen im Norden bis nach Schlesien im Süden und suchte zudem Polen weitgehend in seine Abhängigkeit zu bringen, weshalb das Konzept der Mittelmächte in Polen wenig Anklang fand, zumal Polen nun auch Rückendeckung von anderer Seite erhielt: Nach dem Sturz des Zaren erkannte die russische Provisorische Regierung im März 1917 das Selbstbestimmungsrecht Polens an, und auch die Alliierten strebten nun die Wiedererrichtung eines souveränen Polen an. 7.6 Die Republik Polen Nach dem Zusammenbruch der Mittelmächte im Herbst 1918 war der Weg frei für eine Wiedererrichtung des polnischen Staates: Im Oktober 1918 rief der ein Jahr zuvor von den Deutschen geschaffene Regentschaftsrat das unabhängige Polen aus, und am 11. November 1918 wurde die Republik Polen proklamiert. Am 22. November wurde Józef Pi?sudski zum ,,Vorläufigen Staatschef" ernannt und mit diktatorischen Vollmachten ausgestattet. 7.6.1 Territoriale Konsolidierung Die Republik Polen bestand bei ihrer Gründung aus Kongresspolen und Westgalizien; Anfang 1919 wurde noch ein großer Teil der Provinz Posen und Ostgalizien besetzt. Durch den Versailler Vertrag erhielt Polen außerdem den Großteil Westpreußens, den so genannten Polnischen Korridor, sowie fast die ganze Provinz Posen. In weiteren, strittigen Gebieten sollte die Bevölkerung über die Zugehörigkeit entscheiden, wie etwa in Oberschlesien, das infolge des relativ knappen Abstimmungsergebnisses auf Beschluss der Alliierten geteilt wurde: Der Ostteil um Kattowitz, zwar kleiner, aber wirtschaftlich deutlich ertragreicher, kam an Polen, der Westen an das Deutsche Reich. Danzig wurde Freie Stadt unter polnischer Oberhoheit und zugleich unter Aufsicht des Völkerbundes. Auch im Osten suchte Polen sein Staatsgebiet annähernd in den Grenzen, wie sie vor 1772 bestanden, wieder herzustellen, erkannte daher die von der Pariser Friedenskonferenz vorgeschlagene polnisch-sowjetrussische Grenze nicht an und löste im April 1920 den Polnisch-Sowjetischen Krieg aus. Die von den Alliierten im Juli 1920 unterbreitete Curzon-Linie lehnte Polen als neue Ostgrenze ebenfalls ab; im Frieden von Riga einigten sich Polen und Sowjetrussland im März 1921 schließlich auf eine Grenze, die etwa 150 Kilometer östlich der Curzon-Linie verlief, Polen also den Westen der Ukraine und Weißrusslands einbrachte. 1920 besetzte Polen zudem das Gebiet um Wilna. 7.6.2 Außenpolitischer Kurs Die Außenpolitik der folgenden Jahre war zu einem guten Teil von der Furcht vor Revisionsforderungen der beiden großen Nachbarn Deutschland und Sowjetunion geprägt. Das Deutsche Reich weigerte sich, die polnische Westgrenze anzuerkennen, weigerte sich folglich auch, ein dem Locarnopakt entsprechendes Garantieabkommen für die deutsch-polnische Grenze abzuschließen, und hielt die Grenzfrage bewusst offen; die restriktive Politik Polens gegenüber der deutschen Minderheit verschlechterte das polnisch-deutsche Verhältnis zusätzlich. Die Beziehungen zur Sowjetunion wurden zusätzlich zu territorialen Fragen durch ideologische Gegensätze belastet. Wichtigster außenpolitischer Partner Polens war zunächst Frankreich, das Polen im Februar 1921 durch ein Verteidigungsbündnis in seine Cordon-sanitaire-Politik gegenüber der Sowjetunion einband. Durch ein Bündnis mit Rumänien im März 1921 näherte sich Polen zudem der Kleinen Entente an. 7.6.3 Demokratische Anfänge Am 17. März 1921 wurde die neue, am französischen Vorbild ausgerichtete demokratische Verfassung verabschiedet. Aber auch unter der neuen Verfassung waren die rasch wechselnden Regierungen in der politisch zersplitterten Landschaft nicht in der Lage, den vielfältigen Problemen des Landes hinreichend zu begegnen. In den 125 Jahren der Teilung und Fremdherrschaft hatten sich die einzelnen Regionen in elementaren Bereichen wie Wirtschaft, Verwaltung, Justiz und Bildung stark auseinanderentwickelt und waren nur schwer wieder zu einem System zusammenzufassen. Erheblich verschärft wurde das Problem der Integration durch die starken nationalen Minderheiten - vor allem Ukrainer, Juden, Weißrussen und Deutsche -, die über 30 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten und die in vielen Belangen benachteiligt wurden. Ende 1922 legte Pi?sudski sein Amt als Staatsoberhaupt nieder und verzichtete auf eine Kandidatur bei den Präsidentenwahlen - die neue, demokratische Verfassung hatte die Befugnisse des Staatspräsidenten stark beschnitten. 7.6.4 Diktatur Vor dem Hintergrund einer schweren Wirtschaftskrise, zunehmender innenpolitischer Konflikte und einer bedenklichen außenpolitischen Lage ergriff Pi?sudski am 12. Mai 1926 in einem weitgehend unblutigen Staatsstreich die Macht. Pi?sudski beließ zwar die demokratische Verfassung in Kraft, schuf jedoch, formal nur Kriegsminister und Oberbefehlshaber der Streitkräfte, aber gestützt auf das Militär und sein hohes Ansehen bei weiten Teilen der Bevölkerung, ein autoritatives, diktatorisches System. Die regierungsfreundlichen Parteien wurden zu einem Block zusammengefasst, die politische Opposition wurde nach und nach zerschlagen, die nationalen Minderheiten wurden unterdrückt. Im März 1933 wurde ein Ermächtigungsgesetz erlassen, auf dessen Grundlage eine auf die Person Pi?sudski ausgerichtete autoritäre Präsidialverfassung erarbeitet und am 23. April 1935 verabschiedet wurde. Knapp drei Wochen nach Erlass der neuen Verfassung, am 12. Mai 1935, starb Pi?sudski; seine Nachfolger an der Staatsspitze - Staatspräsident Ignacy Mo?cicki, Oberbefehlshaber Edward Rydz-?mig? y und Außenminister Józef Beck - waren nicht in der Lage, die Verfassung auszufüllen und das System Pi?sudski fortzuführen, erschöpften sich vielmehr in gegenseitigen Konflikten. Als führender Mann setzte sich schließlich Rydz-?mig? y durch, und mit ihm erhielt die polnische Innen- und Außenpolitik eine zunehmend militaristische Prägung. 