Devoir de Philosophie

Türkei - geographie.

Publié le 06/06/2013

Extrait du document

Türkei - geographie. 1 EINLEITUNG Türkei, amtlich Republik Türkei (türkisch Türkiye Cumhuriyeti); Republik in Vorderasien und Südosteuropa. Das Staatsgebiet grenzt im Nordwesten an Bulgarien und Griechenland, im Norden an das Schwarze Meer, im Nordosten an Georgien und Armenien, im Osten an den Iran, im Süden an den Irak, an Syrien und an das Mittelmeer sowie im Westen an das Ägäische Meer. Die Hauptstadt der Türkei ist Ankara. Die moderne Republik Türkei ging aus dem Osmanischen Reich hervor und wurde 1923 nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches in der Folge des 1. Weltkrieges von Mustafa Kemal Atatürk gegründet. 2 LAND Der überwiegende Teil der Türkei erstreckt sich auf asiatischem Gebiet zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer. Der türkische Teil von Thrakien bildet den europäischen Anteil des Landes und umfasst rund drei Prozent der Gesamtfläche. Die Meerengen Dardanellen und Bosporus sowie das zwischen ihnen liegende Marmarameer trennen den europäischen Teil der Türkei vom asiatischen. Innerhalb der Grenzen der Türkei liegen mehrere seismische Zonen; dadurch kommt es im Land häufig zu Erdbeben. Die Gesamtfläche des Landes umfasst 779 452 Quadratkilometer. 2.1 Physische Geographie Die Türkei kann in sieben Landschaftsräume untergliedert werden: Thrakien und die an das Marmarameer angrenzenden Gebiete, die Regionen am Ägäischen Meer und am Mittelmeer, das Gebiet am Schwarzen Meer, Westanatolien, das inneranatolische Hochland, das Gebirgsland im Osten des Landes und Südostanatolien. Thrakien und die Gebiete am Marmarameer werden im Landesinneren von einem flachwelligen Hügelland eingenommen. Es ist fruchtbar und wird von zahlreichen Wasserläufen durchzogen. Trotzdem wird nur etwa ein Viertel der Region als Ackerland genutzt. Im Ostteil dieses Gebiets erhebt sich der Uluda? (in der Antike Mysischer oder Bithyrischer Olymp) bis 2 543 Meter. Von den schmalen und hügeligen Küstengebieten am Ägäischen Meer und am Mittelmeer wird nur rund ein Fünftel als Ackerland bewirtschaftet. Im Osten davon, in der Ebene Çukurova, liegt das größte Baumwollanbaugebiet der Türkei. Diese Region ist mit dem Landesinneren durch die Kilikische Pforte (Külek Bo? az? ) im Taurus verbunden. Die anatolische Küstenregion ist überwiegend schmal; sie erhebt sich direkt von der Schwarzmeerküste zum Pontischen Gebirge. Auf Grund der steilen Berghänge werden nur etwa 16 Prozent des Gebiets ackerbaulich genutzt. Westanatolien besteht aus unregelmäßig verlaufenden Bergzügen und tiefen Taleinschnitten, die die stark gegliederte ägäische Küste vom Hochland Inneranatoliens trennen; nur knapp ein Fünftel des Landes ist hier für den Ackerbau geeignet. Das inneranatolische Hochland mit der Hauptstadt Ankara liegt durchschnittlich um 1 000 Meter hoch und ist die geographisch größte Region der Türkei. Das Hochland ist vollständig von Gebirgen umschlossen. Höchster Gipfel des inneranatolischen Hochlandes ist der Erciyes Da?? mit 3 916 Metern. Im Hochgebirgsland im Osten der Türkei vereinigen sich die östlichen Ausläufer von Pontischem Gebirge und Taurus. Dieses ostanatolische Hochland ist die unzugänglichste Gegend der Türkei. Hier liegt der Berg Ararat (A?r ? Da??), an dem nach der Bibel die Arche Noah landete, und der mit 5 165 Metern der höchste Berg der Türkei ist. In diesem Gebiet entspringen auch die beiden Flüsse Tigris (Dicle) und Euphrat (F?rat). Der Südosten Anatoliens wird von einem flachwelligen Plateau eingenommen, das im Norden, Osten und Westen von Bergen umgeben ist. Diese Gegend ist Teil des Fruchtbaren Halbmondes und seit der Antike von großer Bedeutung für die Landwirtschaft. 2.2 Flüsse und Seen Wegen der großen Höhenunterschiede im Land sind in fast allen Flüssen der Türkei Stromschnellen ausgebildet. Deshalb sind nur wenige Flüsse in Teilabschnitten schiffbar. Aufgrund der jahreszeitlich wechselnden Regenmengen sind einige Flüsse starken Schwankungen des Wasserstandes unterworfen. Eine Reihe von Fließgewässern führt während des trockenen Sommers kein Wasser. Einige Flüsse haben jedoch Bedeutung für die Erzeugung elektrischer Energie durch Wasserkraft oder liefern das Wasser für Bewässerungsanlagen. Der K?z? l?rmak ist mit einer Länge von 1 150 Kilometern der längste Fluss innerhalb der Landesgrenzen und mündet in das Schwarze Meer. Der Büyük Menderes entwässert Westanatolien in die Ägäis. Euphrat und Tigris entspringen in der Osttürkei und münden nach Durchqueren von Syrien und dem Irak in den Persischen Golf. Der Euphrat wird durch den 1990 fertig gestellten Atatürk-Staudamm (169 Meter Höhe, 1,6 Kilometer Breite) aufgestaut. Damit wird sein Wasserfluss um bis zu 90 Prozent reduziert, was Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem hat. Der Vansee im Osten des Landes ist der größte See der Türkei. Er ist - wie auch der Tuz Gölü (Großer Salzsee) - ein Salzsee. Die Süßwasserseen Bey?ehir, E?ridir Gölu und Burdur Gölu liegen alle im Südwesten des Landes. 2.3 Klima Wegen der großen Ausdehnung und der stark gegliederten Oberfläche hat die Türkei Anteil an verschiedenen Klimazonen. An den Küsten des Mittelmeeres und der Ägäis herrscht mediterranes Klima mit langen, heißen Sommern und milden, feuchten Wintern. In Istanbul liegt die mittlere Januartemperatur bei 5 °C, die mittlere Julitemperatur bei 22 °C. Der mittlere Jahresniederschlag beträgt 720 Millimeter. An der Mittelmeerküste und an der Küste der Ägäis fällt knapp die Hälfte des jährlichen Niederschlags in den Monaten Dezember und Januar. Das Klima im inneranatolischen Hochland hat kontinentalen Charakter mit großen Temperaturunterschieden im Jahresverlauf. Die Sommer sind heißer, die Winter wesentlich kälter als an der Küste. In Ankara beträgt die mittlere Januartemperatur bei 0 °C, die mittlere Julitemperatur bei 24 °C. Das inneranatolische Hochland liegt im Lee der Randgebirge. Der mittlere Jahresniederschlag beträgt deshalb nur rund 370 Millimeter und ist somit wesentlich geringer als in den küstennahen Regionen. Im Hochland sind die Niederschläge relativ gleichmäßig über das Jahr verteilt. In der Schwarzmeerregion ist das Klima mild, die Niederschlagshöhen können beträchtliche Werte erreichen. Die Jahresmenge nimmt von Westen (um 800 Millimeter) nach Osten (bis 2 000 Millimeter) zu. Im östlichen Hochland sind die Winter kalt und mitunter schneereich. Die höchsten Sommertemperaturen der Türkei herrschen in Südostanatolien; im Juli und August liegen sie im Schnitt über 30 °C. 2.4 Flora und Fauna Der Flächen- und Gebietsschutz der Türkei erstreckt sich über etwa 3,9 Prozent (2007) des Landes und umfasst 21 Nationalparks, 36 Wälder, zahlreiche Naturschutzgebiete, wovon zwei zum Weltnaturerbe erklärt worden sind, und mehrere besonders geschützte Gebiete. Das Land beheimatet 2 400 endemische Pflanzenarten. Thrakien und Westanatolien zeichnen sich durch einen hohen Anteil an mediterraner Vegetation aus; die Flora setzt sich vor allem aus Hartlaubgehölzen und niedrigen, immergrünen Sträuchern (Macchie) zusammen. In den küstennahen Gebieten sind Ölbäume verbreitet. Die Randgebirge sind weitflächig mit Wald bedeckt. Im Taurus herrschen Schwarzkiefern, Tannen, Zedern, Eichen und Wacholder vor, im Pontischen Gebirge sind Buchen- und Eichenmischwälder sowie Wacholderwälder heimisch. In Inneranatolien dominiert eine karge Steppenvegetation mit Gräsern und Kräutern. Zur Säugetierfauna gehören die Großraubtiere Braunbär, Wolf, Luchs, Goldschakal und Streifenhyäne; weitere Raubtiere sind Wildkatze, Rotfuchs, Steinmarder, Dachs, Mauswiesel, Tigeriltis und Fischotter. Die Paarhuferfauna ist durch Wildschwein, Reh, Rothirsch und Bezoarziege repräsentiert. Greifvögel sind u. a. mit zahlreichen Adlerarten (See-, Stein-, Kaiser-, Schell-, Schrei-, Zwerg- und Schlangenadler) sowie Geiern (Bart-, Mönchs-, Gänse- und Schmutzgeier) vertreten. Bemerkenswerte Großvögel feuchter Gebiete sind Reiher (Nacht-, Kuh-, Rallen-, Seiden-, Silber-, Purpur- und Graureiher), Rosa- und Krauskopfpelikan, Rosaflamingo, Löffler, Sichler, Weißund Schwarzstorch. In den Bergflüssen gibt es viele Forellen. In den Küstengewässern leben Meeresschildkröten, Meerbrassen, Makrelen, Thunfische und Steinbutt, im Schwarzen Meer werden Anchovis gefangen. 3 BEVÖLKERUNG Die Türkei hat etwa 71,9 Millionen Einwohner (2008); dies entspricht einer Bevölkerungsdichte von 93 Einwohnern je Quadratkilometer. Die am dichtesten besiedelten Gebiete sind der Großraum Istanbul und die Küstenregionen. Die mittlere Lebenserwartung der Bevölkerung liegt bei 73,1 Jahren (2008). Die jährliche Bevölkerungszunahme beträgt rund 1,01 Prozent im Jahr (2008). Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung sind Türken. Darüber hinaus leben etwa 20 Prozent Kurden sowie Angehörige zahlreicher kleinerer Gruppen wie Araber, Griechen, Armenier und Tscherkessen in der Türkei. Die Angehörigen dieser ethnischen Gruppen haben ihre kulturelle Identität größtenteils bewahrt. Das Gebiet der heutigen Türkei war die Heimat ethnisch und kulturell unterschiedlicher Volksgruppen, angefangen von den Hethitern, Phrygern und Assyrern bis zu den Griechen, Persern, Römern und Arabern (siehe Kleinasien). Die nomadischen Vorfahren der heutigen Türken kamen im 11. Jahrhundert n. Chr. aus Zentralasien, eroberten arabische Gebiete und das Byzantinische Reich und setzten sich als Herrscher ein. Sie verbreiteten bei der ansässigen Bevölkerung die türkische Sprache und Kultur, die auch zum Instrument der Verbreitung des Islam in einer vom Christentum geprägten Region werden sollten. 