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Rudolf Eucken: Einführung in die Geschichte der Philosophie Anthologie.

Publié le 17/06/2013

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Rudolf Eucken: Einführung in die Geschichte der Philosophie Anthologie. Der deutsche Philosoph Rudolf Eucken wurde 1908 als zweiter Deutscher nach dem Historiker Theodor Mommsen 1902 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Das Nobelkomitee sprach Eucken, zu seiner Zeit ein bekannter Denker, welcher der neoidealistischen Schule zugerechnet wird, den Preis zu ,,auf Grund des ernsten Suchens nach Wahrheit, der durchdringenden Gedankenkraft und des Weitblicks, der Wärme und Kraft der Darstellung, womit er in zahlreichen Arbeiten eine ideale Weltanschauung vertreten und entwickelt hat". Das ausgewählte Textbeispiel zitiert einen Ausschnitt aus dem Kapitel Nikolaus Cusanus als Bahnbrecher neuer Ideen aus seinem 1906 veröffentlichten Buch Einführung in die Geschichte der Philosophie. Rudolf Eucken: Einführung in die Geschichte der Philosophie 1. Nikolaus von Cues als Bahnbrecher neuer Ideen. Nulla est res vacua seu vana in fundamento naturae. Nic. Kein Forscher der Übergangszeit hat neuerdings mehr Beachtung gefunden als Nikolaus von Cues, manche tüchtige Arbeiten wurden ihm gewidmet, immer bereitwilliger ward ihm der Ehrenplatz am Eingang der neueren Philosophie zuerkannt. Trotzdem bleibt auch jetzt noch manches für ihn zu tun übrig. Nicht nur fehlt noch immer ein Gesamtbild, das den Anforderungen der gegenwärtigen Forschung entspräche, auch die deutliche Abgrenzung des ihm Eigentümlichen, dessen, was seine geschichtliche Größe bildet, macht noch immer viel Mühe. Und das ist nicht verwunderlich. Denn so, wie Nikolaus seine Gedanken unmittelbar ausbreitet, bringt er ein scheinbar wirres Durcheinander von Verschiedenartigem und Verschiedenwertigem; zugleich versteigt sich der Gedanke oft in schwindelnde Höhen, auf denen alle Erinnerung an die anschauliche Wirklichkeit erlischt; endlich kann auch der Freund der Sache nicht leugnen, daß die Dunkelheit der Darstellung nicht selten das Verständnis erschwert, ihre barbarische Form den Geschmack beleidigt. Aber wenn inmitten dessen, was flüchtig angesehen ein wüstes Chaos dünken mag, sich wirklich eine neue Denkart bemerklich machte, ja wenn hier auf wissenschaftlichem Boden zuerst das moderne Weltbewußtsein hervorbräche, so hätte ein Versuch, die Gesamtheit des Neuen deutlich herauszuheben und aus Neuem und Altem ein treues Gesamtbild des Forschers zu gewinnen, ein gutes Recht. Aber nicht so weit geht unser Unternehmen. Wir möchten nur einige der Gedanken bezeichnen, deren weitere Entfaltung das Geistesleben mächtig bewegt, ja verwandelt hat. Wir wissen, daß das Zusammentreffen verschiedenartiger Welten bei Nikolaus solche Gedanken nicht ohne mannigfache Hemmung und Abschwächung auftreten läßt, und daß sie mehr Anregungen als fertige Leistungen bedeuten. Aber wenn solche Anregungen lebendige Kräfte, wirksame Faktoren des Ganzen waren, und wenn sie nach Befreiung von den hier noch einengenden Schranken später tief in das allgemeine Leben eingedrungen sind, so läßt sich ein Verweilen bei solchen modernen Zügen, eine Zusammenfassung solcher Züge, bei allem Bewußtsein, daß sie einen bloßen Teil des Ganzen bedeuten, wohl rechtfertigen. Wir beginnen dabei von den Grundlinien des Gesamtbildes, um uns dann der näheren Beschaffenheit des Alls, dem menschlichen Lebenskreise, und endlich der Geschichte und Natur zuzuwenden. Wie Nikolaus seiner durchgehenden Art nach niemandem näher steht als den Neuplatonikern, so setzt er mit ihnen alle Realität letzthin in ein jenseitiges Eins und versteht er die Welt lediglich als seine Offenbarung und Darstellung. ,,Was ist die Welt anders als die Erscheinung des unsichtbaren Gottes, Gott anders als die Unsichtbarkeit des Sichtbaren?" ,,Alle Dinge sind Erscheinungen des einen Gottes, der bei seiner Einheit doch nur in der Vielheit erscheinen kann." Diesen Grundgedanken verfolgt der Philosoph nach zwiefacher Richtung, auf die Gefahr hin sich in ernste Schwierigkeiten zu verwickeln. Die Welt entspringt einer wirklichen Tat Gottes und darf mit ihrer Vielheit nicht zum Schein, etwa zu einer bloßmenschlichen Ansicht des göttlichen Wesens, herabgesetzt werden; andererseits kommt alles Sein in ihr auf Gott zurück, so daß sie sich nicht von ihm losreißen und ihm entgegenstellen läßt. ,,Gott ist das absolute Wesen der Welt", die Wesenheit der Dinge selbst. Das Verhältnis von Gott und Welt, von Einheit und Vielheit sucht Nikolaus dem Verständnis näher zu bringen durch die Begriffe der Einwicklung und Auswicklung (complicatio und explicatio). Was die göttliche Einheit kompliziert enthält, das zeigt die Welt expliziert; es ist dasselbe Sein, was dort in seinem wesenhaften Grunde, hier in seinem Heraustreten vorliegt. Indem Gott sich zur Welt entwickelt, geht er freilich nicht in sie auf, vielmehr beharrt das Leben des Dreieinigen in überweltlicher Erhabenheit, aber deswegen stehen Einheit und Vielheit nicht äußerlich und wie geschlossene Größen nebeneinander, sondern es findet zwischen ihnen eine stete lebendige Bewegung statt. Die Einheit ist, wie im göttlichen Wesen, so auch in der Weltoffenbarung nicht ein starrer Grund, sondern eine tätige Kraft: in fortdauerndem Wirken schafft und erhält sie sich; dadurch, daß sie etwas sich gleichsetzt, erzeugt sie die Vielheit. Schöpfung und Weltprozeß sind nichts anderes als ein stetes Identifizieren der Ureinheit. Aber auch jedes Einzelwesen enthält den Trieb, alles dem eigenen Sein gleich zu machen; daraus eben entspringt Bewegung und Kampf, Werden und Untergang der Wesen. Daß solches Wirken unmittelbar in die Welt selber verlegt wird, daß die Dinge selbst leben und streben, das verrät den Geist einer neuen Zeit. Durchgängig versteht Nikolaus das Sein als etwas Lebendigtätiges. Nicht nur wird es überall als Kraft (vis, virtus), Gott als die unendliche Kraft, der Geist als die Kraft des Begreifens gefaßt, sondern aller Kraft wird auch ein ursprünglicher Trieb zur Betätigung beigelegt. Aus solchen Überzeugungen mußte sich das Wirken von Gott zur Welt erheblich umgestalten, wenn auch bei Nikolaus der mittelalterlich-kirchliche Dualismus die Ausbreitung der pantheistischen Strömung hemmte. Rudolf Eucken: Beiträge zur Einführung in die Geschichte der Philosophie. Leipzig 1906, S. 2ff. 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