1932 schloss Polen unter Abkehr von der französischen Sicherheitspolitik einen Nichtangriffspakt mit der UdSSR und 1934 den auf zehn Jahre angelegten DeutschPolnischen Nichtangriffspakt. Beide Abkommen sollten Polens Grenzen garantieren; der deutsch-polnische Pakt sollte zudem als Grundlage für Polens Aufstieg zur Führungsmacht in Ostmitteleuropa an der Seite des nationalsozialistischen Deutschen Reiches dienen. 1938 beteiligte sich Polen an der Zerschlagung der Tschechoslowakei durch das Münchner Abkommen - Polen erhielt das nordmährische Olsa-Gebiet - und geriet dadurch noch weiter in Distanz zu seinen früheren Verbündeten. Im März 1939 forderte Hitler die Lösung der Danzigfrage, d. h. die Angliederung der Freien Stadt an das Deutsche Reich und die Errichtung von exterritorialen Verkehrswegen durch den Korridor; Polen lehnte ab und wandte sich wieder von Deutschland ab und dem Westen zu: Am 31. März 1939 gab Großbritannien eine Garantieerklärung für den Fall eines deutschen Angriffs auf Polen ab, der sich Frankreich mit einer Bekräftigung der bestehenden Allianz anschloss. Am 28. April 1939 kündigte Hitler den Deutsch-Polnischen Nichtangriffspakt; am 23. August 1939 schloss er den Hitler-Stalin-Pakt mit der Sowjetunion, in dem in einer geheimen Zusatzklausel u. a. die neuerliche Liquidierung des polnischen Staates und seine Aufteilung zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion beschlossen wurde. Zwei Tage später schloss Großbritannien mit Polen einen Beistandspakt. Am 1. September 1939 überfiel das Deutsche Reich Polen und löste so den 2. Weltkrieg aus. 7.7 2. Weltkrieg Bis Mitte September hatten die deutschen Truppen in einem ,,Blitzkrieg" den größten Teil West- und Mittelpolens überrannt; am 17. September griff die sowjetische Rote Armee von Osten her an; am 6. Oktober 1939 kapitulierten die letzten polnischen Verbände. Bereits am 28. September hatten sich die Sowjetunion und das Deutsche Reich in einem Grenz- und Freundschaftsvertrag auf eine Demarkationslinie geeinigt, entlang derer sie Polen nun untereinander aufteilten. Der sowjetisch besetzte Osten Polens wurde in die Ukrainische und die Weißrussische Sowjetrepublik eingegliedert; die Polen, gut ein Viertel der vor allem aus Weißrussen und Ukrainern bestehenden Bevölkerung des annektierten Gebiets, wurden rigide entnationalisiert; etwa eine Million Polen, vor allem die Intelligenz, wurde 1940/41 nach Sibirien deportiert, die polnischen Kriegsgefangenen wurden zum großen Teil getötet, u. a. in Katyn. Der Westen Polens, in etwa Westpreußen und Posen, wurde am 8. Oktober 1939 dem Deutschen Reich direkt eingegliedert; das restliche Zentralpolen wurde am 26. Oktober 1939 in das deutsche Generalgouvernement Polen unter dem Generalgouverneur Hans Frank umgewandelt. Sowohl in den dem Reich eingegliederten Gebieten wie auch im Generalgouvernement wurde die polnische Bevölkerung - auch hier zunächst vor allem die Intelligenz - einer rigiden Germanisierungspolitik und brutalen Repressalien unterworfen; sie wurde enteignet, deportiert, zu Zwangsarbeit abgezogen und gezielt ermordet: Bis Kriegsende kamen in Polen über sechs Millionen Menschen ums Leben, darunter etwa drei Millionen Juden. Die größten der nationalsozialistischen Vernichtungslager - Auschwitz, Treblinka, Majdanek - befanden sich im Generalgouvernement. Am 30. September 1939 bildete sich in Paris eine polnische Exilregierung unter General W? adys?aw Sikorski mit einer eigenen Exilarmee, die von den Alliierten als Bundesgenosse akzeptiert wurde. 1940 wich die Exilregierung vor dem deutschen Einmarsch in Frankreich nach London aus. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, in dessen Anfangsphase auch der sowjetische Teil Polens von den Deutschen besetzt wurde, schloss die Exilregierung am 30. Juli 1941 ein Bündnis mit der Sowjetunion, in dessen Rahmen sie der Sowjetunion u. a. eine Armee zur Verfügung stellte, die sich aus polnischen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion rekrutierte. Im April 1943 brach Stalin die Beziehungen zur und damit jegliche Zusammenarbeit mit der polnischen Exilregierung ab, nachdem die Exilregierung von der Sowjetunion nachdrücklich Aufklärung über die bei Katyn entdeckten Massengräber polnischer Offiziere verlangt hatte. Die Sowjetunion unterstützte nun nur noch kommunistischen Widerstandskräfte in Polen. Der Bruch zwischen der Exilregierung und der Sowjetunion wurde besiegelt durch die Weigerung der Exilregierung, die Curzon-Linie als künftige Ostgrenze anzuerkennen und einer Westverschiebung Polens zuzustimmen, wie es die Alliierten auf der Konferenz von Teheran schon Ende 1943 für die europäische Nachkriegsordnung in Erwägung gezogen hatten. Gegen die nationalsozialistische Besatzungsmacht und ihren Terror bildeten sich schon bald Widerstandsorganisationen, so etwa die Armia Krajowa (AK, ,,Armee in der Heimat" in Abgrenzung zur Exilarmee), die mit der Exilregierung kooperierte und auf mehrere Hunderttausend Mann anwuchs, und die kommunistische ,,Volksarmee". Im April/Mai 1943 erhoben sich die Juden des Warschauer Ghettos in einem bewaffneten Aufstand ( siehe Warschauer Ghettoaufstand) gegen die deutschen Besatzer, um den Abtransport der Juden in die Vernichtungslager aufzuhalten; der Aufstand wurde niedergeschlagen, nahezu die gesamte Bevölkerung des Ghettos wurde vernichtet. Im Juli 1944 überschritt die Rote Armee den Bug Richtung Westen und drängte die Deutschen nach und nach zurück. Am 22. Juli 1944 konstituierte sich das kommunistisch orientierte Lubliner Komitee und übernahm mit sowjetischer Billigung und Unterstützung die Verwaltung in den von der Roten Armee befreiten polnischen Gebieten. Am 1. August 1944 erhob sich auf Initiative der Exilregierung die AK im noch deutsch besetzten Warschau ( siehe Warschauer Aufstand); ihr Ziel war es, den Führungsanspruch der Exilregierung zu verteidigen und ein Gegengewicht zum Lubliner Komitee zu bilden. Weder die westlichen Alliierten noch die Rote Armee griffen zugunsten der AK ein; der Aufstand wurde von der Wehrmacht niedergeschlagen, Zehntausende Polen wurden ermordet bzw. deportiert, Warschau wurde fast völlig zerstört. 