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Russland - geographie.

Publié le 07/06/2013

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Russland - geographie. 1 EINLEITUNG Russland, offiziell Russische Föderation (russisch Rossijskaja Federatsija), Staat in Osteuropa und Nordasien. Russland ist mit einer Fläche von 17 075 200 Quadratkilometern das größte Land der Welt und umfasst mehr als ein Neuntel der Landfläche der Erde. Vom Hauptkamm des Kaukasus im Süden bis zu den arktischen Inseln im Nordpolarmeer erstreckt sich das Land über rund 4 000 Kilometer, und vom Finnischen Meerbusen im Westen bis zur Ratmanowinsel im Beringmeer im Osten dehnt es sich über fast 10 000 Kilometer aus. Russland besitzt Grenzen zu zahlreichen Ländern und wird von einer ganzen Reihe von Meeren bzw. Meeresteilen begrenzt. Im Norden sind dies die Meeresarme des Nordpolarmeeres; hierzu zählen von West nach Ost Barentssee, Karasee, Laptewsee, Ostsibirische See und Tschuktschensee. Im Osten grenzt Russland an den Pazifischen Ozean, an die Beringstraße, die Russland von Alaska trennt, sowie an das Beringmeer, das Ochotskische Meer und das Japanische Meer (in Korea als Östliches Meer bezeichnet). Im Südosten stößt Russland an die nordöstlichste Spitze Nordkoreas. Im Süden grenzt es an China, die Mongolei, Kasachstan, Aserbaidschan, Georgien und das Schwarze Meer. Im Südwesten grenzt es an die Ukraine und im Westen an Weißrussland, Lettland, Estland und den Finnischen Meerbusen, im Nordwesten an Finnland und Norwegen. Das zu Russland gehörende Verwaltungsgebiet Kaliningrad (Königsberg) wird von Litauen, Polen und der Ostsee begrenzt. Zu Russland gehören Inseln im Nordpolarmeer und im Pazifik. Am weitesten nördlich liegt Franz-Josef-Land im Nordpolarmeer; der Archipel besteht aus rund 100 Inseln. Die anderen arktischen Inseln umfassen, von West nach Ost, die beiden Inseln, die Nowaja Semlja bilden, die Inselgruppe Sewernaja Semlja, die Neusibirischen Inseln (Nowosibirskie ostrava) und die Wrangelinsel. Zwischen den genannten Inseln befinden sich zahlreiche kleine Inseln und Inselgruppen. Im Pazifischen Ozean liegen die Kurilen, die sich bogenförmig südwestlich von der Südspitze der russischen Halbinsel Kamtschatka bis nach Japan erstrecken, sowie die Insel Sachalin, die das Ochotskische vom Japanischen Meer trennt. 2 LAND Russland wird zumeist in zwei geographische Großräume unterteilt: das europäische Russland westlich des Urals und Sibirien, das sich östlich des Urals bis zum Pazifischen Ozean erstreckt. In manchen Darstellungen wird als dritter Großraum der russische Ferne Osten unterschieden. Die Grenze zwischen Sibirien in diesem Sinn und dem Fernen Osten bildet die Wasserscheide zwischen Nordpolarmeer und Pazifik. 2.1 Physische Geographie Im westlichen und nördlichen Teil des Landes erstreckt sich eine großräumige Ebene; sie umfasst das Osteuropäische und das Westsibirische Tiefland. Eine ausgeprägte Hochland- und Gebirgsregion bedeckt den größten Teil Mittel- und Ostsibiriens sowie den Fernen Osten des Landes; sie reicht bis an die Küste am Pazifischen Ozean. 2.1.1 Osteuropäisches Tiefland Das Osteuropäische Tiefland nimmt den überwiegenden Teil des europäischen Teils von Russland ein. Es besteht aus weiten Niederungen, die von schwach gegliederten Höhenrücken unterbrochen werden. Nur wenige Erhebungen erreichen Höhen von mehr als 300 Metern. In Karelien und auf der Halbinsel Kola, die geologisch zum Baltischen Schild gehören, ist das Relief besonders im Norden bewegter. Dort wird in den Khibiny-Bergen der zentralen Kola-Halbinsel eine maximale Höhe von 1 191 Metern erreicht. Im Süden geht das Osteuropäische Tiefland in die unterhalb des Meeresspiegels gelegene Kaspische Senke über. Die pleistozänen (eiszeitlichen) Eismassen waren vor allem in den nördlichen Bereichen des Tieflands landschaftsprägend. Hier sind auch einige ausgedehnte Sumpfgebiete entwickelt, wie z. B. das Meshchera-Tiefland südöstlich von Moskau. Während der letzten Eiszeit, die vor etwa 10 000 bis 12 000 Jahren endete, entstand eine Kette von Endmoränen, die vom Grenzgebiet zu Weißrussland aus nach Osten und nördlich von Moskau zur arktischen Küste westlich des Flusses Petschora verläuft. Die Region nördlich dieser Moränenkette wird von zahlreichen Seen und Sümpfen geprägt. 2.1.2 Uralgebirge Der Ural markiert die Grenze zwischen den Kontinenten Europa und Asien. Das Uralgebirge besteht aus einer Reihe alter, abgetragener Bergketten. Die durchschnittliche Höhe liegt bei 600 Metern; höchster Berg ist mit einer Höhe von 1 894 Metern der Narodnaja Gora im Norden des Gebirges. Der Ural ist wirtschaftlich bedeutend, weil er zahlreiche Lagerstätten nutzbarer Bodenschätze umfasst. 2.1.3 Westsibirisches Tiefland Östlich des Uralgebirges setzt sich bis zum Jenissej die weit gespannte Ebene im Westsibirischen Tiefland fort. Dieses überaus flache Gebiet wird von weiträumigen Sumpflandschaften eingenommen. Am mittleren Ob, in der Umgebung der Stadt Surgut, fand man in den sechziger Jahren reiche Erdölvorkommen. 2.1.4 Mittelsibirisches Bergland Östlich des Jenissej erstreckt sich bis zur Lena mit ihrem Nebenfluss Aldan das wellige Mittelsibirische Bergland mit durchschnittlichen Höhen zwischen 500 und 700 Metern. Im Nordwesten dieser Region erhebt sich das Putoranagebirge, das im Kamen eine maximale Höhe von 1 701 Metern erreicht. Flüsse prägten die Gestalt der Landschaft, an einigen Stellen haben sich tiefe Cañons eingeschnitten. Im Norden fällt das Mittelsibirische Bergland zum schmalen Nordsibirischen Tiefland ab, das nach Norden zur Taimyr-Halbinsel ansteigt. 2.1.5 Ostsibirisches Gebirgsland Östlich von Lena und Aldan schließt sich das Ostsibirische Gebirgsland an, das aus verzweigten Gebirgsketten besteht. Die höheren Gebirge in dieser Region, wie z. B. Werchojansker Gebirge, Tschersker Gebirge und Kolymagebirge, erreichen maximale Höhen zwischen etwa 2 300 und 3 200 Metern. Auf der Halbinsel Kamtschatka gibt es etwa 160 Vulkane, von denen 28 noch aktiv sind. Höchster Vulkankegel ist der Kljutschew mit 4 750 Metern. Die vulkanische Gebirgskette von Kamtschatka setzt sich im Süden auf den Kurilen fort. Dort gibt es rund 100 Vulkane, von denen 35 noch aktiv sind. 2.1.6 Südliche Gebirgssysteme Im Süden des europäischen Teils von Russland erstreckt sich zwischen Schwarzem Meer und Kaspischem Meer der junge, geologisch aktive Kaukasus. Er umfasst zwei große Faltengebirgsketten; über den Hauptkamm des Großen Kaukasus verläuft ein Teil der Südgrenze Russlands. Das Gebirgssystem besitzt eine komplizierte geologische Struktur. Höchster Berg im Großen Kaukasus ist mit 5 642 Metern der Elbrus, ein erloschener Vulkan. Im Süden von Mittel- und Ostsibirien setzen sich weitere Gebirgszüge ostwärts bis zum Pazifischen Ozean fort. Dazu gehören Altai, Sajangebirge, Jablonowyjgebirge, Stanowoigebirge und Dshugdshurgebirge. Im Fernen Osten erheben sich das Burejagebirge und der Sichote-Alin. 2.2 Küsten, Flüsse, Seen und Meere Russland hat von allen Ländern der Erde die längste, ununterbrochene Küstenlinie. Sie erstreckt sich entlang dem Nordpolarmeer und dem Pazifischen Ozean über mehr als 32 000 Kilometer. Weitere Küstenabschnitte bestehen am Schwarzen Meer und Kaspischen Meer im Süden. Russland besitzt nur sehr wenige ganzjährig zugängige Meereshäfen; der größte Teil der Küsten liegt an Gewässern, die viele Monate im Jahr zugefroren sind. Trotz dieser Beschränkungen werden alle Meere für die Schifffahrt und den Fischfang genutzt. Die längsten Flüsse Russlands liegen in Sibirien und dem fernöstlichen Russland. Der Ob entspringt im südsibirischen Altai und ist eine wichtige regionale Wasserstraße. Der Fluss ist rund 3 680 Kilometer lang und bildet zusammen mit dem Irtysch mit einer Gesamtlänge von 5 642 Kilometern das längste Flusssystem Asiens. Das zweitgrößte Flusssystem besteht aus Amur, Schilka und Onon. Es hat eine Gesamtlänge von etwa 4 400 Kilometern und führt vom Norden der Mongolei in östlicher Richtung entlang der chinesischen Grenze zur Pazifikküste. Die rund 4 400 Kilometer lange Lena fließt zunächst in nordöstliche Richtung, biegt nach dem Einmünden des Aldan nach Norden und mündet in einem ausgedehnten Delta in die Laptewsee. Mit einer Länge von 3 530 Kilometern ist die Wolga der längste Fluss Europas. Zusammen mit ihren beiden Nebenflüssen Kama und Oka entwässert sie einen großen Teil der Osteuropäischen Ebene nach Südosten zum Kaspischen Meer. Der fünftlängste Fluss, der Jenissej, fließt aus der Mongolei nach Norden durch Ostsibirien und mündet ins Nordpolarmeer. Sein Hauptzufluss, der Angara, stellt den einzigen Abfluss des Baikalsees dar. Der Jenissej führt dem Nordpolarmeer jährlich mehr als 620 Kubikkilometer Wasser zu; damit verzeichnet er die höchste Durchflussmenge aller russischen Flüsse, gefolgt von Lena, Ob, Amur und Wolga. Viele andere Ströme sind als Verkehrswege und als Energiequellen bedeutend, oder sie dienen in trockenen Regionen der Bewässerung. Der Don nimmt dabei eine herausragende Stellung ein. Er liegt im bevölkerungsreichen Osteuropäischen Tiefland und entwässert nach Süden in das Asowsche Meer, einen Arm des Schwarzen Meeres. Im nördlichen Osteuropäischen Tiefland fließen Narwa und Düna (Daugava) nach Nordwesten in die Ostsee. Petschora, Nördliche Dwina, Mezen und Onega fließen Richtung Nordpolarmeer und münden ins Weiße Meer. In der nordkaukasischen Ebene sind die beiden wichtigsten Flüsse für die Bewässerung der Kuban, der nach Westen ins Asowsche Meer fließt, und der Terek, der nach Osten ins Kaspische Meer fließt. Die Sowjetregierung beschleunigte den Bau großer Dämme zur Energiegewinnung und für eine bessere und umfangreichere Bewässerung. Die umfangreichsten Baumaßnahmen erfolgten am Flusssystem von Wolga und Kama, am Don, im oberen Teil des Jenissej-Angara-Systems und an den Läufen von Ob und Irtysch. In Russland gibt es, besonders im ehemals vergletscherten nordwestlichen Teil des Landes, viele natürliche Seen. Das Kaspische Meer im Süden ist der größte Binnensee der Erde. Der Seespiegel des Salzwassersees befindet sich etwa 28 Meter unterhalb des Meeresniveaus. Da das Kaspische Meer keinen Abfluss hat, entweicht Wasser nur durch Verdunstung, wodurch es bei dem hier herrschenden trockenen Klima zur Auskristallisation von Salzen kommt. Das Kaspische Meer hat eine Fläche von rund 371 000 Quadratkilometern. Zweitgrößter See in Russland ist der Baikalsee mit einer Fläche von 31 500 Quadratkilometern. Mit einer maximalen Tiefe von 1 637 Metern ist der Baikalsee der tiefste Süßwassersee der Erde. Man schätzt, dass der See etwa ein Fünftel der Süßwasserreserven der Erde enthält. Die beiden nächstgrößeren Seen sind der Ladogasee und der Onegasee. Sie liegen in der Karelischen Seenplatte im Nordwesten des europäischen Teiles von Russland. Beide Süßwasserseen sind eiszeitlichen Ursprungs und haben Abflüsse, die in den Finnischen Meerbusen münden. 2.3 Klima Russland umfasst eine Reihe unterschiedlicher Klimazonen. Entlang der Küste des Nordpolarmeeres herrscht polares Tundrenklima vor, das im Süden bis in die Gebirgslagen der fernöstlichen Region reicht. Südlich dieser Zone erstreckt sich ein breiter Gürtel mit subarktischem Klima, der im europäischen Russland in südlicher Richtung bis Sankt Petersburg reicht, östlich des Uralgebirges jedoch fast ganz Sibirien und den Fernen Osten Russlands umfasst. Der größte Teil des europäischen Teiles von Russland unterliegt einem gemäßigten kontinentalen Klima. Dieser Gürtel reicht von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer und umfasst im Osten auch einen schmalen Streifen des südlichen Westsibirischen Tieflandes. An dieser Klimazone hat auch der südöstliche Teil des Fernen Ostens Russlands Anteil. An der Schwarzmeerküste herrscht dagegen subtropisches Klima. Moskau liegt in der kontinentalen Klimazone. Die Durchschnittstemperaturen betragen dort -9 °C im Januar und 19 °C im Juli. In Wladiwostok im fernöstlichen Russland betragen die mittleren Temperaturen -14 °C im Januar und 18 °C im Juli. Da sich Russland weit in hohe geographische Breiten erstreckt und das angrenzende Nordpolarmeer nicht von milden Meeresströmungen geprägt ist, herrschen im Norden des Landes raue klimatische Bedingungen. Die Winter sind lang und kalt, die Sommer kurz und im Norden auch relativ kühl. Hohe Gebirge entlang der Südgrenze von Russland und Zentralasien machen eine Zufuhr von maritimen, tropischen Luftmassen von Süden her nahezu unmöglich. Im Winter ist das Nordpolarmeer bis zur Küste zugefroren. Weil das Gebiet im Bereich des Westwindgürtels liegt, reichen warme Einflüsse vom Pazifischen Ozean nicht weit ins Landesinnere. Dies trifft besonders im Winter zu, wenn sich ein ausgeprägtes, extrem kaltes Hochdruckgebiet mit Zentrum über Ostsibirien über weite Teile Sibiriens und des fernöstlichen Russlands erstreckt. Dem Meereseinfluss unterliegt Russland vom Atlantischen Ozean im Westen her; bis aber die Atlantikluft Russland erreicht, hat sie den gesamten Westteil Europas durchquert und beträchtliche Veränderungen durchgemacht. Im Sommer durchdringt sie die Landmassen am leichtesten, wenn tiefer Druck über Russland vorherrscht. Dann kann warme, feuchte Atlantikluft östlich bis nach Mittelsibirien vordringen. Diese Luftmassen bringen Russland ein ausgeprägtes Sommermaximum an Niederschlag. Vielerorts ist die Verteilung der Niederschläge im Sommer nicht sehr günstig. Im Frühsommer gibt es oft Dürren, im Hoch- und Spätsommer fallen häufig beträchtliche Niederschläge, die die Ernten beeinträchtigen. Das trifft insbesondere auf die fernöstliche Region zu, wo einströmende pazifische Luft im Hoch- und Spätsommer Monsunregen bringt. In den nördlichen Gebieten, besonders nördlich von Moskau, ist der Himmel insbesondere im Winter so häufig bedeckt, dass die Russen dieses Phänomen Pasmurno (trübes, trostloses Wetter) nennen. In Moskau ist der Himmel im Dezember an durchschnittlich 23 Tagen bedeckt. In weiten Teilen des Landes ist der jährliche Niederschlag gering. Das Osteuropäische Tiefland verzeichnet einen mittleren Jahresniederschlag von etwa 800 Millimetern, der bis zur Küste am Kaspischen Meer auf rund 400 Millimeter sinkt. In Sibirien und dem Fernen Osten Russlands reichen die Jahresmittelwerte in den meisten Regionen von 500 bis 800 Millimeter. In höheren Lagen sind auch Niederschläge bis zu 1 000 Millimetern möglich, doch in Becken im Landesinneren werden teilweise weniger als 300 Millimeter erreicht. Das Klima ist durch extreme Temperaturgegensätze gekennzeichnet. Die niedrigsten Wintertemperaturen verzeichnet Ostsibirien; im Westen mäßigt die Luft vom Atlantischen Ozean her die Bedingungen etwas. Werchojansk in Ostsibirien wird oft als ,,Kältepol der Welt" bezeichnet. Im Januar liegen die Temperaturen bei durchschnittlich -48,9 °C, doch wurde hier auch schon ein Extremwert von -67,8 °C gemessen. Im Juli liegt die mittlere Temperatur in Werchojansk bei 15 °C, an einzelnen Tagen wurden auch Werte um 35 °C erreicht. Die Stadt verzeichnete damit eine maximale jährliche Temperaturschwankung von 102,8 °C; dieser Wert wurde bisher an keiner anderen Messstation der Erde übertroffen. 