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Afghanistan - geographie.

Publié le 06/06/2013

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Afghanistan - geographie. 1 EINLEITUNG Afghanistan (amtlich Islamische Republik Afghanistan), Binnenstaat in Südasien, grenzt im Norden an Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan, im Osten an China und Pakistan, im Süden an Pakistan und im Westen an den Iran. Die Fläche Afghanistans beträgt 652 225 Quadratkilometer. Hauptstadt des Landes ist Kabul. 2 PHYSISCHE GEOGRAPHIE Afghanistan ist ein ausgesprochenes Gebirgsland, das über keinen direkten Zugang zum Meer verfügt. Hauptgebirgssystem des Landes ist der Hindukusch, der sich mit seinen Ausläufern über etwa 1 000 Kilometer Länge erstreckt; er reicht vom Pamir, einem Gebirgszug im Nordosten, bis in die Nähe der westlichen Landesgrenze. Die mittlere Höhe des Hindukusch liegt bei circa 4 270 Metern, im äußersten Nordosten Afghanistans liegt der Nowshak, mit 7 485 Metern der höchste Berg des Landes. An mehreren Stellen durchziehen Pässe die Gebirge Afghanistans und erleichtern damit die Zugänglichkeit des Landesinneren, wie auch die Verbindung zu benachbarten Ländern. Der einzige Pass im Hindukusch, der unterhalb 3 000 Meter liegt, ist der Shibar-Pass (2 987 Meter). Er verbindet die Region um Kabul mit den nördlichen Landesteilen. Der bekannteste Gebirgspass ist der historisch bedeutsame Khyber-Pass an der nordöstlichen Grenze, der das Sulaimangebirge quert und einen natürlichen Zugang nach Pakistan bildet. Nach Westen hin fällt der Hindukusch allmählich ab. Die Niederungen im Norden werden von Flüssen durchzogen und leiten zu den zentralasiatischen Steppen über. Im Süden und Südwesten Afghanistans sind abflusslose Wüstenregionen entwickelt. 2.1 Flüsse und Seen Die afghanischen Flüsse haben als Gebirgsflüsse eine hohe Erosionskraft. Der Amudarja ist Grenzfluss zu Tadschikistan. Der Kabul fließt nach Osten in den Indus. Der Hilmend im Süden, der längste Fluss des Landes, und der Heri-Rud im Westen münden in abflusslose Becken. 2.2 Klima Die Höhenerstreckung beeinflusst das Klima in hohem Maß. Es reicht von Kontinentalklima mit hohen Temperaturschwankungen im Jahresverlauf im zentralen Hochland über Hochgebirgsklima bis zu subtropischen Bedingungen im Südosten und Osten. In Kabul betragen die mittleren Temperaturen 25 °C im Juli und -3 °C im Januar. In Wüstenregionen können sommerliche Extremwerte von 50 °C erreicht werden, im Hindukusch sind winterliche Tiefstwerte um -25 °C keine Seltenheit. Afghanistan ist ein relativ trockenes Land; die Niederschläge liegen im Jahresdurchschnitt landesweit bei etwa 300 Millimetern. Während die Trockengebiete weniger als 100 Millimeter erhalten, verzeichnen die Hochgebirge Jahresniederschläge bis etwa 1 300 Millimeter. Die Hauptregenzeit dauert von Oktober bis April. In den Wüsten und den trockenen Ebenen kommt es häufig zu Sandstürmen. 2.3 Flora und Fauna Die Vegetation des Landes entspricht ungefähr der Ausbildung der Klimazonen. Die Pflanzenwelt Afghanistans gleicht sowohl derjenigen Tibets und der Himalaya-Region als auch derjenigen der Ebenen und Wüsten des Mittleren Ostens. Zedern-, Kiefern- und andere Nadelwälder sind auf Höhen zwischen etwa 1 800 Metern und 3 700 Metern anzutreffen. Aufgrund von Rodungen nehmen die Wälder nur noch 3 Prozent der Landesfläche ein. In niedrigeren Höhen finden sich Sträucher und Bäume wie Hasel, Pistazie, Esche, Wacholder und Tragant. Unterhalb von 900 Metern besteht die Vegetation hauptsächlich aus Kräutern und Sträuchern. Insbesondere in den tiefer gelegenen Steppen wurde die natürlich vorkommende Fauna durch Besiedlung und Landwirtschaft weitgehend zurückgedrängt. Zu den einheimischen Tierarten gehören die Großraubtiere Braunbär, Wolf, Schneeleopard, Goldschakal und Streifenhyäne; weitere bemerkenswerte Säuger sind Bezoarziege, Kropfgazelle und Weißschwanz-Stachelschwein. In Afghanistan wurden etwa 380 Vogelarten nachgewiesen, ungefähr 200 als Brutvögel. Greifvögel sind u. a. durch mehrere Arten von Adlern (Habichts-, See-, Stein- und Kaiseradler) und Geiern (Gänse-, Mönchs- und Schmutzgeier) repräsentiert. Zu den ökologisch interessanten Gebieten gehören Überreste der traditionellen Jagdreviere, drei Tierschutzgebiete und ein Nationalpark, der allerdings nie einen offiziellen Status besaß. Vor dem Bürgerkrieg wurde er vom Ministerium für Forstwirtschaft und der afghanischen Tourismusorganisation gemeinsam verwaltet. Damals entstanden Pläne zur Einrichtung verschiedener Schutzgebiete, und mit Unterstützung des Iran fanden Mitarbeiterschulungen statt. In den siebziger Jahren erhielt das Land internationale Hilfe von den Vereinten Nationen und dem World Wide Fund for Nature (WWF). Diese Organisationen erstellten Umweltstudien und Strategien zum Artenschutz. 1991 waren zwei Tierschutzgebiete und der Nationalpark anerkannte Schutzzonen, die jedoch wenig bzw. nicht schutzwürdig waren. Die noch vorhandenen Teile des ursprünglichen Waldes stellen künftige potentielle Naturreservate dar. Afghanistan hat internationale Abkommen über bedrohte Arten, Umweltveränderungen, Entsorgung von Abfällen im Meer und Atomtests unterzeichnet. 3 BEVÖLKERUNG Der überwiegende Teil der Bevölkerung Afghanistans gehört einer der vier großen ethnischen Gruppen der Paschtunen, der Tadschiken, der Usbeken und der Hazara an. Die Paschtunen (Afghanen), die sich in die beiden Untergruppen der Durani und der Ghilzai gliedern, stellen die größte Gruppe, gefolgt von den Tadschiken, einer Volksgruppe iranischer Abstammung, und den Hazara und Usbeken sowie einer Reihe kleinerer Ethnien. Die Einwohnerzahl beträgt etwa 32,74 Millionen (2008). Die Bevölkerungsdichte liegt bei 51 Einwohnern pro Quadratkilometer (2008). Die Verstädterungsrate ist gering; etwa 77 Prozent der Bevölkerung leben auf dem Land (2003), annähernd 2,6 Millionen führen das Leben von Nomaden. Hauptstadt Afghanistans ist Kabul, eine Stadt mit etwa 2,96 Millionen Einwohnern. Weitere bedeutende Städte sind die Handelszentren Kandahar (226 000 Einwohner) und Herat (177 000 Einwohner), das für die Vielzahl seiner alten Moscheen und Paläste bekannt ist. 3.1 Sprache Amtssprachen sind Paschtu, eine indoiranische Sprache, und Dari, wie die persische Sprache in Afghanistan heißt. Daneben existieren entsprechend der Vielfalt ethnischer Gruppen weitere Sprachen und Dialekte. In Provinzen, wo eine Mehrheit weder Paschtu noch Dari, sondern eine Regionalsprache spricht, ist diese Sprache die dritte Amtssprache. Englisch wird als Handelssprache verwendet. Von den vielen gesprochenen Sprachen sind die Turksprachen (Turkmenisch, Usbekisch und Kirgisisch) im Norden am weitesten verbreitet. 3.2 Religion Mehr als 99 Prozent der Bevölkerung Afghanistans sind Muslime. Sie gehören überwiegend der sunnitischen Glaubensrichtung an (etwa 84 Prozent der Bevölkerung). Die Persisch sprechenden Hazara im Westen bilden eine schiitische Minderheit (14 Prozent). In einigen Städten gibt es kleinere Gruppen von Juden, Hindus und Parsen. Die Grabmoschee des Kalifen Ali in Mazar-i-Sharif ist die bedeutendste muslimische Wallfahrtsstätte. Sie darf von Andersgläubigen nicht betreten werden. 3.2.1 Feiertage Die weltlichen Feiertage in Afghanistan umfassen den Siegestag der muslimischen Nation (28. April), den nationalen Gedenktag (4. Mai) und den Unabhängigkeitstag (Jashn, am 18. August). Das Jashn-Fest erinnert an die Befreiung des Landes von der britischen Herrschaft im Jahr 1919 und dauert eine ganze Woche. Alle bedeutenden islamischen Feiertage richten sich nach dem Mondkalender und fallen daher jedes Jahr auf ein anderes Datum. Der Ramadan ist der Fastenmonat der Muslime. Der erste Tag des Fastenmonats ist ein Feiertag, ebenso die letzten drei Tage, die als das Fest Aid-e-fitr gefeiert werden. Nauroz, das islamische Neujahr, beginnt am ersten Frühlingstag, der auf einen Tag um den 21. März fällt. Ebenfalls wichtige islamische Feiertage sind Aid-e-ada, das an die Bereitschaft Abrahams, auf Allahs Befehl hin seinen einzigen Sohn zu opfern, erinnert, Aschura, ein Festtag der Schiiten zum Gedenken an den Märtyrer Husain, und Roze-Maulud, der Geburtstag des Propheten Mohammed. 4 BILDUNG UND KULTUR Die nahezu ein Vierteljahrhundert währenden Kriege und die jahrelange Herrschaft der Taliban haben auch in den Bereichen Bildung und Kultur die Infrastruktur weitgehend verwüstet. Nach der Entmachtung der Taliban und der Einsetzung einer Übergangsregierung Ende 2001 hat das Land mit dem Wiederaufbau begonnen. Wegen der weiterhin unsicheren Lage ist dieser Aufbau aber mit großen Schwierigkeiten verbunden. Afghanistan ist dabei sehr stark auf internationale Hilfen in Form von finanziellen Zuwendungen wie auch personeller Unterstützung angewiesen. Die Informationen dieses Abschnitts beziehen sich zumeist auf die allgemeinen Verhältnisse vor oder während der Herrschaft der Taliban. Für die Entwicklung seit Anfang 2002 liegen kaum verlässliche Informationen vor. 4.1 Bildung und Schulwesen Obwohl der Besuch der Grundschule kostenlos ist und eine allgemeine Schulpflicht von 6 Jahren besteht, beträgt der Alphabetisierungsgrad nur 36,3 Prozent (2000; männlich 51 Prozent, weiblich 20,8 Prozent). Nach Schätzungen besucht nur etwa ein Viertel der Kinder eine Schule. Auf dem Land existieren häufig keine Schulen; es wird unter freiem Himmel unterrichtet. An höheren Bildungsinstitutionen sind ungefähr 10 000 Studenten eingeschrieben. Die Universität Kabul, die 1932 gegründet wurde, ist die bedeutendste Hochschule des Landes. Die kleinere Universität Nangarhar (gegründet 1962) liegt in Jalalabad. Ferner gibt es in Kabul eine Handelsschule (gegründet 1943), die Polytechnische Hochschule Kabul (gegründet 1968) und die Universität für Islamische Studien (gegründet 1988). Schulen und Hochschulen wurden während der Kriege durchweg stark beschädigt und mussten ihre Lehrtätigkeiten einschränken. Mit dem im März 2002 beginnenden Schuljahr durften erstmals nach dem Ende der Talibanherrschaft auch wieder Mädchen die Schule besuchen. Die Wiedereröffnung des Goethe-Instituts in Kabul ist geplant. 