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Volksabstimmung Volksabstimmung, Plebiszit oder auch Volksentscheid; Abstimmung der wahlberechtigten Bürger eines Landes, einer Region oder einer Kommune über eine bestimmte Frage.

Publié le 16/06/2013

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Volksabstimmung Volksabstimmung, Plebiszit oder auch Volksentscheid; Abstimmung der wahlberechtigten Bürger eines Landes, einer Region oder einer Kommune über eine bestimmte Frage. Insofern ist die Volksabstimmung ein Instrument der direkten (plebiszitären) Demokratie, das oft in gewisser Weise im Gegensatz zur repräsentativen Demokratieform gesehen wird, bei der gewählte Vertreter die politischen Verhältnisse im Auftrag (und idealtypisch mit dem Vertrauen) des Bürgers gestalten. Als wichtigstes Argument der Gegner von Volksabstimmungen gilt die Angst vor irrationalen oder verhängnisvollen Entscheidungen einer Bevölkerungsmehrheit, die im Gegensatz zu den Spezialisten nicht unbedingt über den nötigen Sachverstand bzw. den Einblick in die zu verhandelnde Problematik verfügt. So können theoretisch auch untaugliche oder gefährliche Aufträge an den Gesetzgeber übermittelt werden (1938 sprach sich etwa in Österreich eine deutliche Mehrheit für den Anschluss ans nationalsozialistische Dritte Reich aus). Die Befürworter betonen demgegenüber, dass wichtige, möglicherweise existentielle Entscheidungen auch und gerade in einer Demokratie grundsätzlich nicht gegen den Willen der Bevölkerung durchgesetzt werden dürfen. Auf Bundesebene ist in Deutschland gemäß Artikel 29 des Grundgesetzes lediglich die Frage einer etwaigen Neugliederung des Bundesgebietes möglicher Gegenstand eines Plebiszites. Einzelne Landesverfassungen bieten dagegen zum Teil recht weit reichende Möglichkeiten für Volksabstimmungen. So kann beispielsweise in BadenWürttemberg der Landtag durch ein Plebiszit aufgelöst werden. Auch die Verabschiedung von durch Volksbegehren eingebrachten Gesetzentwürfen ist hier per Volksabstimmung möglich. Das basisdemokratische Instrumentarium aus Bürgerbegehren und Bürgerentscheid existiert hier auf kommunaler Ebene bereits seit 1956 und wird ausgiebig genutzt, obwohl ein Quorum eingerichtet wurde. In Nordrhein-Westfalen sind Bürgerbegehren und Bürgerentscheide seit 1994 möglich. Die geänderte Berliner Verfassung von 1995 ermöglichte eine Volksabstimmung über den Beitritt Berlins zum Bundesland Brandenburg (der von den Berlinern im Gegensatz zu den verantwortlichen Politikern abgelehnt wurde). Durch einen 1995 per Volksbegehren durchgesetzten Volksentscheid wurden schließlich in Bayern die bereits vorhandenen Möglichkeiten für Volksabstimmungen (niedergelegt in der bayerischen Verfassung) entscheidend ausgebaut. So können seitdem vor allem auf kommunaler Ebene politische Fragen unmittelbar durch die Bürger entschieden werden (Bürgerbegehren und Bürgerentscheid). Die Verfassung des Freistaats Bayern wurde 1946 per Volksentscheid bestätigt, weitere Volksentscheide betrafen hier u. a. die Einführung der Gemeinschaftsschule (1968), die Herabsetzung des Wahlalters (1970), die Rundfunkfreiheit (1973) und die Verankerung des Umweltschutzes in der bayerischen Verfassung (1984). 1991 fand in Bayern ein Volksentscheid über konkurrierende Abfallbeseitigungskonzepte statt, und am 8. Februar 1998 votierte eine deutliche Mehrheit für die Abschaffung des seit 1947 bestehenden Senats des Landes (1999 durch das bayerische Verfassungsgericht bestätigt). Gleichzeitig wurde in einem dreifachen Volksentscheid die von allen bayerischen Landtagsfraktionen favorisierte Modifizierung von Grundrechten und Staatszielen sowie die von CSU und SPD gemeinsam angeregten Reformen von Landtag, Staatsregierung und Legislaturperiode angenommen. In Schleswig-Holstein z. B. wurde 1998 