3.1 Wichtige Städte 67 Prozent der Einwohner leben in Städten (2005), während es 1945 nur 25 Prozent waren. Die während der letzten Jahrzehnte verstärkt stattfindende Abwanderung aus ländlichen Regionen in die großen Städte zog weit reichende soziale Konsequenzen nach sich. Die größten Städte des Landes sind Istanbul mit 11,2 Millionen Einwohnern (2007), die Hauptstadt Ankara (3,43 Millionen), Izmir (2,41 Millionen), Antalya (662 000) und Diyarbak? r (605 000). 3.2 Sprache Die Amtssprache der Türkei ist das Türkische, das zu den Turksprachen zählt und als Muttersprache oder Zweitsprache von etwa 90 Prozent der Bevölkerung gesprochen wird. Türkisch wird seit 1928 in lateinischer Schrift geschrieben (vorher in arabischer Schrift). Die Kurden, die etwa 20 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, sprechen Kurdisch, eine der iranischen Sprachen. Weitere Minderheitensprachen sind Arabisch, Tscherkessisch, Armenisch und Georgisch. 3.3 Religion Seit 1928 ist der Islam nicht mehr die offizielle Staatsreligion der Türkei. Trotzdem bekennen sich 99 Prozent der Bevölkerung zum Islam; sie sind in der Mehrzahl Sunniten, daneben gibt es auch eine starke alewitische Glaubensgemeinschaft. Rund 0,1 Prozent der Einwohner gehören dem Christentum an. Die jüdische Gemeinde umfasst etwa 20 000 Mitglieder. 3.3.1 Feiertage Die islamischen Feiertage richten sich nach dem Mondkalender und liegen von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Zu ihnen gehört das drei Tage dauernde Ramazan Bayram? am Ende des Fastenmonats Ramazan (Ramadan). Das vier Tage dauernde islamische Fest Kurban Bayram? (,,Opferfest") ehrt die Bereitschaft Abrahams, auf Befehl Allahs seinen einzigen Sohn Isaac zu opfern. Zu dieser Zeit findet auch die Wallfahrt nach Mekka statt. Die weltlichen Feiertage der Türkei orientieren sich am gregorianischen Kalender. Zu ihnen gehören der Neujahrstag (1. Januar), der Tag der Nationalen Souveränität (23. April, gleichzeitig Tag des Kindes), der Atatürk-Gedenktag und Tag der Jugend (19. Mai), der Tag des Sieges (30. August) und der Tag der Republik (29. Oktober). In manchen Gebieten ist auch der Tag vor dem Tag der Republik ein Feiertag. Der Tag der Nationalen Souveränität erinnert an die Eröffnung der Großen Nationalversammlung (Bezeichnung des Parlaments) am 23. April 1923. 3.4 Soziales Die medizinische Versorgung der sozial schwächeren Bevölkerungsteile wird in der Türkei staatlich finanziert. In ländlichen Gegenden sind medizinische Einrichtungen und medizinisch ausgebildete Fachkräfte knapp. Insgesamt gesehen liegt die Versorgung mit Fachpersonal und Medikamenten weit unter dem europäischen Durchschnitt: 2006 kamen auf einen Arzt 641 Einwohner. Die Arbeitslosenquote beträgt 10,3 Prozent (2005). 4 BILDUNG UND KULTUR Das von Atatürk eingeführte und von seinen Nachfolgern ausgebaute moderne Schulsystem ist an europäischen Vorbildern orientiert. 4.1 Bildung und Schulwesen In der Zeit der Gründung der Republik waren über 90 Prozent der Bevölkerung Analphabeten. Atatürk leitete ein umfassendes Bildungsprogramm ein, und in der ersten Verfassung wurde eine allgemeine Schulpflicht für die Grundschule und der gebührenfreie Besuch aller staatlichen Schulen verankert. Es besteht allgemeine Schulpflicht für die Dauer von 9 Jahren (2002-2003). Durch die systematische Förderung des Bildungswesens konnte der Alphabetisierungsgrad auf 87,6 Prozent angehoben werden (2005). In einigen ländlichen Gebieten ist die Ausstattung mit Bildungseinrichtungen noch gering. Der Zugang zu den Universitäten der Türkei ist einem strengen Auswahlverfahren unterworfen. Zu den wichtigsten Hochschuleinrichtungen gehören die Universität Istanbul (1453 gegründet), die Universität der Ägäis (1955) in Izmir, die Universität Ankara (1946) und die Technische Universität des Nahen Ostens (1956) in Ankara. 4.2 Kultureinrichtungen Zu den staatlich geleiteten kulturellen Institutionen der Türkei gehören die beiden Opernhäuser in Istanbul und Ankara, die Kunstakademie in Istanbul, drei Musikkonservatorien sowie eine Volkstanztruppe. In Istanbul, Edirne, Bursa und in anderen Städten gibt es christliche Kirchen, die zu Moscheen umgebaut wurden, sowie von dem berühmten türkischen Architekten Sinan erbaute Moscheen. Der Sultanspalast Topkap? Saray? ist heute ein Museum, das die kaiserlichen Schätze und die Reliquien des Propheten Mohammed beherbergt. Das Museum für anatolische Zivilisation in Ankara verfügt u. a. über Exponate aus der Zeit der Hethiter und Phryger. Zu den größten Bibliotheken der Türkei gehören die Nationalbibliothek in Ankara und die Bayazit-Staatsbibliothek in Istanbul. 4.3 Kunst In der Türkei fand ein allmählicher Übergang von den islamischen Kunsttraditionen des Osmanischen Reiches ( siehe islamische Kunst und Architektur) zu einer an westlichen Vorbildern orientierten Kunst statt. Inzwischen suchen immer mehr Künstler neuerlich nach Ausdrucksformen einer spezifisch türkischen Kunst. Die älteste türkische Poesie lebt in der Volksdichtung der Kirgisen fort; ihr Heldenepos Manas wurde mündlich überliefert. Die ersten mystischen Dichtungen stammen von Yunus Emre und anderen Schriftstellern des 14. Jahrhunderts und führten zur Hof- und Gelehrtendichtung oder Diwan-Dichtung. Volkstümlichere Dichtkunst wurde von Minstrels gesungen; diese Tradition hat noch heute Bestand. Kemal Tahir zählt ebenso zu den bedeutendsten modernen Romanautoren der Türkei wie Ya?ar Kemal; zu seinen Werken gehören Ince Memed (1955, Memed, mein Falke), der preisgekrönte Roman eines modernen Robin Hood, der dem Autor zu seinem internationalen Ruf verhalf, Teneke (1955, Anatolischer Reis) und Bin Bo?alar Efsanesi (1971, Das Lied der Tausend Stiere), eine Geschichte, die Mythos und realen Untergang eines Nomadenstammes verbindet. Auch im Ausland bekannt ist Naz? m Hikmet, ein Marxist, der seine Gedichte in derbem umgangssprachlichem Türkisch schrieb und freie Verse in die türkische Literatur einführte. 4.4 Medien In der Türkei gibt es rund 330 Tageszeitungen, von denen die meisten nur eine geringe Auflagenhöhe erreichen. Die einflussreichsten Blätter sind Cumhuriyet, Sabah, Hürriyet, Milliyet und Türkiye; sie werden alle in Istanbul verlegt. Zudem erscheinen viele Wochen- und Monatszeitschriften. Die Regierung betreibt vier nationale Radiosender und fünf Fernsehsender; außerdem sind mehrere private und staatliche Fernsehstationen in Betrieb. 5 VERWALTUNG UND POLITIK Der Versuch vonseiten der Alliierten und Griechenlands, das Land nach dem 1. Weltkrieg aufzuteilen, führte zum türkischen Unabhängigkeitskrieg unter der Führung von Mustafa Kemal Atatürk. Am 29. Oktober 1923 wurde die türkische Republik ausgerufen. Es folgte eine Reihe von Modernisierungsmaßnahmen, darunter im Jahr 1924 die Abschaffung der religiösen Gerichte; 1934 erhielten die Frauen das Wahlrecht, seit Oktober 2001 garantiert die Verfassung die Gleichberechtigung der Frau in der Ehe, und seit Mai 2004 ist die Gleichstellung von Mann und Frau generell in der Verfassung festgeschrieben. Das Mehrparteiensystem wurde 1946 eingeführt, als die neu gegründete Demokratische Partei durch eine Koalition mit der Republikanischen Volkspartei 62 Parlamentssitze gewann. 1950 errang die Demokratische Partei einen Wahlsieg. Zunehmende Spannungen zwischen den Parteien beschworen eine Staatskrise herauf, die zu einem Militärputsch führte; die Junta führte daraufhin die Staatsgeschäfte von 1960 bis 1961. Im Jahr 1961 wurde eine neue Verfassung angenommen. Bei den darauf folgenden allgemeinen Wahlen gab es keine klaren Mehrheitsverhältnisse, und verschiedene Parteien stellten eine Reihe von Koalitionsregierungen auf. Nach einer Zeit wirtschaftlicher Unsicherheit und politischer Terrorakte in den siebziger Jahren verhängte eine zweite Militärjunta 1980 das Kriegsrecht und löste alle politischen Parteien auf. 1982 wurde in einem Referendum eine neue Verfassung angenommen, die seither mehrmals geändert wurde; 1983 wurde wieder eine Zivilregierung eingesetzt. Nationalfeiertag ist der 29. Oktober, der ,,Tag der Republik", der an die Ausrufung der Republik im Jahr 1923 erinnert. 5.1 Legislative Nach der Verfassung von 1982 ist die Große Nationalversammlung (Einkammerparlament) das gesetzgebende Organ. Sie besteht aus 550 Mitgliedern, die in direkter Wahl auf fünf Jahre gewählt werden. Wahlberechtigt sind alle Staatsbürger, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. 5.2 Exekutive Regierungschef ist der Ministerpräsident, der die Mehrheitspartei bzw. die Mehrheitskoalition repräsentiert. Staatsoberhaupt ist der vom Parlament für eine Amtszeit von sieben Jahren gewählte Präsident. Er ernennt den Ministerpräsidenten und auf dessen Vorschlag die Minister. Eine Wiederwahl des Präsidenten ist nicht möglich. 5.3 Judikative Das türkische Rechtswesen wurde 1923 nach italienischem (Strafrecht) und nach schweizerischem Vorbild (Privatrecht) gestaltet. Nach der Verfassung von 1982 entscheidet das Verfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit der vom Parlament verabschiedeten Gesetze. Das Kassationsgericht ist die letzte Berufungsinstanz. Daneben gibt es eine große Zahl nachgeordneter Zivil- und Militärgerichtshöfe. 5.4 Kommunalverwaltung Die Türkei ist in 79 Provinzen (?l) untergliedert, an deren Spitze ein Gouverneur (Vali) als Regierungsvertreter steht. Die Provinzen sind in Bezirke (?lçe) und Gemeinden (Bucak) unterteilt. Den Bezirken kommt nur geringe politische Bedeutung zu. Die Gemeinden können Gemeindesteuern erheben und verfügen über weitere Vollmachten auf lokaler Ebene. 