4.2 Bibliotheken und Museen Die wenigen großen Bibliotheken liegen in der Hauptstadt Kabul. Das Kabul Museum war eine der bedeutendsten Kultureinrichtungen des Landes. Da Afghanistan über Jahrhunderte am Kreuzungspunkt wichtiger Handelsrouten lag (siehe unten), konnte das Kabul Museum einheimische Kulturschätze verschiedener Herkunft sammeln, u. a. beherbergte es eine der weltweit größten Ausstellungen antiker griechischer und römischer Münzen, die in der Nähe von Kabul gefunden worden waren. 1993 wurde das Museum bei einem Bombenangriff zerstört; ein Großteil der wertvollen Exponate wurde dabei vernichtet oder in der Folge von Plünderern entwendet, darunter auch die 1939 entdeckte Bagram-Sammlung mit reichen Funden aus der Zeit der Kuschan-Dynastie. Insgesamt gingen etwa 90 Prozent der Stücke verloren. Im März 2001 zerstörten die Taliban die bis dahin erhaltenen buddhistischen Statuen aus den Beständen des Museums. 4.3 Literatur Literatur wird traditionell mündlich überliefert. Die alte Kunst des Geschichtenerzählens existiert in Afghanistan noch immer, was größtenteils eine Folge des geringen Alphabetisierungsgrades ist. Die Gesellschaft für Afghanische Geschichte und die Paschto-Akademie veröffentlichen Literaturzeitschriften und fördern afghanische Schriftsteller. 4.4 Kunst und Musik Afghanistan lag in seiner Geschichte immer wieder im Übergangsbereich zwischen westlichen und östlichen Kulturkreisen. So entwickelte sich hier um die Mitte des 1. vorchristlichen Jahrtausends eine griechisch-indische Mischkultur, die in der Gandhara-Kultur ihren Höhepunkt fand. Später lag Afghanistan im Einzugsbereich der Seidenstraße (siehe zentralasiatische Kunst und Architektur). Die ältesten Zeugnisse höher entwickelter Zivilisation gehen auf die Geoksjur-Quetta-Kultur im 4. und 3. Jahrtausend v. Chr. zurück, die bereits Techniken der Gold- und Silberverarbeitung beherrschte. Ausgrabungen in Altin und Dahan-i Ghulaman brachten Bauten im 2. Jahrtausend v. Chr. eingewanderter Völker zu Tage. Nach den Eroberungszügen Alexanders des Großen dominierte mehrere Jahrhunderte der griechische Kultureinfluss. Im Süden des Territoriums brachten die indischen MauryaRegenten im 3. Jahrhundert v. Chr. die buddhistische Kultur zur Geltung. Grabbeigaben aus dieser Zeit zeigen Merkmale griechischer, römischer und indischer Kunst. Derartige Artefakte, Mischformen verschiedener Kulturkreise, entstanden auch während der Kuschan-Dynastie, die vom 2. bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. herrschte und die so genannte Gandhara-Kunst hervorbrachte. Bedeutende Denkmäler aus dieser Zeit sind der Tempel von Surkh Kotal, die mittlerweile zerstörten Felsskulpturen von Bamian (siehe unten) mit riesigen Buddha-Figuren und die opulent gestalteten Klöster in Hadda und Fondukistan. Nach dem Vordringen der Araber begann ab dem 7. Jahrhundert der Einfluss der islamischen Kultur, im 10. Jahrhundert war die Region fast vollständig islamisiert. Bemerkenswerte Bauten, die während der Herrschaft der Araber entstanden, sind u. a. der Palast in Lashkar-i Bazar sowie die Minarette in Ghazna und Jam. Letzteres wurde 2002 in die Liste des UNESCO Weltkulturerbes aufgenommen. Einen Bruch im kulturellen Leben der Region bedeutete der Einfall der Mongolen im 13. Jahrhundert, die bis Ende des 14. Jahrhunderts dominierten. Während der Regentschaft des Sultans Shah Rokh entstanden in den kulturellen Zentren Herat, Balkh und Mazar-i-Sharif prunkvolle Großbauten. Auch die Buchkunst erlebte eine Blütezeit. Im 16. Jahrhundert fiel der Osten des Landes an die Safawiden, der Westen an die indischen Moguln, ehe sich im 18. Jahrhundert die afghanischen Paschtunen durchsetzten, die eine Reihe von Moscheen und Mausoleen hinterließen. Die folgenden Jahrzehnte erbrachten keine Kulturleistungen von vergleichbar hohem künstlerischem Rang. Nach 1980 entstand in Kabul eine Nationalgalerie mit Arbeiten moderner afghanischer Künstler. Das kulturelle Leben Afghanistans wird von traditionellen Künsten und Bräuchen geprägt. Gold- und Silberschmuck, Stickereien, Elfenbein- und Holzschnitzereien, Decken und Teppiche im persischen Stil sowie verschiedenste Lederartikel entstehen noch immer in Heimarbeit. Die traditionelle Musik wird durch Volkslieder, Balladen und Tänze repräsentiert. Nationaltanz ist der Attan. Die Taliban gingen während ihrer Herrschaft rücksichtslos gegen alle kulturellen Äußerungen und Zeugnisse vor, die nicht ihrem islamistischen Selbstverständnis entsprachen. Trauriger Höhepunkt ihres Vernichtungsfeldzuges war die Zerstörung der beiden Monumentalstatuen des Buddha in Bamian. Diese Figuren waren Bestandteil eines ehemaligen, größeren Klosterkomplexes, der zwischen dem 4. und dem 6. Jahrhundert n. Chr. entstand. Die Statuen galten als herausragende Zeugnisse der späten Gandhara-Kultur. Auch im Museum Kabul zerstörten die Taliban die buddhistischen Statuen. 4.5 Medien und Kommunikation An das Telefonnetz sind alle wichtigen Großstädte und auch kleinere Städte angeschlossen. Die staatlich kontrollierte Nachrichtenagentur Bakhtar Information Agency (BIA) wurde 1939 gegründet. Bis 1986 gab es mehr als zehn landesweit erscheinende Zeitungen und annähernd 20 regionale Blätter. Die Aufrechterhaltung und Entwicklung der informationstechnologischen Infrastruktur wurde durch die Kriege stark gehemmt und brach zeitweise ganz zusammen. 4.6 Soziales Die Regierung hat ihre Anstrengungen verstärkt, für das Wohlergehen des Volkes zu sorgen. Ein medizinisches Programm zur Bekämpfung ansteckender Krankheiten wird gerade durchgeführt. Trotzdem bleiben die Gesundheitsbedingungen schlecht. Die Kindersterblichkeit ist hoch (155 Sterbefälle pro 1 000 Lebendgeburten), und die mittlere Lebenserwartung liegt bei nur 44,2 Jahren (2008). 5 VERWALTUNG UND POLITIK Die Vorgängerin der aktuellen Verfassung Afghanistans stammt aus dem Jahr 1987. Allerdings existierte die Verfassung nach der Verhängung des Ausnahmezustandes 1989 und nach dem Sturz der Regierung Najibullah 1992 sowie insbesondere nach der Übernahme der Macht durch die Taliban 1996 nur noch auf dem Papier. Die Taliban suspendierten alle bis dahin noch vorhandenen Verfassungsorgane, errichteten ein islamistisches Regime und beherrschten das Land durch eine sechsköpfige Regierung. Nach dem Fall des Taliban-Regimes im November 2001 leiteten die Vertreter von vier relevanten afghanischen Gruppierungen auf der von den Vereinten Nationen initiierten und geleiteten Afghanistan-Konferenz vom 27. November bis zum 5. Dezember 2001 in einem Abkommen die politische Reorganisation des Landes und die Errichtung demokratischer Strukturen in die Wege. Am Beginn dieses auf zwei Jahre angelegten Prozesses stand die Einsetzung einer Interimsverwaltung, die sich u. a. aus einer 29-köpfigen Interimsregierung mit einem Vorsitzenden an ihrer Spitze, der Unabhängigen Sonderkommission für die Einberufung einer außerordentlichen Loya Jirga, der traditionellen afghanischen Ratsversammlung, sowie dem Obersten Gerichtshof zusammensetzte und am 22. Dezember 2001 die Arbeit aufnahm. Bis zur Verabschiedung einer neuen Verfassung wurde die demokratische Verfassung von 1964 wieder in Kraft gesetzt mit Ausnahme der die Monarchie und ihre Organe betreffenden Bestimmungen. Im Juni 2002 trat die außerordentliche Loya Jirga zusammen, die von der Unabhängigen Sonderkommission vorbereitet worden war. Diese Loya Jirga bestimmte eine Übergangsverwaltung einschließlich Übergangsregierung und Staatsoberhaupt. Mit der Einsetzung der Übergangsregierung im Juni 2002 stellte die Interimsverwaltung ihre Arbeit ein. Die Übergangsregierung wiederum soll einer aus freien, demokratischen Wahlen hervorgegangenen Regierung weichen; die Ausarbeitung einer neuen Verfassung als Vorbedingung für die Durchführung freier Wahlen oblag einer verfassunggebenden Loya Jirga, die nach dem Zusammentreten der Übergangsregierung einberufen wurde. Am 4. Januar 2004 verabschiedete die Loya Jirga die neue Verfassung für Afghanistan; am 26. Januar trat sie in Kraft. Nach dieser neuen Verfassung ist Afghanistan eine ,,Islamische Republik". Der Islam ist Staatsreligion, zugleich aber wird den Anhängern anderer Religionen das Recht auf Ausübung ihres Glaubens garantiert. Die neue Verfassung folgt in großen Teilen demokratischen und liberalen Wertvorstellungen des Westens, gesteht z. B. Männern und Frauen gleiche Rechte zu, verbietet jede Art von Diskriminierung und trägt der ethnischen Vielfalt im Land u. a. dadurch Rechnung, dass in Provinzen, wo eine Mehrheit weder Paschtu noch Dari, sondern eine Regionalsprache spricht, diese als dritte Amtssprache anerkannt wird. Die Scharia, die islamische Rechtsprechung, die unter den Taliban rigoros gehandhabt wurde, fand keinen Eingang in die Verfassung und hat damit keinen Einfluss mehr auf Gesetzgebung und Rechtsprechung. Die Exekutive liegt nach der neuen Verfassung in den Händen eines mit weit reichenden Vollmachten ausgestatteten Präsidenten. Der Präsident ernennt die Minister; einen Ministerpräsidenten gibt es nicht, dafür aber - auch das ein Zugeständnis an die ethnische Vielfalt des Landes - zwei Stellvertreter des Präsidenten. Das Parlament setzt sich aus zwei Kammern zusammen: dem von der Bevölkerung gewählten ,,Haus des Volkes" (Wolesi Jirga) und dem ,,Haus der Ältesten" (Meschrano Jirga). Das ,,Haus des Volkes" kann über Ministerernennungen des Präsidenten abstimmen und Amtsenthebungsverfahren gegen sie einleiten. 