Devoir de Philosophie

der Kunst und der Religion

Publié le 22/02/2012

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Das Prinzip der Vollendung beherrscht auch die Konstruktion der drei absoluten Formen des Geistes: der Kunst, der Religion und der Philosophie. Den drei Epochen der Weltgeschichte entspricht im Bereich der Kunst die symbolische, die klassische und die christlich-romantische Kunstform. Weil jede Anschauungsweise der Welt ein »Kind ihrer Zeit« ist, ist es nun mit dem wahrhaften Ernst der griechischen und der christlichen Kunst vorbei. Dieses Ende der Kunst ist kein zufälliges Unglück, das ihr von außen her zustößt durch die Not der Zeit und ihren prosaischen Sinn, sondern es ist »die Wirkung und der Fortgang der Kunst selber«, die sie vollenden, wenn »alles heraus ist«, und nichts Inneres und Dunkles mehr übrig bleibt, das nach Gestaltung drängt. Damit verschwindet das absolute Interesse an ihr. »Hat nun aber die Kunst die wesentlichen Weltanschauungen, die in ihrem Begriffe liegen, sowie den Kreis des Inhalts, welcher diesen Weltanschauungen angehört, nach allen Seiten hin offenbar gemacht, so ist sie diesen jedesmal für ein besonderes Volk, eine besondere Zeit bestimmten Gehalt los geworden und das wahrhafte Bedürfnis, ihn wieder aufzunehmen, erwacht nur mit dem Bedürfnis, sich gegen den bisher allein gültigen Gehalt zu kehren; wie in Griechenland Aristophanes z. B. sich gegen seine Gegenwart und Lucian sich gegen die gesamte griechische Vergangenheit erhob, und in Italien und Spanien, beim scheidenden Mittelalter, Ariost und Cervantes sich gegen das Rittertum zu wenden anfingen.« 88 Vollends in unserer Zeit hat aber die Bildung der Reflexion mit den substanziellen Formen der Kunst »tabula rasa« gemacht.89 »Mögen wir die griechischen Götterbilder noch so vortrefflich finden und Gott Vater, Christus, Maria noch so würdig und vollendet dargestellt sehen, es hilft nichts, unser Knie beugen wir doch nicht mehr.« 90 Kein Homer und Sophokles, Dante und Shakespeare können in unserer Zeit hervortreten: »Was so groß besungen, was so frei ausgesprochen ist, ist ausgesprochen; es sind dies Stoffe, Weisen sie anzuschauen und aufzufassen, die ausgesungen sind. Nur die Gegenwart ist frisch, das andere fahl und fahler.« 91 Aber nicht nur bestimmte Inhalte der Kunst haben an Interesse verloren, sondern die Form der Kunst überhaupt hat aufgehört, das höchste Bedürfnis des Geistes zu sein. Sie gilt uns nicht mehr als die 49 höchste Weise, in welcher die Wahrheit zur Existenz kommt.92 Es hilft auch nichts, vergangene Weltanschauungen nochmals sich aneignen zu wollen und etwa katholisch zu werden wie viele Romantiker, die sich dahinein »festmachen« wollen, um ihr schwankendes Gemüt äußerlich zu fixieren. »Der Künstler darf nicht erst nötig haben, mit seinem Gemüt ins Reine zu kommen und für sein eigenes Seelenheil sorgen zu müssen; seine große, freie Seele muß von Haus aus ... wissen und haben, woran sie ist und ihrer sicher und in sich zuversichtlich sein.« Besonders bedarf der heutige Künstler der freien Ausbildung des Geistes, in welcher aller »Aberglauben und Glauben, der auf bestimmte Formen der Anschauung und Darstellung beschränkt bleibt, zu bloßen Seiten und Momenten herabgesetzt ist, über welche der freie Geist sich zum Meister gemacht hat, indem er in ihnen keine an und für sich geheiligten Bedingungen seiner ... Gestaltungsweise sieht, sondern ihnen nur Wert durch den höheren Gehalt zuschreibt, den er wiederschaffend als ihnen gemäß in sie hineinlegt«.93 In diesem Hinausgehen der Kunst über sich selbst ist sie aber ebensosehr ein Zurückgehen des Menschen in sich selbst, wodurch die Kunst jede feste Beschränkung auf bestimmte Inhalte und Formen abstreift und ihr volles Ende erreicht. Im Sinne dieser Vollendung deutet Hegel den Humor in der Dichtung Jean Pauls und Goethes universelle Humanität: seine weltweite Freiheit gegenüber den wechselnden Inhalten seines jeweiligen Tuns und den Bekenntnischarakter seiner literarischen Produktion, deren Heiliger der »Humanus« schlechthin ist. »Hiermit erhält der Künstler seinen Inhalt an ihm selber und ist der wirklich sich selbst bestimmende, die Unendlichkeit seiner Gefühle und Situationen betrachtende, ersinnende und ausdrückende Menschengeist, dem nichts mehr fremd ist, was in der Menschenbrust lebendig werden kann.