2.4 Natürliche Vegetation und Böden Die breiten Vegetations- und Bodenzonen Russlands entsprechen annähernd den Klimazonen des Landes. Im hohen Norden wächst auf tief reichendem Dauerfrostboden eine Tundrenvegetation aus Moosen, Flechten und niedrigen Sträuchern. Der Untergrund ist hier bis in große Tiefen ganzjährig gefroren, nur eine dünne Oberflächenschicht taut im Sommer auf. Über zwei Fünftel des russischen Territoriums sind waldbedeckt, der größte Teil davon liegt im asiatischen Landesteil. Insgesamt stellen die Wälder nahezu ein Viertel der Waldfläche der Erde dar. Die Waldzonen des Landes lassen sich unterteilen in einen nördlichen Teil, den borealen Nadelwaldgürtel (Taiga), und den sehr viel kleineren südlichen Mischwald. Die Taiga schließt sich südlich an die Tundra an; sie bedeckt die nördlichen zwei Fünftel des europäischen Teiles von Russland und erstreckt sich über einen großen Teil Sibiriens und des russischen Fernen Ostens. Ein erheblicher Teil dieser Region ist durch tief reichende Dauerfrostböden gekennzeichnet. Die Taiga besteht hauptsächlich aus Nadelbäumen, doch an einigen Stellen tragen Laubbäume wie Birken, Pappeln, Espen und Weiden zur Waldvielfalt bei. Im äußersten nordwestlichen Teil der europäischen Region beherrschen verschiedene Kiefernarten die Taiga. Östlich der Westhänge des Uralgebirges dominieren Tannen, zudem wachsen hier Kiefern; in einigen Gegenden gibt es fast reine Birkenwaldbestände. Die Taiga der Westsibirischen Tiefebene besteht hauptsächlich aus Kiefernarten, entlang der Südränder des Waldes sind Birken vorherrschend. In weiten Teilen des Mittelsibirischen Berglandes und in den fernöstlichen Gebirgen dominieren Lärchen. Überall in der Taiga sind die Bäume im Allgemeinen klein und stehen weit auseinander. Ein beträchtlicher Teil des Landes ist baumlos, hauptsächlich aufgrund unzureichender Entwässerung; in diesen Gebieten bilden Sumpfgräser und Gebüsche die pflanzliche Decke. Die vorherrschenden Böden der Taiga sind Podsole; sie sind relativ unfruchtbar, da die meisten ihrer Pflanzenminerale durch das saure Grundwasser ausgewaschen worden sind. Mischwald aus Nadel- und Laubbäumen bedeckt den zentralen Teil des Osteuropäischen Tieflandes von Sankt Petersburg im Norden bis zur ukrainischen Grenze im Süden. Im Mischwald dominieren im Norden Nadelbäume und im Süden Laubbäume, hauptsächlich Eichen, Buchen, Hainbuchen und Ahorn. Ein ähnlicher Wald beherrscht fast den ganzen Süden des fernöstlichen Russlands, am mittleren Flusstal des Amur und südlich entlang des Ussuri-Flusstales. Graubraune Waldböden findet man in der Mischwaldzone. Sie sind nicht so unfruchtbar wie die Böden der Taiga im Norden. Mit entsprechenden Anbaumethoden und starker Düngung können sie recht ertragreich sein. Nach Süden hin geht der Mischwald in eine schmale Waldsteppenzone über, bevor die eigentliche Steppenzone beginnt. Die Waldsteppe weist Graslandvegetation mit verstreuten Baumhainen auf, ist heute jedoch größtenteils kultiviert. Sie ist durchschnittlich 150 Kilometer breit und erstreckt sich nach Osten über das mittlere Wolgatal und das südliche Uralgebirge bis in die südlichen Bereiche des Westsibirischen Tieflandes. Isolierte Gebiete dieser Zone finden sich im Süden, in den Zwischengebirgsbecken Ostsibiriens. Die Steppe ist eine Vergesellschaftung von Gräsern mit wenigen, oft verkümmerten Bäumen. Zu dieser Region gehören die Westhälfte der Nordkaukasischen Platte und ein Landstreifen, der sich nach Osten über das südliche Wolgatal, den südlichen Ural und Teile Westsibiriens erstreckt. Ebenso wie die Waldsteppenzone ist auch ein großer Teil der Steppe kultiviert. Waldsteppe und Steppe gedeihen auf fruchtbaren Böden, zusammen bilden sie eine Region, die als Schwarzerdegürtel bekannt ist; sie ist das landwirtschaftliche Kernland Russlands. Die Waldsteppe verfügt über schwarze Tschernosemböden, die einen hohen Humusgehalt und einen nahezu ausgewogenen Mineralstoffgehalt für die Kultivierung der meisten Feldfrüchte haben. Die Waldsteppe hat in der Wachstumsphase die bessere Feuchtigkeitsversorgung gegenüber der Steppe und ist daher die beste Landwirtschaftsregion in Russland. Die Steppenböden sind nicht ganz so humusreich wie die Tschernosemböden im Norden, doch haben sie einen sehr hohen Mineralstoffgehalt. 2.5 Fauna Die Tierwelt in der Tundra entlang der arktischen und pazifischen Küste und auf den vorgelagerten Inseln ist überraschend vielfältig. Hier leben Eisbären, Eisfüchse, Rentiere, Schneehasen und Lemminge sowie Walrosse und Hundsrobben (Bart-, Sattel-, Ringel- und Kegelrobben). Zur Avifauna (Vogelwelt) gehören Schneehühner, Gerfalken, Raufußbussarde, Schnee-Eulen, Möwen und Seetaucher. Im Sommer ziehen viele Gänse, Schwäne und Enten in diese Region, um hier zu brüten. In der warmen Jahreszeit bietet die Tundra Stechmücken optimale Vermehrungsmöglichkeiten, und diese Insekten werden zur Plage. Die Taiga ist Lebensraum für Elche, Rentiere, Braunbären, Luchse, Zobel und eine Vielzahl von Waldvögeln wie Auerhühner, Haselhühner, Waldschnepfen, Tannenhäher, Seidenschwänze, Habichte, Sperber, Habichtskäuze, Bartkäuze und Sperbereulen. In den Laubwäldern leben viele auch in der Taiga anzutreffende Arten, zu den bemerkenswerten Säugetieren gehören Wölfe, Nerze und Biber. Die Wälder im Süden des fernöstlichen Russland sind bekannt für ihre großen Sibirischen Tiger (eine vom Aussterben bedrohte Unterart) sowie für Leoparden und Braunbären. In der Steppe leben Nagetiere wie Bobaks (nahe Verwandte der Alpenmurmeltiere), Perlziesel, Zwerghamster und Blindmäuse, doch kommen dort auch Raubtiere wie Steppeniltisse und Huftiere wie die Saiga (eine Steppenantilope) vor. Die Kaukasusregion weist eine besonders reiche Tierwelt auf; große Raubtiere wie Braunbären, Leoparden, Hyänen und Schakale leben dort, aber auch Steinböcke, Bezoarziegen, Gämsen, Rothirsche und Wildschweine. In den Binnen- und Küstengewässern Russlands gibt es etwa 1 500 Fischarten. 2.6 Umwelt In der Sowjetunion wurde das produzierende Gewerbe systematisch ausgebaut, Auswirkungen auf die Umwelt wurden dabei kaum beachtet. Schätzungen zufolge sind bis zu 60 Prozent der Luft, des Wassers und der Böden in Russland schwer belastet. Ein großes Problem stellt die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser dar; etwa ein Drittel des zur Verfügung stehenden Trinkwassers entspricht nicht internationalen Richtwerten. Als ein besonders sensibles Ökosystem ist auch der Baikalsee immer noch durch industrielle Verschmutzungen gefährdet. Eine große Gefahr, deren Ausmaß noch kaum abgeschätzt werden kann, ist die unkontrollierte Entsorgung und Lagerung von radioaktiven Abfällen, insbesondere der russischen U-Boot-Flotte, in den Küstengebieten und -gewässern (vor allem in den Gebieten um Murmansk und Nowaja Semlja). Aufgrund der schlechten Wirtschaftslage in Russland fällt es ausländischen Unternehmen leicht, Lizenzen für Holzeinschläge in den sibirischen Wäldern zu bekommen. Dies hat in den letzten Jahren zu großflächigen Abholzungen geführt. Ein großer Teil der Wälder, zum Teil bisher weitgehend unberührter Urwald, ist davon bedroht. Die Luftverschmutzung ist in den meisten Städten sehr stark. Ursache hierfür sind u. a. die überwiegend veralteten Verkehrsmittel und die qualitativ minderwertigen Kraftstoffe. Bei verheerenden Bränden wurden 1997 und 1998 im Fernen Osten Russlands ausgedehnte Waldgebiete zerstört. Das verheerende Ausmaß der Umweltschäden in Russland zeigt sich auch daran, dass landesweit 4 bis 5 Prozent aller Krankheiten auf Umweltbelastungen zurückzuführen sind. Seit 1998 haben sich die Umweltbedingungen leicht verbessert. Als Hauptgrund dafür werden Rückgänge bei der industriellen Produktion angeführt. So zeigen Umweltdaten zur Wasser- und Luftverschmutzung in einigen Regionen des Landes für 1998 jeweils einen Rückgang von einigen Prozent an. Ungefähr 1,4 Prozent der Landesfläche stehen in 89 Naturschutzgebieten und 29 Nationalparks unter Schutz. 17 Naturschutzgebiete wurden von der UNESCO zu Biosphärenreservaten erklärt. 3 BEVÖLKERUNG Die Gesamtbevölkerung Russlands beträgt etwa 141 Millionen (2008). Das mittlere Bevölkerungswachstum beträgt rund -0,47 Prozent im Jahr. In keinem anderen Land gibt es eine derart große Vielfalt an ethnischen Volksgruppen. Viele der einzelnen Gruppen leben in eigenen Verwaltungsgebieten. Die Bevölkerungsdichte liegt bei 8,3 Personen pro Quadratkilometer. Die Bevölkerung ist jedoch sehr ungleichmäßig über das Land verteilt. Der europäische Teil Russlands ist verhältnismäßig dicht besiedelt. In weiten Teilen Sibiriens erreicht die Bevölkerungsdichte dagegen nur geringe Werte. In der Zeit der Sowjetunion wurde Sibirien wegen seiner reichen Bodenschätze industriell erschlossen und besiedelt, besonders Südsibirien und der Ferne Osten Russlands. Angehörige von mehr als 100 Nationalitäten leben in Russland; 18 Prozent der Gesamtbevölkerung sind Nichtrussen. Die größte Minderheit stellen die Tataren mit einem Anteil von 3,8 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Die Ukrainer (3 Prozent) sind die nächstgrößere Bevölkerungsgruppe; außerdem leben in Russland u. a. Weißrussen, Tschuwaschen, Baschkiren, Mordwinen und Deutsche. Auseinandersetzungen zwischen einzelnen ethnischen Gruppen gehören seit der Auflösung der Sowjetunion zu den großen sozialen Problemen Russlands. 3.1 Wichtige Städte Knapp drei Viertel der russischen Bevölkerung leben in städtischen Gebieten. 13 Städte haben über eine Million Einwohner. Die meisten davon liegen im europäischen Teil Russlands. Die bei weitem größte Stadt ist die Hauptstadt Moskau mit einer Einwohnerzahl von etwa 10,47 Millionen (2003). Sankt Petersburg war von 1712 bis 1918 Hauptstadt Russlands; die Stadt liegt am Finnischen Meerbusen und ist eine führende Hafenstadt und eines der Hauptindustriezentren mit etwa 4,60 Millionen Einwohnern. Nishnij Nowgorod, mit 1,37 Millionen Einwohnern die größte Stadt an der Wolga, ist eines der Hauptzentren der Automobilindustrie und des Schiffbaus. Nowosibirsk, die größte Stadt Sibiriens, hat rund 1,41 Millionen Einwohner. Jekaterinburg, die größte Stadt im Uralgebirge, hat etwa 1,30 Millionen Einwohner. In Samara, einem bedeutenden Standort der Erdölverarbeitung für die Wolga-Ural-Erdölfelder, leben rund 1,13 Millionen Menschen. Weitere Städte mit mehr als einer Million Einwohnern sind u. a. Omsk, zweitgrößte Stadt in Westsibirien und wichtiger Standort der Petrochemie; Tscheljabinsk, zweitgrößte Stadt im Uralgebirge; Kasan, Hauptstadt der Republik Tatarstan am Mittellauf der Wolga; Perm, Industriezentrum im Gebiet um den Fluss Kama westlich des Uralgebirges; Ufa, Zentrum der Petrochemie im Süden des Uralgebirges; Rostow, Zentrum für Handel, Industrie und Transportwesen im Süden des europäischen Teiles von Russland, am unteren Flusslauf des Don, und schließlich Wolgograd, Standort für Maschinenbau und andere Industriezweige am Unterlauf der Wolga. 3.2 Sprache Amtssprache und verbreitetste Verkehrssprache ist Russisch; einige Republiken haben die jeweils vorherrschende einheimische Sprache als zusätzliche Amtssprache eingeführt. Nur 4 Prozent der Russen innerhalb der ehemaligen UdSSR beherrschen eine der über 100 anderen im Land verbreiteten Sprachen, während die meisten der anderen ethnischen Gruppen Russisch sprechen. Millionen von Nichtrussen haben Russisch als Muttersprache angenommen. In den autonomen Republiken, in denen eine bestimmte Volksgruppe die Bevölkerungsmehrheit stellt, werden die jeweiligen nationalen Sprachen auch in den Schulen gelehrt. Das Fremdsprachenangebot in den Schulen umfasst neben Englisch auch Französisch, Deutsch und Spanisch. 3.3 Religion In der UdSSR wurde die Religionsausübung staatlich kontrolliert und weitgehend unterdrückt. Heute existieren zahlreiche Glaubensgemeinschaften und religiöse Vorstellungen; neben neuen Religionen kam es zum Aufleben traditioneller Religionen wie der des (orthodoxen) Christentums, aber auch des Islam, des Buddhismus und des Judentums. Die Muslime leben vorwiegend in den Republiken des Nordkaukasus und der mittleren Wolgaregion, während die Buddhisten in den Grenzgebieten zur Mongolei wohnen. Die orthodoxe Kirche ist die wichtigste religiöse Institution in Russland. Schätzungsweise 37 Millionen Menschen (rund ein Viertel der Bevölkerung) bekannten sich Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts zum russisch-orthodoxen Glauben. Der russische Präsident Boris Jelzin empfing den Patriarchen von Moskau und Gesamtrussland, Alexei II., das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, mehrmals und würdigte damit seine Bedeutung. Die Kirche ist jedoch gespalten hinsichtlich ihrer Rolle in der postsowjetischen Gesellschaft und der Frage einer Annäherung an den Westen. Weitere strittige Themen, denen sich die Kirche gegenübersieht, sind u. a. das Wiederaufleben der unierten Kirche in der Ukraine, die zwar den orthodoxen Riten folgt, aber den Papst als Autorität anerkennt, und die Gründung getrennter orthodoxer Kirchen in anderen früheren Sowjetrepubliken. 3.3.1 Feiertage Zu den russischen Feiertagen gehören Silvester (31. Dezember), Neujahr (1. Januar), Weihnachten (7. Januar), der internationale Frauentag (8. März), Ostern, der Tag der Solidarität (1. Mai), der Tag des Sieges (9. Mai), der Unabhängigkeitstag (12. Juni) und der Tag der Oktoberrevolution (7. November). Der wichtigste Feiertag in Russland ist Neujahr. An Silvester bringt ,,Väterchen Frost", gekleidet in einen roten Umhang und schwarze Stiefel, den Kindern Geschenke, die sie aber erst am nächsten Tag finden. Da die russisch-orthodoxe Kirche den julianischen Kalender verwendet, begehen die Russen das Weihnachtsfest am 7. Januar. Nach der Oktoberrevolution 1917 war es viele Jahre lang untersagt, Weihnachten zu feiern, aber nach dem Ende der Sowjetunion 1991 erweckten die Russen die Weihnachtstradition wieder zu neuem Leben, und heute ist Weihnachten in Russland ein staatlicher Feiertag. Ostern wird in Russland nach dem julianischen Kalender festgelegt. Am Samstag vor dem Palmsonntag ehren die Russen Lazarus, den Jesus von den Toten erweckt haben soll. Der Tag des Sieges erinnert an das Ende des 2. Weltkrieges. 