6 WIRTSCHAFT Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die Wirtschaft des Landes wurde durch jahrzehntelange Kriege und politische Instabilität nachhaltig geschwächt. Die Grundlage der afghanischen Wirtschaftsstruktur bildet die Landwirtschaft, die in früheren Zeiten die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sicherte und auch einen Überschuss für den Export produzierte. Krieg, Misswirtschaft und Dürrekatastrophen brachten die Agrarwirtschaft jedoch in weiten Teilen zum Erliegen. Die Wiederbewirtschaftung früherer Agrarflächen wird durch Landminen und Schäden an den Bewässerungssystemen erschwert. Industrieanlagen und Infrastruktur wurden während der Kriege zu großen Teilen zerstört und seither nur in geringem Umfang wieder aufgebaut. Nicht zuletzt die prekäre Sicherheitslage, Korruption sowie ungeklärte Eigentumsfragen standen einem zügigen Wiederaufbau der Wirtschaft entgegen. Eine wichtige Einnahmequelle Afghanistans ist der Handel mit Opium: Laut UN-Drogenkontrollprogramm (UNDCP) lieferte das Land vor dem Verbot des Schlafmohn-Anbaus durch die Taliban 1999 rund drei Viertel der Weltproduktion. Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im November 2001 wurde der Anbau jedoch wieder aufgenommen, und schon 2002 wurden in Afghanistan nach Angaben des Internationalen Suchtstoffkontrollrates der Vereinten Nationen (INCB) 3 600 Tonnen Opium produziert, ebenso viel wie vor dem Anbauverbot. 2006 stieg die afghanische Opiumproduktion auf 6 100 Tonnen. Mit dem Opiumhandel erwirtschaftete Afghanistan, der weltweit größte Opiumproduzent, etwa ein Drittel seines Bruttoinlandsproduktes. Programme zur Umstellung des Anbaus von Schlafmohn auf Getreide oder Baumwolle fruchteten nichts; immerhin lässt sich mit dem Anbau von Schlafmohn mehr als 15-mal so viel verdienen wie etwa mit Getreide. 6.1 Landwirtschaft Trotz des trockenen Klimas und des gebirgigen Charakters liegt das größte Potential des Landes in der landwirtschaftlichen Nutzung. Ungefähr 70 Prozent der Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft. Sie prägt die Wirtschaft des Landes, wenn auch die Produktivität der kleinen Betriebe sehr gering ist. Etwa 12,1 Prozent der Landesfläche werden ackerbaulich genutzt; charakteristisch sind Bewässerungsfeldbau und Weideviehwirtschaft. Die wichtigsten Agrarerzeugnisse sind Weizen, Mais, Reis, Gerste, Obst (Trauben, Melonen), Baumwolle und Zuckerrüben. Die überwiegend nomadische Viehhaltung (Schafe, Ziegen) hat einen Anteil von 25 Prozent an der gesamten Agrarproduktion. Fleisch und Wolle werden für den heimischen Markt, aber auch für den Export produziert. Das Fell der Karakulschafe, die im Norden Afghanistans in großer Zahl gehalten werden, ist vor allem auch im Ausland hoch geschätzt. Der Viehbestand umfasst außerdem Kamele, Pferde, Esel, Rinder und Geflügel. Weite Teile des Landes werden allerdings zu stark beweidet und leiden unter Bodenerosion, durch die fast ein Drittel des ehemaligen Ackerlandes zerstört wurde. 6.2 Bergbau Obwohl das Land über verschiedene Bodenschätze verfügt, wurde bislang nur Erdgas in großem Umfang gefördert. Nennenswerte Erdgaslagerstätten liegen im Norden des Landes und sind mit Hilfe der Sowjetunion bzw. der GUS erschlossen worden. Der überwiegende Teil der Fördermengen ging über Pipelines in die GUS, jedoch kam die Förderung kriegsbedingt zum Erliegen. Neu entdeckte Erdgasfelder sollen mittelfristig nutzbar gemacht werden. Ebenfalls im Norden gibt es Erdölvorkommen, die sich aber als wirtschaftlich nicht ergiebig genug erwiesen. Vielversprechender scheinen dagegen jüngst entdeckte Eisenerz- und Kupfererzvorkommen zu sein. Sie sollen mit ausländischer Hilfe erschlossen werden. Die afghanischen Vorkommen an Lapislazuli (u. a. in Badakhshan) gehören zu den weltweit bedeutendsten Fundorten dieses Edelsteins. Weitere Bodenschätze sind u. a. Steinkohle, Steinsalz, Schwefel, Blei, Zink und Uran sowie Gold und Silber. 6.3 Industrie Während des Krieges wurden die meisten Produktionsbetriebe zerstört, und nur wenige wurden seither wieder aufgebaut. Neben der Textil-, Leder- und Nahrungsmittelindustrie gibt es einige Chemiefabriken sowie ein Düngemittel- und ein Zementwerk. Ein Großteil der Produktionsanlagen ist jedoch nicht betriebsbereit oder kann nur kleine Mengen erzeugen. Eine nennenswerte Produktion von Industriegütern für den Export gibt es nicht. In Afghanistan dominiert das Handwerk, vor allem die Teppich-, Lederwaren- und Schmuckherstellung. 6.4 Außenhandel Die Handelsbilanz ist negativ. Der offizielle Außenhandel wird durch staatliche Institutionen (Handelsministerium, Handelskammer) koordiniert; daneben nahm im Lauf der Zeit der Schmuggel überhand. Afghanistan ist insbesondere vom Import von Nahrungsmitteln (Weizen), Konsumgütern und Erzeugnissen der Erdölindustrie sowie von der Einfuhr von Energie und Kapital abhängig. Nicht erfasst ist der außerordentliche Handel mit Opium und Opiumprodukten. Zu den Exportgütern gehören Produkte des verarbeitenden Gewerbes, Edelsteine, Teppiche, Wolle, Häute und Felle. Wichtige Handelspartner sind, neben Pakistan und den Vereinigten Arabischen Emiraten, einige Nachbarländer, ASEAN-Staaten sowie Länder der EU (u. a. Deutschland und Großbritannien). 6.5 Währung und Bankwesen Die Landeswährung Afghanistans ist der Afghani zu 100 Puls. Offiziell ist der Wechselkurs des Afghani an den US-Dollar gekoppelt; 1 US-Dollar entspricht etwa 50 Afghani. Die Afghanische Zentralbank (gegründet 1939) gibt sämtliche Banknoten aus, vergibt Staatsanleihen und verleiht Geld an Städte und andere Banken. Sämtliche Privatbanken in Afghanistan wurden 1975 verstaatlicht; ausländische Banken sind im Land nicht tätig. 6.6 Verkehr Der Verkehr in Afghanistan wird durch das zerklüftete Gelände stark eingeschränkt. Das Land besitzt ein etwa 34 782 Kilometer umfassendes Straßennetz (2004), das meist unbefestigt ist. Wichtige Landstraßen verbinden Kabul mit den Provinzhauptstädten. Der Zugang nach Pakistan ist durch den Khyber-Pass gewährleistet. Der schlechte Zustand der Straßen ist ein allgegenwärtiges Problem, auch verursacht durch häufig auftretende Unterspülungen. Die schmalen, schnell fließenden Flüsse sind nicht schiffbar und werden hauptsächlich für den Holztransport genutzt. Das Land verfügt über zwei internationale Flughäfen in Kabul und Kandahar sowie über mehr als 40 weitere Flugplätze. Ariana Afghan Airlines ist die nationale und internationale Luftfahrtgesellschaft des Landes. 6.7 Energie 69,6 Prozent des Stromes werden in Afghanistan von Wasserkraftwerken erzeugt (2003), von denen die größten an den Flüssen Hilmend und Kabul liegen; daneben tragen Wärmekraftwerke zur Energieversorgung bei. Der Energiebedarf kann jedoch nicht gedeckt werden. 7 GESCHICHTE Das Gebiet des heutigen Afghanistan war, wie Funde belegen, spätestens ab dem Mesolithikum besiedelt, und ab etwa 2000 v. Chr. lassen sich auch feste Siedlungen einschließlich Palästen und Tempelanlagen nachweisen. Ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. gehörte die Region zum Perserreich der Achaimeniden, bis sie 330 v. Chr. einschließlich des Perserreiches von Alexander dem Großen erobert wurde. Nach dessen Tod 323 v. Chr. fiel die Region an das Seleukidenreich, wurde jedoch wenig später teilweise von dem indischen König Candragupta erobert. Im Norden des Landes, in Baktrien, etablierte sich eine weitere griechische Dynastie und errichtete einen eigenen Staat, der von 256 v. Chr. bis etwa 130 v. Chr. Bestand hatte. Dieses Graecobaktrische Reich wich dann der Herrschaft von Saken und Tocharern. Im 1. Jahrhundert n. Chr. breitete sich der Buddhismus in der Region aus, die unterdessen zum Kuschan-Reich gehörte. Im frühen 5. Jahrhundert eroberten die Hephthaliten, die so genannten Weißen Hunnen, Afghanistan, wurden jedoch bald wieder von den persischen Sassaniden geschlagen, die wiederum Mitte des 7. Jahrhunderts von den Arabern verdrängt wurden. 7.1 Unter muslimischer und mongolischer Herrschaft Das Eindringen der muslimischen Araber hatte tiefgreifendere Auswirkungen auf Afghanistan als jeder andere fremdländische Einfluss zuvor. Es vergingen jedoch mehrere Jahrhunderte, bevor der Islam in ganz Afghanistan zur vorherrschenden Religion wurde. Denn zunächst konnten sich die Araber nur im Westen des Landes durchsetzen; der Osten einschließlich Kabuls kam erst im 10. Jahrhundert unter muslimische Herrschaft. Im späten 10. Jahrhundert setzten sich die türkisch-muslimischen Ghasnawiden in Afghanistan durch; ihr Zentrum war Ghasni, und unter ihrem bedeutendsten Herrscher, Mahmud von Ghasni, umfasste ihr Reich auch den Punjab. Die Ghasnawiden wurden Mitte des 12. Jahrhunderts von den einheimischen Ghuriden abgelöst, die ihre Herrschaft allmählich bis nach Nordindien ausdehnten, jedoch um 1220 von den Mongolen unter Dschingis Khan besiegt wurden. In der Folgezeit gehörte Afghanistan zum Reich der mongolischen Ilkhane, die ihrerseits im späten 14. Jahrhundert von Timur-i Läng (Tamerlan) besiegt und verdrängt wurden. Unter den nachfolgenden Timuriden zerfiel Afghanistan in mehr oder weniger unabhängige Teilreiche; im frühen 16. Jahrhundert brachten die persischen Safawiden den Westen, die Usbeken den Norden unter ihre Kontrolle, und der Süden und Südosten blieb unter der Herrschaft des Timuriden Babur, des Gründers des indischen Mogulreiches, der 1504 Kabul zu seiner Residenz machte. In der Folgezeit sahen sich sowohl die persischen Herrscher als auch die Babur nachfolgenden Moguln mit zunehmendem Widerstand der Afghanen gegen die Fremdherrschaft konfrontiert. 7.2 Afghanistan unter Ahmed Schah Im 17. Jahrhundert erstarkten die einheimischen Afghanen. 