5.5 Politische Parteien Nach dem Staatsstreich von 1980 wurden sämtliche politischen Parteien aufgelöst, zahlreiche Politiker und Parteiführer wurden für zehn Jahre von der Übernahme politischer Ämter ausgeschlossen. 1983 wurde wieder eine zivile Regierung eingesetzt. Aus den Parlamentswahlen von 1999 gingen als wichtigste politische Parteien hervor: die Demokratische Partei der Linken (DSP; Demokratik Sol Partisi), die Partei der nationalen Bewegung (MHP; Milliyetçi Hareket Partisi), die Tugendpartei (FP; Fazilet Partisi) als Nachfolgepartei der 1998 verbotenen islamistischen Wohlfahrtspartei (RP; Refah Partisi), die Mutterlandspartei (ANAP; Anavatan Partisi), die Partei des Rechten Weges (DYP; Do?ru Yol Partisi). Die ehemals starke sozialdemokratische Republikanische Volkspartei (CHP; Cumhuriyet Halk Partisi) war im Parlament nicht mehr vertreten. Die Partya Karkeren Kurdistan (PKK; Arbeiterpartei Kurdistans) ist verboten und spielt folglich im Parlament keine Rolle. Im Juni 2001 verbot das türkische Verfassungsgericht auch die Tugendpartei als gegen den säkularen Charakter des Staates gerichtet; Politiker dieser Partei gründeten wenige Wochen später die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP). Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen vom 3. November 2002 schafften aufgrund der Zehnprozentklausel nur zwei Parteien den Einzug ins Parlament: die AKP und die CHP. 5.6 Verteidigung Die Streitkräfte der Türkei setzen sich aus insgesamt 514 850 Soldaten zusammen (2004). Circa 30 000 Mann sind in der Republik Nordzypern, dem von der Türkei kontrollierten Teil Zyperns, stationiert. Der Grundwehrdienst hat eine Dauer von 18 Monaten und ist für alle türkischen Männer Pflicht. Die Türkei ist Mitglied der Vereinten Nationen (UN) und des Nordatlantischen Verteidigungspaktes (NATO). Sie ist auch ein assoziierter Staat der Europäischen Union. 6 WIRTSCHAFT Die schnelle Industrialisierung und das Wirtschaftswachstum der achtziger Jahre basierten auf der gezielten Förderung der Wirtschaft durch staatliche Investitionen. Neben Erfolgen bei den Beschäftigungs- und Produktionszahlen verzeichnete die Türkei jedoch auch eine hohe Staatsverschuldung und eine hohe Inflationsrate. Das Wirtschaftswachstum, das zu einem Konjunkturaufschwung unter Präsident Turgut Özal führte, kam in den späten achtziger Jahren zum Erliegen. Die Regierung der Ministerpräsidentin Tansu Çiller versuchte mit Hilfe eines Kredits vom Internationalen Währungsfonds (IWF) das hohe Staatsdefizit nach Jahren der Budgetüberziehung zu reduzieren. Die Preise stiegen zwischen 1994 und 1995 um rund 150 Prozent an, während die durchschnittlichen Lohnerhöhungen um etwa 30 Prozent hinter dieser Entwicklung zurückblieben. 2006 betrug das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 402 710 Millionen US-Dollar (Dienstleistungen 63,5 Prozent, Industrie 26,8 Prozent, Landwirtschaft 9,7 Prozent), woraus sich ein BIP pro Kopf von 5 518,50 US-Dollar ergibt. 30 Prozent aller Erwerbstätigen arbeiteten 2005 in Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, 46 Prozent im Dienstleistungsgewerbe und 25 Prozent in der Industrie. Über eine Million türkischer Staatsbürger arbeiten im Ausland, insbesondere in Deutschland und Saudi-Arabien. Der bedeutendste Gewerkschaftsdachverband ist der Bund türkischer Gewerkschaften mit über 1,9 Millionen Mitgliedern. Innerhalb der Türkei besteht hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung ein markantes West-Ost-Gefälle zwischen dem industriell geprägten Westteil und dem mehr auf Landwirtschaft ausgerichteten Ostteil. Außenwirtschaftlich sucht die Türkei eine engere Einbindung in die Europäische Union und strebt nach stärkerer Einflussnahme im zentralasiatischen und im kaukasischen Wirtschaftsraum. 6.1 Wirtschaftskrise 2000/2001 Eine hohe Auslandsverschuldung (rund 115 Milliarden US-Dollar) und ein enormes Staatsdefizit belasteten gegen Ende des 20. Jahrhunderts die Wirtschaft des Landes. Die Regierung unter Ministerpräsident Bülent Ecevit verabschiedete daher ein Reformprogramm, um der türkischen Wirtschaft zur Stabilität zu verhelfen. So sollte beispielsweise die Privatisierung der zahlreichen Staatsbetriebe beschleunigt und die Korruption entschlossener bekämpft werden. Trotz einiger Anfangserfolge (die Inflationsrate sank z. B. unter die 50-Prozent-Marke) geriet das Programm jedoch in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 ins Stocken. Als äußerst brisant erwies sich das marode Bankensystem der Türkei, auf dem ein immenser Schuldenberg lastete. Im Zuge der Überprüfung von Kreditinstituten deckten die türkischen Ermittler bei verschiedenen Privatbanken u. a. Steuerhinterziehungen, Veruntreuungen von Geldern und Verschuldungen in Milliardenhöhe auf. Mindestens zehn Institute wurden unter staatliche Zwangskontrolle gestellt. Der Bankenskandal verunsicherte Anleger und Investoren zusehends. Spekulationen über weitere Bankenzusammenbrüche lösten schließlich einen panikartigen Ansturm auf Devisen und eine massive Kapitalflucht aus. Daraus entwickelten sich Liquiditätsengpässe, die schließlich im November 2000 in einer schweren Finanzkrise mündeten. Als Gegenmaßnahme gab die türkische Zentralbank mehrere Milliarden US-Dollar aus den staatlichen Währungsreserven frei. Vom Internationalen Währungsfonds erhielt die Türkei einen Sofortkredit von 11,4 Milliarden US-Dollar. Nach einer Zwischenphase folgte im Februar 2001 eine Staats- und Wirtschaftskrise. Vorangegangen war ein Streit zwischen Ministerpräsident Ecevit und Staatspräsident Ahmed Necdet Sezer, bei dem es um die Bekämpfung der Korruption ging. Auch diesmal führten Spekulationen zu einer Welle der Kapitalflucht. Die Zentralbank konnte den Wechselkurs der türkischen Lira nicht stabilisieren und musste den Kurs zwecks Abwertung freigeben. Allein am Tag der Freigabe brach der Wechselkurs der türkischen Lira innerhalb weniger Stunden um 40 Prozent ein. Die Wirtschaftskrise trieb zahlreiche Kleinunternehmen in den finanziellen Ruin, viele Kleinanleger verloren den größten Teil ihres Kapitals. Bei Massenprotesten wurde die Regierung aufgefordert, ein Ende der Krisensituation herbeizuführen. Einige Straßendemonstrationen in verschiedenen türkischen Städten im April 2001 waren von schweren Ausschreitungen mit zahlreichen Verletzten begleitet. Der Internationale Währungsfonds gewährte der Türkei einen weiteren Kredit von sechs Milliarden US-Dollar. 6.2 Landwirtschaft Seit 1950 erhöhte sich die landwirtschaftliche Produktion durch den vermehrten Einsatz von Maschinen, Düngemitteln und geeigneteren Pflanzensorten. Trotzdem ist die Produktivität vergleichsweise gering, da viele Bauern nach wie vor mit relativ unwirksamen Methoden arbeiten und die meisten Betriebe sehr klein sind. Etwa ein Drittel des Staatsgebiets wird als Ackerland genutzt, ein weiteres Drittel dient als Weideland. Aufgrund der Lage in unterschiedlichen Klimazonen können in der Türkei viele Anbaufrüchte kultiviert werden. Zu den wichtigsten Anbauprodukten gehören Getreide (vor allem Weizen, Gerste, Roggen und Mais), Zuckerrüben sowie Obst und Gemüse (u. a. Zwiebeln, Auberginen, Melonen, Tomaten, Trauben, Äpfel und Zitrusfrüchte). Weitere bedeutende Anbaufrüchte sind Nüsse, Kartoffeln, Baumwolle, Tabak und Oliven. Durch den Bau zahlreicher Stauanlagen konnte der Bewässerungsfeldbau weiter ausgedehnt werden. Auch die Viehwirtschaft ist von Bedeutung. Sie umfasst vor allem die Haltung von Schafen, Ziegen, Rindern, Eseln, Büffeln und Hühnern. 6.3 Forstwirtschaft und Fischerei Obgleich 13,1 Prozent der Gesamtfläche der Türkei bewaldet sind, ist die Holzindustrie relativ unbedeutend, da nur knapp ein Drittel der Waldfläche wirtschaftlichen Wert besitzt. Rund zwei Drittel des Holzeinschlages werden als Brennholz, der Rest (u. a. Walnussbäume, Zedern und Pappeln) als Nutzholz verwendet. Der Fischfang wird verstärkt gefördert. Die Hauptfanggebiete sind das Mittelmeer und das Schwarze Meer. Über die Hälfte des Fanges besteht im Allgemeinen aus Anchovis. Daneben werden u. a. noch Makrelen, Sardinen, Barben und Karpfen gefangen. 6.4 Bergbau Die Türkei verfügt über Vorkommen an Steinkohle, Braunkohle, Eisenerz und Chrom; das Land ist einer der bedeutendsten Chromerzförderer der Welt. Im Südosten wird Erdöl gefördert. Darüber hinaus gibt es kleinere Vorkommen an Blei-, Zink-, Kupfer- und Silbererz. 6.5 Industrie Führende Erzeugnisse der verarbeitenden Industrie sind Nahrungsmittel, Textilien, Eisen und Stahl, Erdöl, chemische Produkte, Fahrzeuge, Papier und Zigaretten. Die bedeutendsten Industriestandorte sind Istanbul, Ankara, Izmir und Bursa. 6.6 Verkehrswesen Die staatliche Eisenbahn der türkischen Republik verfügt über ein Schienennetz mit einer Länge von 8 697 Kilometern (2005). Das Straßennetz umfasst 426 906 Kilometer (2004). Die führenden Häfen der Türkei sind Istanbul und Izmir; weitere wichtige Hafenstädte sind Trabzon, Giresun, Samsun sowie Zonguldak am Schwarzen Meer und Iskenderun und Mersin im Süden. Die nationale Fluggesellschaft Turkish Airlines bietet Inlands- und Auslandsflüge an. Internationale Flughäfen befinden sich in Istanbul, Ankara, Adana, Antalya und Izmir. 6.7 Währung und Bankwesen Währungseinheit der Türkei ist die Türkische Lira, bestehend aus 100 Kuru?. Die Zentralbank der Republik Türkei (1930 gegründet) ist die Notenbank des Landes. Daneben gibt es eine Reihe von Staatsbanken wie die Landwirtschaftsbank der Republik Türkei (1863 gegründet), die die wirtschaftliche Entwicklung des Landes unterstützen, sowie mehrere Geschäftsbanken. Die bedeutendste Börse der Türkei ist in Istanbul. 