4 BILDUNG UND KULTUR Die russischen Bildungs- und Kulturinstitutionen wurden über annähernd sieben Jahrzehnte durch die KPdSU kontrolliert. Im Rahmen der Politik von Glasnost und Perestroika von Michail Gorbatschow wurden ihnen sehr viel größere Freiheiten gewährt. Die Liberalisierung beschleunigte sich durch die Auflösung der UdSSR, brachte aber auch große finanzielle Probleme mit sich, da die staatliche Subventionierung zum Teil entfiel. 4.1 Bildungswesen Russland besitzt ein gut entwickeltes Bildungssystem. Es besteht ein umfassendes Netz von Vorschulen, Grund- und Hauptschulen sowie weiterführenden Schulen. Dazu gehört auch die kostenlose Weiterbildung für Erwachsene. Es besteht eine 10-jährige Schulpflicht (2002-2003). Der mittlere Bildungszweig beginnt in der fünften Klasse und endet nach der neunten. Danach wechseln die Jugendlichen an weiterführende Schulen oder technische Berufsschulen, zu deren Lehrplan auch die Ausbildung am Arbeitsplatz gehört. Kleinkindhorte, Kindergärten und andere frühkindliche Bildungsstätten sind in Russland besonders gut besucht. Nahezu 70 Prozent der Kinder im Vorschulalter besuchen eine staatliche Einrichtung. Die berufsbildenden höheren Schulen bilden Fachkräfte wie z. B. Techniker, Krankenschwestern, Grundschullehrer und andere Spezialisten aus. Sie dauern in der Regel vier Jahre und vermitteln neben einer allgemeinen höheren Bildung fachspezifisches Wissen. Die ein- bis dreijährigen technischen Berufsschulen bilden für Fachberufe aus und verbinden ebenfalls allgemeine höhere Schulbildung mit Berufsausbildung. Die Mehrzahl der russischen Hochschulen sind Spezialinstitute zur Berufsausbildung. Ein großer Prozentsatz der Studenten belegt Fernkurse. Traditionell ist der Unterricht kostenlos, und die Studenten erhalten monatliche Stipendien. Einige Universitäten planen, Studiengebühren zu erheben. Zu den bekanntesten Universitäten des Landes gehören die Moskauer Lomonossow-Staatsuniversität (gegründet 1755), die Staatliche Universität Sankt Petersburg (1819), die Staatliche Universität Kasan (1804) und die Staatliche Universität Nowosibirsk (1959). Andere wichtige Universitäten gibt es in Rostow, Nishnij Nowgorod, Tomsk, Wladiwostok und Woronesh. Neben den Universitäten und Hochschulinstituten befindet sich in Russland die Russische Akademie der Wissenschaften, die im Bereich wissenschaftlicher Forschung führend ist. Die Ausbildung bis zum ersten Examen an den Hochschulinstituten umfasst in der Regel ein vier- bis fünfjähriges Studium. Danach kann der Student sich zur Ausbildung für Fortgeschrittene für weitere ein bis drei Jahre einschreiben. Studenten, die ihr Studium erfolgreich abschließen, umfangreiche Prüfungen ablegen und ihre Dissertationen schreiben, erhalten den Status eines Kandidat nauka (Kandidat der Wissenschaften). Ein höherer akademischer Grad, der Doktor der Wissenschaften, wird etablierten Gelehrten verliehen, die innerhalb ihrer Disziplin herausragende Beiträge geleistet haben. 4.2 Kultureinrichtungen Die großen kulturellen Einrichtungen befinden sich vor allem in Moskau und Sankt Petersburg, darunter die Eremitage, eines der größten Museen der Welt. In Moskau befinden sich u. a. die Staatliche Tretjakow-Galerie für russische Kunst, das Staatliche Puschkin-Museum für Bildende Kunst und das Volkskunstmuseum. Im Nordosten von Moskau liegt der so genannte Goldene Ring altrussischer Städte, deren Gründung meist auf Klosterbauten an Flussläufen oder Seen zurückgeht. Russland besitzt zahlreiche Bibliotheken. Am bekanntesten ist die Russische Staatsbibliothek in Moskau; mit mehr als 30 Millionen Bänden in rund 250 Sprachen ist sie eine der größten der Welt. Weitere bedeutende Bibliotheken sind die Staatliche Saltykow- Schtschedrin-Bibliothek in Sankt Petersburg mit rund 28,5 Millionen Bänden; die Bibliothek der Russischen Akademie der Wissenschaften mit rund zwölf Millionen Bänden und die Moskauer Lomonossow-Staatsbibliothek der Universität mit rund 6,6 Millionen Bänden. Die bekanntesten Theater in Moskau sind das Bolschoi-Theater, das Maly-Theater und das Moskauer Kunsttheater. Darüber hinaus werden viele der größeren Produktionen des Bolschoi-Balletts und der Operntruppe im Kongresspalast des Kreml aufgeführt, in dem 6 000 Zuschauer Platz finden. Andere bedeutende Theater in Moskau sind das Zentrale Moskauer Kindertheater, das Moskauer Theater für junge Zuschauer, das Zentrale Moskauer Staatspuppentheater, das Akademische Musical-Theater, das Operettentheater und das Institut für Theaterkunst. In Sankt Petersburg befindet sich das Marininskij-Ballett (früher: Kirow-Akademietheater für Oper und Ballett, siehe Kirow-Ballett), das Maly-Operntheater und das Puschkin-Theater. 4.3 Kunst und Literatur siehe russische Kunst und Architektur; russische Literatur 5 VERWALTUNG UND POLITIK Nach dem Ende der Sowjetunion und der Auflösung der staatstragenden Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) 1991 durchlebte Russland eine langwierige und problematische Phase der Umgestaltung, die zum Teil schwere Verwerfungen in allen Bereichen des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens mit sich brachte und von Machtkämpfen zwischen den verschiedenen Interessengruppen geprägt war. Erst etwa ab der Jahrtausendwende stabilisierten sich die politischen Verhältnisse nach und nach, nicht zuletzt aufgrund der fortschreitenden Konzentration der Staatsmacht auf einen starken Präsidenten, die allerdings auch zu Lasten von Pluralismus und demokratischen Freiheiten geht. Nach der Verfassung von 1993, die seither mehrmals geändert wurde, ist Russland eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. 5.1 Exekutive Staatsoberhaupt ist der für vier Jahre direkt vom Volk gewählte Staatspräsident; eine einmalige unmittelbare Wiederwahl ist möglich. Der Präsident ist mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet: Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, hat die Kontrolle über den Befehl zum Einsatz von Atomwaffen und ist Vorsitzender des Sicherheitsrates, des zentralen Organs für sicherheitsrelevante innen- und außenpolitische Entscheidungen. Er ernennt den Ministerpräsidenten, der dann noch von der Duma bestätigt werden muss. Lehnt die Duma den vorgeschlagenen Ministerpräsidenten in drei Abstimmungen ab, kann der Präsident das Parlament auflösen und Neuwahlen anordnen. Ebenso ernennt er die Gouverneure der Föderationssubjekte, die dann von den jeweiligen Regionalparlamenten bestätigt werden müssen (seit 2004; zuvor wurden sie in den Regionen direkt gewählt); auch in den Regionen kann der Präsident bei dreimaliger Ablehnung seines Kandidaten das Parlament auflösen. 5.2 Legislative Gemäß der Verfassung von 1993 besteht das russische Parlament aus zwei Kammern, der Duma (Unterhaus) und dem Föderationsrat (Oberhaus). Die 450 Abgeordneten der Duma werden für vier Jahre in allgemeinen Wahlen und nach dem Verhältniswahlsystem gewählt (seit der Verfassungsänderung von 2004; davor wurden sie je zur Hälfte nach dem Verhältnis- und dem Mehrheitswahlsystem gewählt). Für den Einzug in die Duma gilt eine Sperrklausel von 7 Prozent, und eine Partei muss 50 000 Mitglieder aufweisen können, um überhaupt bei den Duma-Wahlen antreten zu dürfen; beide Bestimmung kamen bei den Wahlen von 2007 erstmals zur Anwendung. Der Föderationsrat besteht aus je zwei Vertretern der 85 Territorialeinheiten der Russischen Föderation, die vom jeweiligen Gouverneur oder dem Regionalparlament bestimmt werden. Um den Gouverneuren, die bis einschließlich 2001 selbst im Föderationsrat vertreten waren, ein Forum auf föderaler Ebene zu bieten, wurde der Staatsrat geschaffen, in dem sich die Gouverneure der Föderationssubjekte unter Vorsitz des Präsidenten versammeln; der Staatsrat hat jedoch ausschließlich beratende Funktion und ist kein Verfassungsorgan. 5.3 Judikative Die obersten judikativen Organe sind das Verfassungsgericht, der Oberste Gerichtshof und das Oberste Schiedsgericht. Ihre Richter werden vom Präsidenten ernannt und vom Föderationsrat bestätigt. 5.4 Kommunalverwaltung Das Staatsgebiet wird in 85 Territorialeinheiten (Subjekte) gegliedert, die je nach Art der Einheit einen unterschiedlichen Grad an Autonomie genießen: 21 Republiken, ein autonomes Gebiet, vier autonome Kreise (okruga), neun Regionen (kraja), 46 Gebiete (oblasti) und zwei Städte föderalen Ranges (Moskau und Sankt Petersburg). Diese 83 Territorialeinheiten wurden im Mai 2000 sieben Föderationsbezirken (Zentralrussland, Nordwestrussland, Ural, Südrussland, Wolga, Sibirien, Fernost) untergeordnet, wodurch sich die russische Zentralgewalt eine bessere Kontrolle über die einzelnen Subjekte erhoffte. Obwohl die Republiken auf einheimischen, nichtrussischen Volksgruppen basieren, stellen die Russen immer einen beträchtlichen, oft den überwiegenden Teil der Bevölkerung. Nichtrussische ethnische Gruppen bilden nur in fünf der Republiken eine klare Mehrheit, während die Russen in neun der Republiken die stärkste Volksgruppe sind. Nach der Auflösung der UdSSR suchten die ethnischen Republiken verstärkt nach Unabhängigkeit innerhalb Russlands. Ein Vertrag über die Beziehungen zwischen der Zentralregierung und den Republiken wurde im März 1992 unterzeichnet. Er umriss die Rechte und Pflichten beider Regierungsebenen. Mit Ausnahme der Tatarischen Republik und der Tschetschenischen Republik, die beide die völlige Unabhängigkeit von Russland anstrebten, unterzeichneten alle Republiken den Vertrag. Die neue Verfassung von 1993 löste die Vertragsvereinbarungen ab. Sie garantiert den Republiken besondere Rechte, darunter das Recht zur Annahme einer eigenen Verfassung, Staatshymne und Staatsflagge. Die Republiken der Russischen Föderation sind: Adygien Altaj Baschkirien Burjatien Chakassien Dagestan Inguschetien Jakutien Kabardino-Balkarien Kalmykien Karatschajewo-Tscherkessien Karelien Komi Mari-El Mordwinien Nordossetien Tatarstan Tschetschenien Tschuwaschien Tuwa Udmurtien 5.5 Politische Parteien Seit dem Verzicht der KPdSU auf ihre verfassungsmäßige Führungsrolle 1990 vollzog sich ein dramatischer Wandel von einem totalitären Einparteienstaat zu einer Mehrparteiendemokratie. Es bildeten sich Hunderte von politischen Gruppierungen, Splittergruppen, Bewegungen und Parteien, die ein breites, unübersichtliches politisches Spektrum von Monarchisten bis hin zu Kommunisten abdecken. Bündnisse zwischen größeren Gruppierungen erwiesen sich in der Regel als instabil, und die politischen Programme vieler Parteien blieben vage. Erst ab der Jahrtausendwende kristallisierten sich einige wenige Parteien als weitgehend stabil heraus sowie als ausreichend mitglieder- und wählerstark, um den Sprung in die Duma zu schaffen; mitverantwortlich dafür waren die Bedingungen der ,,gelenkten Demokratie" des Präsidenten Wladimir Putin sowie eine Reihe von Änderungen im Wahl- und Parteiengesetz. Wichtigste Partei der Ära Putin ist die konservative Partei Einiges Russland (Jedinaja Rossija), die im Wesentlichen der Unterstützung des Präsidenten dient und für einen starken Staat plädiert. Einiges Russland entstand 2001 aus den Parteien Einheit (Jedinstwo) und Vaterland - ganz Russland (Otetschestwo - wsja Rossija), die sich wiederum zum Teil aus der untergegangenen Partei Unser Haus Russland (Nasch Dom - Rossija) rekrutierten, der Partei von Putins Vorgänger Boris Jelzin. Ebenfalls regierungsnah ist die Partei Gerechtes Russland (Sprawedliwaja Rossija), die 2006 aus dem Zusammenschluss der ebenfalls regierungsnahen Parteien Rodina, Russische Rentnerpartei und Russische Partei des Lebens hervorging. Eine weitere wichtige regierungsnahe Partei ist die bereits 1990 gegründete Liberaldemokratische Partei Russlands (Liberalno-Demokratischeskaja Partija Rossii, LDPR), eine auf dem rechten Flügel des politischen Spektrums angesiedelte nationalistische, populistische Partei. Stärkste Oppositionspartei ist seit dem Bestehen der Russischen Föderation die aus der KPdSU hervorgegangene Kommunistische Partei der Russischen Föderation (Kommunistitscheskaja Partija Rossiskoj Federazii, KPRF). Ebenfalls nicht regierungsnah ist Jabloko (,,Apfel", eigentlich Russische Demokratische Partei Jabloko, Rossijskaja Demokratitscheskaja Partija Jabloko), eine 1993/95 gegründete linksliberale Partei. Liberal ist auch die 1999 aus verschiedenen Gruppierungen entstandene Partei Union der rechten Kräfte (Sojus Prawych Sil, SPS), allerdings eher wirtschaftsliberal. 5.6 Verteidigung Die Struktur der Streitkräfte in Russland hat sich in der postsowjetischen Zeit grundlegend verändert. Unmittelbar nach der Auflösung der UdSSR 1991 unterstanden die Streitkräfte der Kontrolle durch die Militärbefehlshaber der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), die das sowjetische Rüstungspotential übernommen hatte. Im Mai 1992 schuf Russland jedoch seine eigene Militärstruktur; dies geschah als Antwort auf die Bildung eigener Armeen durch verschiedene GUS-Staaten, besonders die Ukraine. Das militärische Kommando der GUS war noch für ein weiteres Jahr aktiv, obwohl seine Macht schon stark eingeschränkt war. Schließlich wurde es im Juni 1993 abgeschafft, und die meisten seiner Funktionen wurden auf das russische Militärkommando übertragen. Die Streitkräfte Russlands umfassen rund 1 Millionen Soldaten (2004) in Armee, Marine und Luftwaffe. Männliche Staatsangehörige ab 18 Jahren müssen 18 Monate dienen, wenn sie zur Armee eingezogen werden; bei der Marine und der Luftwaffe dauert die Wehrpflicht zwei Jahre. Die Verteidigungspolitik wird vom Sicherheitsrat gestaltet, einem Exekutivorgan, das im Mai 1992 gegründet wurde. Der Sicherheitsrat besteht aus einem Vorsitzenden, einem Sekretär, drei weiteren ständigen Mitgliedern sowie nichtständigen Mitgliedern, die der Präsident ernennt. Der russische Staatspräsident hat den Vorsitz. Die Verteidigungsfähigkeit der russischen Streitkräfte ist seit der Gründung der Russischen Föderation zurückgegangen. Die Verteidigungseinrichtungen sehen sich schwerwiegenden Problemen wie Rekrutenengpässen, unzureichenden Unterkünften, veralteter Ausrüstung und geringer Truppenmoral gegenüber. 