1722 eroberten sie Isfahan, die persische Hauptstadt. Nadir Schah unternahm jedoch eine Gegenoffensive und stellte bis 1738 die iranische Herrschaft über den Großteil Afghanistans wieder her. Nach Nadirs Tod - er wurde 1747 ermordet - wählten die afghanischen Stammesführer Ahmed Schah vom Stamm der Abdali zu ihrem Herrscher. Ahmed Schah errichtete ein afghanisches Großreich mit Kandahar als seinem Zentrum und dehnte es durch mehrere Kriegszüge bis nach Delhi im Osten und bis zum Arabischen Meer im Süden aus. Unter seinen Nachfolgern zerfiel das Reich jedoch infolge von inneren Konflikten und Angriffen von außen wieder. 1826 übernahm Dost Mohammed Khan die Herrschaft über Ostafghanistan; 1835 nahm er den Titel eines Emirs an. 7.3 Afghanistan im Interessenfeld auswärtiger Mächte Afghanistan lag in der Interessensphäre der Großmächte Russland und Großbritannien, das als Kolonialmacht das Afghanistan benachbarte Indien beherrschte; beide Großmächte fürchteten die Expansion der jeweils anderen nach Afghanistan, und Afghanistan suchte aus dem Spannungsfeld zwischen Russland und Großbritannien für sich möglichst großen Nutzen zu ziehen und seine Unabhängigkeit zu wahren. 7.3.1 Afghanisch-Britische Kriege Angesichts einer vermeintlich drohenden Annäherung Afghanistans an Russland ließ Großbritannien 1838 eine britisch-indische Armee in Afghanistan einmarschieren und löste damit den 1. Afghanisch-Britischen Krieg (1838-1842) aus. Die Invasoren stießen auf keine nennenswerte Gegenwehr und eroberten 1838 im April Kandahar und im Juli Ghasni. Als im August 1838 Kabul fiel und Dost Mohammed gegenüber den Briten kapitulierte, wurde Schah Schuja, ein Enkel von Ahmed Schah, auf den afghanischen Thron gesetzt. Im November 1841 unternahm Akbar Khan, ein Sohn von Dost Mohammed, einen erfolgreichen Aufstand gegen Schah Schuja und die britisch-indischen Garnisonen im Land. Eine britisch-indische Strafexpedition konnte für kurze Zeit die britische Vorherrschaft in Afghanistan wieder herstellen, aber im Dezember 1842 zogen die Briten dennoch wieder aus Afghanistan ab; Dost Mohammed bestieg wieder den Thron. Die Beziehungen zwischen Afghanistan und Britisch-Indien bzw. Großbritannien blieben angespannt, bis beide Seiten 1855 ein Friedensabkommen schlossen. Nach dem Tod Dost Mohammeds 1863 hielten Bruderkriege zwischen dessen Söhnen das Land in Aufruhr. Scheir Ali Khan (Regierungszeit 1863-1866 und 1869-1879), Dost Mohammeds drittältester Sohn und Nachfolger, weckte mit seiner russlandfreundlichen Politik erneut den Argwohn der Briten; im November 1878 marschierten wieder britisch-indische Streitkräfte in Afghanistan ein, um einer russischen Expansion nach Afghanistan zuvorzukommen. Im Verlauf des anschließenden 2. Afghanisch-Britischen Krieges (1878-1880) erlitten die Afghanen eine Reihe schwerer Niederlagen: Kabul und der ganze Süden des Landes wurden besetzt, der Emir wurde zur Abdankung gezwungen. Nach etwa einem Jahr zogen die Briten jedoch wieder aus Afghanistan ab. 7.3.2 Afghanistan unter britischem Einfluss 1880 übernahm Abd ur-Rahman (1880-1901), ein Enkel von Dost Mohammed, den Thron. Er bestätigte die durch seinen Vorgänger mit den Briten vereinbarte Abtretung des Khyber-Passes und anderer afghanischer Gebiete an Britisch-Indien, und er akzeptierte die Einflussnahme Großbritanniens auf Afghanistan, insbesondere auf dessen Außenpolitik. Im Inneren führte Abd ur-Rahman eine Reihe von Reformen durch, die das Staatswesen modernisierten, und gliederte die bisher weitgehend unabhängigen Stammesgebiete in den nun zentralisierten Staat ein. Zudem schuf er ein stehendes Heer und legte die Grenzstreitigkeiten mit Indien und Russland bei. Habib Ullah (1901-1919), der Sohn und Nachfolger von Abd ur-Rahman, setzte das Reformwerk seines Vaters im Inneren fort. 1907 verpflichteten sich Großbritannien und Russland in einem Abkommen zur beiderseitigen Anerkennung der Unverletzlichkeit des afghanischen Staatsgebiets. Im Februar 1919 wurde Habib Ullah Opfer eines Attentats. Den Thron übernahm sein Bruder Nasr Ullah Khan, der allerdings nach nur sechs Tagen von den afghanischen Stammesführern zugunsten seines Sohnes Aman Ullah (1919-1929) wieder abgesetzt wurde. Aman Ullah war entschlossen, sein Land der Einflusssphäre der Briten völlig zu entziehen, und erklärte im Mai 1919 Großbritannien den Krieg (3. Afghanisch-Britischer Krieg). Die Briten, zugleich mit der Unabhängigkeitsbewegung in Indien konfrontiert, konnten nur bedingt Erfolge erringen; im August 1919 handelten sie in Rawalpindi ein Friedensabkommen mit Afghanistan aus, in dem Großbritannien Afghanistan als souveränen und unabhängigen Staat anerkannte. 7.4 Modernisierung Aman Ullah nahm 1926 den Königstitel an. Beeindruckt von den an europäischen Vorbildern ausgerichteten Reformen in Persien und in der Türkei, unterzog er Afghanistan einer umfassenden Modernisierungspolitik, die vor allem die Bereiche Verwaltung, Soziales und Religion betraf. 1923 wurde eine neue Verfassung verabschiedet, die Afghanistan in einen modernen, zum Laizismus tendierenden Staat mit funktionierender Verwaltung umwandelte. Allerdings stießen Aman Ullahs Reformen sowohl bei der islamischen Geistlichkeit als auch bei den Stammesführern, deren Macht und Einfluss noch mehr als durch Abd ur-Rahmans Reformwerk eingeschränkt wurden, auf erheblichen Widerstand; es kam zu Aufständen, die Aman Ullah 1929 schließlich zur Abdankung zwangen. Nach einigen Monaten bürgerkriegsartiger Zustände besiegte Nadir Schah, Aman Ullahs Onkel, die Aufständischen und übernahm nun selbst die Regierung. Nadir Schah (1929-1933) stellte schrittweise die Ordnung im Königreich wieder her, suchte den Ausgleich mit den reformfeindlichen Kräften, verfolgte zugleich aber auch eine gemäßigten Reformkurs. 1931 wurde Afghanistan in eine konstitutionelle Monarchie umgewandelt. 1933 fiel Nadir Schah einem Attentat zum Opfer; sein Nachfolger auf dem Thron wurde sein gerade erst 19-jähriger Sohn Sahir Schah, dessen Regierung in der Folgezeit im Wesentlichen von seinem Cousin und späteren Schwager Mohammed Daud Khan bestimmt wurde. Auch Sahir Schah setzte die von Nadir Schah begonnenen Reformen fort und stellte enge Handelsbeziehungen zu Deutschland, Italien und Japan her. Zu Beginn des 2. Weltkrieges 1939 bekräftigte Sahir Schah die Neutralität Afghanistans; 1941 folgte er jedoch den Forderungen von Seiten Großbritanniens und der Sowjetunion und verwies mehr als 200 deutsche und italienische Repräsentanten des Landes. Im November 1946 wurde Afghanistan Mitglied der Vereinten Nationen. 7.5 Afghanistan unter Sahir Schah 7.5.1 Konflikt mit Pakistan Auslöser eines lange währenden Konflikts mit dem Nachbarland Pakistan war die Eingliederung der vorwiegend von Paschtunen bewohnten North-West Frontier Province in den 1947 unabhängig gewordenen Staat Pakistan. Pakistan ignorierte afghanische Forderungen nach einer Volksabstimmung in den paschtunischen Stammesgebieten zur Frage des Status bzw. der Zugehörigkeit der Provinz. Im Gegenzug stimmte Afghanistan 1947 gegen die Aufnahme Pakistans in die Vereinten Nationen. Das Verhältnis der beiden Länder blieb gespannt, insbesondere seit die Paschtunen 1949 mit Billigung der afghanischen Regierung eine Bewegung zur Gründung eines unabhängigen Staates ,,Paschtunistan" ins Leben riefen. In den fünfziger Jahren besserte sich das Verhältnis zwischen Pakistan und Afghanistan kurzzeitig. 1961 flammte der Paschtunistan-Konflikt jedoch erneut auf. 7.5.2 Krise und Ende der Monarchie 1963 setzt Sahir Schah seinen Cousin Mohammed Daud Khan ab, der seit 1953 als Ministerpräsident amtierte. 1964 verkündete der König eine neue Verfassung, die demokratischere und liberalere Strukturen einführte. Die ersten Parlamentswahlen auf der Grundlage der neuen Verfassung wurden im September 1965 abgehalten. Ende der sechziger Jahre hatte Afghanistan mit erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Lage verschlechterte sich noch durch drei Dürrejahre, denen Schätzungen zufolge 80 000 Menschen zum Opfer fielen. Bis 1973 unterstützten sowohl die Sowjetunion als auch die USA und China Afghanistan mit Hilfslieferungen. Im Juli 1973 wurde Sahir Schah durch einen von Daud geführten Militärputsch gestürzt; Daud übernahm als selbst ernanntes Staatsoberhaupt die Macht und rief die Republik aus. Anfang 1977 wurde eine neue Verfassung verabschiedet und Daud auf der Grundlage der neuen Verfassung in das mit großen Machtbefugnissen ausgestattete Amt des Präsidenten gewählt. Er ernannte ein bürgerliches Kabinett und behielt die Politik der Bündnisfreiheit des Landes bei. Sein zunehmend diktatorischer sowie gegenüber der Opposition repressiver Kurs und seine Abkehr von der Sowjetunion provozierte jedoch den Widerstand der kommunistischen Demokratischen Volkspartei. Zusammen mit gleich gesinnten Offizieren stürzte die Demokratische Volkspartei Daud im April 1978; Daud selbst kam während des Putsches ums Leben. 