7.7.1 Befreiung und territoriale Neuordnung Bis März 1945 hatte die Rote Armee ganz Polen befreit; hier sowie auch in den deutschen Gebieten östlich von Oder und Neiße und in Danzig übernahm die ,,Provisorische Regierung", vormals das Lubliner Komitee, die Regierungsgewalt. Schon auf der Konferenz von Teheran, konkretisiert auf der Jalta-Konferenz im Februar 1945, hatten sich die Alliierten auf in etwa die Curzon-Linie als Ostgrenze Polens und die territoriale Entschädigung Polens im Westen und Norden, d. h. mit deutschem Gebiet, geeinigt. Die Exilregierung lehnte dies weiterhin ab, was zu erheblichen Spannungen mit der Provisorischen Regierung sowie den Alliierten führte, die der Exilregierung schließlich die Anerkennung entzogen. Erst nach heftigen Auseinandersetzungen kam im Juni die von den Alliierten geforderte ,,Regierung der Nationalen Einheit" aus Mitgliedern der Provisorischen Regierung und Bürgerlichen sowie Exilpolitikern zustande; im August 1945 unterstellten die Alliierten gemäß dem Potsdamer Abkommen formal die ehemals deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie - Schlesien, Teile Brandenburgs, Pommern, das südliche Ostpreußen - sowie Danzig der neuen Regierung, jedoch zunächst nur vorläufig, bis zum Abschluss eines Friedensvertrages. Am 16. August 1945 einigten sich Polen und die Sowjetunion in einem Vertrag im Wesentlichen auf die Curzon-Linie als neue gemeinsame Grenze. Die neuen Grenzen hatten immense Bevölkerungsbewegungen zur Folge: Aus den nun sowjetischen Gebieten siedelten fast vier Millionen Polen in das neue polnische Staatsgebiet über bzw. wurden repatriiert; etwa eine halbe Million Ukrainer und Weißrussen verließen Polen Richtung Osten. Aus den ehemals deutschen Gebieten flohen bis 1950 etwa zwölf Millionen Deutsche nach Westen bzw. wurden vertrieben (siehe Vertreibung). 7.8 Die Volksdemokratie Polen In der neuen polnischen Regierung war die kommunistische Arbeiterpartei (PPR) unter W?adys? aw Gomu? ka die führende Kraft; die PPR dominierte auch den ,,Demokratischen Block", zu dem alle Parteien mit Ausnahme der oppositionellen Polnischen Bauernpartei (PSL) zusammengefasst wurden. Bei den Parlamentswahlen am 19. Januar 1947 gewann der Demokratische Block - dank schwerer Manipulationen - 394 der insgesamt 444 Sitze im Sejm. Staatspräsident wurde Boles? aw Bierut von der PPR, Ministerpräsident Józef Cyrankiewicz, Vorsitzender der Sozialistischen Partei (PPS). Am 19. Februar 1947 trat die ,,Kleine Verfassung" in Kraft, und in der Folgezeit wurde Polen systematisch zur Volksdemokratie umgestaltet. Oppositionelle und missliebige Politiker wurden verfolgt, so auch die als ,,Rechtsabweichler" apostrophierten Nationalkommunisten innerhalb der PPR, u. a. Gomu?ka, der 1948/49 aus allen Partei- und Regierungsämtern entfernt und schließlich inhaftiert wurde. Im Dezember 1948 wurden PPR und PPS zwangsweise zur Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (polnische Abkürzung PZPR) unter Boles? aw Bierut fusioniert, die nun die Führung in Partei und Staat übernahm. Auch die Verfolgung der katholischen Kirche (über 90 Prozent der Polen gehörten der katholischen Kirche an), die sich zu einem Sammelbecken oppositioneller Kräfte entwickelte, wurde intensiviert; zahlreiche Geistliche wurden verhaftet, u. a. auch der Primas von Polen, Kardinal Wyszy? ski. Trotz der enorm hohen materiellen Schäden aus dem 2. Weltkrieg lehnte Polen auf Betreiben der Sowjetunion die Marschallplanhilfe ab, begab sich stattdessen auch wirtschaftlich in enge Abhängigkeit von der Sowjetunion und führte die zentrale Planwirtschaft ein. 1945 waren bereits Industriebetriebe und Banken verstaatlicht und eine Bodenreform vorgenommen worden; 1949 wurden auch die Landwirtschaft und kleine Gewerbebetriebe zwangskollektiviert. Zugleich setzte ein forcierter Aufbau der Industrie, vor allem der Schwerindustrie, ein. Am 22. Juli 1952 trat eine neue Verfassung in Kraft, die Polen formal zur Volksdemokratie erklärte und die führende Rolle der PZPR in Staat und Gesellschaft festschrieb. Die polnische Außenpolitik war seit Kriegsende auf die enge Einbindung des Landes in den Ostblock ausgerichtet. Schon im April 1945 hatte die Provisorische Regierung einen Freundschafts- und Beistandspakt mit der Sowjetunion abgeschlossen; 1949 war Polen Gründungsmitglied des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) und 1955 des Warschauer Paktes. Dazu kamen zahlreiche weitere Abkommen und Verträge mit der UdSSR und den anderen Ostblockstaaten. Im Görlitzer Abkommen vom 6. Juli 1950 erkannte die DDR die Oder-Neiße-Linie als ,,unantastbare Friedens- und Freundschaftsgrenze" zwischen der DDR und Polen an. 7.9 Liberalisierung und Reformen unter Gomu?ka Nach dem Beginn der offenen Entstalinisierung auf dem XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 und dem Tod des Ersten Sekretärs der PZPR, Boles? aw Bierut, im März 1956 setzte auch in Polen eine vorsichtige Liberalisierung ein. Dennoch mehrten sich vor allem in Intellektuellen- und Arbeiterkreisen die Unzufriedenheit bzw. der Protest gegen die katastrophale Versorgungslage und die überall spürbare sowjetische Dominanz. Der Protest artikulierte sich im Juni 1956 in Posen in einem Generalstreik