6 WIRTSCHAFT Wie in den anderen ehemaligen Sowjetrepubliken, wurde auch die Wirtschaft in Russland durch die Auflösung der UdSSR empfindlich getroffen. Ökonomisch gesehen stand das Land 1990/91 kurz vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch. Das große Staatsdefizit nimmt rund ein Fünftel des gesamten Bruttoinlandsproduktes ein, wobei Ähnliches für die ebenfalls hohe Auslandsverschuldung gilt (1996 fast 125 Milliarden US-Dollar). Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag 2006 bei 986 940 Millionen US-Dollar. Die Gründe für die russische Wirtschaftskrise liegen in der Zerstörung traditioneller Handelsmuster und in der verzögerten Durchführung von Wirtschaftsreformen. Der Handel zwischen Russland und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken litt häufig unter Streitigkeiten wegen der Austauschrelationen ( siehe Terms of Trade), besonders hinsichtlich des Preises für russische Erdölexporte. Sich überschneidende Besitzansprüche verschiedener staatlicher Verwaltungsebenen innerhalb Russlands haben die Ausübung von Geschäften mit Russland noch schwieriger gemacht. Marktreformen, die Präsident Jelzin und andere Befürworter Anfang 1992 noch vehement vorantrieben, trafen bei Industriemanagern und Konservativen auf großen Widerstand. Trotz der Proteste von Regierungsvertretern gewährte die Zentralbank Russlands 1992 hohe Subventionszahlungen an nicht rentable Unternehmen, die die Inflation weiter in die Höhe trieben und das Haushaltsdefizit vergrößerten. Ende 1993 war etwa ein Drittel aller Staats- und Kommunalunternehmen privatisiert worden, aber dieser Prozess hing in großem Maß von der Unterstützung durch lokale Funktionäre ab. Die Privatisierung schritt in einigen Städten, z. B. in Nishnij Nowgorod, Sankt Petersburg und Jaroslawl, viel schneller voran als in anderen Teilen des Landes. Darüber hinaus war der rechtliche Rahmen für Privatisierungen unvollständig. Der private Besitz, Verkauf und die Vermietung von Grund und Boden wurde erst im Oktober 1993 erlaubt, als Präsident Jelzin einen Regierungserlass herausgab, der ein zehnjähriges Moratorium auf den Wiederverkauf von Land aufhob. Der Übergang von der zentral gelenkten Planwirtschaft zur Marktwirtschaft gestaltet sich weiterhin schwierig. Dies zeigt sich exemplarisch an dem Erdölkonzern Yukos, der sich vom ehemaligen Staatsunternehmen zu einem erfolgreich agierenden Privatunternehmen entwickelte und nach seiner Zerschlagung erneut unter staatliche Kontrolle kam. Yukos entstand im April 1993 im Zuge der Privatisierung von staatlichen Erdölfirmen der ehemaligen Sowjetunion. Bis 2003 hatte sich Yukos zum größten privaten Erdölkonzern Russlands entwickelt. Weltweites Aufsehen erregte im September 2003 die Verhaftung des Vorstandsvorsitzenden Michail Chodorkowskij wegen Betrugs und Steuerhinterziehung. Anschließend beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft 44 Prozent der Yukos-Aktien. Die starken Kursverluste der noch gehandelten Anteilsscheine machten es Yukos unmöglich, durch Veräußerung eigener Aktienpakete die von den Behörden geforderten Steuernachzahlungen in Höhe von umgerechnet mehreren Milliarden Euro zu leisten. Verhaftet wurde Chodorkowskij, der reichste Mann in Russland, nach Ansicht von Beobachtern vermutlich vor allem deshalb, weil er die Opposition gegen Staatspräsident Putin unterstützte. Das Urteil gegen Chodorkowskij - neun Jahre Lagerhaft -, das im Mai 2005 erging, wurde von vielen Seiten als politisches Urteil und der vorangegangene Prozess als unfair gewertet. Im Dezember 2004 wurde das Yukos-Tochterunternehmen Yuganskneftegas, auf das rund 60 Prozent der Erdölförderung von Yukos entfallen, bei einer Zwangsversteigerung an die bis dahin unbekannte BaikalFinansGroup verkauft. Diese Investorengruppe übernahm damit weit mehr als die Hälfte des Kerngeschäfts von Yukos, weshalb dieser Schritt der Zerschlagung des Mutterkonzerns gleichkam. Wenige Tage später erfolgte die Übernahme der BaikalFinansGroup durch den staatlichen Erdölkonzern Rosneft. Damit hatte der Staat nach Aufspaltung des Konzerns Yukos die Kontrolle über dessen Kerngeschäft übernommen. Ein brisantes Problem für die Wirtschaft Russlands stellt die organisierte Kriminalität dar. Angaben des russischen Innenministeriums zufolge werden schätzungsweise über 40 000 Firmen von mafiaähnlichen Organisationen kontrolliert, darunter auch Banken und Staatsbetriebe. Die Gesamtzahl der Beschäftigten beträgt 73,5 Millionen (2006). 30 Prozent der Erwerbstätigen arbeiteten 2005 in der Industrie. In der Landwirtschaft waren 10 Prozent, im Handel- und Dienstleistungsbereich 22 Prozent und im Regierungs- sowie Verwaltungsapparat nochmals 22 Prozent aller Erwerbstätigen beschäftigt. Die Arbeitslosenquote wird auf 7,9 Prozent geschätzt (2004). Die Organisation der Arbeit hat sich seit der Sowjetzeit nicht sehr verändert. Die Gewerkschaften werden von Organisationen beherrscht, die Nachfolger der offiziellen kommunistischen Gewerkschaften der UdSSR sind. Ihre oberste Organisation, die Föderation Unabhängiger Gewerkschaften (die russische Abkürzung ist FNPR), hat 50 Millionen Mitglieder, das entspricht fast 70 Prozent der Gesamtarbeiterschaft. Im Gegensatz dazu haben Gewerkschaften, die nicht dem FNPR angeschlossen sind, weniger als eine halbe Million Mitglieder. Die FNPR-Gewerkschaften haben aus der Sowjetzeit einige Befugnisse bewahrt, darunter die Kontrolle über die Mittel der Sozialversicherung, die Berechtigung, automatisch Gewerkschaftsbeiträge von der Gehaltsabrechnung der Arbeiter einzubehalten, sowie das Recht, gegen Entlassungsvorschläge des Managements Einspruch einzulegen. Die Regierung hat versucht, diese Befugnisse der Gewerkschaften zu reduzieren, doch das veranlasste die meisten der FNPR-Gewerkschaften dazu, die konservative Opposition politisch zu unterstützen. Darüber hinaus etablierte die FNPR eine enge Verbindung zum Industriemanagement, die der Verbindung zwischen Arbeiterschaft und Management in der Sowjetzeit gleicht. 6.1 Landwirtschaft Aus klimatischen Gründen sind nur 13 Prozent der Landesfläche landwirtschaftlich nutzbar, rund 60 Prozent der Landwirtschaftsfläche werden ackerbaulich genutzt. Der größte Teil der Anbauflächen des Landes liegt im so genannten fruchtbaren Dreieck, das seine Basis entlang der Westgrenze hat, die sich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer erstreckt, und das nach Osten in den südlichen Ural spitz zuläuft. Dort verengt es sich auf einen Streifen von etwa 400 Kilometern Breite, der sich über die südwestlichen Ränder von Sibirien erstreckt. Östlich des Altaigebirges gibt es Landwirtschaft nur in isolierten Gebirgssenken entlang des Südrandes von Sibirien und in der fernöstlichen Region. Die Grenze des wirtschaftlich rentablen Getreideanbaus liegt bis auf wenige Ausnahmen im fernöstlichen Teil bei 60 Grad nördlicher Breite. Nach Süden hin ist das Klima ohne Bewässerung zu trocken. Während der Sowjetzeit errichtete man am Kuban und an anderen Flüssen im Süden des europäischen Teiles von Russland umfangreiche Bewässerungsanlagen, um die Landwirtschaft zu versorgen. Die wichtigsten Bewässerungsprojekte der früheren UdSSR liegen jedoch in den zentralasiatischen Republiken. In Russland werden vor allem Weizen, Gerste, Hafer, Roggen, Zuckerrüben, Sojabohnen und Kartoffeln angebaut. Weitere wichtige Anbauprodukte sind Mais, Hirse, Buchweizen, Reis, Hülsenfrüchte, Sonnenblumenkerne und Flachs. Verschiedene Arten von Obst gemäßigter Klimazonen wie Äpfel, Birnen, Kirschen und Weintrauben werden in Russland ebenfalls in großem Umfang kultiviert. Von besonderer Bedeutung ist die Zucht von Schweinen, Rindern, Schafen und Geflügel. Im hohen Norden ist die Rentierhaltung eine der Haupteinnahmequellen der einheimischen Bevölkerung, im Norden und Osten außerdem die Jagd und Zucht von Pelztieren. Die Landwirtschaft erfuhr zu Beginn der neunziger Jahre einen starken Rückgang. Zwischen 1990 und 1992 sank die gesamte landwirtschaftliche Produktion um mehr als 4 Prozent jährlich; zwischen 1990 und 1991 sank die Weizenproduktion um 24 Prozent. Obwohl die Fleischproduktion einigermaßen stabil blieb, sank der Viehbestand beträchtlich. Zwischen 1986 und 1993 verringerte sich der Gesamtbestand an Geflügel um 10 Prozent, an Rindern um 12 Prozent und an Schweinen, Schafen und Ziegen um 19 Prozent. Die Abnahme beim Viehbestand lässt sich zum Teil auf mangelndes Tierfutter zurückführen, während der Rückgang der Landwirtschaft hauptsächlich auf fehlenden Kreditquellen und einem starken Anstieg der Preise für Maschinen, Dünge- und andere chemische Mittel, Treibstoff etc. beruht. Die Privatisierung in der Landwirtschaft erfolgt nur langsam. Nahezu das gesamte Agrarland (96 Prozent) blieb unter Kontrolle ehemaliger Kollektive und Staatsbetriebe (Kolchosen und Sowchosen), von denen die meisten als Produzentenkooperativen oder Aktiengesellschaften reorganisiert worden sind; nur etwa 4 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche werden von Privatbauern bewirtschaftet. Der Staat kauft einen Großteil der Landwirtschaftsproduktion, aber dieser Anteil nahm Anfang der neunziger Jahre stetig ab. Besonders bemerkbar macht sich dieser Rückgang bei Zuckerrüben, Gemüse, Sonnenblumenkernen und Kartoffeln. 6.2 Forstwirtschaft Russland ist einer der führenden Produzenten von Nutzholz und Holzerzeugnissen; das Land verfügt über etwa ein Fünftel des Waldbestandes der Erde und über rund ein Drittel des Weltbestandes an Nadelwald; der größte Teil der russischen Nutzholzproduktion besteht aus Weichholz, hauptsächlich von Kiefern, Tannen und Lärchen. Wichtigstes Laubholz für den Handel ist Birke. Die Hauptgebiete der Nutzholzgewinnung liegen im Nordwesten des europäischen Teiles, im zentralen Uralgebirge, in Südsibirien (in der nahen Umgebung der Transsibirischen Eisenbahn) und im Süden des fernöstlichen Russlands. Die am leichtesten zugänglichen und wertvollsten Holzbestände wurden in der Sowjetzeit stark ausgebeutet; geblieben sind Wälder in weniger zugänglichen Bereichen Sibiriens und im Norden des europäischen Teiles. Diese Wälder, besonders jene in Sibirien, enthalten einen hohen Anteil an Lärchen. Die groß angelegte Ausbeutung dieser schwer zugänglichen Lärchenwälder hat sich als sehr kostenintensiv erwiesen, da das Fällen, der Transport und die Verarbeitung der Lärchenstämme schwierig sind. In den letzten Jahren hat trotzdem die Abholzung sibirischer Wälder stark zugenommen (siehe oben unter Umwelt). 6.3 Fischerei Die russische Fischindustrie ist eine der größten der Welt. Übertroffen wird sie in der Produktionsmenge nur von Japan, China und den Vereinigten Staaten. Während der Sowjetzeit stieg der Pro-Kopf-Verbrauch an Fisch auf rund 23 Kilogramm pro Jahr. Historisch war der Fischfang konzentriert auf die angrenzenden Meere und inländische Seen und Flüsse. In den letzten Jahrzehnten sind große Anstrengungen unternommen worden, die Fischfangaktivitäten auszuweiten. Die sowjetischen Fangflotten begannen damit, in fast allen Teilen der Weltmeere Fisch zu fangen, und die Fischzucht wurde in Teichen und ländlichen Bewässerungsstauseen und -gräben entwickelt. Das führte dazu, dass die Sowjetunion bezüglich der jährlichen Fischfangmenge in den achtziger Jahren an zweiter Stelle hinter Japan stand. 2005 wurden rund 3,36 Millionen Tonnen Fisch gefangen. Die See- und Hochseefischerei machte dabei etwa 92 Prozent aus, die Binnenfischerei rund 8 Prozent. Bei der Binnenfischerei machten die Fänge in den Salzwässern des Asowschen, Schwarzen und Kaspischen Meeres ungefähr 60 Prozent der Gesamtmenge aus; die restlichen 40 Prozent stammten aus Süßwasserseen, Flüssen, Stauseen und Teichen. Eine herausragende Stellung unter den gewerblich wichtigen Fischarten in den Binnengewässern nehmen Störe aus dem Norden des Kaspischen Meeres ein. Sie sind die Hauptquelle für Kaviar. Diese Fische können bis zu 100 Jahre alt werden und bis zu 1,5 Tonnen Gewicht erreichen. Der Hausen, die wirtschaftlich bedeutendste Art der Störe, zählt zu den größten Süßwasserfischen der Welt, er kann bis zu fünf Meter lang werden. Die Störbestände des Kaspischen Meeres sind durch rücksichtslose Überfischung seit dem Ende der Sowjetunion stark gefährdet. Etwa 25 Prozent der russischen Fangmenge stammen aus dem Nordatlantik und dem Nordpolarmeer. Ein Großteil der atlantischen Fischfangflotte ist in Häfen an der Ostsee stationiert. Kaliningrad ist der größte russische Fischereihafen an der Ostsee; ein weiterer wichtiger Ostseehafen ist Sankt Petersburg am Finnischen Meerbusen. In der Ostsee werden hauptsächlich Heringe und Sprotten für den Verkauf gefangen. Murmansk und Archangelsk sind die herausragenden Fischereihäfen an der Westküste des Nordpolarmeeres. Viele Fischereihäfen liegen am Asowschen Meer, Schwarzem Meer und Kaspischem Meer im Süden; Astrachan ist ein bekannter Fischereihafen am Kaspischen Meer. Rund 60 Prozent des russischen Fisches werden im Pazifischen Ozean und dessen Randmeeren gefangen. Wladiwostok ist bei weitem größter Fischereihafen und größtes Fischverarbeitungszentrum in der Pazifikregion. Viele andere Fischereihäfen sind über die Festlandküste sowie über die Insel Sachalin verstreut. Aufgrund seiner kalten Gewässer ist das Ochotskische Meer einer der reichsten Fanggründe Russlands. Es ist bekannt für Lachs, aber auch die Kamtschatkakrabbe ist weltweit berühmt. Weitere Fischarten, die im Pazifik gefangen werden, sind Heringe, Flundern, Makrelen und Kabeljaue; außerdem werden Meeressäugetiere wie Walrosse und andere Robbenarten erlegt. Während der achtziger Jahre war die frühere UdSSR die führende Walfangnation. Der kommerzielle sowjetische Walfang wurde 1979 im Nordpazifik beendet, doch wurden in den Meeren rund um die Antarktis weiter Wale erlegt. Die Walfangflotten hatten ihren Stützpunkt in Wladiwostok an der Pazifikküste. 1988 wurde der kommerzielle Walfang in der UdSSR endgültig eingestellt. 