7.6 Unter sowjetischer Besatzung Die neuen Machthaber bildeten einen Revolutionsrat, der zunächst von Noor Mohammed Taraki und später, ab September 1979, von Hafizullah Amin geführt wurde. Sie setzten die Verfassung außer Kraft und oktroyierten dem Land eine kommunistische Staats- und Gesellschaftsordnung auf. Dies sowie das rigide Vorgehen der Regierung gegen Oppositionelle und vor allem die rücksichtslose Landreform von 1979 riefen jedoch den bewaffneten Widerstand der Bergstämme sowie verschiedener muslimischer Gruppen, zusammengefasst unter der Bezeichnung Mudschaheddin, gegen das neue zentralistische und antiislamische Regime hervor. Kurz bevor das Regime angesichts des breiten Widerstands und aufgrund interner Machtkämpfe zusammenzubrechen drohte, rückten am 27. Dezember 1979 sowjetische Truppen in Afghanistan ein; Grundlage hierfür bot der sowjetisch-afghanische Freundschaftsvertrag vom Dezember 1978. Auf Betreiben der sowjetischen Führung wurde Amin noch im Dezember 1979 gestürzt und durch Babrak Karmal, den 1978 abgesetzten Vizepräsidenten, als neuer Staats- und Parteichef ersetzt. Dessen Angebot an die Aufständischen, den afghanischen Traditionen und vor allem dem Islam stärker Rechnung zu tragen, stieß auf keine Resonanz; die Mudschaheddin setzten ihren Widerstand unvermindert fort. Nach ihrem Einmarsch hatten die über 100 000 Mann starken sowjetischen Truppen die wichtigsten Punkte Afghanistans besetzt und versuchten in der Folge zusammen mit afghanischen Regierungstruppen, den Widerstand der Mudschaheddin-Gruppen zu brechen. Bis Mitte der achtziger Jahre hatte der Afghanistan-Krieg etwa eine Million Tote gefordert und fünf Millionen Afghanen zur Flucht in die Nachbarländer Pakistan und Iran gezwungen, aber Regierung und sowjetischen Truppen war es nicht gelungen, ganz Afghanistan wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Der Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan hatte international heftige Kritik hervorgerufen und den Ost-West-Konflikt erneut verschärft; UN-Resolutionen, die die Sowjetunion zum sofortigen Rückzug aus Afghanistan aufforderten, sowie Boykottmaßnahmen der westlichen Industriestaaten gegenüber der Sowjetunion blieben jedoch wirkungslos. Zugleich unterstützten einige Staaten, allen voran die USA, den Widerstand finanziell und durch Waffenlieferungen, die erheblich dazu beitrugen, den Krieg in die Länge zu ziehen und einen Sieg der sowjetischen Truppen zu verhindern. 1986 löste Muhammad Najibullah Karmal an der Spitze von Staat und Partei ab. Angesichts des fortdauernden muslimischen Widerstands und der verheerenden Auswirkungen des Krieges kündigte er eine Politik der ,,nationalen Aussöhnung" an. Zugleich leitete der neue sowjetische Parteichef Michail Gorbatschow den allmählichen Rückzug der Sowjetunion aus dem seiner Ansicht nach zu kostspieligen und die Annäherung an den Westen verhindernden Krieg ein. Am 14. April 1988 unterzeichneten die Sowjetunion, die USA, die Regierung Najibullah und Pakistan ein von den UN vermitteltes Abkommen, das den Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan vorsah sowie den Abschluss eines afghanisch-pakistanischen Abkommens. Im Februar 1989 verließen die letzten sowjetischen Truppen Afghanistan. 7.7 Bürgerkrieg Auch nach dem Abzug der sowjetischen Truppen setzten die Widerstandsgruppen ihren Kampf gegen die Regierung Najibullah fort. Weder die Abkehr der Regierungspartei von ihrem Machtmonopol 1990 noch ein im Mai 1991 von den Vereinten Nationen vorgelegter und von der Regierung Najibullah angenommener Friedensplan, der u. a. die Konstituierung einer Übergangsregierung und in der Folge freie Wahlen vorsah, konnten die Lage beruhigen. Die Mudschaheddin brachten nach und nach fast ganz Afghanistan unter ihre Kontrolle, besetzten im April 1992 schließlich die Hauptstadt Kabul und stürzten die Regierung Najibullah. Die Mudschaheddin installierten einen ,,Islamischen Führungsrat" als Übergangsregierung, dessen Führung im Juni 1992 Burhanuddin Rabbani übernahm; im Dezember wurde Rabbani für zwei Jahre zum Staatspräsidenten einer Übergangsregierung gewählt. Zwar erklärte die Übergangsregierung, der nur fünf der neun maßgeblichen Mudschaheddin-Gruppen angehörten, den Bürgerkrieg für beendet; aber nun brach unter den verschiedenen Mudschaheddin-Gruppen, die bis vor kurzem noch gemeinsam gegen das kommunistische Regime gekämpft hatten, ein heftiger Kampf um die Macht aus, der das Land in einen neuen verheerenden Bürgerkrieg stürzte. Die Führung im Kampf gegen die Übergangsregierung übernahm der Paschtunenführer Gulbuddin Hekmatyar, der mit der schiitisch-fundamentalistischen Milizgruppe Hesbe-Islami sowie anderen Gruppierungen Ende 1992 die Hauptstadt Kabul unter Beschuss nahm, völlig blockierte und so im März 1993 ein Abkommen mit der Übergangsregierung erzwang, in dem ihm der Posten des Ministerpräsidenten zugesichert wurde. Am 17. Juni 1993 wurde die Regierung Hekmatyar vereidigt; die Vereinten Nationen erkannten die neue Regierung an. Am 27. September 1993 wurde eine Übergangsverfassung beschlossen, die bis zu den für Anfang 1994 geplanten Wahlen gelten sollte. Im Januar 1994 brach jedoch in Kabul der Kampf um die Macht erneut aus, und bis Mitte 1994 hatte sich der Bürgerkrieg auf weite Teile Afghanistans ausgedehnt. Rabbani beendete die Zusammenarbeit mit Hekmatyar, die geplanten Wahlen fanden nicht statt. In diesem neuen Bürgerkrieg fand Hekmatyar einen mächtigen Verbündeten in seinem ehemaligen Gegner, dem usbekischen Milizführer Abdul Rashid Dostum; Rabbani auf der anderen Seite wurde von Ahmed Schah Massud und dessen tadschikischer Miliz unterstützt. Entgegen den Vereinbarungen von 1992 trat Rabbani 1994 nicht zurück, suchte vielmehr seine Machtposition zu festigen und auszubauen. Infolge des Bürgerkrieges, in dem sich nun überall im Lande ehemals im Widerstand vereinte, nun verfeindete Gruppierungen bekämpften, brachen die noch vorhandenen Strukturen völlig zusammen. In der Provinz hatten so genannte Warlords die Macht übernommen, die sich und ihre Milizen u. a. durch Drogenhandel finanzierten; die Versorgungslage war vollkommen unzureichend, die meisten Städte und Dörfer waren größtenteils zerstört, Kämpfe und Gewaltakte aller Art waren an der Tagesordnung. Angesichts des unaufhaltsamen Vordringens der Taliban bildeten Rabbani und Hekmatyar im Mai 1996 erneut eine Zweckallianz und einigten sich auf die Bildung einer neuen Übergangsregierung, die im Juni 1996 ihre Arbeit aufnahm. 7.8 Die Taliban 1994 hatte sich die radikal-islamistische Taliban-Bewegung gebildet, die rasch zur dominierenden Kraft unter den untereinander zerstrittenen Mudschaheddin-Gruppen aufstieg. Die Taliban rekrutierten sich vor allem aus nach Pakistan geflohenen und dort in fundamentalistischen Koranschulen ausgebildeten sunnitischen Paschtunen und wurden von Pakistan unterstützt. In der Bevölkerung stießen die Taliban zunächst auf große Resonanz und wurden als diejenige Kraft begrüßt, die der chaotischen Bürgerkriegssituation ein Ende setzen könnte. Die Akzeptanz schwand jedoch in dem Maße, wie die Taliban ihr rigoroses, islamistisches Regime durchsetzten. Innerhalb kurzer Zeit brachten die Taliban weite Teile Afghanistans unter ihre Kontrolle, nahmen im September 1996 Kabul ein und stürzten die Regierung Rabbani/Hekmatyar, die sich in den noch nicht von den Taliban eroberten Norden Afghanistans flüchtete. Die Taliban bildeten eine sechsköpfige Übergangsregierung unter der Führung von Mullah Mohammad Rabbani und errichteten einen islamistischen ,,Gottesstaat", der jedoch nur von Pakistan sowie Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten anerkannt wurde. Die verbliebenen Mudschaheddin-Gruppierungen schlossen sich gegen das Taliban-Regime zur so genannten Nordallianz zusammen, geführt von Burhanuddin Rabbani, der sich weiterhin als legitimer Präsident Afghanistans verstand, General Dostum sowie Ahmed Schah Massud. Die Nordallianz kontrollierte den Nordosten und unternahm wiederholt Offensiven gegen die Taliban, die wiederum mit Gegenangriffen antworteten. Keine der beiden Seiten konnte im weiteren Verlauf nennenswerte Erfolge erringen, die Front zwischen Taliban und Nordallianz stagnierte. Alle in der Folgezeit von den Vereinten Nationen, der Organisation der Islamischen Konferenz oder anderen Organisationen und Staaten initiierten Vermittlungsbemühungen scheiterten. Das Land verharrte weiter in einem Bürgerkriegszustand, gepaart mit dem drakonischen Taliban-Regime, das u. a. die Frauen vollkommen entrechtete, ihnen Schulbildung und Beruf sowie ärztliche Behandlung versagte und sie zum Tragen des Tschadors zwang. Nach zwei schweren Erdbeben im Februar und Mai 1998 im Norden Afghanistans, denen insgesamt etwa 10 000 Menschen zum Opfer fielen, verweigerten die Taliban den internationalen Hilfsorganisationen jegliche Zusammenarbeit und verhinderten damit die dringend notwendige Hilfe in den Katastrophengebieten. Nach Bombenanschlägen auf die US-Botschaften in Nairobi (Kenia) und Daressalam (Tansania) am 7. August 1998, bei denen Hunderte Menschen ums Leben kamen und Tausende verletzt wurden, unternahmen die USA Vergeltungsschläge gegen Ausbildungslager islamistischer Terrorgruppen in Afghanistan. Als verantwortlich für die Terroranschläge galt der aus Saudi-Arabien stammende Osama bin Laden, der seit den achtziger Jahren auf Seiten der Mudschaheddin bzw. dann der Taliban in Afghanistan aktiv war und hier unter dem Schutz des Taliban-Regimes die international agierende islamistische Terrororganisation al-Qaida gründete und ausbildete. Wiederholten, mit Sanktionsdrohungen verbundenen Forderungen der USA und auch der Vereinten Nationen, bin Laden auszuliefern, kam das Taliban-Regime nicht nach, auch als die angedrohten Sanktionen Ende 1999 wahr gemacht wurden (u. a. Sperrung der Auslandskonten der Taliban, Flugverbot). Im August 1998 eroberten die Taliban die nordafghanische Stadt Masar-i-Scharif und ermordeten dabei brutal Tausende Schiiten, wie Ermittlungen der Vereinten Nationen später ergaben, sowie neun iranische Diplomaten. Dies führte zu erheblichen Spannungen zwischen dem Taliban-Regime und dem Iran, der die schiitisch dominierte Nordallianz unterstützte, und führte beide Länder an den Rand eines Krieges. Dank der Vermittlung durch die Vereinten Nationen konnte eine militärische Auseinandersetzung jedoch verhindert werden. Im Frühjahr 1999 einigten sich Vertreter der unterdessen in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe residierenden Exilregierung unter Rabbani und des Taliban-Regimes unter Vermittlung der Vereinten Nationen auf die Bildung einer Koalitionsregierung. Dennoch