6.8 Außenhandel Die jährlichen Importkosten der Türkei sind im Allgemeinen höher als die Exporterlöse, die Handelsbilanz ist dementsprechend negativ. Importiert werden vorwiegend Erdöl, Maschinen, chemische und pharmazeutische Produkte, Düngemittel, Eisen und Stahl sowie Fahrzeuge. Hauptexportgüter sind Textilien, Obst und Gemüse, chemische Erzeugnisse, Metalle, Tabak und Weizen. Der Tourismus ist für die Türkei eine wichtige Devisenquelle. Die Haupthandelspartner des Landes sind Deutschland, Italien, Frankreich, Großbritannien, Saudi-Arabien, Russland und die USA. Im März 1995 stimmte die Europäische Union (EU) der Aufnahme der Türkei in die Zollunion zu (seit dem 1. Januar 1996 in Kraft getreten). Allerdings ist bis jetzt dem Wunsch der Türkei, vollständig in die EU aufgenommen zu werden, nicht entsprochen worden. Ursache hierfür sind Differenzen zwischen der EU und der Türkei (z. B. Spannungen zwischen Türkei und Griechenland, Kurdenpolitik der Türkei, Einhaltung der Menschenrechte). 6.9 Energie 26,17 Prozent des Gesamtenergiebedarfs erzeugen Wasserkraftwerke (2003). Eine große Wasserkraftanlage befindet sich am Euphrat in der Nähe von Elâz??. Rund 40 Prozent des Energiebedarfs erzeugen Wärmekraftwerke. Hier ist als zweiter großer Energieträger Erdöl zu nennen. Im April 1995 unterzeichneten Aserbaidschan und die Türkei ein Abkommen, das den türkischen Anteil in einem Projekt zur Erschließung der aserbaidschanischen Ölfelder auf 6,75 Prozent erhöhte. Schätzungen zufolge enthalten diese Ölfelder im Kaspischen Meer 3,8 Millionen Barrel Rohöl, das über eine Pipeline zu einem türkischen Mittelmeerhafen transportiert werden soll. 7 GESCHICHTE Zur Geschichte des Gebiets der heutigen Türkei vor der Herrschaft der Osmanen siehe Kleinasien. In Anatolien entwickelten die aus dem Hochland des Landesinneren stammenden Hethiter (um 1900-1200 v. Chr.) die erste Hochkultur des Landes. Sie wurde von den Seevölkern (ägäische Wanderung) zerstört, die gegen Ende des 12. Jahrhunderts v. Chr. in Kleinasien und Syrien einfielen. Eine der ersten Zerstörungen Trojas fand wahrscheinlich während dieser Überfälle statt. Eines der Seevölker, die Phryger, errichtete ein Königreich, das im 9. und 8. Jahrhundert v. Chr. in Anatolien zu einer Vormachtstellung gelangte. Während dieser Zeit gründeten die Griechen Milet, Ephesos, Priene und eine Reihe weiterer Städte an der ägäischen Küste in Ionien. Um 700 v. Chr. fielen die Kimmerier - ein Nomadenvolk, das sich später im Westen Kleinasiens niederließ - in das phrygische Reich ein und zerstörten es. Im 7. Jahrhundert v. Chr. kamen die Lyder an die ägäische Küste und gründeten ein Reich mit der Hauptstadt Sardes (Sardis), die 546 v. Chr. von den Persern unter Kyros (Cyrus) dem Großen erobert wurde. Von der Mitte des 6. Jahrhunderts bis zum Jahr 333 v. Chr. gehörte der Großteil Kleinasiens, einschließlich Anatoliens, zum Perserreich, wobei die griechischen Städte eine gewisse Autonomie hatten. Im 4. Jahrhundert v. Chr. setzte der Verfall des Persischen Reiches ein, und 333 v. Chr., nach der Schlacht von Issos, wurde es vom siegreichen Makedonischen Reich Alexanders des Großen abgelöst. Im 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. wurde Kleinasien allmählich von den Römern erobert. Nach der Teilung des Römischen Reiches im 4. Jahrhundert n. Chr. wurde Kleinasien Teil des Oströmischen Reiches (Byzantinisches Reich), mit der Hauptstadt Konstantinopel (heute Istanbul) auf der europäischen Seite des Bosporus genau gegenüber der Westküste Anatoliens. Während des 11. Jahrhunderts fielen die Seldschuken in Kleinasien ein. 1055 eroberten sie Bagdad und 1071 schlug der Seldschukensultan Alp Arslan die byzantinische Armee in der Schlacht bei Manzikert. Im 12. Jahrhundert verwüsteten die Seldschuken große Teile Ost- und Mittelanatoliens. Obwohl zu dieser Zeit das Hauptziel der Seldschuken nicht die Eroberung von Byzanz, sondern die Abwehr der Fatimiden und der aus Ägypten ausgehenden heterodoxen (von der herrschenden Lehre abweichend) schiitischen Islam war, drängten doch einige Mitglieder der Seldschukendynastie den Nomaden nach. Sie errichteten das Sultanat Rum (Hauptstadt: Konya), das Anatolien im 12. und 13. Jahrhundert beherrschte. Der Großteil der Nomaden, die zu den anfänglichen Siegen der Seldschuken beigetragen hatten, wurde bald in den Westen Anatoliens abgedrängt, wo Grenzkolonien gegen die letzten byzantinischen Abwehrstellungen aufrechterhalten wurden. Das Sultanat von Rum versuchte sich am Seldschukenreich von Bagdad zu orientieren; doch die große Anzahl von Christen innerhalb der Reichsgrenzen und die Überlagerung einer lebendigen christlichen Tradition durch den Islam ließen eine Sozialstruktur entstehen, die sich deutlich von der anderer islamischer Staaten unterschied. Dieses Sozialgefüge lieferte auch die Basis für die einzigartigen Regierungs- und Sozialsysteme der Osmanen, die sich ab dem 14. Jahrhundert allmählich herauszukristallisieren begann. Die Seldschuken in Bagdad und Konya wurden bald von den einfallenden Mongolen unter Dschingis Khan besiegt: 1258 wurde Bagdad erobert. Die turkmenischen Nomadenstämme Anatoliens bildeten in dieser Zeit der Wirren eine Reihe von Fürstentümern, die formell unter der Oberhoheit Rums standen, aber von den Mongolen kontrolliert wurden. 7.1 Der Aufstieg der Osmanen Die günstige geographische Lage seines im Nordwesten Anatoliens gelegenen kleinen Fürstentums ermöglichte es Osman I. Ghasi, dem Gründer der osmanischen Dynastie, die Schwäche des Byzantinischen Reiches auszunutzen und reiche Beute bei Überfällen auf christliches Gebiet zu machen. Er eroberte u. a. die byzantinischen Städte Eskisehir, Bilecik, Yarhisar und Yenisehir und sein Sohn die Provinzhauptstadt Bursa (1326). Die Osmanen kontrollierten damit das fortgeschrittene Verwaltungs-, Finanzund Militärwesen der Provinz; Bursa wurde ihre Hauptstadt. Allmählich gelang ihnen die Expansion ihres Reiches auf das turkmenische Gebiet im Westen Anatoliens ( siehe Osmanisches Reich). Die Expansion des Osmanischen Reiches auf europäischem Boden begann gegen Ende der Herrschaftszeit Orhans. Osmanische Soldaten standen auch als Söldner im Dienst von byzantinischen Herrschern: Johannes VI. Kantakuzenos konnte sich so 1347 den Thron sichern; als Gegenleistung durften diese osmanischen Söldner byzantinische Besitzungen in Thrakien und Makedonien plündern, und die Tochter des Kaisers wurde mit Orhan verheiratet. Die Söldner schlugen ihre Lager auch auf der Halbinsel Gallipoli auf, um von dort aus die noch verbleibenden byzantinischen Besitzungen in Europa zu überfallen. Der Ausbau des osmanischen Fürstentums in ein großes Reich, das Südosteuropa, Anatolien und die arabische Welt umfasste, geschah zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert: Das Reich unter Murad I. und Bayazit I. (genannt: Y?ld?r ?m) erstreckte sich von der Donau bis zum Euphrat. Murads größter militärischer Erfolg war der Sieg in der Schlacht auf dem Amselfeld im Kosovo (1389), in der er die vereinigten Heere der Balkanvölker von Serbien, Bosnien und Bulgarien schlug. Murad selbst fiel in der Schlacht, doch sein Sohn Bayazit führte die Armee zum Sieg und eroberte in den nächsten Jahren einen Großteil der turkmenischen Fürstentümer Anatoliens. Der Aufstieg der Osmanen zur führenden Macht in Anatolien stellte eine Bedrohung für das Interessengebiet des Mongolenherrschers Tamerlan (Timur-i Läng) dar, der kurze Zeit zuvor große Teile des heutigen Iran sowie Zentralasiens erobert hatte. Tamerlan griff 1402 die Osmanen in Anatolien an und besiegte Bayazit. Bayazits Enkel, Murad II., setzte in Serbien und Bulgarien osmanische Verwaltungsbeamte ein und sicherte somit die osmanische Vorherrschaft in Europa bis zur Donau. Sein Sohn Mohammed II. setzte diese Politik fort und besiegte die letzten noch freien christlichen Fürstentümer südlich der Donau. Seine Eroberungen erreichten ihren Höhepunkt in der Einnahme von Konstantinopel (1453) sowie in der Unterwerfung Anatoliens bis hin zum Euphrat. Bayazit II. beendete die Eroberungspolitik zugunsten einer Festigung der Teile des Reiches, die von seinen Vorgängern besetzt worden waren. Selim I. benutzte dagegen die ihm überlassenen territorialen und verwaltungsmäßigen Machtgrundlagen, um das Mameluckenreich in Ägypten zu zerstören (1517); außerdem eroberte er Syrien, Palästina und Arabien in einem einzigen Feldzug und gliederte so das Kernland der alten islamischen Kalifate dem Osmanischen Reich an. Süleiman II., der Prächtige, setzte die Expansion fort: Er überschritt die Donau, eroberte Ungarn und belagerte 1529 Wien; im Osten eroberte er den Rest Anatoliens sowie das alte Zentrum der Abbasiden und Seldschuken im Irak. 7.2 Niedergang des Osmanischen Reiches In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts begann in einer Reihe von Kriegen, den Türkenkriegen und in den Russisch-Türkischen Kriegen, in denen das Osmanische Reich besiegt werden konnte, der allmähliche Niedergang des Reiches (der so genannten orientalischen Frage), der erst mit dem Ende des 1. Weltkrieges seinen Abschluss finden sollte. Nach der zweiten vergeblichen Belagerung Wiens im Jahr 1683 traten die Osmanen den Rückzug vom Balkan an. 1699 im Vertrag von Karlowitz mussten sie auch Ungarn und Siebenbürgen aufgeben. Bis zum Frieden von Jassy (1792) hatten die Osmanen ihre Gebiete nördlich der Donau verloren und sich von der Krim und den Gebieten östlich vom Dnjestr bis Russland zurückgezogen. 