Devoir de Philosophie

Frieden - Politik.

Publié le 16/06/2013

Extrait du document

Frieden - Politik. 1 EINLEITUNG Frieden, im alltäglichen Verständnis die Abwesenheit von Krieg. Die Friedens- und Konfliktforschung fasst den Begriff jedoch weiter. Sie unterscheidet zwischen dem negativen Frieden als der Abwesenheit direkter, personaler, durch ein Subjekt-Objekt-Verhältnis gekennzeichneter Gewaltanwendung und dem positiven Frieden als der Abwesenheit indirekter, struktureller, d. h. in politischen, ökonomischen oder gesellschaftlichen Verhältnissen wurzelnder Gewalt. In strukturellen Gewaltverhältnissen lassen sich zwar noch die Objekte, in aller Regel aber nicht mehr die (Einzel-)Subjekte der Gewaltausübung konkret benennen; Gewalt - als Macht der gesellschaftlichen Verhältnisse - zeigt sich in Abhängigkeit, Unterdrückung und Ausbeutung. 2 FRIEDEN ALS ZUSTAND - FRIEDEN ALS PROZESS Das Kennzeichen beider Friedensbegriffe ist zunächst ihre Orientierung auf einen politisch-gesellschaftlichen (Ideal-)Zustand, der - ähnlich wie der Begriff der Gesundheit in der Medizin - durch das Nichtvorhandensein wie auch immer im Einzelnen definierter Störfaktoren beschrieben wird. Über diese Störfaktoren - etwa Gewalt, Not, Unfreiheit - lässt sich in Politik wie Wissenschaft Konsens relativ einfach herstellen. Die positiv inhaltliche Definition dessen, was den (Ideal-)Zustand des Friedens ausmacht, trifft hingegen auf erhebliche Schwierigkeiten. Sie hängt ab von den moralisch-ethischen Grundannahmen und Normen, von den gesellschaftlichen und politischen Wertvorstellungen des Einzelnen oder der Gruppe, die sich mit dem Inhalt des Friedensbegriffs jeweils auseinandersetzen. Folglich gibt es im Prinzip so viele positivinhaltliche Umschreibungen von Frieden, wie es Gesellschafts- und Politikmodelle, Weltanschauungen und Glaubensbekenntnisse gibt. Gleichwohl lassen sich idealtypisierend vereinfachend in der Entwicklung des Friedensgedankens zwei Argumentationsstränge herausschälen. Frieden wird entweder begriffen als kosmisches Ordnungsprinzip, als überhistorischer, gleichsam konzentrierter Ausdruck einer Weltordnung. Diese findet ihren letzten Flucht- und Legitimationspunkt erst in Gott, dann als Folge der Säkularisation des politischen Denkens nach der Reformationszeit in der allen Menschen natürlich gegebenen Vernunft. Oder Frieden wird begriffen als Ausdruck der menschlichen Willensüberzeugung, als ein rational begründbares politisches Kulturprodukt. Dieses bedarf der ausdrücklichen Stiftung durch vertragliche Vereinbarungen (Landfriedenseinungen, Gesellschaftsvertrag) ebenso wie des Schutzes durch die öffentliche Gewalt. Mit dieser dualen Argumentationsstruktur verbunden ist die Frage nach dem Verhältnis von Frieden und Gerechtigkeit, pax und justitia: Entweder ist die Gerechtigkeit dem Frieden vorgeordnet, gilt Frieden als ihre naturwüchsige Frucht. Oder die gesellschaftlich-politische Friedensordnung ist durch die Herrschaft der öffentlichen Gewalt erst herzustellen und zu sichern. Dann ist die Gerechtigkeit als Legitimationsprinzip einer gegebenen gesellschaftlichen Ordnung, die jedem das Seine zuteilt, dem Frieden nachgeordnet, auch ohne Frieden nicht zu verwirklichen. Schließlich: im Kontext des ersten Argumentationszuges erscheint der Krieg als Unterbrechung, als Störung des naturwüchsigen Friedens. In der zweiten Traditionslinie ist der Krieg - Folge menschlichen Verfehlens und sündhafter Willensfreiheit - gleichsam der inner- und zwischengesellschaftliche Normalzustand. Frieden ist Nicht-Krieg. Schon diese unterschiedlichen Positionen in der dualen Argumentationskette zeigen, dass es eine geschichtliche Epochen übergreifende, vom jeweiligen ethisch-normativen und/oder politisch-philosophischen Kontext losgelöste Allgemeindefinition von Frieden nicht gibt. Wenn überhaupt, lässt sich der Positivgehalt von Frieden nur im Rückgriff auf ein je bestimmtes Politik- und Gesellschaftsverständnis festlegen. Statt allgemeinverbindlich, wird der Begriff Frieden damit notwendigerweise politisch, fordert den Benutzer zur Überprüfung