6.4 Bergbau Von allen Ländern der Welt verfügt Russland über die größten Vorräte an Bodenschätzen. Besonders reich sind die Vorkommen an Energierohstoffen. Man schätzt, dass in Russland rund die Hälfte der weltweit nachgewiesenen Kohlevorräte lagern und dass es größere Erdölvorkommen hat als jede andere Nation. Kohlelagerstätten sind über das ganze Land verstreut; die weitaus größten Felder liegen in Sibirien und dem Fernen Osten Russlands, doch die am besten erschlossenen Lagerstätten befinden sich in Westsibirien, im Nordosten des europäischen Gebiets, in der Region um Moskau und im Ural. Die Hauptvorkommen an Erdöl lagern in Westsibirien und in der Wolga-Ural-Region. Die Hauptvorkommen an Erdgas liegen entlang der arktischen Küste Sibiriens, in der nördlichen Kaukasusregion und in der Autonomen Republik der Komi im Nordosten des europäischen Teiles von Russland. Der Bergbau ist ein Hauptsektor der russischen Wirtschaft und liefert Produkte für den Export. Russland ist ein Hauptexporteur für Eisenerz (zwölf Millionen Tonnen pro Jahr), wobei der größte Teil im Süden Zentralrusslands gefördert wird. Die Eisenerzvorkommen im Uralgebirge (bei Magnitogorsk) sind weitestgehend erschöpft. Auch bei den Kupferexporten (168 000 Tonnen pro Jahr) und bei Nickelexporten (127 000 Tonnen pro Jahr) nimmt Russland eine bedeutende Stellung ein. Kupfer- und Nickelerze werden hauptsächlich im Ural gefördert, obwohl es auch beträchtliche Nickellagerstätten auf der Halbinsel Kola nahe bei Murmansk gibt. Das Land ist einer der führenden Goldproduzenten. Gold wird im Ural, in Westsibirien und in Ostsibirien im Tal des Flusses Lena gefördert. Bauxitdepots liegen hauptsächlich im Ural und im Nordwesten des europäischen Teiles von Russland nahe bei Sankt Petersburg. Kleinere Vorkommen gibt es in Westsibirien nahe bei Kemerowo und in der Fernostregion nahe der Mündung des Amur. Zinn wird im Nordosten Sibiriens abgebaut, Blei und Zink in Sibirien und der Fernostregion. Manganvorräte lagern im Ural, in Westsibirien und im Fernen Osten. 6.5 Industrie In der Sowjetunion war das Hauptaugenmerk auf die Schwerindustrie gerichtet. Dabei wurde vor allem dem Maschinenbau sowie den Metall verarbeitenden Industrien größte Bedeutung beigemessen. Ein zweites Augenmerk galt der Rüstungsindustrie. Die Industrieproduktion für die nationale Verteidigung hatte in den Sowjetplänen höchste Priorität. Die russische Rüstungsindustrie und die Luft- und Raumfahrtindustrie ist technisch sehr fortgeschritten. Bei der Planung der Industrialisierung der UdSSR widmete die Sowjetregierung der Standortwahl der riesigen Industriekomplexe große Aufmerksamkeit. Ursprünglich waren die industriellen Fertigungszentren Russlands auf die Gebiete um Moskau und Sankt Petersburg konzentriert. Gleichzeitig wurde mit der industriellen Erschließung von Gebieten im Ural begonnen, die für ihre großen Kohle- und Mineralstoffvorkommen bekannt waren. Außerdem begann man zu Beginn der Sowjetzeit mit der Planung neuer industrieller Zentren in verschiedenen Regionen Sibiriens. Heute konzentriert sich der Fahrzeugbau im zentralen europäischen Teil von Russland. Lokomotiven werden in den Städten Kolomna, Murom und Ljudinowo gefertigt, die alle nahe bei Moskau liegen. Der Fahrzeugbestand der Eisenbahn wird in Fabriken in Twer, nordwestlich von Moskau, und in Brjansk, südwestlich von Moskau, gebaut. UBahnen werden in Mytischtschi, einem nördlichen Vorort von Moskau, hergestellt. Engels im Tal der Wolga ist das Hauptzentrum für die Herstellung von Oberleitungsbussen (Trolleybus). Eine große Eisenbahnwaggonfabrik im Minusinskbecken im Osten von Sibirien beliefert die Transsibirische Eisenbahn und die Baikal-Amur-Magistrale. Größtes Schiffbauzentrum ist Sankt Petersburg am Finnischen Meerbusen; kleinere Schiffswerften befinden sich in Archangelsk am Weißen Meer und an einigen Häfen der Pazifikküste. Die meisten Flussschiffe des Landes werden im Wolga-Kama-Flussbecken gebaut. Die älteste und immer noch größte Schiffswerft für Flussschiffe liegt in der Stadt Nishnij Nowgorod; weitere Bootsbaufabriken gibt es in Moskau, Rybinsk und Kostroma am oberen Flusslauf der Wolga. Die Kraftfahrzeugindustrie in Russland ist hinsichtlich Menge und Qualität kaum entwickelt; viele Russen kaufen sich ihre Fahrzeuge im europäischen Ausland. Zentrum der Autoindustrie sind die beiden Städte Togliatti und Samara an der Wolga. Andere Standorte befinden sich in Moskau, Ishewsk und Nishnij Nowgorod. Lastkraftwagen und ähnliche Nutzfahrzeuge werden beispielsweise an der Kama in Nabereshnyje Tschelny, in Nishnij Nowgorod, in Moskau, in Uljanowsk (Simbirsk) an der Wolga sowie in Miass im Uralgebirge gebaut. Die Fertigung von landwirtschaftlichen Maschinen ist ein bedeutender Industriezweig. 1990 lieferte Russland 60 Prozent der Gesamtproduktion an Landmaschinen in der ehemaligen UdSSR und war einst der größte Hersteller von Traktoren in der Welt und großer Exporteur. Die großen Fertigungsfabriken stehen im europäischen Teil Russlands, in Sankt Petersburg, Wolgograd, Wladimir, Brjansk und Lipetsk. Tscheljabinsk im Ural und Rubzowsk in der Altairegion Sibiriens sind ebenfalls wichtige Produktionszentren. Der Zusammenbruch der Sowjetunion wirkte sich äußerst negativ auf die Textilindustrie Russlands aus. Fast die gesamte Baumwolle kam aus den ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien und der Republik Aserbaidschan. Aufgrund geringerer Lieferungen aus diesen Ländern mussten viele russische Textilfabriken schließen. 1992 sank die gesamte Textilproduktion um mehr als 50 Prozent. Insgesamt sind die Industrieproduktionen in Russland in den letzten Jahren beträchtlich zurückgegangen. Damit hält eine allgemeine Verlangsamung des industriellen Wachstums an, die schon in den letzten Jahren der UdSSR festzustellen war. 6.6 Währung und Bankwesen Die Währungseinheit Russlands ist der Rubel; Kopeken sind wegen der extremen Inflation nicht mehr im Umlauf. Die Inflationsrate lag im Sommer 1997 bei 11 Prozent, 1996 waren es noch 37,6 Prozent. Über Jahrzehnte gestattete es die UdSSR nicht, dass der Rubel auf dem Weltmarkt in Umlauf kam. Stattdessen setzte sie willkürlich einen Wert im Verhältnis zu Auslandswährungen fest. Anfang 1998 gab die russische Regierung einen neuen Rubel ohne Sowjetinsignien heraus. Die Struktur des Bankwesens in Russland hat sich seit Mitte der achtziger Jahre deutlich verändert. In den letzten Jahren der UdSSR wurden die Tochterbanken von Gosbank, der Bundesbank der UdSSR, in Geschäftsbanken umgewandelt und erhielten eine neue Konzession unter der neuen Zentralbank für Russland. Die fünf großen sowjetischen Sektorenbanken (eine Allgemeine Sparkasse, die Bank für den Außenhandel und Banken für den sozialen Sektor, für die Landwirtschaft sowie für die Bauwirtschaft und die Industrie) wurden entweder in Geschäftsbanken umgewandelt oder geschlossen. Die verbliebenen Sektorbanken haben nicht länger besondere Funktionen oder Regierungsklientel, obwohl sie sich einen Großteil ihrer früheren Kunden erhalten haben. Die umgewandelten Sektorenbanken sind viel größer als in jüngster Zeit gegründete Geschäftsbanken. Das Vermögen der größten früheren Sektorenbank überstieg Mitte des Jahres 1991 knapp 110 Milliarden Rubel, gegenüber durchschnittlich 1,5 Milliarden Rubel für die führenden neuen Geschäftsbanken. Die beiden Banktypen unterscheiden sich auch in der Art der Kundschaft, die sie betreuen. Die früheren Sektorenbanken versorgen in erster Linie Staatsbetriebe, während die neuen Geschäftsbanken hauptsächlich private Unternehmen bedienen. Nur zwölf Auslandsbanken haben die Genehmigung erhalten, im Land tätig zu werden; sie sind in ihrer Tätigkeit zudem einer Reihe von Einschränkungen unterworfen. Nach der Verfassung von 1993 ist die Zentralbank von Russland unabhängig von direkter Kontrolle durch Regierung oder Parlament, obwohl ihr Vorsitzender von der Duma auf Empfehlung des Präsidenten ernannt wird. Die schwere Bankenkrise vom August 1998 zog eine allgemeine Wirtschaftskrise nach sich. 6.7 Außenhandel 1987 bezogen Mitglieder des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (COMECON) rund 60 Prozent der Sowjetexporte und lieferten 64 Prozent der Importe. Unter den sozialistischen Ländern war die Deutsche Demokratische Republik der führende Handelspartner der UdSSR, gefolgt von der Tschechoslowakei, Polen, Ungarn und Bulgarien. Die Haupthandelspartner der UdSSR außerhalb des Ostblocks waren die Bundesrepublik Deutschland, Italien und Japan. Mit den politischen Veränderungen hat sich inzwischen auch die Struktur des russischen Außenhandels stark geändert. Der Handel mit den westlichen Industrieländern macht nun über die Hälfte der russischen Handelsaktivitäten außerhalb der ehemaligen Sowjetrepubliken aus. Deutschland ist Russlands größter Handelspartner (ohne den Handel mit den ehemaligen Sowjetrepubliken, vorrangig der Ukraine). Weitere Handelspartner sind die USA, Länder der EU (z. B. Italien, Großbritannien, Niederlande), die Schweiz und China. Ein weiterer markanter Umschwung im russischen Außenhandel war ein starker Rückgang des Handelsvolumens: 1992 beliefen sich die Exporte in Gebiete außerhalb der ehemaligen UdSSR auf weniger als ein Drittel des Exportumfangs von 1988, zugleich erreichten die Importe weniger als die Hälfte des Volumens von 1988. Im ersten Quartal des Jahres 1993 ging der Außenhandel sogar noch weiter zurück, was zum Teil durch neue Importzölle verursacht wurde und durch zusätzliche Kontrollen bei strategisch bedeutsamen Exporten. Versuche, die russische Handelsbilanz genau zu ermitteln, werden jedoch durch den vorhandenen Tauschhandel und die illegale Übertragung von russischem Vermögen ins Ausland erschwert. Der Tauschhandel machte jedoch schätzungsweise 40 Prozent der Gesamtexporte und 26 Prozent der Gesamtimporte aus. Der Tauschhandel findet hauptsächlich mit den früheren Sowjetrepubliken statt, von denen die meisten immer noch russischen Brennstoff zu subventionierten Preisen beziehen. Was die illegale Übertragung russischen Vermögens betrifft, so nehmen Schätzungen an, dass der Gesamtbetrag an illegalem Kapitalabfluss sich bisher auf zehn Milliarden US-Dollar und mehr beläuft. 6.8 Verkehrswesen Das Verkehrs- und Transportwesen wird von der Eisenbahn dominiert. Die Dichte des Eisenbahnnetzes entspricht im Allgemeinen der regionalen Bevölkerungsdichte. Die russischen Eisenbahnlinien weisen den stärksten Frachtverkehr der Welt auf. Der dichteste Verkehr auf einer Einzelstrecke verläuft im westsibirischen Abschnitt der Transsibirischen Eisenbahn. Um das Schienennetz zu entlasten, wurden in Westsibirien und Nordkasachstan parallele Trassen gebaut. Eine neue Eisenbahnstrecke, die Baikal-Amur-Magistrale (BAM), verläuft durch ganz Sibirien und die Fernostregion nördlich der heutigen Transsibirischen Eisenbahn. Die Sowjetregierung vernachlässigte den Gütertransport auf Straßen aufgrund der hohen Bau- und Instandhaltungskosten für das Straßennetz und aufgrund der hohen Gesamttransportkosten. Etwa die Hälfte der Straßen hat einen Beton- oder Asphaltbelag, der Rest sind unbefestigte Straßen. Nur wenige der Straßen des Landes haben mehr als zwei Fahrspuren. Wie das Eisenbahnnetz ist auch das Straßennetz im europäischen Teil des Landes am dichtesten. Ende der achtziger Jahre gehörte die Handelsflotte der UdSSR zu den größten der Welt. Zu den wichtigsten zivilen Seehäfen in Russland zählten neben Noworossijsk am Schwarzen Meer, Sankt Petersburg und Kaliningrad an der Ostsee auch Nachodka, Vostochnyy, Wladiwostok und Vanino an der Pazifikküste sowie Murmansk und Archangelsk an der arktischen Küste. Die Wolga ist die wichtigste inländische Wasserstraße Russlands. Über sie läuft mehr als die Hälfte der Binnenschifffahrt des Landes. Haupthäfen an der Wolga sind Rybinsk, Nishnij Nowgorod, Samara, Wolgograd und Astrachan im Mündungsgebiet am Kaspischen Meer. Rostow, ebenfalls ein bedeutender Hafen, liegt am Asowschen Meer nahe der Donmündung. Die Häfen von Moskau sind über den Moskaukanal mit dem Wolgaflusssystem verbunden. Dieser Kanal fließt nördlich von Moskau in die Wolga. In Sibirien und der Fernostregion sind die Flüsse die einzigen Verkehrswege in Gebieten, die fern jeder Eisenbahnlinie liegen. Die meisten sibirischen Flüsse, darunter Lena, Jenissej und Ob, fließen nach Norden ins Nordpolarmeer. Der nach Osten fließende Amur ist der wichtigste schiffbare Strom in der Fernostregion. Russland verfügt über ein umfangreiches Netz an Rohrleitungen für Erdöl und Erdgas, von denen die meisten von Ost nach West verlaufen. Ölpipelines verbinden Fördergebiete in Westsibirien und in der Wolga-Ural-Region mit Verbrauchsgebieten im europäischen Russland und in anderen europäischen Ländern. Auch Erdgas gelangt über Pipelines aus dem Nordwesten von Sibirien, dem Nordosten des europäischen Russlands und dem Nordkaukasus nach Westen. Verschiedene Leitungen verbinden Russland mit Gas- und Erdölfeldern in zentralasiatischen Republiken und Westkasachstan. Weitere Leitungsnetze verlaufen von Süden nach Osten von Westsibirien bis nach Irtkutsk. Einige kleine, isolierte Rohrleitungen findet man in Nordsibirien und in der Fernostregion. 6.9 Tourismus Der Fremdenverkehr ist für Russland eine wichtige Einnahmequelle für Devisen. Hauptzielorte vieler Auslandsgäste sind vor allem die Großstädte Moskau und Sankt Petersburg. Wichtige Erholungsgebiete befinden sich außerdem am Schwarzen Meer. 6.10 Energie Etwa 80 Prozent des Gesamtenergiebedarfs erzeugen Wärmekraftwerke. Bis 1955 hatte die Kohle den größten Anteil an der Energieerzeugung Russlands - das Land besitzt rund die Hälfte des Weltvorkommens. Ab 1955 fand eine allmähliche Umstellung auf Erdöl und Erdgas statt. Bis zu den siebziger Jahren waren Öl und Erdgas schließlich die Hauptenergiequellen des Landes geworden, und die UdSSR wurde der weltgrößte Produzent für fossile Brennstoffe. Nach der Auflösung der UdSSR sank die Energieproduktion insgesamt ab. Weitere bedeutende Energiequellen in Russland sind die Wasserkraft und die Kernenergie. Wasserkraftwerke erzeugen rund 5 Prozent der gesamten Jahresstrommenge. Wichtige Wasserkraftwerke befinden sich an den großen Flüssen wie Wolga, Kama, Jenissej und Angara. Die Atomkraft liefert 15,67 Prozent der Gesamtenergieproduktion Russlands (2003). Die meisten Atomkraftwerke liegen im europäischen Teil Russlands. So decken beispielsweise die beiden größten Städte des Landes, Moskau und Sankt Petersburg, gut ein Drittel ihres Strombedarfs durch Kernenergie. Der Reaktorunfall in Tschernobyl am 26. April 1986 bewog die Sowjetfunktionäre zunächst dazu, bereits fertig gestellte Pläne zur umfangreichen Ausweitung der nuklearen Kapazitäten aufzugeben, aber 1992 verkündete die russische Regierung erneut Erweiterungspläne der nuklearen Energieproduktion. Im Juli 1998 wurde der Bau von sieben neuen Atomreaktoren beschlossen. 