und einer Massendemonstration, der weitere Demonstrationen im ganzen Land folgten. Der Posener Aufstand wurde zwar blutig niedergeschlagen; die PZPR hatte aber durch die Protestbewegung erheblich an Autorität verloren. Dies sowie die gärende Stimmung in Ungarn ( siehe Ungarischer Volksaufstand) veranlassten die sowjetische Führung im so genannten ,,Polnischen Oktober", der Rückberufung des hoch angesehenen Gomu?ka an die Spitze der PZPR zuzustimmen und Polen einen eigenen Weg zum Sozialismus zuzugestehen. Bis zu seinem Rücktritt 1970 prägte Gomu? ka als Generalsekretär der PZPR maßgeblich den politischen Kurs Polens. Er leitete eine Reihe Reformen ein: In der Landwirtschaft wurde die Zwangskollektivierung durch die Wiedereinführung der Privatwirtschaft ersetzt; die industrielle Produktion wurde stärker auf Konsumgüter ausgerichtet; das gesamte Planungssystem wurde reorganisiert; die Kirchen- und die Kulturpolitik wurden liberalisiert; sowjetische Berater wurden entlassen, die Stationierung sowjetischer Truppen in Polen wurde begrenzt. Bei den Sejm-Wahlen 1957 durften auch wieder parteilose Kandidaten antreten. Schon in den frühen sechziger Jahren schränkte Gomu?ka die kulturellen und kirchlichen Freiheiten wieder ein, schlug innenpolitisch einen repressiveren Kurs ein und provozierte damit erneut Unzufriedenheit, die zusätzlich Nahrung durch die nach wie vor schlechte Versorgungslage erhielt. Die Unzufriedenheit entlud sich im März 1968 in Studentenunruhen, die an der Warschauer Universität begannen und rasch auf die Universitäten Posen, Lublin und Krakau übergriffen. Die Studenten klagten vor allem liberale Reformen ein - ähnlich denen, die zur selben Zeit die reformkommunistische Führung im Nachbarland Tschechoslowakei während des Prager Frühlings einzuleiten begann. Auch diese Studentenunruhen konnten - mit sowjetischer Rückendeckung - unterdrückt werden; die reformorientierten Kräfte innerhalb der Partei wurden ausgeschaltet, unbequeme Intellektuelle, darunter zahlreiche Juden, wurden von ihren Posten entfernt bzw. in die Emigration getrieben. Im August 1968 beteiligte sich Polen im Rahmen des Warschauer Paktes mit einem großen Truppenkontingent an der Niederschlagung des Prager Frühlings. Im Dezember 1970 brachen infolge von Preiserhöhungen u. a. für Grundnahrungsmittel vor allem in den Industriezentren an der Küste erneut Streiks und Aufstände aus, diesmal vor allem von der Arbeiterschaft getragen. Auch diese Unruhen wurden niedergeschlagen; in der Folge aber musste Gomu?ka als Erster Sekretär der PZPR zurücktreten. 7.9.1 Entspannungsorientierte Außenpolitik Im Zuge der allgemeinen Liberalisierung zu Beginn der Ära Gomu?ka legte Außenminister Adam Rapacki im Oktober 1957 einen Plan zur Schaffung einer atomwaffenfreien Zone in Polen und den beiden deutschen Staaten vor, den so genannten Rapacki-Plan, dessen Ziel der Abbau der Spannungen in Mitteleuropa und die Überwindung des Kalten Krieges war. Der Plan wurde vom Westen zwar abgelehnt, aber immerhin als ein erstes Signal des Entspannungswillens gewertet. Die Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland gestalteten sich lange Jahre äußerst problematisch; Gründe waren u. a. die Weigerung der Bundesrepublik, die OderNeiße-Linie als endgültige polnische Westgrenze anzuerkennen, die Hallsteindoktrin, die es der Bundesrepublik nicht erlaubte, zu Polen diplomatische Beziehungen aufzunehmen, sowie die Forderungen und Ansprüche der deutschen Vertriebenen gegenüber dem polnischen Staat. Ernsthafte Gespräche zwischen der Bundesrepublik und Polen kamen erst 1969 zustande, nachdem Gomu?ka die Offenhaltung der Grenzfrage zugesagt und in der Bundesrepublik die sozialliberale Koalition unter Willy Brandt die Regierung übernommen hatte. Nach langwierigen Verhandlungen wurde am 7. Dezember 1970 in Warschau der Deutsch-Polnische Vertrag unterzeichnet, in dem die Bundesrepublik u. a. auf alle Gebietsansprüche gegenüber Polen verzichtete und die Oder-Neiße-Linie als deutsch-polnische Grenze anerkannte. In der Bundesrepublik stieß der Vertrag auf erheblichen Widerstand; erst nach heftigen Auseinandersetzungen wurde er im Mai 1972 vom Bundestag ratifiziert. Anschließend nahmen die Bundesrepublik und Polen volle diplomatische Beziehungen auf. 7.10 Die Ära Gierek Nach Gomu?kas Rücktritt im Dezember 1970 wurde Edward Gierek Erster Sekretär der PZPR. Ihm gelang es relativ rasch, die wirtschaftliche und politische Lage im Land wieder zu stabilisieren: Die Preise wurden auf ihren alten Stand gesenkt; mit sowjetischer Wirtschaftshilfe und Anleihen im Westen konnten die Wirtschaft angekurbelt und die Konsumbedürfnisse der Bevölkerung - zumindest deutlich besser als zuvor - zufrieden gestellt werden; zahlreiche Ämter in Partei, Staat und Wirtschaft wurden neu besetzt; Kirchen- und Kulturpolitik wurden erneut liberalisiert. Das ,,polnische Wirtschaftswunder" wurde allerdings zum Preis einer rapide steigenden Auslandsverschuldung erkauft, die schließlich die Regierung doch zu drastischen Preiserhöhungen zwang. Die Unzufriedenheit mit der Versorgungslage, mit der zunehmenden Diskrepanz zwischen Preis und Angebot, artikulierte sich immer wieder in Demonstrationen und Streiks. Einen ersten Höhepunkt erreichte die Streikbewegung im Juni 1978. Sie wurde zwar niedergeschlagen, aber infolge der brutalen Unterdrückung der Streiks organisierte sich die Arbeiterschaft - vorerst noch in der Illegalität - nun fester und umfassender. Die Wahl des Krakauer Kardinals Karol Wojty?a zum Papst Johannes Paul II. im Oktober 1978 gab der Arbeiterbewegung weiteren Auftrieb. Nach einer neuerlichen Preissteigerung im Frühsommer 1980 kam es im Juli/August in ganz Polen mit Schwerpunkt in Danzig und Warschau zu Massenstreiks. Die