der eigenen Position, zu Zustimmung oder Ablehnung heraus. Diesem Dilemma sucht die Friedens- und Konfliktforschung neuerdings dadurch zu entgehen, dass sie Frieden weniger als (Ideal-)Ziel oder Zustand gesellschaftlichen Handelns begreift, sondern als einen in der Geschichte sich entwickelnden Prozess. In diesem Prozess geht es um die Institutionalisierung dauerhafter, gewaltfreier Formen der Konfliktbearbeitung, nicht allerdings - manch landläufigem Verständnis zuwider - um die Abschaffung des Konfliktes als einer gesellschaftlichen Verhaltensweise an sich. Vielmehr soll die Bearbeitung von Konflikten durch kontinuierliche Verrechtlichung ihrer Austragungsweise zivilisiert werden. Durch zunehmende Gewaltfreiheit des Konfliktaustrags eröffnet sich die Chance zum Abbau von Gewaltsamkeit zunächst im Binnenverhältnis der Einzelgesellschaften, sodann aber auch in der internationalen Politik, im Verhältnis der staatlich verfassten Einzelgesellschaften untereinander. 3 FRIEDEN ALS ZIVILISIERUNG DES KONFLIKTAUSTRAGS Zumindest im europäisch-atlantischen Raum lässt sich der Prozess der Zivilisierung des Konfliktaustrags zweifach beispielhaft fassen: Einmal in der Entwicklung des Staates zum unbedingten Friedensverband. Zum anderen in der Entwicklung des Völkerrechtes als Mittel zur Einhegung und Verrechtlichung des Krieges: Voraussetzung der Wandlung des Friedens von einem labilen Zustand vorübergehend ruhender zwischenstaatlicher Gewalttätigkeit zum Ergebnis eines Prozesses, in dem sich zunehmend von der Anwendung organisierter militärischer Gewalt befreite Formen internationaler Konfliktbearbeitung durchsetzen. Die Entwicklung des (früh-)neuzeitlichen Staates zum Friedensverband steht in enger Verbindung zur gebietsrechtlichen Verfestigung politischer Herrschaft, wie sie im Wandel des feudalen Personenverbandsstaates des hohen Mittelalters zum institutionellen Flächenstaat der frühen Moderne greifbar wird. Mit der Delegitimierung der mittelalterlichen Fehde als Mittel rechtlicher Selbsthilfe, dem Aufbau eines landesherrlichen Gerichtswesens, dem Abschluss von Landfriedenseinungen und der Durchsetzung der Verkehrswegesicherheit bilden die Fürsten seit dem 14./15. Jahrhundert ihre Landesherrschaft als Friedensraum aus und setzen in den Grenzen ihrer Territorien öffentliche Sicherheit und Rechtsfrieden durch. Erst dieser innere Frieden garantiert die Unverletzlichkeit der Person und des Eigentums, damit aber auch die rationale Planbarkeit und Berechenbarkeit des Wirtschaftshandelns. Territorialherrschaft und Sicherheitsgarantie, Rechtssicherheit und innerer Frieden legitimieren Existenz und Handeln des modernen Staates. Fassbar im Anspruch auf Souveränität und in der erfolgreichen Behauptung des Monopols legitimer physischer Gewaltsamkeit im Staatsinnern, schließt sich der territoriale Friedensverband seit dem 17. Jahrhundert gegen andere gleichartige räumlich - politische Einheiten durch feste Grenzen - ab. Damit wird nicht nur die begriffliche Scheidung von ,,innen" und ,,außen", von Innen- und internationaler Politik ermöglicht. Vielmehr wird auch deutlich, dass der innere Frieden mit dem äußeren Unfrieden notwendigerweise Hand in Hand geht, da die Staaten aufgrund ihres Souveränitätsanspruchs im Außenverhältnis keine ihnen übergeordnete Autorität anerkennen, die vermittels eines Gesamtmonopols Recht, Ordnung und Frieden durchsetzt. Für die internationale Politik wird damit zur Aufgabe, in Analogie das nachzuholen, was die Staaten der Moderne im Binnenverhältnis bereits hinter sich haben: die Entwicklung institutionalisierter Verfahren, die eine immer gewaltärmere, schließlich dann gewaltfreie Konfliktaustragung gewährleisten. Hinsichtlich des Kriegsvölkerrechtes ist dieses größtenteils gelungen: Der Delegitimierung der Fehde als Mittel der Selbsthilfe folgte die Kodifizierung des Kriegsrechtes und schließlich das völlige Verbot zwischenstaatlicher Gewaltanwendung durch Art. 2 Abs. 4 der Satzung der Vereinten Nationen. Verfasst von: Reinhard Meyers Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

Liens utiles