gingen die Kämpfe zwischen Nordallianz und Taliban weiter; ein auf den religiösen Führer der Taliban im August 1999 verübtes Attentat verschärfte die Kämpfe noch. Die Nordallianz wurde nun u. a. auch von Russland unterstützt, das ein Eindringen radikal-islamistischer Strömungen in die Kaukasusrepubliken und auf das eigene Territorium befürchtete. Die Spannungen zwischen Russland und dem TalibanRegime vertieften sich noch, als die Taliban Anfang 2000 die russische Teilrepublik Tschetschenien als unabhängigen Staat anerkannten und Russland die Taliban beschuldigte, die tschetschenischen Rebellen militärisch zu unterstützen, und mit Militärschlägen gegen Afghanistan drohte. Im Juni 2000 meldete der Bericht der UN-Menschenrechtskommission für Afghanistan eine Analphabetenquote von etwa 70 Prozent und eine Kindersterblichkeit von 27 Prozent, beides weltweite Negativ-Rekorde, außerdem die weltweit größte Zahl an Witwen und Waisen. Eine Dürrekatastrophe - die schlimmste seit 40 Jahren - vernichtete 2000 zudem einen Großteil der Ernte und des Viehbestandes; etwa 1,5 Millionen Menschen waren akut vom Hungertod bedroht. Und Hunderttausende befanden sich vor Bürgerkrieg und Hungersnot auf der Flucht. Im Juli 2000 verboten die Taliban auf nachhaltigen, langjährigen Druck der Vereinten Nationen zumindest den Anbau von Schlafmohn und ließen Heroinlabore zerstören. Zuletzt waren in dem von den Taliban kontrollierten Gebieten 4 500 Tonnen Rohopium im Jahr produziert worden - das waren drei Viertel der Weltproduktion und eine der Hauptgeldquellen der Taliban. Im März 2001 zerstörten die Taliban zahlreiche Buddha-Statuen aus vorislamischer Zeit, darunter die beiden berühmten, etwa 35 und 50 Meter hohen Kolossalstatuen des Buddha bei Bamian aus dem 5. Jahrhundert. Alle Versuche der UNESCO sowie der islamischen Staaten, das Zerstörungswerk zu verhindern, waren gescheitert. Die Taliban argumentierten, der Islam verbiete Gottesdarstellungen und Afghanistan sei ein islamischer Gottesstaat. Unterdessen setzten die Taliban die radikale Islamisierung des Landes fort; so wurde z. B. der Gebrauch des Internets in Afghanistan verboten; die Nichtmuslime wurden aufgefordert, ein gelbes Kennzeichen an ihrer Kleidung zu tragen (was an den Judenstern im nationalsozialistischen Deutschland erinnerte); Ausländer wurden der in Afghanistan besonders rigoros gehandhabten Scharia unterstellt, wie z. B. die acht Mitarbeiter der christlichen Hilfsorganisation Shelter Now, die im August 2001 festgenommen wurden unter dem Vorwurf, die muslimische Bevölkerung missionieren zu wollen. Die Arbeit ausländischer Hilfsorganisationen wurde weiterhin massiv behindert, so dass dringend benötigte Hilfslieferungen kaum mehr die Bedürftigen erreichten. 7.9 Fall des Taliban-Regimes und Neuordnung Die verheerenden Terrorangriffe auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington vom 11. September 2001 leiteten den Sturz des Taliban-Regimes ein. Als Hauptverantwortlicher wurde bereits kurz nach den Anschlägen Osama bin Laden identifiziert, der sich weiterhin unter dem Schutz der Taliban in Afghanistan aufhielt. US-Präsident George W. Bush forderte das Taliban-Regime wiederholt auf, bin Laden auszuliefern, und drohte zugleich mit militärischer Vergeltung. Die Taliban wiesen alle Auslieferungsforderungen zurück; die Angst vor möglichen Angriffen der USA trieb weitere Zehntausende Afghanen in die Flucht, von denen sich ein Großteil an der inzwischen offiziell geschlossenen Grenze zu Pakistan staute. Unterdessen formierten die USA eine weltweite Antiterrorkoalition, die NATO stellte den Bündnisfall fest, die Nordallianz wurde von den USA und anderen Staaten der Antiterrorkoalition mit Waffen und Finanzmitteln ausgerüstet, in den nördlichen Nachbarländern Afghanistans wurden erste US-amerikanische Truppen stationiert. Dennoch weigerten sich die Taliban weiterhin, bin Laden auszuliefern, kündigten vielmehr massiven Widerstand an. Am 7. Oktober 2001 begannen die USA, unterstützt von Großbritannien, mit Luftangriffen auf Stellungen der Taliban sowie auf Ausbildungslager der al-Qaida in Afghanistan ihren angekündigten und international gebilligten Krieg gegen das Taliban-Regime. Parallel zu den amerikanisch-britischen Luftangriffen agierte die Nordallianz am Boden, zunächst ohne größeren Erfolg; im November gelang jedoch der entscheidende Durchbruch: Am 11. November 2001 eroberte die Nordallianz die strategisch wichtige Stadt Mazar-i-Sharif, und zwei Tage später zog sie in der Hauptstadt Kabul ein, die zuvor von den Taliban kampflos aufgegeben worden war. Am 7. Dezember kapitulierten die Taliban-Kämpfer in ihrer letzten Hochburg Kandahar, und wenig später gab die al-Qaida ihre wichtige Bergfestung Tora Bora im Osten des Landes auf. Taliban und al-Qaida waren damit militärisch weitgehend besiegt, wenngleich es noch über Monate hinweg immer wieder zu vereinzelten Gefechten zwischen US-Truppen und Taliban- sowie Al-Qaida-Kämpfern kam. Bereits am 27. November 2001 war auf dem Petersberg bei Bonn auf Vermittlung der Vereinten Nationen die so genannte Afghanistan-Konferenz zusammengetreten, um über die politische Neuordnung und Zukunft Afghanistans zu beraten. An der Konferenz nahmen vier afghanische Gruppierungen teil: Die Nordallianz, die vor allem Tadschiken, Turkmenen und Usbeken aus dem Norden des Landes repräsentierte; die so genannte Zypern-Gruppe, die die Hazara aus dem Zentrum Afghanistans vertrat; die Rom-Gruppe, die sich aus Anhängern des im Exil in Rom lebenden Exkönigs Sahir Schah zusammensetzte; und die Peschawar-Gruppe, die wie die Rom-Gruppe die Paschtunen vertrat. Als wichtiges Zeichen für die Zukunft wurde die Tatsache interpretiert, dass unter den insgesamt 34 afghanischen Delegierten immerhin vier Frauen waren. Am 5. Dezember 2001 unterzeichneten die Teilnehmer der Afghanistan-Konferenz ein Abkommen, in dem sie den Rahmen für die politische Reorganisation und eine künftige Regierungsbildung feststeckten. Am Beginn der Neuordnung soll nach dem Abkommen die Bildung einer Interimsregierung stehen. Nach sechs Monaten soll die Interimsregierung durch eine Übergangsregierung abgelöst werden, die von einer außerordentlichen Loya Jirga , der traditionellen afghanischen Ratsversammlung, gewählt werden soll. Nach weiteren 18 Monaten soll sich laut dem Petersberger Abkommen eine reguläre, aus freien Wahlen hervorgegangene Regierung konstituieren; die dafür notwendige neue Verfassung soll eine verfassunggebende Loya Jirga ausarbeiten. Am 22. Dezember 2001 nahm die 29-köpfige Interimsregierung unter dem Paschtunenführer Hamid Karsai als Ministerpräsidenten ihre Arbeit auf. Am Tag zuvor hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der Resolution 1386 das Mandat für eine Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe für Afghanistan ( International Security Assistance Force, ISAF) erteilt, an der sich auch die Bundesrepublik Deutschland beteiligte. Parallel zum politischen Wiederaufbau begannen umfangreiche internationale Hilfsmaßnahmen für das von zwei Jahrzehnten des Krieges zerstörte Land und das bis Ende 2001 auf eine Anzahl von etwa 7,5 Millionen angewachsene Heer der Flüchtlinge. Im Januar 2002 sagte eine internationale Geberkonferenz in Tokyo die Bereitstellung von über 1,5 Milliarden Euro an Hilfsgeldern für das Jahr 2002 zu. Wenngleich der Wiederaufbau in allen Bereichen gute Fortschritte machte, u. a. relativ rasch ein funktionierendes Schulwesen entstand und die multiethnische Regierung trotz vieler Spannungen Bestand hatte, sahen sich Interimsregierung und Bevölkerung doch mit einer ganzen Reihe großer Schwierigkeiten konfrontiert: fortgesetzten bewaffneten Zusammenstößen, einer ganzen Reihe von Warlords und Stammesführern, die weiterhin ausschließlich die eigenen Interessen verfolgten, Attacken auf die Interimsregierung wie der mutmaßlichen Verschwörung Hekmatyars und dem Attentat auf den Verteidigungsminister, Altlasten des jahrzehntelangen Krieges in Form von Hunderttausenden über das Land verteilten Minen, die täglich Opfer forderten, und zerstörten Häusern sowie nicht zuletzt einem schweren Erdbeben im Norden Afghanistans im März 2002, das erhebliche Schäden anrichtete und Tausende Menschen das Leben kostete. Dazu kam noch der einerseits erfreulich große Strom an zurückkehrenden Flüchtlingen, der jedoch andererseits die Belastbarkeit und die Möglichkeiten von Staat und Hilfsorganisationen bis an ihre Grenzen ausschöpfte. Bis Juni 2002 waren eine Million Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt, gerechnet worden war mit 800 000 Rückkehrern im gesamten Jahr 2002. 