1830 erklärte sich Griechenland für unabhängig, zwischen 1833 und 1839 eroberte Muhammad Ali, der ägyptische Vizekönig, Teile Anatoliens und das Sultanat konnte nur durch die europäischen Großmächte vor der Auflösung bewahrt werden. Im Berliner Vertrag von 1878 wurden Rumänien, Serbien und Montenegro unabhängig von der Türkei. Das Osmanische Reich stagnierte in fast allen gesellschaftlichen Bereichen. Die ersten Reformen des Reiches in Verwaltung, Armee, Bildungs- und Rechtswesen waren von Zentralisierungsbestrebungen der Tanzimat, einer Reformbewegung zwischen 1839 und 1876, und Liberalisierungstendenzen (mehr Rechte und Freiheiten für den Einzelnen; Gleichstellung von Muslimen und Nichtmuslimen) bestimmt. In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurden zahlreiche Reformen und eine Verfassung gefordert, die 1876 von Sultan Abd ül-Hamid II. verkündet, aber bereits 1878 zeitweilig (Auflösung des Parlaments) wieder aufgehoben wurde. Der Zerfall des Vielvölkerreiches konnte nicht mehr verhindert werden: Kreta, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien gingen verloren, bis 1885 wurden die osmanischen Besitzungen in Europa auf Makedonien, Albanien und Thrakien reduziert. Die Türkei musste auch auf die Herrschaftsansprüche in Nordafrika verzichten: Algerien wurde 1830 von Frankreich eingenommen und auch Tunesien fiel 1881 vom Osmanischen Reich ab; Großbritannien besetzte Ägypten (1882), und Italien annektierte Libyen (1912). Im Zuge der Balkankriege (1912-1913) verlor das Osmanische Reich außer Ostthrakien alle europäischen Gebiete. Inzwischen hatte sich eine neue politische Gruppierung von jungen türkischen Offizieren gebildet, das Komitee für Einheit und Fortschritt, das besonders unter den Armeeoffizieren auf dem Balkan zahlreiche Anhänger hatte. Die so genannten Jungtürken erreichten die Wiedereinsetzung der Verfassung. Mit einem Aufstand der makedonischen Truppen begann 1908 der Staatsstreich der Jungtürken, der mit dem Sturz des autokratischen Regimes des Sultans endete. Die Jungtürken forderten die Trennung von Staat und Religion, setzten Reformen in Handel, Bankwesen und Armee in Gang. Ab 1913 bildeten sie unter Enver Pascha eine Diktatur. Während des 1. Weltkrieges ließ die Regierung des Osmanischen Reichs mehrere hunderttausend Armenier in das östliche Anatolien deportieren. Bei den dabei vollzogenen Massakern kamen die meisten Armenier ums Leben. Internationale Organisationen wie der Europarat bewerteten dies als Genozid. Dies wurde von türkischen Regierungen zurückgewiesen, die die damaligen Regierungen des Osmanischen Reichs auch vom Vorwurf der Verantwortung für das Massensterben der armenischen Bevölkerung freisprachen. Als Ergebnis des 1. Weltkrieges zerfiel das Osmanische Reich, das auf der Seite der Mittelmächte stand, endgültig. Die Niederlage Deutschlands läutete das Ende ein. Zwischen 1917 und 1918 hatten die Briten mit ersten Offensiven im Irak und in Syrien begonnen. Als es 1918 zum Waffenstillstand von Mudros kam, hatte die Türkei bereits alle Gebiete mit Ausnahme von Anatolien verloren. Im Oktober 1918 trat das jungtürkische Kabinett zurück. Die Türkei war gezwungen, den Friedensvertrag von Sèvres (1920) zu unterzeichnen, durch den sie nicht nur die arabischen Provinzen aufgeben, sondern auch eine Teilung Anatoliens hinnehmen mussten. Seit 1919 hatte Mustafa Kemal Atatürk den nationalen Widerstand organisiert und 1922 die griechischen Truppen besiegt ( siehe GriechischTürkische Kriege): Griechenland hatte in den Friedensverträgen von Neuilly (1919) und Sèvres u. a. Ostthrakien, die nordägäischen Inseln und das Gebiet um Smyrna (heute Izmir) als Völkerbundsmandat zugesprochen bekommen, und Italien hatte seine Ansprüche auf den Dodekanes an Griechenland abgetreten. Das Mandat militärisch durchzusetzen scheiterte; die Türken eroberten am 9. September 1922 Smyrna. Ein Jahr später trat die Republik der Türkei an seine Stelle. Im Frieden von Lausanne (1923) endete die dreitausendjährige Siedlungsgeschichte der Griechen in Kleinasien, das ebenso türkisch wurde wie Ostthrakien, die Inseln Tenedos und Imvros; der Dodekanes wurde wieder italienisch. 1,5 Millionen Griechen wurden nach Griechenland umgesiedelt, 500 000 Türken aus Griechenland in die Türkei. 7.3 Die türkische Republik Am 1. November 1922 war die osmanische Dynastie für beendet erklärt und das Reich aufgelöst worden. In den ersten 15 Jahren ihres Bestehens stand die türkische Republik unter der Führung von Atatürk und gründete sich auf sechs grundlegende Prinzipien, die in der Verfassung verankert waren: Republikanismus, basierend auf der Prämisse der Volkssouveränität; türkischer Nationalismus, der den Ruhm der türkischen Vergangenheit und das Bedürfnis der Türken nach einem eigenen, nach modernen Prinzipien und ohne Einmischung von außen geschaffenen Staat betonte; Populismus, der die Idee einer alle wirtschaftlichen und sozialen Interessen vertretenden Großen Nationalversammlung verkörpert; Säkularismus beziehungsweise Laizismus, der die vollständige Trennung von religiösen muslimischen Einrichtungen und Staatsgeschäften fordert; Etatismus, der für eine staatliche Lenkung der wichtigsten Wirtschaftssektoren sowie der übrigen Sektoren stand und eine schnelle wirtschaftliche Entwicklung zum Ziel hatte; und Revolutionismus, der vorschrieb, dass alle Umwälzungen sofort und in vollem Umfang durchgeführt werden müssen, damit die Entwicklung der modernen türkischen Gesellschaft so schnell wie möglich stattfinden könne. Die Jahre unter der Präsidentschaft Atatürks waren gekennzeichnet durch erheblichen wirtschaftlichen Fortschritt und eine allgemeine Entwicklung des Landes. Die Türkei konnte Strömungen, die Vergeltung forderten, verhindern und nahm enge diplomatische Beziehungen mit ihren ehemaligen Gebieten im Balkan auf. Gleichzeitig stellte sie auch ihre laizistische Politik in den Vordergrund und ging Bündnissen mit ihren muslimischen Nachbarstaaten im Osten aus dem Weg. 7.3.1 Von der Neutralität zum Bündnis mit dem Westen Atatürks Nachfolger im Präsidentenamt wurde 1938 sein enger Mitarbeiter ?smet ?nönü, der die Innenpolitik von Atatürk fortsetzte. Während des gesamten 2. Weltkrieges verfolgte ?nönü eine Politik der Neutralität. Erst im Februar 1945 erklärte die Türkei Deutschland und Japan den Krieg. Nach dem Krieg versuchte die Sowjetunion, die Türkei zu sowjetischem Einflussgebiet zu machen und forderte die Kontrolle über die Ostprovinzen der Türkei sowie über die Meerengen. Daraufhin akzeptierte die Türkei die von dem amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman angebotenen Unterstützungsmaßnahmen und ging enge militärische und wirtschaftliche Beziehungen mit den Vereinigten Staaten ein. 1952 trat die Türkei dem Nordatlantischen Verteidigungspakt ( North Atlantic Treaty Organization; NATO) bei. ?nönü leitete innenpolitisch zu dieser Zeit eine allgemeine Demokratisierung des Landes ein: u. a. wurden jetzt auch Oppositionsparteien zugelassen. Bei den Wahlen 1950 siegte die Demokratische Partei, die sich für eine stärkere Liberalisierung der Wirtschaft einsetzte. Unter Vorsitz von Präsident Celâl Bayar, in Verbindung mit Ministerpräsident Adnan Menderes und Außenminister Fuat Köprülü, war die Demokratische Partei von 1950 bis 1960 die führende politische Kraft der Türkei. In dieser Zeit erlebte die Wirtschaft des Landes einen raschen Aufschwung, aber auch starke soziale Spannungen. 1960 wurde die Regierung in einem unblutigen Militärputsch durch General Cemal Gürsel gestürzt. Menderes und einige andere Politiker wurden der Korruption beschuldigt, zum Tod verurteilt und 1961 gehängt. Die neue Verfassung orientierte sich an wirtschaftlichen und sozialen Vorstellungen anderer demokratischer Staaten. Die politischen Parteien hatten sich in zwei große Lager gespalten: in die Republikanische Volkspartei und die Gerechtigkeitspartei. Die Republikanische Volkspartei war unter ihrem Führer Bülent Ecevit sozialdemokratisch ausgerichtet, die Gerechtigkeitspartei unter Süleiman Demirel stand in der Tradition Atatürks. Daneben gab es noch mehrere kleinere (kommunistische und sozialistische, nationale und islamistische) Parteien. Auch die seit 1950 existierenden Gewerkschaften schlossen sich zu linken bzw. rechten Dachverbänden zusammen. Die Türk I? vereinigte in sich rechtsorientierte Gewerkschafter, und im Bund Fortschrittlicher Gewerkschaften waren kommunistische und andere linke Arbeitnehmer organisiert. In der Mitte der sechziger Jahre übten beide Organisationen einen großen Einfluss auf viele gesellschaftliche Bereiche aus. Die Verfassung von 1961 erschwerte eine Mehrheitsbildung, und die politischen Auseinandersetzungen verlagerten sich mehr und mehr auf die Straße. In dieser Phase politischer Instabilität entwickelten sich rechts- wie linksgerichtete, zum Teil gewaltbereite Gruppen, die Terrorakte verübten. 1971 intervenierte das türkische Militär erneut, das aber bereits wieder 1972 eine zivile Regierung installierte. Die innenpolitischen Spannungen, vor allem aufgrund der schlechten Wirtschaftslage, nahmen aber nicht ab, sondern zu. Es wurde der nationale Notstand ausgerufen, und es kam zu brutalen Unterdrückungsmaßnahmen der staatlichen Sicherheitskräfte. Außenpolitisch war es 1974 zu einer größeren Krise gekommen, als die Türkei als Antwort auf einen von Griechenland inszenierten Putsch, bei dem sich Zypern zur selbständigen Republik erklärt hatte, das nördliche Drittel der Insel besetzte und eine Republik Nordzypern ausrief, die aber international nicht anerkannt wurde. Die Vereinigten Staaten stellten nach dem Einmarsch auf Zypern ihre militärische und wirtschaftliche Unterstützung für die Türkei ein, worauf wiederum die Türkei mit der vorübergehenden Schließung aller amerikanischen Stützpunkte im Land reagierte. Die türkischen Truppen blieben im Norden Zyperns stationiert; die Türkei unterstützte weiterhin eine türkisch-zypriotische Regierung. 