7 GESCHICHTE Historisch bezeichnet Russland das Zaren- bzw. Kaiserreich, das mit dem Kiewer Reich (Kiewer Rus) und dem Großfürstentum Moskau zwei Vorläufer hatte und bis zur Oktoberrevolution 1917 bestand. Nach der Oktoberrevolution schufen die Bolschewiki die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR), die im Juli 1918 eine erste Verfassung erhielt und die dominierende Teilrepublik der 1922 gegründeten Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR, Sowjetunion) wurde. Heute wird der Name gemeinhin auf die Russische Föderation angewendet, die sich 1990 für souverän erklärte und nach der Auflösung der UdSSR 1991 zum unabhängigen Staat wurde. Wörtlich übersetzt müsste der neue Staat, gemäß der Unterscheidung im Russischen zwischen russkij und rossijsskij, eigentlich ,,Russländische" Föderation (Rossijskaja Federatsija) heißen. 1914 nahm das russische Kaiserreich mit rund 22 Millionen Quadratkilometern flächenmäßig etwa ein Sechstel der Erdoberfläche ein. Das Land erstreckte sich vom Bottnischen Meerbusen bis zum Pazifik und bestand aus dem eigentlichen russischen Kernland im östlichsten Teil Europas, zu dem auch das Großherzogtum Finnland und der größte Teil Polens gehörte, den Steppengebieten im Südwesten, dem Kaukasus, Sibirien und Russisch-Turkestan. 7.1 Frühzeit und Kiewer Rus (bis 1242) 7.1.1 Frühzeit, Völkerwanderungen und slawische Landnahme In vorchristlicher Zeit war das Gebiet des heutigen Russland nur spärlich von Nomadenstämmen besiedelt. Im Norden, einer Region mit ausgedehnten Wäldern, lebten die Stämme, die später unter dem Oberbegriff Slawen zusammengefasst wurden. Weitaus wichtiger war der Süden. Dort wurde die nicht genau abzugrenzende Region mit dem Namen Skythien durch verschiedene asiatische Reitervölker besetzt, darunter - in chronologischer Folge - die Kimmerier, die Skythen und die Sarmaten. Seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. errichteten griechische Händler und Kolonisten Handelsposten und Niederlassungen, besonders an der Nordküste des Schwarzen Meeres und auf der Halbinsel Krim. Die offenen Ebenen des europäischen Russland erleichterten das Vordringen verschiedener Volksstämme, die Siedlungen gründeten und sich mit der ansässigen Bevölkerung vermischten. So wurden in den ersten Jahrhunderten nach Christus die asiatischen Völker aus Skythien von den germanischen Goten verdrängt, die am Schwarzen Meer ein Königreich errichteten. Im 4. Jahrhundert n. Chr. eroberten die eindringenden Hunnen das Land, vertrieben die Goten und vernichteten auch das schon seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. bestehende Bosporanische Reich beiderseits der Straße von Kertsch. Die Hunnen hielten das Gebiet, das die heutige Ukraine und Bessarabien umfasste, bis zu ihrer Niederlage auf den Katalaunischen Feldern (im heutigen Frankreich) im Jahr 451. Im 6. Jahrhundert drangen die Awaren über die südrussische Steppe vor, gefolgt von den Magyaren und den Chasaren, die bis etwa Mitte des 10. Jahrhunderts das Gebiet zwischen Wolga und Don beherrschten. Während dieser langen Periode aufeinander folgender Invasionen begannen sich die slawischen Stämme, die wahrscheinlich nordöstlich der Karpaten in den Sumpf- und Waldgebieten zwischen oberem Bug und dem Mittellauf des Dnjepr lebten, über Osteuropa auszubreiten und sich in verschiedenen größeren Gruppen zu formieren. Im Sog der zahlenmäßig sehr viel schwächeren Awaren drangen sie nach Mittel- und Südosteuropa vor. Aus den westlichen Stämmen entwickelten sich u. a. Polen, Tschechen und Slowaken, aus den südlichen Stämmen gingen die Serben, Kroaten und Slowenen hervor. Die Ostslawen betätigten sich als Kaufleute, drangen über das System von Flüssen und Wasserwegen, das sich von den Waldaihöhen aus erstreckte, vor und legten Handelsposten an, so z. B. Kiew im Süden und Nowgorod im Norden. Die Waldaihöhen im Nordwesten Russlands sind die höchsten Erhebungen in der Osteuropäischen Ebene und das Quellgebiet vieler wichtiger Flüsse, z. B. Wolga, (westliche) Düna und Dnjepr. Durch diese strategisch wichtige Region, die sich leicht überwinden ließ, verliefen die Handelswege von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. Von den Waldaihöhen breiteten sich die Ostslawen ab dem 6. Jahrhundert weiter aus. 7.1.2 Die ersten Rurikiden (862-1054) 7.1.2.1 Rurik Die verschiedenen ostslawischen Stämme, die sich bis zum 8. Jahrhundert herausbildeten, schufen keine eigene Staatlichkeit, sondern allenfalls lockere Herrschaften, die sich untereinander in beständigem Konflikt befanden. Der russischen Überlieferung zufolge - Hauptquelle ist die Anfang des 12. Jahrhunderts in Kiew entstandene Nestorchronik - wurden die internen Streitigkeiten und Stammesfehden unter den Ostslawen rund um Nowgorod so heftig, dass diese entschieden, sich unter die Oberhoheit eines fremden Fürsten zu begeben. Ihre Wahl fiel auf Rurik, einen skandinavischen Stammes- und Heerführer, der 862 Herrscher über Nowgorod wurde. Zwei andere Skandinavier, Dir und Askold, erlangten die Herrschaft über Kiew. Daher gilt 862 auch als ,,Geburtsjahr" Russlands, obwohl zu diesem Zeitpunkt weder von einem Staat noch von Russen gesprochen werden kann. In der Nestorchronik werden die Skandinavier Waräger (Wikinger aus Schweden) genannt; sie erhielten später, wie auch die von ihnen unterworfenen Ostslawen, den Namen Rus (in griechischen Quellen Rhos) wovon sich wahrscheinlich Russen und Russland ableiten. Allerdings gibt es auch Theorien, die als Ursprung den finnischen Namen für die Schweden, Ruotsi, oder den Namen eines Alanenstammes in Südrussland, Rukhs-As, annehmen. Den historischen Hintergrund der Berufungslegende liefert das Vordringen bewaffneter skandinavischer Kaufleute über die Fernhandelsrouten von der Ostsee über Wolchow bzw. Düna, Dnjepr und das Schwarze Meer nach Konstantinopel (,,Weg von den Warägern zu den Griechen") seit dem 8. Jahrhundert. Rurik und die Dynastie, die er begründete, die Rurikiden (bis 1598), leiteten eine Zeit innerer Konsolidierung ein und führten zu einer Ausdehnung des ostslawischen Territoriums, besonders im Nordosten und Nordwesten, wo die ansässigen finnischen Völker assimiliert wurden. Die Waräger und ihre skandinavischen Gefolgsleute bildeten dabei die zahlenmäßig allerdings nur sehr dünne Oberschicht im sich ausbildenden Reich. 7.1.2.2 Oleg und Swjatoslaw Ruriks Nachfolger wurde 879 sein Sohn Igor, der von 912 oder 913 bis 945 regierte. Da dieser noch ein Kind war, übernahm Oleg, ein Verwandter Ruriks, die Herrschaft. Fürst Oleg, der den strategischen Wert des Gebiets um Kiew für den Fernhandel erkannte, ließ die warägischen Herrscher der Stadt 882 töten, vereinte dann die beiden Zentren in einer Hand und machte Kiew zu seiner Hauptstadt. Er dehnte sein Herrschaftsgebiet beträchtlich aus, indem er Nachbarstämme unterwarf und sein Heer aus Warägern, Slawen und Finnen nach Süden bis Konstantinopel führte (907). Der dort 911 geschlossene Handelsvertrag mit dem Byzantinischen Reich ist das erste datierte Ereignis in der altrussischen Geschichte. Seit dieser Zeit gestalteten sich die Beziehungen zu Byzanz immer enger; ein weiterer Handelsvertrag wurde 944 und ein Friedensvertrag 971 geschlossen. Die Witwe Igors, Olga, die für ihren minderjährigen Sohn Swjatoslaw die Regentschaft führte (945-964), soll 955 zwar Christin geworden sein, scheiterte aber mit dem Versuch, das Christentum allgemein durchzusetzen. Doch bereitete sie den Boden für die spätere Christianisierung. Unter Olga und Swjatoslaw (bis 972), dem ersten Fürsten, der einen slawischen Namen trug, erlangte Kiew die Führungsposition unter den altrussischen Städten. Beide Herrscher schufen die Grundlagen für eine staatliche Ordnung im Kiewer Reich, wo das slawische Element allmählich bestimmend wurde. Swjatoslaw war ein großer Heerführer, der sich ganz der Stärkung der russischen Position im Süden und Osten widmete. Er führte seine Truppen gegen die Bulgaren an Wolga und Donau, gegen die Chasaren und gegen die Petschenegen, einen kriegerischen Nomadenstamm, der aus der Schwarzmeersteppe nach Norden vordrang. 7.1.2.3 Wladimir der Heilige und Jaroslaw der Weise Das Reich wurde nach dem Tod Swjatoslaws unter seinen drei Söhnen aufgeteilt. Die sich daraus ergebenden Herrschaftskonflikte endeten 980, als der jüngste Sohn, Wladimir I., den man später Wladimir den Großen oder den Heiligen (978-1015) nannte, sich als Großfürst von Kiew durchsetzte. Das bedeutendste Ereignis während seiner Herrschaft war seine christliche Taufe im Jahr 988, mit der das Christentum zugleich zur offiziellen Staatsreligion erhoben wurde. Nachdem er seine heidnischen Frauen verstoßen hatte, heiratete er Anna, die Schwester des byzantinischen Kaisers Basileios II. Wladimir war damit der erste nichtgriechische Herrscher, der eine dynastische Verbindung mit dem byzantinischen Kaiserhaus einging und so für sich eine bedeutende Rangerhöhung erreichte. Russland öffnete sich also nicht dem Christentum lateinisch-abendländischer Prägung, sondern der byzantinischen Kirchentradition, die allerdings über Bulgarien vermittelt war. Doch ging die russisch-orthodoxe Kirche von Beginn ihre eigenen Wege. Unter der Leitung von Metropoliten, die von etwa 1039 bis 1299 in Kiew residierten, erreichte sie ein großes Maß an Autonomie, obgleich sie der kanonischen Autorität des ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel unterstand und der Großfürst ihr tatsächliches Oberhaupt war ( siehe orthodoxe Kirche). Die Liturgie bediente sich des Slawischen, das als Sprache der Kirche zur ostslawischen Schriftsprache wurde. In der Architektur, d. h. vor allem im Kloster- und Kirchenbau, in der bildenden Kunst und Musik entfaltete sich hingegen kraftvoll das byzantinische Kulturerbe. Nach dem Tod Wladimirs 1015 stritten seine Söhne um das Erbe. Der älteste, Swjatopolk, genannt der Verfluchte, erlangte die Oberherrschaft und ließ, um seine Stellung zu sichern, seine Brüder Boris und Gleb ermorden, wurde aber im Gegenzug von seinem Bruder Jaroslaw Mudry, dem Fürsten von Nowgorod, besiegt und abgesetzt. Jaroslaw Mudry, der Weise (Großfürst 1019-1054), versuchte, das Reich seines Großvaters Swjatoslaw wieder erstehen zu lassen; bis 1036 konnte er sich als Gesamtherrscher durchsetzen. Mit ihm erreichte das Kiewer Reich, außenpolitisch durch dynastische Verbindungen zu zahlreichen europäischen Höfen abgesichert, seine größte Macht. Jaroslaw erbaute im großfürstlichen Kiew prachtvolle Klöster und Kirchen, darunter die Sophienkathedrale (Kathedrale der Heiligen Weisheit), errichtete Schulen und schuf den ersten russischen Gesetzeskodex, die Russkaja Prawda (,,Russische Wahrheit"). 7.1.3 Der Niedergang Kiews (1054-1242) Jaroslaws Tod 1054 leitete den Niedergang des Kiewer Reichs und den Aufstieg der verschiedenen russischen Teilfürstentümer ein, die fast ständig Krieg gegeneinander führten. Die Fürstenversammlung von Ljubetsch bestätigte den verschiedenen Rurikiden-Linien die Erblichkeit ihrer Territorien. Jaroslaws Enkel, Wladimir II. Monomach (1113-1125), unternahm einen letzten Versuch, das Land zu einen, aber sein Tod beendete alle Bemühungen, den Gesamtstaat zu erhalten. Andere Fürstentümer forderten nun den Großfürsten von Kiew heraus, darunter Galitsch (Halitsch, später Galizien) und Wolhynien im Westen (ab 1199 vereint), Wladimir-Susdal im oberen und mittleren Teil des Wolgabeckens, Tschernigow und Nowgorod-Sewerskij im Desna-Becken, Polozk, das die Flussbecken von Düna und Beresina umfasste, Smolensk am oberen Teil von Düna und Dnjepr, sowie Nowgorod, der bei weitem größte Teilstaat, zwischen Finnischem Meerbusen, Peipussee, dem Oberlauf der Wolga, Weißem Meer und Nördlicher Dwina. Wirtschaftlich hatte das Kiewer Reich unter dem Niedergang des Fernhandels nach der Einnahme Konstantinopels durch die Kreuzfahrer 1204 zu leiden ( siehe Kreuzzüge). Damit einher ging eine Bevölkerungsabwanderung nach Norden, wo Nowgorod zur blühenden Handelsstadt und östlichem Außenposten der Hanse aufstieg (Peterhof circa 1200-1494). Die Dnjepr-Metropole Kiew verlor ihre Bedeutung als politisches und geistlich-kulturelles Zentrum; ihren Platz übernahmen die Städte Susdal, Wladimir, die Hauptstadt des militärisch stärksten Fürstentums (ab 1169 Sitz des Großfürsten) und schließlich Moskau ein. Zusammengehalten wurden die Teilfürstentümer durch die gemeinsame Sprache, Religion und Kultur. Im Westen mussten sie sich gegen Polen, Litauer und den Deutschen Orden, im Süden gegen die Einfälle der Polowzer Nomaden (Kumanen) verteidigen. 7.2 Ära der Goldenen Horde und der Aufstieg Moskaus (1242-1547) 7.2.1 Der Mongolensturm 1223 tauchten die Mongolen unter Dschingis Khan im Südosten auf. Die Polowzer in der südrussischen Steppe wandten sich an die russischen Fürsten um Hilfe gegen diesen gemeinsamen Feind; noch im selben Jahr wurde jedoch die Koalition aus Polowzern und Russen in der Schlacht an der Kalka (heute Kalmius) vernichtend geschlagen. Nach ihrem Sieg wandten sich die Mongolen wieder nach Innerasien; zwölf Jahre lang führte ihr Weg sie nicht mehr in Richtung Westen, das Mongolenreich endete vorerst an der unteren Wolga. Erst 1237 stießen die Mongolen bzw. Tataren (der Name des mongolischen Stammes ging später auf die Gesamtheit der turksprachigen Steppenvölker über) unter Batu Khan, einem Enkel Dschingis Khans, erneut vor. Auf ihrem Vormarsch nach Norden zerstörten sie 1238 die meisten Städte im Großfürstentum Wladimir; erst südlich von Nowgorod stoppten unwegsame Wälder und Sümpfe den Mongolensturm. Batu Khan zog mit seinen Armeen nach Südosten ab, setzte seinen Angriff jedoch 1240 fort, überrannte den Südwesten und zerstörte Kiew. Die Tataren zogen dann weiter nach Polen, Ungarn und Schlesien. 1242 errichtete Batu das Khanat der Goldenen Horde mit der Hauptstadt Sarai an der unteren Wolga (nahe dem heutigen Wolgograd). Die Invasion hinterließ nicht nur schwere Verwüstungen, sondern war auch ein wichtiger Einschnitt in der russischen Geschichte, weil sie Russland politisch und kulturell von Europa isolierte. Mit der Zerstörung der Städte ging auch die vielerorts sich entwickelnde kommunale Selbstverwaltung verloren. Auch wenn sich die Tataren zurückzogen und ihre Herrschaft eher indirekt durch die Verpflichtung, Tribut- und Heeresfolge zu leisten, ausübten, blieb ihr Einfluss doch spürbar. Die Region um Kiew und die Steppengebiete entvölkerten sich, weil ein Großteil der slawischen Bevölkerung nach Westen floh, um den Massakern der Mongolen zu entgehen. So entstand in den westlichen Teilfürstentümern des Kiewer Reiches, die nicht von den Tataren unterworfen worden waren, sondern unter polnisch-litauische Herrschaft gerieten, das Volk der Weißrussen. Eine zweite Gruppe, bestehend aus den slawischen Bewohnern des Kiewer Landes und angrenzender Gebiete, formierte die Kleinrussen oder Ukrainer. In Nordrussland bildete sich, vermischt mit finnougrischen Bevölkerungsteilen, die Bevölkerungsgruppe der Großrussen. 