7.10 Übergangsregierung Ab April 2002 fanden einigermaßen reibungslos die Wahlen zur Loya Jirga statt, und ebenfalls im April kehrte nach 29 Jahren im Exil der Exkönig Sahir Schah nach Afghanistan zurück, und zwar als Privatmann und ohne Machtambitionen, aber als Persönlichkeit mit hohem integrativen Potential - immerhin galt er weiten Teilen der Bevölkerung nach wie vor als ,,Vater der Nation". Am 11. Juni 2002 trat in Kabul gemäß dem Petersberger Abkommen, eröffnet von Sahir Schah, die Loya Jirga zusammen. Ihr gehörten knapp 1 700 Delegierte, darunter 210 Frauen, aus ganz Afghanistan und den Flüchtlingslagern in den Nachbarstaaten an, zu zwei Dritteln gewählt und zu einem Drittel von der Wahlkommission sowie staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen ernannt; ihr gehörten aber auch entgegen dem Abkommen eine Reihe von Warlords und anderer Stammesführer an, die tief in Kriegsverbrechen verstrickt waren. Am 13. Juni 2002 wählte die Loya Jirga mit etwa 80 Prozent der Stimmen Karsai zum Vorsitzenden der Übergangsregierung und damit zum Staatsoberhaupt. Einen ernsthaften Gegenkandidaten hatte es nach dem Verzicht von Sahir Schah und des früheren Präsidenten Rabbani nicht gegeben. Wenige Tage später präsentierte Karsai seine 14 Minister, die mit ihm zusammen als Übergangsregierung 18 Monate im Amt bleiben sollen, und ließ sie von der Loya Jirga per Akklamation bestätigen. Auf die Einsetzung eines Ministerpräsidenten verzichtete Karsai. Außer bei der Wahl des Staatsoberhaupts war die Loya Jirga an keiner Entscheidung direkt beteiligt, durfte nur bereits gefällte Entscheidungen absegnen. Aber auch ihr wichtigstes selbst gestecktes, nicht vom Petersberger Abkommen vorgegebenes Ziel, nämlich die Einsetzung eines Übergangsparlaments, konnte sie nicht verwirklichen: Trotz der Verlängerung der ursprünglich für eine Woche anberaumten Loya Jirga fand man keine Einigung hinsichtlich Zusammensetzung, Größe und Zuständigkeit eines Übergangsparlaments. Karsai übertrug schließlich die Entscheidung über ein Übergangsparlament einer Kommission außerhalb der Loya Jirga. Kernproblem des Landes blieb nach wie vor - trotz der relativ friedlich vonstattengegangenen Einsetzung der Übergangsregierung - die Sicherheitslage. In einigen Provinzen kämpften weiterhin die Warlords um die Macht bzw. eskalierten die ethnischen Antagonismen in neuen Kämpfen, während zugleich US-Soldaten versprengten Taliban- und Al-Qaida-Kämpfern habhaft zu werden versuchen und selbst immer wieder zum Ziel von Übergriffen werden. Auch in Kabul selbst kam es immer wieder zu Angriffen auf Vertreter bzw. Symbole der neuen Staatsmacht, obwohl hier etwa 5 000 ISAF-Soldaten für die Sicherheit sorgten. So wurde z. B. im Juli 2002 der Vizepräsident Hadschi Abdul Kadir bei einem Attentat getötet, und im September 2002 entkam Präsident Karsai selbst nur knapp einem Anschlag. Im Dezember 2002 fand auf dem Petersberg bei Bonn eine weitere internationale Afghanistan-Konferenz statt, die so genannte Petersberg-II-Konferenz, in deren Mittelpunkt die brisante Sicherheitslage in Afghanistan stand. Wichtigstes Ergebnis der Konferenz war die Unterzeichnung eines Dekretes durch Karsai über den Aufbau einer 70 000 Mann starken afghanischen Nationalarmee sowie das Verbot aller nichtregulären kämpfenden Gruppierungen. Der Aufbau einer Nationalarmee und die Demobilisierung aller anderen bewaffneten Einheiten sollten dazu beitragen, den bisher auf die Hauptstadt beschränkten Einfluss der Regierung auf das ganz Land auszudehnen und die Macht der Warlords in den Provinzen zu brechen. Eine weitere internationale Geberkonferenz in Oslo sagte im Dezember 2002 Afghanistan noch einmal 1,2 Milliarden US-Dollar an Hilfsgeldern zu. Im Februar 2003 übernahmen Deutschland und die Niederlande gemeinsam die Führung der ISAF-Truppe, die bis dahin die Türkei innehatte, und im August 2003 ging das ISAF-Kommando an die NATO über. Um die Sicherheitslage in Afghanistan auch über die Hauptstadt Kabul hinaus zu stabilisieren, stimmte der deutsche Bundestag im Oktober 2003 der Entsendung von Bundeswehreinheiten in die Region Kundus im Norden des Landes zu, nachdem das ISAF-Mandat über die Region von Kabul hinaus ausgedehnt wurde. Bis dahin hatten die an der ISAF beteiligten Staaten einer Ausweitung des Mandats aus Sicherheitsgründen eine Absage erteilt. Während sich im Norden einschließlich Kabul die Sicherheitslage einigermaßen stabilisierte, erstarkten in den übrigen, von Warlords kontrollierten Landesteilen die Taliban erneut, unternahmen immer wieder Angriffe auf US- und Regierungstruppen und brachten sogar wieder einige abgelegenere Städte unter ihre Kontrolle. Die Zentralregierung, deren Einfluss nach wie vor nicht über die Region Kabul hinausreichte, zeigte sich weitgehend machtlos. Im November 2003 legte die ein Jahr zuvor eingesetzte, von den UN beratene 35-köpfige Verfassungskommission nach einigen Verzögerungen ihren Entwurf für eine neue Verfassung für Afghanistan vor. Der Entwurf stellt einen Kompromiss zwischen fundamentalistischen und gemäßigten Positionen dar, zwischen traditionellen und westlichen Werten. Laut dem Verfassungsentwurf soll Afghanistan eine ,,islamische Republik" werden, Recht und Gesetz dürfen den Werten und Prinzipien des Islam nicht widersprechen; die unter den Taliban praktizierte Scharia soll jedoch nicht wieder eingeführt werden. Der Islam wird als Religion des Landes festgeschrieben, aber es ist auch die Ausübung anderer Religionen gestattet, sofern sie mit den Werten der Verfassung in Einklang stehen. Dem Präsidenten wird eine starke Stellung eingeräumt: Er führt die Regierung und ernennt die Minister und hält somit die gesamte Exekutivmacht in seinen Händen. Ein weiterer wichtiger Punkt des Verfassungsentwurfs ist die Gleichstellung aller Bürger, d. h. Männer wie Frauen, vor dem Gesetz. 7.11 Afghanistan unter einer neuen Verfassung Am 4. Januar 2004 verabschiedete die Loya Jirga nach langwierigen Auseinandersetzungen die neue Verfassung, die gegenüber dem von der Verfassungskommission vorgelegten Entwurf nur einige wenige, aber bedeutsame Änderungen aufwies. So wurden etwa die Machtbefugnisse des Präsidenten durch die Beiordnung zweier Stellvertreter sowie das Vetorecht des Parlaments bei Ministerernennungen durch den Präsidenten zumindest etwas eingeschränkt. Die Schaffung der Stellvertreterämter war eine Konzession an die ethnische Vielfalt in Afghanistan ebenso wie die Anerkennung von Regionalsprachen als dritter Amtssprache in den Provinzen, wo sie von der Bevölkerungsmehrheit gesprochen werden. Am 26. Januar 2004 trat die neue Verfassung in Kraft. Damit war die wesentliche Voraussetzung für die Abhaltung demokratischer Wahlen eines Parlaments und eines Staatspräsidenten geschaffen. Die ersten Parlamentswahlen auf der Grundlage der neuen Verfassung sollten ursprünglich im Juni 2004 abgehalten werden; jedoch verschob Karsai sie wegen Schwierigkeiten bei der Organisation und der anhaltend prekären Sicherheitslage im Einverständnis mit den Vereinten Nationen mehrmals und legte sie schließlich auf September 2005 fest. Die Präsidentschaftswahlen wurden ebenfalls mehrmals verschoben und fanden letztendlich am 9. Oktober 2004 statt. Durch diese Terminverschiebungen verzögerte sich der Demokratisierungsprozess in Afghanistan gegenüber den Vorgaben des Petersberger Abkommens noch einmal erheblich. Von einer internationalen Geberkonferenz, die Ende März/Anfang April 2004 in Berlin stattfand, erhielt Afghanistan Hilfszusagen in Höhe von 8,2 Milliarden US-Dollar. Zudem gab die Staatengemeinschaft eine dauerhafte Sicherheitsgarantie für Afghanistan ab. Ein weiteres zentrales Thema der Konferenz war der Drogenanbau - Afghanistan ist der weltweit größte Opiumproduzent. Die bisherigen Antidrogenprogramme waren alle gescheitert; Hoffnung wurde nun auf den so genannten Antidrogenpakt gesetzt, den Afghanistan in Berlin mit seinen sechs Nachbarländern abschloss und der dem Drogenschmuggel ein Ende setzen sollte. Unterdessen wurde die Lage in den Provinzen immer prekärer: Im Norden des Landes brachte der usbekische Milizenführer Dostum im April 2004 einige Gebiete unter seine Kontrolle und lieferte sich Gefechte mit den Truppen des ehemaligen Staatspräsidenten Rabbani, der sich dort ebenfalls festgesetzt hatte; und der Kriegsherr Hekmatyar rief die Afghanen zum Aufstand gegen die USA und ihre Verbündeten auf, um die ,,Besetzer" aus dem Land zu vertreiben - nach dem Vorbild der radikalen Schiiten im Irak, die den ausländischen Truppen heftigen Widerstand entgegenzusetzen begonnen hatten. Allgemein mehrten sich im Vorfeld der Wahlen die Anschläge auf Regierungsvertreter und -institutionen sowie auf ausländische Einrichtungen, darunter auch Stützpunkte der Bundeswehr. Umgekehrt intensivierten die US-geführten internationalen Truppen ihre Angriffe auf die noch immer aktiven und starken Taliban, die vermutlich für den Großteil der Anschläge verantwortlich waren. Im August 2004 übernahm das Eurokorps das Kommando der ISAF, und im Februar 2005 ging die Führung der ISAF-Truppen an die Türkei über. Im Juni 2005 beschloss die NATO die räumliche und personelle Ausweitung ihres Einsatzes; allein die Bundesrepublik erhöhte im Herbst 2005 die Stärke ihres Kontingents von 2 250 auf 3 000 Soldaten. Die ersten freien und direkten Präsidentschaftswahlen in Afghanistan am 9. Oktober 2004 waren von einigen Pannen begleitet; aber nach Ansicht einer internationalen Kommission, die den zahlreichen Beschwerden in Bezug auf die Pannen nachging, waren sie nicht so gravierend, als dass sie das Wahlergebnis entscheidend beeinflusst hätten. Mit mehr als 55 Prozent der Stimmen gewann der amtierende Übergangspräsident Karsai die Wahlen klar. Ende Dezember vereidigte Karsai seine neue, 27-köpfige Regierung. Einige der Warlords, die der Vorgängerregierung angehört hatten, waren in der neuen Regierung nicht mehr vertreten, was darauf schließen ließ, dass Karsai die Warlords zu entmachten suchte. Anfang 2005 meldete das Amt des UNHCR, dass seit dem Sturz des Taliban-Regimes gut drei Jahre zuvor etwa drei Millionen Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt seien. Begleitet von zahlreichen Gewaltakten fanden am 18. September 2005 die ersten freien Parlamentswahlen seit mehr als drei Jahrzehnten statt. Parteilisten waren zu den Wahlen nicht zugelassen, d. h., die Kandidaten - etwa 2 800 - hatten sich parteiunabhängig zur Wahl zu stellen. Die stärkste politische Gruppierung bildeten mit mehr als 100 der insgesamt 249 Mandate Mudschaheddin und andere Traditionalisten; überraschend viele, nämlich 68 Mandate gingen an Frauen. Die größte ethnische Gruppe bildeten mit etwa 100 Abgeordneten die Paschtunen. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.
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« 3.2. 1 Feiertage Die weltlichen Feiertage in Afghanistan umfassen den Siegestag der muslimischen Nation (28.