Regierung sah sich nun, um die Streiks zu beenden und die Situation wieder zu beruhigen, zu weit reichenden Zugeständnissen an die Streikenden gezwungen: Sie musste u. a. die Gründung unabhängiger Gewerkschaften zulassen, das Streikrecht garantieren, die Zensur lockern und politisch Verfolgte rehabilitieren. Im September 1980 wurde offiziell der unabhängige Gewerkschaftsverband Solidarno?? unter der Führung von Lech Wa??sa gegründet. Infolge der Streikbewegung und der Niederlage der Regierung gegen die Streikenden musste im September 1980 Gierek als Erster Sekretär zurücktreten; sein Nachfolger wurde Stanis? aw Kania. Im Februar 1981 wurde General Wojciech Jaruzelski Ministerpräsident, im Oktober übernahm er auch das Amt des Ersten Sekretärs der PZPR. 7.10.1 Der Aufstieg der Solidarno?? Trotz der politischen Zugeständnisse der Regierung an die Arbeiterschaft konsolidierte sich die Lage in Polen nicht. Die Wirtschafts- und Versorgungskrise dauerte an, der konservative Flügel der PZPR blockierte notwendige Reformen, die Sowjetunion übte zunehmend Druck auf die polnische Führung aus, die Solidarno??, die innerhalb kurzer Zeit auf zehn Millionen Mitglieder angewachsen war, verzettelte sich einerseits selbst in Flügelkämpfen und die Diskussion um ihre Rolle im Staat, initiierte auf der anderen Seite auch immer wieder Streiks. In dieser Situation verhängte Jaruzelski im Dezember 1981 das Kriegsrecht - angeblich, um eine Invasion sowjetischer Truppen zu verhindern - und berief einen ,,Militärrat der Nationalen Rettung" ein, der über Militärkommissare Wirtschaft und Verwaltung kontrollierte und ,,normalisierte". Die Gewerkschaften wurden wieder verboten, zahlreiche Aktivisten, darunter Wa??sa, verhaftet, das Streikrecht wurde suspendiert. Im Dezember 1982 wurde das Kriegsrecht wieder ausgesetzt und im Juli 1983 ganz aufgehoben, die meisten der Inhaftierten wurden wieder freigelassen, das Gewerkschafts- und das Streikverbot blieben jedoch bestehen. Die Solidarno?? wirkte im Untergrund weiter; ihre Akzeptanz in der Bevölkerung war nach wie vor sehr hoch. Außerdem wurde sie durch die katholische Kirche unterstützt, die nicht zuletzt durch Besuche des Papstes in Polen 1983 und 1987 erheblich gestärkt worden war. Die Regierung lockerte nach und nach ihren Griff, entwarf zur Überwindung der wirtschaftlichen Probleme auch ein umfangreiches Reformprogramm, das allerdings 1987 in einem Referendum abgelehnt wurde. Angesichts der weiterhin brisanten Versorgungslage und vor dem Hintergrund der Reformpolitik Michail Gorbatschows in der Sowjetunion kam es im April/Mai 1988 wieder zu großen Streiks; Schwerpunkt war diesmal neben der Werftindustrie an der Küste der Bergbau in Oberschlesien. Partei und Regierung sahen sich erneut zu durchgreifendem Handeln gezwungen: Im September 1988 wurde Mieczys?aw Rakowski Ministerpräsident (Jaruzelski war schon 1985 in das Amt des Staatsratsvorsitzenden gewechselt; sein Nachfolger als Ministerpräsident war Z. Messner), und im Dezember 1988 wurde das Politbüro der PZPR zugunsten reformorientierter Kräfte umbesetzt. Im Februar 1989 nahm die Regierung Rakowski am ,,runden Tisch" Gespräche mit der Opposition auf, u. a. mit Vertretern der noch immer verbotenen Solidarno??. Die Gespräche mündeten im April in dem ,,Neuen Gesellschaftsvertrag", in dem sich beide Seiten auf die Demokratisierung und Öffnung Polens festlegten; des Weiteren wurde die Solidarno?? wieder zugelassen und eine zweite Parlamentskammer, der frei gewählte Senat, eingerichtet. Bei den Parlamentswahlen am 4. Juni 1989 errang das Bürgerkomitee Solidarno?? einen großen Sieg: Im Sejm gewann es alle 161 Sitze (von insgesamt 460), die der Opposition eingeräumt worden waren, und im Senat 99 der 100 Sitze. Im Juli wurde Jaruzelski zum Staatspräsidenten gewählt, und im August 1989 konnte das Bügerkomitee Solidarno?? seinen Kandidaten Tadeusz Mazowiecki als Ministerpräsidenten im Sejm durchsetzen. Mazowiecki bildete eine Koalitionsregierung, in der die Kommunisten zwar in der Minderheit waren, aber wichtige Positionen wie das Innen- und das Verteidigungsministerium besetzten. Im Dezember 1989 wurden einige Verfassungsrevisionen verabschiedet, durch die u. a. der Staat wieder in Republik Polen umbenannt wurde. 7.11 Die demokratische Republik Polen Mazowiecki, der erste nicht kommunistische Regierungschef Polens seit 1945, sicherte den raschen Übergang zur Demokratie ab und leitete einen behutsamen Übergang zu marktwirtschaftlichen Strukturen ein. Im Januar 1990 löste sich die PZPR auf; Teile von ihr formierten sich als Sozialdemokratie der Republik Polen (SDRP) unter der Führung Rakowskis neu, und Jaruzelski erklärte sich bereit, vorzeitig vom Amt des Staatspräsidenten zurückzutreten. Im November 1990 schloss Polen mit der wiedervereinigten Bundesrepublik Deutschland den Deutsch-Polnischen Grenzvertrag, in dem die Oder-Neiße-Linie endgültig als deutsch-polnische Grenze anerkannt wurde; im Juni 1991 schlossen beide Staaten zudem einen Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit. Aus den ersten freien Präsidentenwahlen seit 1945 ging im Dezember 1990 Lech Wa??sa mit knapp drei Viertel der Stimmen als Sieger hervor. Mazowiecki, der ebenfalls kandidiert hatte, trat als Ministerpräsident zurück. Seit die Solidarno?? die Regierungsverantwortung übernommen hatte, hatte sie sich über der Frage, wie der Wirtschaftskrise wirksam zu begegnen sei, in mehrere konkurrierende Parteiungen gespalten und auch erheblich an Ansehen verloren; so hatten sich u. a. auch Wa??sa und Mazowiecki politisch auseinanderentwickelt. Mazowiecki wurde 1991 Vorsitzender der Demokratischen Union (UD), eines Sammelbeckens der Reformer. Die zunehmenden politischen Differenzen zwischen den verschiedenen Solidarno??