7.3.2 Der Staatsstreich von 1980 Die Regierung von Süleiman Demirel (1979-1980) behielt außenpolitisch die enge Bindung an den Westen bei, scheiterte aber in der Innen- und Wirtschaftspolitik. Da sich die Situation nicht änderte, verübten Extremisten rechter und linker Gruppen weiterhin Terrorakte. Am 12. September 1980 putschte die Armee unter der Führung des Generalstabchefs Kenan Evren. Als Staatspräsident und Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates (Admiral Bülent Ulusu wurde Ministerpräsident) setzte er die Verfassung außer Kraft und verhängte das Kriegsrecht. Alle politischen Aktivitäten wurden untersagt, Tausende verhaftet und die Presse zensiert. 7.3.3 Zivilregierungen Die neue Verfassung, die 1982 in einem Referendum angenommen wurde, schrieb die ,,demokratisch legitimierte" politische Machtposition des Militärs fest. Evren wurde im selben Jahr mit 90,6 Prozent der Stimmen für eine siebenjährige Amtszeit zum Staatspräsidenten gewählt; 1983 gab er seine militärischen Funktionen auf. Aus der Stichwahl bei den Parlamentswahlen im November 1983 ging die konservative Mutterlandspartei (die Armee hatte eine rechtsgerichtete Gruppierung unterstützt) als Siegerin hervor, und ihr Vorsitzender Turgut Özal wurde Regierungschef. 1989 wurde Özal zum ersten zivilen Staatsoberhaupt seit 1960 gewählt, und Y?ld?r ?m Akbulut übernahm das Amt des Ministerpräsidenten (Regierungschefs). Akbuluts Nachfolger wurde 1991 Mesut Y? lmaz, der wurde wiederum 1993 von Tansu Çiller, einer Wirtschaftswissenschaftlerin, die an der Spitze der Partei des Rechten Weges (DYP) stand, abgelöst. Während des Golfkrieges 1991 unterstützte die Türkei die Alliierten, entsandte aber keine eigenen Truppen. Nach Ende des Golfkrieges flüchteten Hunderttausende Kurden nach einem erfolglosen Aufstand gegen die irakische Regierung in das kurdische Siedlungsgebiet in der Türkei. Viele wurden in der Nähe der Grenze vorübergehend unter den Schutz alliierter Truppenverbände gestellt. In dieser im Südosten der Türkei gelegenen Region herrscht seit 1984 Bürgerkrieg. Alle bisherigen türkischen Regierungen haben die Autonomiebestrebungen der 15 Millionen Kurden massiv mit militärischen Mitteln bekämpft. Der politische und militärische Arm der Unabhängigkeitsbewegung ist die Partiya Karkeren Kurdistan (Arbeiterpartei Kurdistan; PKK). Bei den Kämpfen sind bis 1994 über 14 000 Menschen getötet worden. Im März 1995 verkündete die Regierung von Tansu Çiller die Absicht, die PKK zu vernichten, und nahm den größten jemals gestarteten Angriff gegen die Rebellen auf, wobei die türkische Armee 40 Kilometer in die von den Vereinten Nationen ausgewiesene Schutzzone des Kurdengebiets im Nordosten des Irak eindrang. Zur selben Zeit versuchte Tansu Çillers Regierung, liberalere Gesetze zu verabschieden, um die kurdischen Nationalisten wieder in die politische Struktur eingliedern und die kurdischen Schulen wieder öffnen zu können. Die Regierungen der westlichen Länder kritisieren weiterhin die aus der Türkei gemeldeten Menschenrechtsverletzungen, die im Bericht des amerikanischen Außenministeriums vom Februar 1995 zusammengefasst waren, und verurteilen das Verschwinden und die Ermordung von Kurden sowie die fortgesetzte Schikanierung, Einschüchterung und Inhaftierung von Menschenrechtsbeobachtern, Journalisten, Rechtsanwälten und Wissenschaftlern. Aus den Parlamentswahlen am 24. Dezember 1995 ging erstmals in der Geschichte der modernen Türkei mit der Wohlfahrtspartei (RP) eine islamische Partei als stärkste politische Kraft hervor. Die Partei des Rechten Weges (DYP) wurde zweitstärkste, die national-liberale Mutterlandspartei (ANAP) drittstärkste Partei. Für eine Regierungsbildung fand die RP keinen Koalitionspartner. Der ANAP-Vorsitzende Mesut Y?lmaz und Tansu Çiller unterzeichneten ein Koalitionsprotokoll. Y?lmaz übernahm im März 1996 das Amt des Ministerpräsidenten, trat aber nach einem Misstrauensvotum im Juni zurück. Präsident Demirel erteilte daraufhin Necmettin Erbakan, dem Vorsitzenden der Wohlfahrtspartei, den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung. Tansu Çiller, deren Partei DYP mit der RP die Regierungskoalition bildet, wurde stellvertretende Ministerpräsidentin und Außenministerin. Erbakan und Çiller verständigten sich auf eine gemeinsame Regierung, die zuerst von Erbakan, später von Çiller geführt werden sollte. Nachdem seine Partei die Mehrheit im Parlament verloren hatte, trat im Juni 1997 Ministerpräsident Erbakan zurück. Daraufhin beauftragte Demirel den Oppositionspolitiker Mesut Y?lmaz von der Mutterlandspartei mit der Regierungsbildung. Y?lmaz führte eine Regierungskoalition seiner Partei mit der Partei für eine demokratische Türkei und der Demokratischen Partei der Linken. Zu den erklärten Zielen der neuen Regierung gehörten das entschiedene Vorgehen gegen Islamisten und kurdische Separatisten sowie die baldige Aufnahme in die EU, die der Türkei aber von zahlreichen Mitgliedsstaaten noch verwehrt wurde. Nachdem Mesut Y?lmaz im November 1998 wegen Korruptionsvorwürfen vom Parlament gestürzt worden war, amtierte in der Türkei nur eine geschäftsführende Regierung. Der designierte türkische Ministerpräsident Yalim Erez gab Anfang Januar 1999 den Auftrag zur Regierungsbildung an Staatspräsident Süleyman Demirel zurück. Daraufhin bildete der Sozialdemokrat und ehemalige Ministerpräsident Bülent Ecevit am 11. Januar eine Minderheits- und Übergangsregierung mit Vollmachten bis zu den nächsten Parlamentswahlen, die am 18. April 1999 stattfanden. Ecevit bildete nach diesen um ein Jahr vorgezogenen Wahlen zur Nationalversammlung eine Koalition aus Demokratischer Partei der Linken (DSP), Partei der nationalen Bewegung (MHP) und Mutterlandspartei (ANAP). Das Regierungsbündnis von Ministerpräsident Ecevit verfügt im Parlament über 351 der 550 Sitze. Die Große Nationalversammlung wählte am 5. Mai 2000 Ahemd Necdet Sezer zum neuen Staatsoberhaupt der Türkei. Am 3. Oktober 2001 verabschiedete das Parlament eine weitreichende Verfassungsreform, die einen beachtlichen Schritt auf dem Weg zur weiteren Demokratisierung des Landes bedeutet. So wurde die Todesstrafe zwar nicht abgeschafft, aber für die Zukunft im Wesentlichen auf Terrordelikte beschränkt. Außerdem wurde der nach wie vor große Einfluss des Militärs beschnitten: Dem bisher vom Militär dominierten Nationalen Sicherheitsrat gehörten nun neun Zivilisten und nur fünf Militärs an, seine Beschlüsse sind nicht mehr bindend. Um die von der EU geforderten Kriterien für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu erfüllen, wurde auch einer Reihe von Bürgerrechten ein höherer Stellenwert eingeräumt. Differenzen über Verfassungsreformen führten im Juli 2002 zu einer Regierungskrise. Die Abgeordneten der MHP weigerten sich, rechtzeitig vor der Veröffentlichung des Fortschrittsberichts der EU-Kommission Mitte Oktober grundlegende Reformen im Hinblick auf Abschaffung der Todesstrafe, ein Einlenken im Zypernkonflikt und die Verwendung von Kurdisch als Unterrichtssprache durchzuführen. Mit dem Rückzug der MHP aus der Regierungskoalition hatte diese ihre Mehrheit im Parlament verloren. Die Demission einer Reihe von Abgeordneten von Ecevits DSP - darunter auch des Außen- und des Wirtschaftsministers - verschärften die Situation weiter. Angesichts der instabilen Situation beschloss das Parlament vorgezogene Neuwahlen für den 3. November. Während der Übergangszeit wurden weitere Reformen verabschiedet, darunter vor allem die Abschaffung der Todesstrafe und die Zulassung der kurdischen Sprache in Privatschulen und Medien. 7.3.3.1 Die islamische AKP-Regierung Die Parlamentswahlen am 3. November 2002 änderten die Machtverhältnisse in der Türkei entscheidend. Die islamische Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) wurde mit einem Stimmenanteil von 34,4 Prozent (363 der 550 Mandate) mit weitem Abstand stärkste Kraft vor der sozialdemokratischen Republikanischen Volkspartei (CHP, 178 Mandate); alle anderen Parteien, darunter auch die bisherigen Regierungsparteien, scheiterten an der Zehnprozenthürde. Dem AKP-Vorsitzenden Recep Tayyip Erdo? an blieb jedoch die Übernahme des Amts des Regierungschefs zunächst verwehrt, da er 1998 wegen ,,Volksverhetzung" zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Deshalb beauftragte Staatspräsident Sezer den AKP-Politiker Abdullah Gül mit der Bildung einer neuen Regierung, die zwei Wochen nach den Wahlen die Amtsgeschäfte aufnahm. Gül und Erdo? an, der die Politik der Regierung maßgeblich mitbestimmte, kündigten die rasche Umsetzung demokratischer Reformen an. Zunächst hob die Regierung den Ausnahmezustand in den Kurdenprovinzen auf. Im Dezember 2002 beschloss die EU, Ende 2004 über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu entscheiden, sofern die bis dahin von der türkischen Regierung umgesetzten Reformen sowie die Fortschritte im Bereich Menschenrechte als ausreichend angesehen werden, und spornte damit die türkische Regierung, zu deren obersten außenpolitischen Zielen der Beitritt ihres