die Rechtschreibreform per Volksentscheid gestürzt; 1999 hob der schleswig-holsteinische Landtag jedoch das Ergebnis des Volksentscheides einstimmig wieder auf. Das Plebiszit kann als urdemokratische Einrichtung auf eine entsprechend lange Geschichte zurückblicken. So wurden bereits im antiken Griechenland und in Rom Plebiszite durchgeführt (bei denen allerdings bei weitem nicht alle Bürger ein Stimmrecht hatten). Als Instrumente der Demokratie gewannen Volksabstimmungen in Europa seit 1848 an Bedeutung. So spielten sie in dem langen Kampf für die Unabhängigkeit und Einigung Italiens eine wichtige Rolle (siehe Risorgimento). Eine erwähnenswerte Volksabstimmung gab es 1852 in Frankreich; mit ihr wollte Napoleon III. den Anschein erwecken, als habe der Staatsstreich, mit dem er die Republik gestürzt und das Zweite Kaiserreich gegründet hatte, die Zustimmung des Volkes gewonnen. Im 20. Jahrhundert führten Volksabstimmungen z. B. 1905 zur Abspaltung Norwegens von Schweden und 1935 zum Anschluss des Saarlandes an Deutschland. Zentrale Bedeutung hat das Instrument der Volksabstimmung in der Schweiz (siehe Referendum). Auch in Österreich sind Volksentscheide über Änderungen der Verfassung (so genanntes obligatorisches Referendum) oder einzelner Gesetze (fakultatives Referendum) vorgesehen sowie als zusätzliche Möglichkeit das Volksbegehren (in der Schweiz: Volksinitiative), bei dem Gesetzesinitiativen zur plebiszitären Abstimmung vorgelegt werden (auf Verlangen von mindestens 100 000 Stimmberechtigten oder je einem Sechstel der Stimmberechtigten von drei Bundesländern). Öffentlichkeitswirksam eingesetzt wurde das Instrument Volksbegehren etwa von dem Rechtspopulisten Jörg Haider 2002 bei dem für ihn erfolgreich ausgegangenen Volksbegehren gegen das tschechische Kernkraftwerk Temelin, das jedoch keine Konsequenzen zeitigte. Das so genannte ,,Kirchen-Volksbegehren" von 1995 in Österreich übertrug das basisdemokratische Prinzip auf den Dialog mit der Amtskirche (und forderte vor dem Hintergrund sexueller Verfehlungen kirchlicher Würdenträger die Abschaffung des Zölibats sowie eine neue Sexualmoral und die Zulassung von Frauen in Kirchenämtern). In der Schweiz entschied sich die stimmberechtigte Bevölkerung z. B. im März 2002 (mit knapper Mehrheit) für den Beitritt ihres Landes zu den Vereinten Nationen; 1986 hatte sie noch dagegen gestimmt; einen Beitritt der Schweiz zur Europäischen Union (EU) lehnte sie jedoch ab (2001), ebenso wie zuvor schon den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (1992). 2002 stimmten die Schweizer mit deutlicher Mehrheit für die Einführung einer Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch; die Abschaffung der Armee jedoch lehnten sie 2001 ein zweites Mal nach 1989 mit großer Mehrheit ab. Weitere Beispiele zur Wirksamkeit von Volksabstimmungen aus jüngerer Zeit sind die Legalisierung der Ehescheidung in Irland (1995, nach einem ,,erfolglosen" ersten Referendum 1986), die Abstimmung in der kanadischen Provinz Quebec über die (schließlich mit knapper Mehrheit abgelehnte) Gründung eines eigenen französischsprachigen Staates (1995) und das Nein der Norweger zu einem EU-Beitritt (1994). Aber nicht nur EU-Beitritte wurde durch Volksabstimmungen verhindert wie im Falle der Schweiz und Norwegens, sondern auch der Integrationsprozess innerhalb der EU erfuhr durch Referenden Verzögerungen, wie etwa durch die Ablehnung des Vertrags von Maastricht (1992) und der Euro-Einführung (2000) durch Dänemark (nach Modifikationen stimmte Dänemark dem Maastricht-Vertrag 1993 zu) oder die anfängliche Ablehnung des Nizza-Vertrags durch Irland (2001), das dann allerdings in einer zweiten Abstimmung (2002) den Vertrag annahm. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. 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