-Richtungen manifestierten sich bald auch in heftigen Auseinandersetzungen zwischen Staatspräsident Wa??sa und dem Sejm. Neuer Ministerpräsident war seit Januar 1991 der liberaldemokratische Wirtschaftsfachmann Krysztof Bielecki, der die von Mazowiecki eingeleiteten Reformen unvermindert fortsetzte. Die Zersplitterung der Solidarno?? trug auch mit dazu bei, dass im Oktober 1991 bei den ersten freien Parlamentswahlen seit dem 2. Weltkrieg 29 Parteien in den Sejm gewählt wurden. Stärkste Fraktion wurde mit 13,4 Prozent die UD Mazowieckis; die noch unter dem Namen Solidarno?? firmierende Gruppierung kam auf etwa 5 Prozent. Die Regierungsbildung gestaltete sich ausgesprochen schwierig; die bis zu den vorgezogenen Neuwahlen im September 1993 amtierenden Minderheitsregierungen waren kurzlebig und, was die Überwindung der Wirtschaftskrise anbelangte, wenig erfolgreich. Außenpolitisch orientierte sich Polen in Hinblick auf eine volle Integration in die europäischen Organisationen und Bündnisse vorwiegend nach Westen; die Aufnahme Polens in die Europäische Union (EU) und die NATO galt allen polnischen Regierungen und Präsidenten als oberstes außenpolitisches Ziel. 1991 wurde Polen Vollmitglied des Europarates und schloss ein Assoziierungsabkommen mit der EU, das zum 1. Februar 1994 in Kraft trat. Ebenfalls 1994 stellte Polen offiziell den Antrag auf Aufnahme in die EU und wurde in das NATO-Programm Partnerschaft für den Frieden aufgenommen mit der Option auf eine Vollmitgliedschaft in der NATO. Daneben forcierte Polen auch die Beziehungen zu den anderen Staaten Ostmitteleuropas: 1991 einigten sich Polen, die Tschechoslowakei und Ungarn als die sogenannten Visegrád-Staaten auf eine enge politische, wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit, und 1992 beschlossen sie die Bildung einer Mitteleuropäischen Freihandelszone (CEFTA). Schließlich bemühte sich Polen auch um die Aufrechterhaltung bzw. Neugestaltung gutnachbarschaftlicher Beziehungen zu den anderen ehemaligen Ostblockstaaten, insbesondere zu Russland. Dank einer Fünfprozentklausel (bzw. 8 Prozent für Parteienbündnisse) waren in dem im September 1993 gewählten Sejm nur noch acht Parteien vertreten. Stärkste Fraktion war das Bündnis der Demokratischen Linken (SLD), dem u. a. die PZPR-Nachfolgepartei SDRP angehörte, mit 171 der insgesamt 460 Sitze, gefolgt von der Bauernpartei (PSL) mit 132 Sitzen und der UD mit 74 Sitzen. Die Solidarno?? war im neuen Sejm nicht mehr vertreten. Die SLD bildete eine Koalition mit der PSL, die die volle vierjährige Legislaturperiode Bestand hatte, allerdings mit wechselndem Personal. Erster Regierungschef der SLD/PSL-Koalition war Waldemar Pawlak (PSL). Seine Regierung setzte den marktwirtschaftlich orientierten Kurs ihrer Vorgängerin fort, jedoch mit einigen Korrekturen. Erheblich erschwert wurde die Arbeit der Regierung Pawlak durch den Konfrontationskurs Präsident Wa??sas gegen Regierung und Sejm, der Ende 1994 schließlich eine Staatskrise heraufbeschwor. Folge der Krise war im März 1995 die Ablösung Pawlaks (durch ein Misstrauensvotum) und die Wahl Józef Oleksys (SLD) zum neuen Ministerpräsidenten. Die Spannungen zwischen Regierung, die im Übrigen fast zur Hälfte aus parteilosen Ministern bestand, und Präsident hielten an. Bei den Präsidentenwahlen im November 1995 unterlag Amtsinhaber Wa??sa in der Stichwahl knapp dem Kandidaten des Linksbündnisses, Aleksander Kwa?niewski. Im Dezember 1995 beschuldigte der scheidende Präsident Wa??sa Ministerpräsident Oleksy, früher für den sowjetischen Geheimdienst gearbeitet zu haben. Die Vorwürfe bestätigten sich am Ende zwar nicht, Oleksy trat dennoch zurück. Neuer Ministerpräsident wurde im Februar 1996 Wlodzimierz Cimoszewicz (SLD). Im August 1996 wurde das Konkursverfahren gegen die traditionsreiche Danziger Werft, deren Arbeiterschaft bei den Streiks von 1980 eine wesentliche Rolle gespielt und hier die Gewerkschaft Solidarno?? gegründet hatte, eröffnet; im März 1997 wurde sie geschlossen - begleitet von schweren Tumulten und Demonstrationen in Danzig und Warschau, wo vorübergehend auch drei Ministerien besetzt wurden. Die Solidarno?? wertete die Schließung der Werft als politischen Akt, nicht als ökonomisch notwendigen Schritt. Im März 1997 verabschiedeten beide Kammern des polnischen Parlaments mit großer Mehrheit eine neue Verfassung, und im Mai stimmte die Bevölkerung mit allerdings nur knapper Mehrheit in einer Volksabstimmung für die neue Verfassung, die dann im August 1997 in Kraft trat und die provisorische, noch auf der kommunistischen Verfassung basierende ,,Kleine Verfassung" von 1992 ablöste. Hauptmerkmale der neuen Verfassung sind die Schwächung der Stellung des Präsidenten zugunsten von Parlament und Regierung sowie die Festlegung des Staates auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft. Aus den Parlamentswahlen im September 1997 ging die von der Gewerkschaft Solidarno?? getragene, oppositionelle Wahlaktion Solidarno?? (AWS), ein 1996 gegründetes Bündnis aus etwa drei Dutzend Gruppierungen der politischen Rechten, mit 201 Mandaten als stärkste Kraft hervor, gefolgt von SLD mit 164 Sitzen und Freiheitsunion (UW, 1994 aus der Fusion von UD und dem Liberal-Demokratischen Kongress hervorgegangen) mit 60 Sitzen. Die PSL war auf 27 Mandate abgerutscht. Nach langwierigen Koalitionsverhandlungen brachte die AWS eine Koalition mit der liberalen UW zustande, und am 31. Oktober 1997 wurde die neue Mitte-rechts-Regierung mit Jerzy Buzek als Ministerpräsidenten vereidigt. Während sich die wirtschaftliche Lage u. a. infolge der zügig vorangetriebenen Privatisierungen nach und nach stabilisierte und Polen eine für osteuropäische Verhältnisse relativ hohe Wachstumsrate