7.2.2 Selbstbehauptung zwischen West und Ost Nowgorod erreichten die Mongolen auf ihren Eroberungsfeldzügen nicht; dennoch wurde der Nordwesten Russlands ebenfalls bedroht, und zwar aus dem Westen: 1240 landete eine schwedische Armee an den Ufern der Newa. Fürst Alexander Newskij von Nowgorod, Sohn des Großfürsten von Wladimir-Susdal, brachte den Schweden jedoch eine schwere Niederlage bei; seither trug er den Beinamen Newskij, ,,von der Newa". Zwei Jahre später rückte der Deutsche Orden gegen Nowgorod vor, wurde aber von Alexander Newskij in der so genannten ,,Eisschlacht auf dem Peipussee" vernichtend geschlagen. Um angesichts der anhaltenden Bedrohung der Nordwestgrenze keine Invasion aus dem Süden zu riskieren, ließ sich Alexander auf eine Politik loyaler Unterwerfung unter die Goldene Horde und die Versöhnung mit Batu Khan ein und wurde im Gegenzug von Batu 1252 als neuer Großfürst von Wladimir-Susdal anerkannt. Die meisten russischen Fürsten folgten Alexanders Beispiel, zahlten Tribut und betrachteten sich als Vasallen der Tataren, wollten sie keine Strafexpeditionen provozieren (z. B. 1258/59 gegen Galitsch-Wolhynien). 7.2.3 Der Aufstieg Moskaus 7.2.3.1 ,,Sammlung russischer Erde" Die Stadt Moskau, 1147 von Jurij Dolgorukij als Grenzfestung des Fürstentums Wladimir-Susdal gegründet, lag geographisch günstig an den Haupthandelsstraßen. 1261 übergab Alexander Newskij Moskau an seinen jüngsten Sohn Daniel, der zum Ahnherr der Moskauer Linie der Rurikiden wurde. Als Günstlinge der Tataren weiteten die Moskauer Fürsten ihren Besitz allmählich aus, indem sie umliegende Territorien annektierten. 1328 wurde Daniels Sohn Iwan I. Danilowitsch, genannt Kalita (,,Geldbeutel"), seit 1325 Fürst von Moskau, auch Großfürst von Wladimir. Er scheint den Metropoliten der russischen Kirche veranlasst zu haben, seinen Sitz von Twer nach Moskau zu verlegen, wo er dann auch bleiben sollte. So begannen die Moskauer Fürsten mit Zustimmung der Kirche, der einzigen gesamtrussischen Institution, mit der beharrlichen, aber nicht von Rückschlägen verschonten ,,Sammlung russischer Erde". Feldzüge gegen die benachbarten konkurrierenden Fürstentümer konnten zunächst ohne die Unterstützung tatarischer Truppen nicht erfolgreich sein, etwa gegen Twer 1327 und Smolensk 1339/40. Seit Iwan I. nannten sich die Fürsten von Moskau ,,Großfürsten der gesamten Rus", d. h. von ganz Russland; dieser Titel war zu diesem Zeitpunkt allerdings mehr Anspruch als Wirklichkeit. Iwan I. gelang es immerhin, sein Fürstentum im Innern zu konsolidieren, einen gewissen Wohlstand zu sichern und diesen dazu zu nutzen, das Moskauer Territorium durch Landkauf, aber auch durch geschickte Heiratspolitik zu vergrößern. Im Westen stand diesen Bestrebungen das immer weiter expandierende Litauen (ab 1386 in Personalunion mit Polen verbunden) entgegen, das bis Anfang des 15. Jahrhunderts die west- und südwestrussischen Gebiete unter seine Kontrolle brachte (z. B. 1362 Kiew, 1404 Smolensk) und zeitweise über ein Territorium gebot, das von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer reichte. Andererseits schwächten ab Mitte des 14. Jahrhunderts innere Konflikte das Khanat der Goldenen Horde. Diese Schwäche nutzte Großfürst Dmitrij Donskoj (1350-1389), ein Enkel Iwans I. Er führte den ersten erfolgreichen Aufstand gegen die Tataren und errang 1380 auf dem Schnepfenfeld (Kulikowo pole) am Ufer des oberen Don einen bedeutenden Sieg (daher auch der Beiname Donskoj: ,,vom Don"). Diese Niederlage brachte die Tataren endgültig in die Defensive, und Moskau wurde immer stärker. 7.2.3.2 Moskau, das Dritte Rom Die Eroberung von Konstantinopel 1453 durch die Osmanen war nicht nur für die abendländische Geschichte, sondern auch für Russland ein epochales Ereignis, betrachtete sich die russisch-orthodoxe Kirche mit Moskau als Zentrum doch nun als legitime Verwalterin des rechtgläubigen Christentums byzantinischer Prägung. Die russische Orthodoxie hatte schon vorher ihre Selbständigkeit durchgesetzt, als sie sich weigerte, die vor dem Hintergrund der türkischen Bedrohung geschlossene Kirchenunion mit dem lateinischen Westen (Florenz 1439) anzuerkennen, und 1448 auf einer Bischofssynode erstmals selbst einen Metropoliten (ab 1458 für ganz Russland) wählte, ohne das Einverständnis des ökumenischen Patriarchen einzuholen. Auch der doppelköpfige byzantinische Adler wurde in das Moskauer Staatswappen aufgenommen. Das ,,heilige Russland" trat als das ,,Dritte Rom" die Nachfolge des untergegangenen Konstantinopel (,,Zweites Rom") an. Die Heirat des Großfürsten Iwan III. Wassiljewitsch (14621505) mit Zoë Sophia (1472), der Nichte des letzten byzantinischen Kaisers, untermauerte diesen religiös-symbolischen Akt noch dynastisch. Der Großfürst selbst beanspruchte den Titel eines Zaren (ab 1473); er herrschte als von Gott eingesetzter Souverän autokratisch und nicht als Oberhaupt des Adels. Iwan III. machte sich faktisch zum Herren über Russland, indem er die (nicht unter litauischer Oberhoheit stehenden) Teilfürstentümer zerschlug; wichtige Stationen waren dabei 1478 die Unterwerfung der reichen Handelsrepublik Nowgorod und 1485 des langjährigen Rivalen Twer. 1480 nutzte Iwan die Schwäche der Goldenen Horde, die seit 1430 in mehrere unabhängige Khanate zerfallen war: Er weigerte sich, den jährlichen Tribut zu entrichten und sich am Hof in Sarai einzufinden. Ein Tatarenheer zog daraufhin an die Grenze des moskowitischen Fürstentums, um die Zahlung zu erzwingen, wich einer militärischen Konfrontation aber aus und zog wieder ab. Das Jahr 1480 wird daher als das Ende der Tatarenherrschaft angesehen. Iwan konnte nun seine Aufmerksamkeit dem Westen zuwenden. Während die Auseinandersetzungen mit dem Deutschen Orden um Livland nicht von Erfolg gekrönt waren, gelang es Iwan, Polen-Litauen bis 1503 einen Großteil des von orthodoxen Slawen (Ukrainern, Weißrussen) bewohnten Grenzlandes zu entreißen. Sein Sohn Wassilij III. Iwanowitsch (1505-1533) setzte die aggressive, gegen Westen gerichtete Expansionspolitik seines Vaters fort; 1510 annektierte er Pleskau (Pskow) am Peipussee, 1514 Smolensk und 1521 das nominal unabhängige Großfürstentum Rjasan. Die kontinuierliche Erweiterung des Moskauer Territoriums war im Innern von der formellen Bekräftigung der autokratischen Herrschaft begleitet. 7.3 Das Moskowiter Zarenreich (1547-1682) 7.3.1 Iwan der Schreckliche 7.3.1.1 Reformen Iwan IV. Wassiljewitsch (1533-1584), später der Schreckliche (russisch Grosnyj: der Strenge) genannt, war beim Tod seines Vaters Wassilij III. 1533 erst drei Jahre alt. Während der Jahre seiner Minderjährigkeit war der Moskauer Staat zerrissen durch Machtkämpfe zwischen den Bojaren, dem nichtfürstlichen Adel. Bei Erreichen der Volljährigkeit 1547 übernahm Iwan selbst die Herrschaft und begründete das russische Zarenreich, indem er sich in einem formellen Akt zum Zaren krönen ließ. Im selben Jahr heiratete er Anastasia Romanowna, eine Angehörige der Bojarenfamilie Romanow. Die Erfahrungen seiner Kindheit ließen Iwan zu einem erbitterten Gegner des alten Adels werden. 1549 berief er erstmals eine Landesversammlung (Semskij Sobor) ein, in der mit Ausnahme der Bauern alle russischen Stände vertreten waren. Iwans Ziel war die Festigung seiner autokratischen Stellung durch die Zentralisierung des Staates. Die Mittel dazu waren Reformen, die nahezu alle Bereiche des staatlichen und kirchlichen Lebens sowie des Rechts- und Finanzwesens erfassten. Den Widerstand der Bojaren gegen ihre Entmachtung brach Iwan mit Gewalt: Sie wurden enteignet, vertrieben oder hingerichtet. Weite Gebiete beschlagnahmte Iwan als sein persönliches Eigentum; den anderen Teil des enteigneten Bojarenlandes, die so genannte Opritschnina, verteilte er an seine Anhänger als Belohnung für erwiesene Dienste, die so genannten Opritschniki. Aus dem so von ihm begünstigten Kleinadel entwickelte sich im 16. Jahrhundert eine neue soziale Schicht mit genau umrissenen Aufgaben in Staatsverwaltung und Armee. Die Opritschniki dienten Iwan als Leibgarde und verbreiteten Angst und Schrecken im Land. Nach der Einnahme Moskaus durch die Krimtataren 1571 ließ Iwan sie jedoch durch besoldete Truppen, die Strelitzen, ersetzen. Unter dem Staatsterror und im Zuge sozialer Umwälzungen sank der Bauernstand, der hartem Steuerdruck und Dienstzwang ausgesetzt und an Grund und Boden gebunden war, allmählich in die Leibeigenschaft herab. 7.3.1.2 Expansion Viele Bauern entzogen sich Zwang und Knechtschaft, indem sie ins russische Grenzland, vor allem das Becken des Don und den Unterlauf der Wolga auswichen und sich dort den Kosaken anschlossen. Ein Teil von ihnen zog weiter nach Norden und beteiligte sich an der Expedition des Kosaken-Hetman Jermak Timofejewitsch, der im Auftrag der Kaufmannsfamilie Stroganow das Gebiet östlich des Uralgebirges erschließen sollte. Jermak leitete die Unterwerfung Sibiriens ein (ab 1582) und brachte fast das gesamte Becken des Ob unter russische Herrschaft. Auch kämpften die Kosaken im Auftrag des Zaren gegen die Krimtataren. Schon zuvor hatte Iwan IV. die Expansion nach Osten begonnen. 1552 eroberte er das Khanat von Kasan (und ließ ab 1555 in Erinnerung an den Sieg neben dem Moskauer Kreml die Basilius-Kathedrale erbauen) und 1556 Astrachan an der Mündung der Wolga. Die Befriedung der Süd- und Ostgrenzen öffnete das weithin unerschlossene Land für die russische Kolonisierung. Im Westen konnte Iwan IV. dagegen keine Geländegewinne erzielen. Um den Zugang zur Ostsee führte Iwan einen langen Krieg (Livländischer Krieg, 1558-1582), der jedoch mit einer Niederlage endete. Auf der anderen Seite suchte Iwan auch den friedlichen Kontakt zum Westen; so schloss er z. B. ein Handelsabkommen mit englischen Kaufleuten (Muscovy Company, ab 1553) und holte zahlreiche westliche Fachleute ins Land. Damit begründete er eine Tradition, die im weiteren Verlauf der russischen Geschichte immer wieder aufgegriffen wurde. 7.3.2 Die Zeit der Wirren 7.3.2.1 Das Ende der Rurikiden-Dynastie Die Regentschaft für den geisteskranken Thronerben Fjodor I. Iwanowitsch (1584-1598) - seinen Erstgeborenen hatte Iwan IV. 1581 in einem Tobsuchtsanfall erschlagen - übernahm sein Schwager, der Bojare Boris Godunow, ein Opritschnik und enger Vertrauter Iwans IV. Zwar konnte Boris trotz großer wirtschaftlicher Probleme die russische Expansion fortsetzen (Sibirien, Finnischer Meerbusen, Kaukasus), jedoch wuchs die Unzufriedenheit der Bauern, deren Leibeigenschaft 1597 durch einen Erlass bekräftigt wurde. Die russisch-orthodoxe Kirche erreichte mit der Errichtung eines eigenen Patriarchats 1589 auch formell die Loslösung vom griechischen Patriarchat in Konstantinopel. Mit dem Tod des kinderlosen Fjodors 1598 endete die Dynastie der Rurikiden, die seit dem Warägerfüst Rurik die Geschichte der russischen Reiche geprägt hatten. Die nachfolgenden Machtkämpfe um den Thron, die mit der Wahl von Boris Godunow zum neuen Zaren (1598-1605) durch ein Semskij Sobor (Nationalversammlung) begannen, schwächten das Reich. Godunow regierte mit Geschick und Umsicht, sah sich aber einer Adelsopposition gegenüber, die ihn der Ermordung des jüngsten Sohnes Iwans des Schrecklichen, Dmitrij, bezichtigte. Dieser war 1591 unter ungeklärten Umständen gestorben. Im Volk hielt sich jedoch der Glaube, Dmitrij lebe noch, was verschiedene Anwärter, die unter seinem Namen auftraten, auf den Plan rief - ein immer wiederkehrendes Phänomen in der russischen Geschichte. Eine Zeit der sozialen Unruhen und Aufstände, bekannt als Smutnoje Wremja (,,Zeit der Wirren") oder Smuta, begann. 7.3.2.2 Die Smuta 1604 erschien ein Thronanwärter, der sich Dmitrij I. nannte und als der erste falsche Dmitrij/Demetrius oder Pseudodemetrius I. in die Geschichte einging. Dieser falsche Dmitrij hatte die Unterstützung des polnischen und des litauischen Adels sowie der Kosaken und des russischen Adelsgeschlechtes der Romanow, das von Godunow 1601 politisch ausgeschaltet worden war. Drei Monate nach dem Tod des Zaren Boris Godunow zog Dmitrij 1605 als angeblich rechtmäßiger Thronfolger in Moskau ein. Nach der Ermordung des Pseudodemetrius 1606 bestimmten die Bojaren Fürst Wassilij Schuiskij zum neuen Herrscher. Dagegen opponierten wiederum die Kosaken und die aufständischen Bauern, die sich aus der drückenden Leibeigenschaft befreien wollten. Sie erhoben sich im Süden Russlands und schlossen sich einem zweiten Pseudodemetrius an, der sich bereits auf dem Vormarsch nach Moskau befand. Zugleich drang König Sigismund III. von Polen, der selbst den russischen Thron beanspruchte, von Westen vor, während Schweden Truppen zur Unterstützung Wassilijs entsandte. Der Bojarenzar wurde jedoch nach langen Kämpfen 1610 gestürzt, und Moskau fiel an Polen, bis es von einer russischen Armee, die aus dem Nordosten Russlands herangeführt worden war und von den Kosaken unterstützt wurde, 1612 wieder befreit wurde. Mit der Wahl von Michail Fjodorowitsch (1613-1645) aus dem Hause Romanow zum Zaren endete 1613 die Smuta. Gewählt wurde er durch eine Landesversammlung, an der auch Vertreter des Dienstadels, der Städte und der Kosaken teilnahmen. Obwohl die breite soziale Unzufriedenheit eines der Hauptmerkmale der ,,Zeit der Wirren" war, folgten keine wirklichen Reformen. Die nachhaltigste Folge dieser chaotischen Zeit war der endgültige Ruin der alten Bojarenaristokratie und der Machtzuwachs des Dienstund kleinen Landadels. 7.3.3 Die ersten Zaren der Romanow Der bei seiner Wahl erst 16-jährige Michail Fjodorowitsch, Großneffe von Anastasia Romanowna, der ersten Frau Iwans des Schrecklichen, begründete die Dynastie der Romanow, die bis 1917 an der Macht bleiben sollte. Unter den ersten beiden Zaren der Romanows, Michail und seinem Sohn Aleksej Michajlowitsch (1645-1676), wurden die Rechte des Landadels und der Städte gestärkt, die Leibeigenschaft wurde jedoch weiter verschärft: Die Gesetzessammlung von 1649, die im Wesentlichen bis ins 19. Jahrhundert gültig war, machte den Bauern vollends zum rechtlosen Sklaven seiner Scholle. Diejenigen, die sich nicht als Leibeigene unterwerfen wollten, fanden Zuflucht in den freien Kosakengemeinschaften an Ural, der unteren Wolga, Don und (ukrainischem) Dnjepr. Der stetige Zustrom geflohener Bauern verschärfte jedoch dort die sozialen Konflikte. 