Landes zur EU gehörte, zu großen Reformprojekten an. Ende 2002 verabschiedete das türkische Parlament eine Verfassungsänderung, die es Erdo?an ermöglichte, bei Nachwahlen in der osttürkischen Provinz Siirt am 9. März 2003 einen Parlamentssitz zu erringen - eine wesentliche Voraussetzung für die Wahl zum Ministerpräsidenten. Zwei Tage später übernahm Erdo?an das Amt des Ministerpräsidenten, Gül wechselte in das Amt des Außenministers. Im Irak-Krieg bzw. seinem Vorfeld verfolgte die Türkei gegenüber dem NATO-Partner USA einen eher distanzierten Kurs, das Parlament mehr noch als die Regierung. Grund waren vor allem gegensätzliche Auffassungen zwischen beiden Seiten über eine eventuelle Rolle türkischer Truppen in dem nordirakischen Kurdengebiet sowie über den Status dieses Gebietes in der Zeit nach dem Krieg. Am Ende gestattete das Parlament den USA den Ausbau ihrer Stützpunkte in der Türkei und erlaubte ihnen die Nutzung des türkischen Luftraumes; den von der Regierung Erdo? an unterstützten Antrag auf Stationierung von über 60 000 US-Soldaten lehnte das Parlament jedoch ab. Stattdessen genehmigte es gegen den Willen der USA den Vormarsch einer 12 000 Mann starken türkischen Truppe in den Nordirak. Die Folge dieser Entscheidungen war die Einstellung von Finanzhilfen seitens der USA an die Türkei; zudem hatte sich die Türkei der Möglichkeit beraubt, auf die Neuordnung des Nachkriegs-Irak, insbesondere die Entscheidung über den Status des Kurdengebietes, gestaltend einzuwirken. Im November 2003 war Istanbul zweimal das Ziel von Terroranschlägen: Am 15. November sprengten sich zeitgleich zwei Selbstmordattentäter vor Synagogen in die Luft, und fünf Tage später richteten sich zwei Attacken gegen das britische Generalkonsulat und eine britische Bank. Insgesamt kamen dabei über 60 Menschen ums Leben. Zu den Anschlägen bekannten sich al-Qaida-nahe Gruppen, und sie richteten sich vermutlich gegen die guten Beziehungen zwischen der Türkei und Israel sowie gegen die Loyalität der Türkei gegenüber den USA und deren engstem Verbündeten im Irak-Krieg, Großbritannien. Unterdessen trieb die Regierung die inneren Reformen voran, nicht nur, aber doch in erster Linie im Hinblick auf die anstehende Entscheidung der EU über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Im Juni 2003 verabschiedete das Parlament ein Gesetzespaket, das u. a. Teile des Antiterrorgesetzes, darunter die Einschränkung der Meinungsfreiheit, aufhob sowie den ethnischen Minderheiten, also auch den Kurden, die Benutzung ihrer Muttersprache in Schule und Medien zugestand. Ein weiteres, zwei Monate später verabschiedetes Gesetzespaket beschränkte die Macht des Nationalen Sicherheitsrates - und damit die des lange Zeit nahezu allmächtigen Militärs - noch weiter: Seine Funktion wurde auf eine rein beratende reduziert und unter den Vorsitz eines Zivilisten gestellt. Weitere Gesetze aus diesem Paket schafften die Einstufung von Kritik an staatlichen Institutionen als Verbrechen ab und reduzierten die Strafen für Beleidigung von Staat und Armee. Im Mai 2004 folgte eine Reihe weiterer Gesetze: Sie lösten u. a. die umstrittenen Staatssicherheitsgerichte auf, überantworteten dem Parlament die Kontrolle über das Militärbudget, verbannten das Militär aus den Aufsichtsgremien von Universitäten und Rundfunk, räumten internationalen Verträgen den Vorrang vor nationalem Recht ein und schrieben erstmals die Gleichberechtigung von Frauen und Männern fest. Und im September 2004 schließlich verabschiedete das Parlament ein neues Strafgesetzbuch, das das entsprechende Gesetzeswerk aus dem Jahr 1926 ablöst. Es gilt als Kernstück der türkischen Reformen und als wesentliche Voraussetzung für die Aufnahme der Türkei in die EU. Das neue Strafrecht stärkt insgesamt die Menschenrechte und vor allem auch die Rechte der Frauen. Es enthält u. a. harte Strafen für Folterer, weitet die Meinungsfreiheit aus, verfolgt Gewalt in der Familie und setzt die immer noch üblichen ,,Ehrenmorde" Morden gleich. Zugleich attestierten Organisationen wie amnesty international und der Europarat der Türkei große Fortschritte beim Schutz der Menschenrechte, wenngleich sie noch immer Mängel feststellten. Das Strafgesetzbuch trat am 1. Juni 2005 - nach einigen Verzögerungen und Änderungen - in Kraft. In der Folge empfahl die EU-Kommission im Oktober 2004 dem Europäischen Rat die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Zugleich wurde die Dauer der Verhandlungen auf 10 bis 15 Jahre veranschlagt. Im Dezember 2004 stimmten sowohl das Europäische Parlament als auch der Europäische Rat für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei im Oktober 2005. Die Entscheidung im Europäischen Rat fiel jedoch erst, nachdem sich die Türkei - nach heftigen Auseinandersetzungen - bereit gezeigt hatte, ein Abkommen zur Zollunion mit der erweiterten EU zu unterzeichnen, was eine De-facto-Anerkennung der Republik Zypern einschloss, aus Sicht der türkischen Regierung allerdings nicht zwingend die Anerkennung der Republik Zypern bedeutete. Der mögliche Beitritt der Türkei stieß in den EUStaaten jedoch nicht auf ungeteilte Zustimmung; Frankreich und Österreich etwa kündigten Volksabstimmungen über einen Beitritt der Türkei an. Österreich erhob außerdem unmittelbar vor dem Beginn der Beitrittsverhandlungen am 3. Oktober 2005 Einspruch gegen den von der EU vorgelegten Verhandlungsrahmen und forderte die Aufnahme einer Alternative zu einer Vollmitgliedschaft - etwa einer ,,privilegierten Partnerschaft", wie sie auch von den Unionsparteien in Deutschland vorgeschlagen wurde - in das Verhandlungsmandat. Jedoch konnte sich Österreich nicht durchsetzen; vielmehr einigten sich die EU-Mitglieder auf einen Kompromiss, der u. a. die Überprüfung der Aufnahmefähigkeit der EU zum gegebenen Zeitpunkt vorsah. Da die Türkei das Abkommen zur Zollunion mit der erweiterten EU auch Ende 2006 noch nicht ratifiziert und ihre See- und Flughäfen noch nicht für Zypern geöffnet hatte, wurden die Beitrittsverhandlungen in einigen Bereichen ausgesetzt. Zum 1. Januar 2005 trat in der Türkei die größte Währungsreform in der Geschichte des Landes in Kraft: Von der alten Lira wurden sechs Nullen weggestrichen, und es entstand die Yeni Türk Lirasi (YTL), die ,,Neue Türkische Lira". Eine Million alte Lira entsprechen nun einer neuen Lira, und die hatte zum Zeitpunkt ihrer Einführung einen Gegenwert von knapp einem halben Euro. Vorausgegangen war der Reform eine Reihe von Maßnahmen, durch die es der Regierung Erdo?an gelungen war, die Inflation, die in den neunziger Jahren zeitweise 150 Prozent betragen hatte, im Jahr 2004 zum ersten Mal seit 30 Jahren unter 10 Prozent zu senken; zugleich stieg das Wirtschaftswachstum auf etwa 10 Prozent. Nach der Zustimmung der EU zu Beitrittsverhandlungen mit der Türkei erlahmte der Reformeifer der türkischen Regierung spürbar, was auch von der EU-Kommission deutlich kritisiert wurde; erst im Frühjahr 2007 legte die Regierung einen umfangreichen Katalog von Reformvorhaben vor, durch die das Land bis 2014 auf EU-Niveau gebracht werden sollte. Eine schwere Staatskrise löste im April 2007 die gescheiterte Wahl eines Nachfolgers für Staatspräsident Sezer aus: Als einziger Kandidat stellte sich Außenminister Gül zur Wahl, was heftige Proteste sowohl bei den säkularen oppositionellen Parteien als auch beim Militär hervorrief, die eine Aufhebung der Trennung von Staat und Religion und eine Islamisierung des Landes befürchteten, wenn die AKP auch noch das Präsidentenamt übernähme. Im ersten Wahlgang am 27. April 2007 verfehlte Gül die notwendige Zweidrittelmehrheit; das Verfassungsgericht erklärte darüber hinaus den Wahlgang für ungültig, da wegen des Boykotts durch die Opposition nicht einmal zwei Drittel der Parlamentsabgeordneten an der Wahl teilgenommen hatten. Zuvor hatte noch die Armee, die sich als Verteidigerin des von Atatürk zum Verfassungsgrundsatz erhobenen Laizismus versteht, für den Fall der Wahl eines religiösen Kandidaten relativ unverhohlen mit Einmischung, d. h. mit einem Putsch gedroht. Der zweite Wahlgang am 6. Mai glich dem ersten, woraufhin Gül seine Kandidatur zurückzog. Zur Lösung der Staatskrise beschlossen Regierung und Parlament vorgezogene Neuwahlen für den Sommer 2007. Aus diesen Wahlen, die am 22. Juli 2007 stattfanden, ging die AKP, was den Stimmenanteil anbelangte, mit 46,6 Prozent gegenüber den Wahlen von 2002 erheblich gestärkt hervor, büßte aber an Mandaten ein (sie erhielt 341), da anders als fünf Jahre zuvor außer der CHP (20,9 Prozent, 112 Mandate) auch der MHP (14,3 Prozent, 70 Mandate) der Einzug ins Parlament gelungen war sowie 26 unabhängigen Kandidaten, die meisten davon Kurden. Gestützt auf eine mehr als deutliche absolute Mehrheit konnte die AKP unter Ministerpräsident Erdo? an die Regierung weiterführen. Nachdem Außenminister Gül bei der Präsidentenwahl im April/Mai gescheitert war, stellte er sich am 20. August 2007, ebenso wie die Kandidaten von MHP und DSP, erneut zur Wahl. Er erreichte jedoch weder im ersten noch im zweiten Wahlgang die erforderliche Zweidrittelmehrheit; die CHP boykottierte die Wahl erneut. Im dritten Wahlgang am 28. August, für den die einfache Mehrheit reichte, wurde er schließlich mit 339 von 550 Stimmen zum Staatspräsidenten gewählt. Gül billigte die von Erdo?an vorgelegte Kabinettsliste, der sowohl islamisch als auch säkular orientierte Minister angehörten; Nachfolger Güls im Amt des Außenministers wurde der bisherige Wirtschaftsminister Ali Babacan. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