verzeichnen konnte, schritt auch die Westintegration des Landes voran: Das so genannte Weimarer Dreieck, eine seit 1991 bestehende informelle Zusammenarbeit zwischen Polen, der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich, wurde weiter vertieft, so z. B. im Februar 1997 durch ein trilaterales Militärabkommen; im Juli 1997 begannen die offiziellen Verhandlungen über einen NATO-Beitritt Polens und im April 1998 die Verhandlungen über den Beitritt Polens zur EU. Am 12. März 1999 wurde Polen in einer ersten Runde der Osterweiterung zusammen mit der Tschechischen Republik und Ungarn in die NATO aufgenommen. Bei den Präsidentschaftswahlen vom 8. Oktober 2000 setzte sich Amtsinhaber Aleksander Kwa?niewski bereits im ersten Anlauf mit absoluter Mehrheit gegen elf Konkurrenten durch. Aus den Parlamentswahlen vom 23. September 2001 ging das von Leszek Miller geführte oppositionelle Linksbündnis aus dem Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) und der Union der Arbeit (UP) als klarer Sieger hervor. Mit 216 Mandaten im Sejm verfehlte es jedoch die absolute Mehrheit um 15 Mandate. Miller formierte deshalb eine Koalition aus SLD, UP und Bauernpartei (PSL), die über insgesamt 258 von 460 Parlamentssitzen verfügte. Verlierer der Wahl waren die beiden bisherigen Regierungsparteien AWS und UW - beide verfehlten den Wiedereinzug ins Parlament. Am 19. Oktober 2001 trat die neue Mitte-links-Regierung unter Ministerpräsident Leszek Miller ihr Amt an. Am 1. März 2003 entließ Miller nach wochenlangen Auseinandersetzungen innerhalb des Regierungsbündnisses, u. a. wegen Subventionen für die Landwirtschaft und einer Straßenmaut, die Bauernpartei aus der Koalition. SLD und UP einigten sich auf eine Fortsetzung ihrer Arbeit als Minderheitsregierung. In der Folgezeit nahm die Zustimmung der Bevölkerung für die Regierung Miller rapide ab; Grund waren u. a. die wenig erfolgreiche Wirtschaftspolitik sowie geplante Sozialreformen, die vor allem zu Lasten der sozial Schwachen gehen sollten. Zudem war Millers Minderheitsregierung bei vielen Entscheidungen auf Zustimmung aus dem bürgerlichen Lager angewiesen und musste entsprechende Zugeständnisse in ihr Regierungsprogramm aufnehmen. Im Dezember 2002 hatte der Europäische Rat Polen (sowie weiteren neun ost- und südeuropäischen Staaten) die Aufnahme in die EU zum 1. Mai 2004 zugesagt. Auf dem Treffen des Europäischen Rates im Dezember 2003, an dem neben den EU-Mitgliedern auch die Beitrittsländer teilnahmen, hatte Polen bzw. Miller wesentlichen Anteil daran, dass die künftige Verfassung der EU nicht wie geplant verabschiedet werden konnte: Miller lehnte die in dem Verfassungsentwurf für den Rat der EU vorgesehene Stimmengewichtung ab, da sie eine Verschlechterung der polnischen Position gegenüber dem Vertrag von Nizza bedeutete. Im Irak-Krieg unterstützte Polen nachdrücklicher als alle anderen mittel- und osteuropäischen Staaten die USA, was einige EU-Staaten wie etwa Frankreich mit Missfallen aufnahmen. Während des Krieges entsandte Polen eine etwa 200 Mann starke Truppe, die jedoch nicht ins Kriegsgeschehen eingriff, sondern Ölförderanlagen im Persischen Golf sicherte. Nach dem Krieg übernahm Polen die Führung der in der mittleren Zone des Irak stationierten, etwa 9 000 Mann starken internationalen Sicherheitstruppen. Die polnische Bevölkerung lehnte das Engagement im Irak mehr und mehr ab, und nur noch eine Minderheit befürwortete es und die damit verbundene größere Rolle in der Weltpolitik. Und auch innerhalb der Regierung wurde ab dem Frühjahr 2004 zunehmend darüber diskutiert, ob man die polnischen Soldaten aus dem Irak abziehen oder dort belassen sollte. Unterdessen sank das Ansehen der Regierung Miller im eigenen Land kontinuierlich weiter und erreichte schließlich einstellige Zustimmungswerte. Grund war die oftmals rigide Spar- und Reformpolitik, die Miller im Hinblick auf den EU-Beitritt Polens durchzusetzen suchte, die aber gerade zu Lasten der klassischen Anhängerschaft der SLD ging. Im März 2004 trat Miller angesichts mangelnder Zustimmung zu seiner Person und auf Druck aus der eigenen Partei als Vorsitzender der SLD zurück; sein Nachfolger wurde Krzysztof Janik, ein enger Vertrauter Millers. Aber die Basis bröckelte weiter ab: Ende März verließ Parlamentspräsident Marek Borowski zusammen mit zwei Dutzend Abgeordneten die SLD und gründete eine eigene Partei, die sozialdemokratische SDPL. Unmittelbar darauf kündigte Miller für den 2. Mai 2004, den Tag nach dem EU-Beitritt Polens, seinen Rücktritt an. Am 1. Mai 2004 wurde Polen formell Mitglied der EU. Am Tag darauf trat Miller wie angekündigt zurück; als sein Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten wurde auf Vorschlag von Staatspräsident Kwa?niewski der parteilose ehemalige Finanzminister Marek Belka vereidigt. Allerdings verweigerte das Parlament am 14. Mai 2004 Belka und seinem Kabinett, das im Wesentlichen dem alten glich, in der von der Verfassung vorgeschriebenen Vertrauensabstimmung die Zustimmung; Belka reichte seinen Rücktritt ein, führte die Amtsgeschäfte jedoch bis zur Bildung einer neuen Regierung weiter. Die von der Verfassung nun gebotene Möglichkeit, binnen zwei Wochen aus den eigenen Reihen einen Ministerpräsidenten zu ernennen, ließ das Parlament ungenutzt - zu unterschiedlich waren die Interessen der im Parlament vertretenen Parteien. Stattdessen nominierte Kwa?niewski erneut Belka für das Amt des Ministerpräsidenten. Bei der zweiten Vertrauensabstimmung über seine Regierung erhielt Belka am 24. Juni 2004 die notwendige einfache Mehrheit der Stimmen - neben der SLD hatte u. a. die neue SDPL für ihn gestimmt - und konnte nun vorerst relativ unangefochten regieren. Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament am 13. Juni 2004 - den ersten in Polen - musste das Regierungsbündnis aus SLD und UP ein herbe Niederlage hinnehmen: Es kam auf nur gut 9 Prozent und fünf der insgesamt 54 polnischen Parlamentssitze. Stärkste Kraft wurde die liberal-konservative und gemäßigt EU-freundliche Bürgerplattform (PO) mit 23,5 Prozent bzw. 14 Mandaten. Es folgten drei EU-kritische bis EU-feindliche Parteien, die zusammen immerhin 24 Sitze gewannen. Die Wahlbeteiligung von 20 Prozent war die zweitniedrigste von allen 25 EU-Staaten. Die Parlamentswahlen in Polen am 25. September 2005 bestätigten den Trend zur Mitte und den Parteien rechts davon und führten einen neuerlichen Regierungswechsel herbei. Das regierende Linksbündnis SLD büßte fast drei Viertel seiner Mandate ein und wurde mit 11,3 Prozent der Stimmen und 55 Mandaten nur noch viertstärkste Partei; Wahlsieger wurde die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unter Jaros? aw Kaczy? ski mit 27 Prozent der Stimmen und 155 der insgesamt 460 Mandate (bisher verfügte sie über 44 Sitze). Zweitstärkste Partei wurde mit 24,2 Prozent und 133 Mandaten die liberal-konservative PO (bisher 65 Mandate); bereits ein halbes Jahr vor den Wahlen hatte die PiS angekündigt, mit ihr eine Koalition eingehen zu wollen. Die übrigen ins Parlament gewählten Parteien gehörten ebenfalls dem Mitte-rechtsLager an: die populistische Partei Samoobrona (56 Mandate), die katholisch-nationalistische Familienpartei LPR (34 Mandate) und die PSL (25 Mandate). Bei den gleichzeitig abgehaltenen Wahlen zum Senat gewann die PiS 48 der 100 Sitze, die PO 35. Kurz nach den Wahlen erklärte der PiS-Vorsitzende Jaros?aw Kaczy?ski seinen Verzicht auf das Amt des Ministerpräsidenten zugunsten des Finanzexperten Kazimierz Marcinkiewicz, da sein Zwillingsbruder, der Warschauer Bürgermeister Lech Kaczy? ski, mit guten Aussichten bei den Präsidentschaftswahlen am 9. Oktober 2005 kandidierte, eine potentielle Kaczy? ski-Doppelspitze im Staat jedoch Lechs Wahlchancen zu mindern drohte. War Lech Kaczy? ski aus der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen noch als zweiter hinter dem PO-Kandidaten Donald Tusk hervorgegangen, so konnte er sich in der Stichwahl am 23. Oktober 2005 klar gegen Tusk durchsetzen. Mit den Wahlsiegen der Kaczy?ski-Brüder hatten sich die Nationalkonservativen an der Staatsspitze etabliert, und sie bauten ihre Position noch aus, als sie entgegen der Vereinbarung mit dem potentiellen Koalitionspartner PO nicht einen PO-Vertreter, sondern mit Marek Jurek ein PiS-Mitglied auch auf den Posten des Parlamentspräsidenten brachten. In der Konsequenz brach die PO die Koalitionsverhandlungen ab, woraufhin Marcinkiewicz eine PiS-Minderheitsregierung bildete, die am 31. Oktober 2005 vereidigt und wenig später vom Parlament bestätigt wurde. Erst sechs Monate später brachte die PiS doch noch eine Koalition zustande, die sich auf eine Mehrheit im Parlament stützen konnte, und zwar mit den beiden rechten, nationalistischen und EU-feindlichen Parteien Samoobrona und LPR, die sich bis dahin heftige Auseinandersetzungen sowohl untereinander als zum Teil auch mit der PiS geliefert hatten; ihre Vorsitzenden Andrzej Lepper und Roman Giertych wurden Agrar- bzw. Bildungsminister und stellvertretende Ministerpräsidenten. Durch die Aufnahme dieser zwei Parteien rückte die Regierung im politischen Spektrum ein Stück weiter nach rechts, was auch in der PiS nicht durchgängig begrüßt wurde. Diese Tendenz verstärkte sich, als im Juli 2006 der vergleichsweise liberale und europafreundliche Ministerpräsident Marcinkiewicz zurücktrat - offensichtlich auf Druck der Kaczy? ski-Brüder - und Jaros?aw Kaczy?ski entgegen seinen früheren Zusagen nun doch das Amt des Ministerpräsidenten übernahm. Damit lag die Staatsführung jetzt auch formell in den Händen der Zwillingsbrüder. Die Regierung Kaczy? ski war außenpolitisch geprägt von einem wenig EU-freundlichen Kurs, der sich u. a. in einseitigen Forderungen in Bezug auf den EUVerfassungsvertrag manifestierte und den EU-Gipfel unter deutschem Vorsitz im Juni 2007, auf dem es in erster Linie um die Reform des Vertrages ging, fast hätte scheitern lassen; zudem ließ die polnische EU-Politik eine gegen Deutschland gerichtete Haltung erkennen. Die Innenpolitik, die sich der ,,nationalen Rückbesinnung" verschrieben hatte und durch eine sehr konservative Tendenz auszeichnete, war überschattet von nahezu ständigen Auseinandersetzungen zwischen den Koalitionspartnern. Diese Konflikte resultierten im Herbst 2006 in einem vorübergehenden Austritt der Samoobrona aus der Regierung und mündeten im August 2007 im endgültigen Bruch der Koalition, nachdem offensichtlich von der PiS initiierte Bespitzelungs- und vermeintliche Korruptionsaffären das Klima innerhalb der Regierung vollends vergiftet hatten. Vor dem Hintergrund der instabilen Verhältnisse - Jaros?aw Kaczy? ski führte nun eine PiS-Minderheitsregierung - beschloss das Parlament im September seine Auflösung. Aus den Neuwahlen zum Parlament ging die PO unter Tusk überraschend deutlich als Siegerin hervor: Sie verbesserte sich um mehr als 17 Prozentpunkte auf 41,5 Prozent der Stimmen (209 Mandate). Zwar gewann auch die PiS der Kaczy?skis hinzu, wurde aber mit 32,1 Prozent der Stimmen (166 Mandate) nur zweitstärkste Kraft; ihre bisherigen Koalitionspartner LPR und Samoobrona scheiterten an der Fünfprozentklausel. Das im Vorjahr gegründete und von Kwa?niewski geführte sozialdemokratische Parteienbündnis Linke und Demokraten (LiD) zog mit 53 Abgeordneten ins Parlament ein und die Bauernpartei PSL mit 31. Ministerpräsident wurde Tusk an der Spitze einer Mitte-rechts-Koalition der PO mit der konservativen PSL. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.