April), den nationalen Gedenktag (4.

Mai) und den Unabhängigkeitstag(Jashn, am 18.

August).

Das Jashn-Fest erinnert an die Befreiung des Landes von der britischen Herrschaft im Jahr 1919 und dauert eine ganze Woche.

Alle bedeutenden islamischen Feiertage richten sich nach dem Mondkalender und fallen daher jedes Jahr auf ein anderes Datum.

Der Ramadan ist der Fastenmonat der Muslime.

Der ersteTag des Fastenmonats ist ein Feiertag, ebenso die letzten drei Tage, die als das Fest Aid-e-fitr gefeiert werden.

Nauroz, das islamische Neujahr, beginnt am ersten Frühlingstag, der auf einen Tag um den 21.

März fällt.

Ebenfalls wichtige islamische Feiertage sind Aid-e-ada, das an die Bereitschaft Abrahams, auf Allahs Befehl hin seinen einzigen Sohn zu opfern, erinnert, Aschura, ein Festtag der Schiiten zum Gedenken an den Märtyrer Husain, und Roze-Maulud, der Geburtstag des Propheten Mohammed. 4 BILDUNG UND KULTUR Die nahezu ein Vierteljahrhundert währenden Kriege und die jahrelange Herrschaft der Taliban haben auch in den Bereichen Bildung und Kultur die Infrastruktur weitgehendverwüstet.

Nach der Entmachtung der Taliban und der Einsetzung einer Übergangsregierung Ende 2001 hat das Land mit dem Wiederaufbau begonnen.

Wegen der weiterhinunsicheren Lage ist dieser Aufbau aber mit großen Schwierigkeiten verbunden.

Afghanistan ist dabei sehr stark auf internationale Hilfen in Form von finanziellenZuwendungen wie auch personeller Unterstützung angewiesen.

Die Informationen dieses Abschnitts beziehen sich zumeist auf die allgemeinen Verhältnisse vor oderwährend der Herrschaft der Taliban.

Für die Entwicklung seit Anfang 2002 liegen kaum verlässliche Informationen vor. 4.1 Bildung und Schulwesen Obwohl der Besuch der Grundschule kostenlos ist und eine allgemeine Schulpflicht von 6 Jahren besteht, beträgt der Alphabetisierungsgrad nur 36,3 Prozent (2000;männlich 51 Prozent, weiblich 20,8 Prozent).

Nach Schätzungen besucht nur etwa ein Viertel der Kinder eine Schule.

Auf dem Land existieren häufig keine Schulen; es wirdunter freiem Himmel unterrichtet.

An höheren Bildungsinstitutionen sind ungefähr 10 000 Studenten eingeschrieben.

Die Universität Kabul, die 1932 gegründet wurde, istdie bedeutendste Hochschule des Landes.

Die kleinere Universität Nangarhar (gegründet 1962) liegt in Jalalabad.

Ferner gibt es in Kabul eine Handelsschule (gegründet1943), die Polytechnische Hochschule Kabul (gegründet 1968) und die Universität für Islamische Studien (gegründet 1988).

Schulen und Hochschulen wurden während derKriege durchweg stark beschädigt und mussten ihre Lehrtätigkeiten einschränken.

Mit dem im März 2002 beginnenden Schuljahr durften erstmals nach dem Ende derTalibanherrschaft auch wieder Mädchen die Schule besuchen.

Die Wiedereröffnung des Goethe-Instituts in Kabul ist geplant. 4.2 Bibliotheken und Museen Die wenigen großen Bibliotheken liegen in der Hauptstadt Kabul.

Das Kabul Museum war eine der bedeutendsten Kultureinrichtungen des Landes.

Da Afghanistan überJahrhunderte am Kreuzungspunkt wichtiger Handelsrouten lag (siehe unten), konnte das Kabul Museum einheimische Kulturschätze verschiedener Herkunft sammeln, u.

a.beherbergte es eine der weltweit größten Ausstellungen antiker griechischer und römischer Münzen, die in der Nähe von Kabul gefunden worden waren.

1993 wurde dasMuseum bei einem Bombenangriff zerstört; ein Großteil der wertvollen Exponate wurde dabei vernichtet oder in der Folge von Plünderern entwendet, darunter auch die1939 entdeckte Bagram-Sammlung mit reichen Funden aus der Zeit der Kuschan-Dynastie.

Insgesamt gingen etwa 90 Prozent der Stücke verloren.

Im März 2001 zerstörtendie Taliban die bis dahin erhaltenen buddhistischen Statuen aus den Beständen des Museums. 4.3 Literatur Literatur wird traditionell mündlich überliefert.

Die alte Kunst des Geschichtenerzählens existiert in Afghanistan noch immer, was größtenteils eine Folge des geringenAlphabetisierungsgrades ist.

Die Gesellschaft für Afghanische Geschichte und die Paschto-Akademie veröffentlichen Literaturzeitschriften und fördern afghanischeSchriftsteller. 4.4 Kunst und Musik Afghanistan lag in seiner Geschichte immer wieder im Übergangsbereich zwischen westlichen und östlichen Kulturkreisen.

So entwickelte sich hier um die Mitte des1.

vorchristlichen Jahrtausends eine griechisch-indische Mischkultur, die in der Gandhara-Kultur ihren Höhepunkt fand.

Später lag Afghanistan im Einzugsbereich derSeidenstraße ( siehe zentralasiatische Kunst und Architektur). Die ältesten Zeugnisse höher entwickelter Zivilisation gehen auf die Geoksjur-Quetta-Kultur im 4.

und 3.

Jahrtausend v.

Chr.

zurück, die bereits Techniken der Gold- undSilberverarbeitung beherrschte.

Ausgrabungen in Altin und Dahan-i Ghulaman brachten Bauten im 2.

Jahrtausend v.

Chr.

eingewanderter Völker zu Tage.

Nach denEroberungszügen Alexanders des Großen dominierte mehrere Jahrhunderte der griechische Kultureinfluss.

Im Süden des Territoriums brachten die indischen Maurya-Regenten im 3.

Jahrhundert v.

Chr.

die buddhistische Kultur zur Geltung.

Grabbeigaben aus dieser Zeit zeigen Merkmale griechischer, römischer und indischer Kunst.Derartige Artefakte, Mischformen verschiedener Kulturkreise, entstanden auch während der Kuschan-Dynastie, die vom 2.

bis zum 6.

Jahrhundert n.

Chr.

herrschte und dieso genannte Gandhara-Kunst hervorbrachte.

Bedeutende Denkmäler aus dieser Zeit sind der Tempel von Surkh Kotal, die mittlerweile zerstörten Felsskulpturen von Bamian(siehe unten) mit riesigen Buddha-Figuren und die opulent gestalteten Klöster in Hadda und Fondukistan. Nach dem Vordringen der Araber begann ab dem 7.

Jahrhundert der Einfluss der islamischen Kultur, im 10.

Jahrhundert war die Region fast vollständig islamisiert.Bemerkenswerte Bauten, die während der Herrschaft der Araber entstanden, sind u.

a.

der Palast in Lashkar-i Bazar sowie die Minarette in Ghazna und Jam.

Letzteres wurde2002 in die Liste des UNESCO Weltkulturerbes aufgenommen.

Einen Bruch im kulturellen Leben der Region bedeutete der Einfall der Mongolen im 13.

Jahrhundert, die bisEnde des 14.

Jahrhunderts dominierten.

Während der Regentschaft des Sultans Shah Rokh entstanden in den kulturellen Zentren Herat, Balkh und Mazar-i-Sharif prunkvolleGroßbauten.

Auch die Buchkunst erlebte eine Blütezeit.

Im 16.

Jahrhundert fiel der Osten des Landes an die Safawiden, der Westen an die indischen Moguln, ehe sich im18.

Jahrhundert die afghanischen Paschtunen durchsetzten, die eine Reihe von Moscheen und Mausoleen hinterließen.

Die folgenden Jahrzehnte erbrachten keineKulturleistungen von vergleichbar hohem künstlerischem Rang.

Nach 1980 entstand in Kabul eine Nationalgalerie mit Arbeiten moderner afghanischer Künstler. Das kulturelle Leben Afghanistans wird von traditionellen Künsten und Bräuchen geprägt.

Gold- und Silberschmuck, Stickereien, Elfenbein- und Holzschnitzereien, Deckenund Teppiche im persischen Stil sowie verschiedenste Lederartikel entstehen noch immer in Heimarbeit.

Die traditionelle Musik wird durch Volkslieder, Balladen und Tänzerepräsentiert.

Nationaltanz ist der Attan. Die Taliban gingen während ihrer Herrschaft rücksichtslos gegen alle kulturellen Äußerungen und Zeugnisse vor, die nicht ihrem islamistischen Selbstverständnisentsprachen.

Trauriger Höhepunkt ihres Vernichtungsfeldzuges war die Zerstörung der beiden Monumentalstatuen des Buddha in Bamian.

Diese Figuren waren Bestandteileines ehemaligen, größeren Klosterkomplexes, der zwischen dem 4.

und dem 6.

Jahrhundert n.

Chr.

entstand.

Die Statuen galten als herausragende Zeugnisse der spätenGandhara-Kultur.

Auch im Museum Kabul zerstörten die Taliban die buddhistischen Statuen. 4.5 Medien und Kommunikation An das Telefonnetz sind alle wichtigen Großstädte und auch kleinere Städte angeschlossen.

Die staatlich kontrollierte Nachrichtenagentur Bakhtar Information Agency (BIA)wurde 1939 gegründet.

Bis 1986 gab es mehr als zehn landesweit erscheinende Zeitungen und annähernd 20 regionale Blätter.

Die Aufrechterhaltung und Entwicklung der. »

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