« Mauswiesel, Tigeriltis und Fischotter.

Die Paarhuferfauna ist durch Wildschwein, Reh, Rothirsch und Bezoarziege repräsentiert.

Greifvögel sind u.

a.

mit zahlreichenAdlerarten (See-, Stein-, Kaiser-, Schell-, Schrei-, Zwerg- und Schlangenadler) sowie Geiern (Bart-, Mönchs-, Gänse- und Schmutzgeier) vertreten.

BemerkenswerteGroßvögel feuchter Gebiete sind Reiher (Nacht-, Kuh-, Rallen-, Seiden-, Silber-, Purpur- und Graureiher), Rosa- und Krauskopfpelikan, Rosaflamingo, Löffler, Sichler, Weiß-und Schwarzstorch.

In den Bergflüssen gibt es viele Forellen.

In den Küstengewässern leben Meeresschildkröten, Meerbrassen, Makrelen, Thunfische und Steinbutt, imSchwarzen Meer werden Anchovis gefangen. 3 BEVÖLKERUNG Die Türkei hat etwa 71,9 Millionen Einwohner (2008); dies entspricht einer Bevölkerungsdichte von 93 Einwohnern je Quadratkilometer.

Die am dichtesten besiedeltenGebiete sind der Großraum Istanbul und die Küstenregionen.

Die mittlere Lebenserwartung der Bevölkerung liegt bei 73,1 Jahren (2008).

Die jährlicheBevölkerungszunahme beträgt rund 1,01 Prozent im Jahr (2008). Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung sind Türken.

Darüber hinaus leben etwa 20 Prozent Kurden sowie Angehörige zahlreicher kleinerer Gruppen wie Araber, Griechen,Armenier und Tscherkessen in der Türkei.

Die Angehörigen dieser ethnischen Gruppen haben ihre kulturelle Identität größtenteils bewahrt. Das Gebiet der heutigen Türkei war die Heimat ethnisch und kulturell unterschiedlicher Volksgruppen, angefangen von den Hethitern, Phrygern und Assyrern bis zu denGriechen, Persern, Römern und Arabern ( siehe Kleinasien).

Die nomadischen Vorfahren der heutigen Türken kamen im 11.

Jahrhundert n.

Chr.

aus Zentralasien, eroberten arabische Gebiete und das Byzantinische Reich und setzten sich als Herrscher ein.

Sie verbreiteten bei der ansässigen Bevölkerung die türkische Sprache und Kultur, dieauch zum Instrument der Verbreitung des Islam in einer vom Christentum geprägten Region werden sollten. 3.1 Wichtige Städte 67 Prozent der Einwohner leben in Städten (2005), während es 1945 nur 25 Prozent waren.

Die während der letzten Jahrzehnte verstärkt stattfindende Abwanderung ausländlichen Regionen in die großen Städte zog weit reichende soziale Konsequenzen nach sich.

Die größten Städte des Landes sind Istanbul mit 11,2 Millionen Einwohnern(2007), die Hauptstadt Ankara (3,43 Millionen), Izmir (2,41 Millionen), Antalya (662 000) und Diyarbakır (605 000). 3.2 Sprache Die Amtssprache der Türkei ist das Türkische, das zu den Turksprachen zählt und als Muttersprache oder Zweitsprache von etwa 90 Prozent der Bevölkerung gesprochenwird.

Türkisch wird seit 1928 in lateinischer Schrift geschrieben (vorher in arabischer Schrift).

Die Kurden, die etwa 20 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen,sprechen Kurdisch, eine der iranischen Sprachen.

Weitere Minderheitensprachen sind Arabisch, Tscherkessisch, Armenisch und Georgisch. 3.3 Religion Seit 1928 ist der Islam nicht mehr die offizielle Staatsreligion der Türkei.

Trotzdem bekennen sich 99 Prozent der Bevölkerung zum Islam; sie sind in der Mehrzahl Sunniten,daneben gibt es auch eine starke alewitische Glaubensgemeinschaft.

Rund 0,1 Prozent der Einwohner gehören dem Christentum an.

Die jüdische Gemeinde umfasst etwa20 000 Mitglieder. 3.3. 1 Feiertage Die islamischen Feiertage richten sich nach dem Mondkalender und liegen von Jahr zu Jahr unterschiedlich.

Zu ihnen gehört das drei Tage dauernde Ramazan Bayram ı am Ende des Fastenmonats Ramazan (Ramadan).

Das vier Tage dauernde islamische Fest Kurban Bayramı („Opferfest”) ehrt die Bereitschaft Abrahams, auf Befehl Allahs seinen einzigen Sohn Isaac zu opfern.

Zu dieser Zeit findet auch die Wallfahrt nach Mekka statt.

Die weltlichen Feiertage der Türkei orientieren sich am gregorianischenKalender.

Zu ihnen gehören der Neujahrstag (1.

Januar), der Tag der Nationalen Souveränität (23.

April, gleichzeitig Tag des Kindes), der Atatürk-Gedenktag und Tag derJugend (19.

Mai), der Tag des Sieges (30.

August) und der Tag der Republik (29.

Oktober).

In manchen Gebieten ist auch der Tag vor dem Tag der Republik ein Feiertag.Der Tag der Nationalen Souveränität erinnert an die Eröffnung der Großen Nationalversammlung (Bezeichnung des Parlaments) am 23.

April 1923. 3.4 Soziales Die medizinische Versorgung der sozial schwächeren Bevölkerungsteile wird in der Türkei staatlich finanziert.

In ländlichen Gegenden sind medizinische Einrichtungen undmedizinisch ausgebildete Fachkräfte knapp.

Insgesamt gesehen liegt die Versorgung mit Fachpersonal und Medikamenten weit unter dem europäischen Durchschnitt: 2006kamen auf einen Arzt 641 Einwohner.

Die Arbeitslosenquote beträgt 10,3 Prozent (2005). 4 BILDUNG UND KULTUR Das von Atatürk eingeführte und von seinen Nachfolgern ausgebaute moderne Schulsystem ist an europäischen Vorbildern orientiert. 4.1 Bildung und Schulwesen In der Zeit der Gründung der Republik waren über 90 Prozent der Bevölkerung Analphabeten.

Atatürk leitete ein umfassendes Bildungsprogramm ein, und in der erstenVerfassung wurde eine allgemeine Schulpflicht für die Grundschule und der gebührenfreie Besuch aller staatlichen Schulen verankert.

Es besteht allgemeine Schulpflicht fürdie Dauer von 9 Jahren (2002–2003).

Durch die systematische Förderung des Bildungswesens konnte der Alphabetisierungsgrad auf 87,6 Prozent angehoben werden(2005).

In einigen ländlichen Gebieten ist die Ausstattung mit Bildungseinrichtungen noch gering. Der Zugang zu den Universitäten der Türkei ist einem strengen Auswahlverfahren unterworfen.

Zu den wichtigsten Hochschuleinrichtungen gehören die Universität Istanbul(1453 gegründet), die Universität der Ägäis (1955) in Izmir, die Universität Ankara (1946) und die Technische Universität des Nahen Ostens (1956) in Ankara. 4.2 Kultureinrichtungen Zu den staatlich geleiteten kulturellen Institutionen der Türkei gehören die beiden Opernhäuser in Istanbul und Ankara, die Kunstakademie in Istanbul, dreiMusikkonservatorien sowie eine Volkstanztruppe.

In Istanbul, Edirne, Bursa und in anderen Städten gibt es christliche Kirchen, die zu Moscheen umgebaut wurden, sowievon dem berühmten türkischen Architekten Sinan erbaute Moscheen.

Der Sultanspalast Topkap ı Saray ı ist heute ein Museum, das die kaiserlichen Schätze und die Reliquiendes Propheten Mohammed beherbergt.

Das Museum für anatolische Zivilisation in Ankara verfügt u.

a.

über Exponate aus der Zeit der Hethiter und Phryger.

Zu den größtenBibliotheken der Türkei gehören die Nationalbibliothek in Ankara und die Bayazit-Staatsbibliothek in Istanbul. 4.3 Kunst. »

↓↓↓ APERÇU DU DOCUMENT ↓↓↓

Liens utiles