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Christian Wolff: Vernünfftige Gedanken von der Menschen Thun und Lassen - Anthologie.

Publié le 17/06/2013

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Christian Wolff: Vernünfftige Gedanken von der Menschen Thun und Lassen - Anthologie. Der deutsche Philosoph Christian Wolff, ein Repräsentant des Rationalismus, systematisierte und popularisierte die Lehren von Gottfried Wilhelm Leibniz und gab diesen eine Form, die als Leibniz-Wolffsche Philosophie bekannt wurde. Mit seiner Schrift Vernünfftige Gedanken von der Menschen Thun und Lassen, zu Beförderung ihrer Glückseeligkeit, den Liebhabern der Wahrheit (auch Deutsche Ethik) schuf Wolff ein einflussreiches, systematisches Werk zur praktischen Philosophie, in dem er Tugend und Vernunft als Basis für ein glückseliges Leben des Menschen auf dem Weg zur Vollkommenheit beschreibt. Christian Wolff: Vernünfftige Gedanken von der Menschen Thun und Lassen Man soll nach Scharffsinnigkeit streben. §.267. Der Mensch soll nach aller Vollkommenheit des Verstandes streben (§.254.) Da nun die Scharffsinnigkeit eine Vollkommenheit des Verstandes ist (§.850.Met.); so sollen wir auch nach derselben trachten. Wie weit man darnach zu streben hat. §.268. Da nun der Mensch um so viel scharffsinniger ist, je mehr er in einer Sache, die er sich vorstellet, entdecken kan, als der andere (§.850.Met.), und also je deutlicher er eine Sache begreiffet (§.206.Met.); so soll er seinen Verstand darzu gewöhnen, daß er diejenigen Sachen, welche er erkennen lernet, so deutlich begreiffen kan, als nur immer möglich ist, folgends zu vollständigen Begriffen zu gelangen fähig wird (§.36.c.I.Log.). Wie die Scharffsinnigkeit erlanget wird. §.269. Gleichwie nun aber alle Fertigkeit aus der Übung kommet (§.525.Met.); so ist auch hiezu nöthig, daß man sich von Jugend auf in deutlichen Begriffen übet. Da wir nun zu deutlichen und vollständigen Begriffen gelangen (§.19.20.c.I.Log.), wenn wir alles, was wir in seiner Sache antreffen, von einander unterscheiden und jedes so wohl vor sich betrachten, als gegen das andere halten und auf seine Ordnung und Verknüpfung mit dem übrigen achthaben; so müssen wir uns von Jugend auf darzu gewöhnen, daß wir auf eine jede Sache, die uns vorkommet, acht haben und sorgfältig untersuchen, was wir in ihr verschiedenes antreffen und auf was für Art und Weise solches mit einander verknüpfft ist. Wie man den Anfang machet. §.270. Da man nun viel leichter zu rechte kommet in denen Dingen, wo der Unterscheid gleich in die Augen fället und dessen, so unterschieden ist, nicht gar zu viel vorkommet; so soll man hiervon den Anfang machen. Denn wo wir zu rechte kommen, das bringet Lust, indem wir dadurch die Vollkommenheit des Verstandes empfinden (§.404.Met.): hingegen wo wir nicht heraus kommen können, das wird uns verdrüßlich, weil es uns unsere Ungeschicklichkeit zeiget (§.417.Met.). Und dannenhero fahren wir im ersten Falle in unserer Ubung fort: im andern hingegen lassen wir mit unserem Fleisse nach. Die alten Griechen erwehleten hierzu nicht ohne Grund die Figuren in der Geometrie und die Arten der Zahlen in der Arithmetick: denn beyde haben die Beschaffenheit, welche wir erfordert. Wie Scharffsinnigkeit in Beurtheilung des Guten und Bösen erlanget wird. §.271. Weil der Mensch absonderlich zur Erkäntniß dessen, was gut und böse, verbunden ist (§.263.); so soll er auch insonderheit dahin trachten, daß er davon deutliche und, so viel nur immer möglich ist, vollständige Begriffe erlanget. Derowegen solte man von Jugend auf dazu geführet werden, daß man alle Handlungen durch ihren Erfolg von einander zu unterscheiden und daraus zu beurtheilen wüste, welche gut und welche böse sind (§.4.). Und damit dieses desto eher bewerckstelliget werden kan; so gehet auch alle meine Absicht bey gegenwärtiger Arbeit endlich dahinaus, daß ich von dem Guten und Bösen, und was etwan sonst demselben anhängig ist, deutliche Begriffe beybringe. Dieses wird uns scharffsinnig in Beurtheilung des Guten und Bösen machen, um jenes zu vollbringen, dieses zu unterlassen. Nutzen dieser Scharffsinnigkeit. §.272. Diese Scharffsinnigkeit schaffet grossen Nutzen, so wohl in Ansehung unserer eigenen Person, als auch in Ansehung anderer. Nehmlich wer einen deutlichen Begriff von dem Guten und Bösen hat, der kan in jedem vorkommenden Falle das Gute und Böse ohne Irrthum erkennen (§.9.13.c.I.Log.) und dannenhero können wir uns nicht selbst betrügen, daß wir aus irrigem Gewissen das Böse thun, und das Gute unterlassen (§.74.), und dadurch die Anklage des Gewissens (§.104.) und daher entstehende Unruhe des Gemüthes zu besorgen haben (§.106.). Wir werden uns auch nicht übereilen, wenn wir von anderer Leute Thun und Lassen urtheilen sollen; und daher durch irriges Urtheilen weder uns selbst schaden, noch dem anderen unrecht thun, oder auch ihn in seinem bösen Vorsatze stärcken. Gemeiner Fehler. §.273. Es ist demnach ein grosses Versehen, daß man insgemein so wenig auf diese Scharffsinnigkeit siehet, als wenn nichts daran gelegen wäre, daß die Menschen das Gute und Böse deutlich begreiffen lerneren. Und die tägliche Erfahrung zeiget es leider, wie schlecht es beschaffen, wo man ohne deutliche Begriffe die Menschen zum Guten führet, und von dem Bösen abführet. Warum man in den Ubungen der Scharffsinnigkeit anzuhalten. §.274. Es kan aber diese Scharffsinnigkeit gar sehr zunehmen in Ansehung der allgemeinen Begriffe, die in den besonderen mit enthalten sind, und ist es nicht leicht seinen Verstand dahin zu bringen, daß er überall das allgemeine, was im besonderen verborgen lieget, erblicken und davon absondern kan. Ich rede hier aus eigener Erfahrung. Denn ob ich mich gleich von vielen Jahren her hierinnen geübet und vielleicht auch von Natur nicht ungeschickt zu dieser Arbeit bin: so muß ich doch aufrichtig gestehen, daß ich noch von Tage zu Tage einen Wachsthum verspüre und jetzt in Dingen, da ich vor weniger Zeit nichts mehr zu sehen vermeinete, noch gar vieles von allgemeinem antreffe, das ich glücklich absondern kan. Ich zweiffle auch nicht, daß ich noch weiter hierinnen kommen werde, wenn mir GOtt Leben, Gesundheit und Gelegenheit ferner erhält. Derowegen hat man in den Ubungen der Scharffsinnigkeit mit seinem Fleisse beständig anzuhalten. Christian Wolff: Vernünfftige Gedanken von der Menschen Thun und Lassen, zu Beförderung ihrer Glückseeligkeit, den Liebhabern der Wahrheit. Frankfurt und Leipzig 1736. S. 173ff. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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