« 84 Alles, worin der Mensch nur überhaupt heimisch sein kann, ist möglicher Gegenstand dieser vollkommen frei gewordenen Kunst. Am Ende ist auch die Form der Religion. Die Form ihres innerlichen Bewußtseins überragt zwar das sinnliche Bewußtsein der Kunst, aber auch sie ist nicht mehr die höchste Weise, in welcher der Geist zu Hause ist. Am Schluß der Vorlesung über die Religionsphilosophie95 hat Hegel die Frage nach dem empirischen Zustand der christlichen Religion in der gegenwärtigen Zeit gestellt und die »Zeichen der Zeit« gedeutet. Denn es »könnte uns einfallen«, unsere Zeit mit dem Ende der römischen Welt zu vergleichen, wo das Vernünftige in die Form des Privatwohls und des Privatrechts floh, weil eine Allgemeinheit des religiösen und politischen Lebens nicht mehr bestand. Das Individuum 50 solcher Zeiten läßt das Allgemeine so sein, wie es nun einmal ist, um nur noch für sich selber zu sorgen. Was dann übrig bleibt, ist die moralische Ansicht der Welt, das je eigene Wollen und Meinen ohne objektiven Gehalt. Ebenso wie damals die Zeit erfüllt war, könnte dies auch nunmehr der Fall sein, wo die Rechtfertigung des Glaubens im Begriff zum Bedürfnis wird, weil die bisherigen Formen der Religion nicht mehr gelten. »Was wird«, könnte man fragen, »noch für wahr gehalten von diesem Inhalt des christlichen Glaubens?« Der geistliche Stand, dessen Aufgabe es wäre, die Religion zu bewahren, ist selber aufs Räsonieren verfallen, indem er die christliche Lehre mit moralischen Motiven und äußerlicher Geschichte erklärt. Wenn man aber die Wahrheit des Christentums nur noch subjektiv und historisch behandelt, »so ist es aus« mit ihr. »Das Salz ist dumm geworden«, und was übrig bleibt, ist nur eine skeptische »Ausklärung« und die hochmütige Kahlheit der Gebildeten, die dem Volk, dem mit solcher Reflexion nicht gedient ist, keine Lehrer sein können. Das Christentum scheint so im Vergehen zu sein - das hieße aber mit einem »Mißton« schließen. Mit dieser Erkenntnis der geschichtlichen Lage des Christentums findet sich Hegel in der Weise ab, daß er das Vergehen als ein »zufälliges Geschehen« anspricht, das nur die äußere Seite der Welt betrifft, von der er die wesentliche Versöhnung ausnimmt. Wie sich die »zeitliche Gegenwart« herausfindet, muß man ihr überlassen; für die Philosophie ist der Mißton ohne Bedeutung, denn sie etabliert ein ewiges Gottesreich und der heilige Geist lebt fort in der Gemeinde der Philosophie, die nun die Wahrheit anstelle des Priesterstandes verwaltet. Ebenso wie in die Kunst ist auch in die Religion die kritische Reflexion eingebrochen, ein Denken, welches nicht aufzuhalten ist und durchgeführt werden muß, weil es der »absolute Richter« ist, vor dem sich die Wahrheit der Religion bewähren muß. Wie die Kunst jetzt zur Kunst-Wissenscbafl wird, so die Religion zur Religions-Philophie, nachdem der denkende Geist über die Stufe des unmittelbaren Glaubens und des bloß aufgeklärten Verstandes hinaus ist.96 Die »Aufhebung« der Religion in der Religionsphilosophie ist also zugleich eine »Zuflucht« der Religion in die Philosophie. Als die reinste Form des sich wissenden Geistes ist nun jenes vernünftige Denken anzuerkennen, das den religiösen Gefühlen und Vorstellungen eine begriffene Existenz gibt. Zum wahren »geistigen Kultus« ist die Wissenschaft des absoluten Wissens geworden. »In solcher Weise sind 51 in der Philosophie die beiden Seiten der Kunst und Religion vereinigt; die Objektivität der Kunst, welche hier zwar die äußere Sinnlichkeit verloren, aber deshalb mit der höchsten Form des Objektiven, mit der Form des Gedankens vertauscht hat; und die Subjektivität der Religion, welche zur Subjektivität des Denkens gereinigt ist. Denn das Denken einerseits ist die innerste, eigenste Subjektivität, und der wahre Gedanke, die Idee, zugleich die sachlichste und objektivste Allgemeinheit, welche erst im Denken sich in der Form ihrer selbst erfassen kann.« 97

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