1670 begann unter der Führung des Hetmans der Donkosaken, Stepan (Stenka) Rasin, im Südosten Russlands ein großer Bauernaufstand. Er wurde im folgenden Jahr unter großen Verlusten für beide Seiten von den Truppen des Zaren niedergeschlagen; Rasin wurde verraten und in Moskau hingerichtet. Diese große Bauernrevolte diente späteren Aufständen als Vorbild. Außenpolitisch erstarkte Russland wieder und stieg zur osteuropäischen Hegemonialmacht auf. 1654 boten die ukrainischen Kosaken, die sich schon 1648 unter dem Hetman Bogdan Chmelnizkij gegen die polnisch-litauische Herrschaft erhoben hatten, dem Zaren ihr Bündnis an. Im folgenden Krieg gegen Polen-Litauen (1654-1667), der eng mit dem 1. Nordischen Krieg (1655-1660) verknüpft war, gewann Russland neben Smolensk (verloren im Jahr 1611) auch die Ukraine (östlich des Dnjepr) einschließlich der Stadt Kiew zurück. Um diese Gebiete auch kirchenpolitisch zu integrieren, musste die nach Konstantinopel ausgerichtete ukrainische Kirche dazu gebracht werden, das Moskauer Patriarchat anzuerkennen. Die vor diesem Hintergrund vom russischen Patriarchen Nikon (1652-1658) initiierten Reformen nach dem griechischorthodoxen Vorbild und der sich anschließende lange Konflikt zwischen dem Zaren und dem seines Amtes enthobenen Patriarchen führten jedoch zu einem großen Schisma, da viele Geistliche und Laien sich weigerten, ihre jahrhundertealten Riten aufzugeben. Beim Kirchenkonzil von 1667 wurden die Anhänger des traditionellen Glaubens zu Kirchenspaltern (russisch Raskolniki) erklärt. So fanden sich Millionen so genannter Altgläubiger außerhalb der russischen Staatskirche wieder. Unter Alexejs Sohn und Nachfolger, dem kranken Fjodor III. Aleksejewitsch (1676-1682), führte Russland den ersten erfolgreichen Krieg gegen das Osmanische Reich (1677-1681); es sollten noch acht weitere Russisch-Türkische Kriege folgen, die Russland, vor allem auf dem Balkan, in Konflikt mit den anderen europäischen Großmächten brachten. 7.4 Blütezeit des Reiches (1682-1825) 7.4.1 Die Ära Peters des Großen Nach Fjodors Tod im Jahr 1682 wurde sein Halbbruder Peter I., später der Große genannt, zum Zaren proklamiert. Peters ältere Halbschwester, Sophia Alexejewna (16571704), gelang es jedoch mit Hilfe der Strelitzen, ihren eigenen Bruder, den geisteskranken Iwan V. (1666-1696), zum Mit-Zaren ernennen zu lassen und sich selbst zur Regentin. Nach fehlgeschlagenen Versuchen, Peter um seine Thronrechte zu bringen bzw. ganz zu beseitigen, wurde sie 1689 von Peter I., nachdem er die Volljährigkeit erreicht hatte, zum Machtverzicht gezwungen. Mit der Übernahme der Regierung durch Peter I. trat Russland mit Macht in die europäische Politik ein. Peters großes Reformwerk veränderte Russland grundlegend und brachte das Zarenreich dem Westen näher. 7.4.1.1 Reformen nach westlichem Muster Peter, der schon als Jugendlicher in regem gesellschaftlichen Kontakt mit in Russland lebenden Ausländern stand, war sehr angetan von westeuropäischer Kultur und Technik, und schon früh wurde seine Leidenschaft für die Seefahrt geweckt. 1697 unternahm er als erster Zar eine Auslandsreise, die ihn nach Preußen, Holland, England und Österreich führte. Während dieser 18-monatigen Reise informierte er sich über den Stand von Wissenschaft und Technik, Architektur und Kunst im Westen. Nach seiner Rückkehr versuchte er, Staat, Kirche und Gesellschaft nach westlichem Muster radikal zu verändern. Sichtbare Zeichen der Neuerungswelle war die Pflicht, am Hof europäische Kleidung zu tragen, das Stutzen der Bojarenbärte und die Einführung des julianischen Kalenders mit der Verlegung des Jahresanfangs vom 1. September auf den 1. Januar. 1703 öffnete Peter mit der Gründung von Sankt Petersburg das Fenster nach Europa. 1712 wurde es zur neuen Hauptstadt erhoben, und 1714 zogen Hof und Regierung von Moskau an die Newa um. Mit Hilfe zahlreicher ausländischer Fachleute schuf Peter eine machtvolle russische Ostseeflotte und ein stehendes Heer mit Berufssoldaten (Zwangsaushebungen ab 1705) - die Strelitzentruppe wurde nach einem Aufstand 1698 aufgelöst -, reorganisierte Verwaltung und Justiz (Schaffung von Fachkollegien, eines Regierenden Senats als oberstes Aufsichtsorgan und eines Systems von Finanzkontrolleuren, ab 1711). Die Kirche band er stärker an den Staat, indem er den Heiligsten dirigierenden Synod, eine geistliche Kollegialbehörde, an die Stelle des Patriarchen setzte (Geistliches Reglement 1721). Die byzantinische Konzeption des Zaren ersetzte er durch die lateinische (westliche) des Kaisers und nahm 1721 den Titel des allrussischen Imperators (,,Kaiser aller Reußen") an. Peter förderte den Bergbau und die Metall verarbeitende Industrie (vor allem im Ural), den Handel und die Wissenschaften (Eröffnung der Akademie der Wissenschaften 1725) und kümmerte sich um eine Verbesserung der naturwissenschaftlich-technischen Ausbildung. Den Einfluss des Adels drängte Peter zurück, indem er diesen in größerem Maße in den Staats- und Militärdienst einband und zugleich ein neues Berufsbeamtentum aufbaute. Die Gewährung der Adelsprivilegien machte er von der Funktion abhängig und ermöglichte so auch Nichtadligen den Aufstieg in den Adelsstand. Ausdruck des neuen Leistungsprinzips war ein 14-stufiges hierarchisches System, die so genannte Rangtabelle (1722). Während Peter auf der einen Seite die wirtschaftliche Basis des grundbesitzenden Adels durch das Einerbengesetz (1714) - allerdings vergeblich - zu stärken suchte, belastete er mit der Einführung der Kopfsteuer (1718-1722) den Bauernstand in erhöhtem Maße. Die Rechtlosigkeit des Leibeigenen wurde zudem in gesetzliche Formen gegossen, die Arbeitsbelastung der Bauern (Frondienste, Einsatz als Fabrikbauern) stieg, so dass sich die soziale Kluft zwischen Privilegierten und Nichtprivilegierten weiter vertiefte. 7.4.1.2 Aufstieg zur Großmacht Seine größten Militäroperationen unternahm Peter im Westen, nachdem er schon 1696 mit der Einnahme der Festung Asow am unteren Don einen prestigeträchtigen Erfolg gefeiert hatte; allerdings brachten die Feldzüge im Süden gegen die Osmanen (1695-1700) insgesamt keinen dauerhaften Erfolg. Im von Peter begonnenen 2. oder Großen Nordischen Krieg (1700-1721) kämpfte Russland im Bündnis mit dem vereinten Polen und Sachsen sowie Dänemark gegen Schweden, die stärkste Vormacht im Ostseeraum zu jener Zeit. Ziel war es, nicht nur einen dauerhaften Zugang zur Ostsee zu erreichen, sondern die Hegemonie im Baltikum zu gewinnen. Zwar wurden die russischen Truppen 1700 von den Schweden in der Schlacht bei Narwa schwer geschlagen, doch konnte Peter, da die Schweden von einer Verfolgung der Russen absahen, seine Armee neu formieren und in Livland und Ingermanland wieder den Kampf gegen die Schweden aufnehmen. 1709 bezwang die russische Armee die Schweden in der Schlacht bei Poltawa. Damit gewann Russland die Herrschaft im Baltikum (Eroberung von Riga und Reval 1710); und durch den Frieden von Nystad (30. August 1721) kamen Livland, Estland, Ingermanland, ein Teil von Karelien sowie verschiedene Ostseeinseln (z. B. Ösel) formell in russischen Besitz. Russland war nun endgültig in den Kreis der europäischen Großmächte aufgestiegen. 1710/11 unternahm Peter den Pruth-Feldzug gegen die Osmanen, wurde jedoch geschlagen und musste Asow wieder preisgeben. Nach dem Ende des Großen Nordischen Krieges aber eroberte Peter 1722/23 weite Teile des Kaukasus und umfangreiche Gebiete am Kaspischen Meer. 7.4.1.3 Peters Nachfolger Peters strenger persönlicher Regentschaft, die viel Widerstand hervorrief, folgte eine Schwächeperiode, in der höfische Günstlinge das Heft in der Hand hielten. Peters willensschwacher Sohn Alexej war des Verrats angeklagt worden und starb 1718 im Gefängnis. Somit ging der Thron nach Peters Tod 1725 an dessen zweite Frau Katharina I. (1725-1727) über, die schon im Jahr zuvor zur Zarin gekrönt worden war. Ihr folgte Peter II. (1727-1730), der noch minderjährige Sohn Alexejs. Anna Iwanowna (1730-1740), Tochter von Peters Halbbruder Iwan V. und Herzogin von Kurland, überschwemmte den Hof mit ihren deutschen Favoriten, allen voran Ernst Johann von Biron, der ein despotisches Regime errichtete. Die nominelle Regierung des Säuglings Iwan VI. Antonowitsch (1740/41), eines Großneffen Annas, wurde durch eine Palastverschwörung beendet, die Elisabeth Petrowna, die jüngste Tochter Peters des Großen, auf den Kaiserthron brachte. Unter ihrer Herrschaft (1741-1762) kam es zu einer Wiederaufnahme der petrinischen Reformen unter nationalen Vorzeichen; die sozial und wirtschaftlich privilegierte Stellung des Adels festigte sich weiter. Elisabeth stiftete die Moskauer Universität (1755), an deren Gründung auch Russlands bedeutendster Universalgelehrter, Michail Lomonossow, mitwirkte, sowie die Akademie der Schönen Künste in Sankt Petersburg (1757). Als Teil des europäischen Mächtesystems (Pentarchie) beteiligte sich Russland am Polnischen Erbfolgekrieg (1733-1735); und im Krieg gegen Schweden (1741-1743) gewann es einen Teil Finnlands. Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) stand Russland unter Elisabeth Petrowna zunächst aufseiten Österreichs und Frankreichs gegen Preußen, das nach russischen Vorstößen in schwere Bedrängnis geriet. Elisabeths holsteinischer Neffe und Nachfolger, Peter III., ein Bewunderer des preußischen Königs Friedrich II., schloss nach seinem Regierungsantritt 1762 einen Separatfrieden mit Preußen. Doch wurde der von Vorbehalten gegen alles Russische erfüllte Peter noch im selben Jahr gestürzt und ermordet. 7.4.2 Die Ära Katharinas der Großen 7.4.2.1 Aufgeklärter Absolutismus Die Ehefrau und Nachfolgerin Peters III., die als Katharina II. (1761-1796) den Thron bestieg, erhob den aufgeklärten Absolutismus zum Regierungsprogramm. Vom Rationalismus und Vernunftglauben der Aufklärung inspiriert, korrespondierte die Kaiserin, von der europäischen Öffentlichkeit aufmerksam verfolgt, mit zahlreichen Geistesgrößen ihrer Zeit, darunter Voltaire, und orientierte sich an der französischen Kultur sowie zeitweise auch an den fortschrittlichen Ideen französischer Autoren, etwa Montesquieus. Einer neu einberufenen Gesetzgebenden Kommission (1767/68), in der nichtadlige Vertreter sogar in der Mehrheit waren, legte sie die ,,Große Instruktion" (Nakas), einen Reformentwurf für Gesetzgebung und Verwaltung, vor; die zentralen Fragen der inneren Ordnung standen allerdings zu keinem Zeitpunkt zur Debatte. Zwar straffte die Kaiserin die zentrale Regierungsarbeit auf Kosten der von Peter dem Großen eingerichteten adligen Kollegien und suchte die einzelnen Stände auf lokaler Ebene zur Mitwirkung an der Verwaltung heranzuziehen (Gouvernements-, Kreis- und Städtereform 1775/1785). Aber die staatstragende Rolle des Adels und seine Privilegien, die im ,,Gnadenbrief für den Adel" von 1785 zusammengefasst wurden, wie auch die kaiserliche Autokratie wurden zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Der Ansiedlung serbischer und deutscher Bauern (Wolgadeutsche) in den neu gewonnenen Gebieten, Reformen des Gesundheits- und Schulwesens, der Beseitigung von Handelshemmnissen und der Förderung der Unternehmertätigkeit standen eine weitere Verschärfung der Leibeigenschaft und die Beseitigung der Kosakenautonomie in der Ukraine gegenüber. Die Unzufriedenheit entlud sich 1773 in einem blutigen Aufstand von Kosaken, Bauern und verschiedenen nichtrussischen Völkern. Der Volksaufstand, angeführt von dem Donkosaken Jemeljan Pugatschow, erfasste weite Teile Russlands, wurde jedoch 1774 niedergeschlagen. Der Bauernzar - Pugatschow hatte sich als der ermordete Peter III. ausgegeben - in Moskau hingerichtet. 7.4.2.2 Expansive Großmachtpolitik Außenpolitisch agierte Katharina II. mit großem Erfolg; ihre Unternehmungen brachten Russland erhebliche Gebietsgewinne. Zunächst wandte sich Russland gegen das Osmanische Reich: Im 3. Russisch-Türkischen Krieg (1768-1774) drang die russische Armee bis nach Bukarest vor und besetzte die Halbinsel Krim (1771, endgültig russischer Besitz 1783); und die von der Ostsee ins Mittelmeer gesegelten Kriegsschiffe vernichteten 1770 die osmanische Kriegsflotte im Hafen von Çe?me an der kleinasiatischen Westküste. Nach dem 4. Russisch-Türkischen Krieg (1787-1792) beherrschte das Zarenreich die nördliche Schwarzmeerküste vom Dnjestr im Westen bis zum Kaukasus im Osten. Auch erhielten russische Handelsschiffe das Recht, ungehindert auf dem Schwarzen Meer zu verkehren sowie durch Bosporus und Dardanellen ins östliche Mittelmeer zu segeln. Die Frage der Kontrolle der Meerengen und der Anspruch, Schutzmacht der orthodoxen Christen zu sein, ließ Russland die Zukunft des Osmanischen Reiches in entscheidendem Maße mitgestalten; die orientalische Frage wurde damit zum Dreh- und Angelpunkt russischer Großmachtpolitik. Gleichzeitig beteiligte sich Katharina an der Zerschlagung der von inneren Kämpfen zerrissenen polnischen Adelsrepublik. Die drei Polnischen Teilungen (1772, 1793, 1795) brachten Russland einen gewaltigen Gebietszuwachs im Westen mit rund sechs Millionen Einwohnern: Kurland, Samogitien (heute Lettland), Litauen, Weißrussland, die westliche Ukraine, Podolien, Wolhynien und den Ostteil Polens bis zum (westlichen) Bug. 7.4.3 Zwischen Napoleon und Heiliger Allianz 7.4.3.1 Paul I. In vielem das genaue Gegenbild seiner Mutter, setzte ihr Sohn und Nachfolger Paul I. Petrowitsch (1796-1801) doch die Expansionspolitik seiner Mutter fort; Ergebnis war die Besetzung Georgiens 1801. Außerdem beteiligte sich Russland auf der Seite der europäischen Monarchien (unter Einschluss des Osmanischen Reiches) in den Kriegen gegen das revolutionäre Frankreich. Dem kurzen Engagement im 2. Koalitionskrieg (1799-1801) folgte eine Phase der Neutralität. Paul I. schränkte die Verfügungsgewalt der Gutsherrn über die Leibeigenen in einigen Punkten ein, indem er etwa die bäuerliche Pflichtarbeit auf drei Tage pro Woche begrenzte und die Sonntagsarbeit verbot. Auf der anderen Seite provozierte er mit seiner despotischen Herrschaft eine Verschwörung des Adels, die 1801 in einem Staatsstreich und der Ermordung Pauls kulminierte. Den Thron übernahm nun Katharinas Lieblingsenkel, Alexander I. Pawlowitsch. 7.4.3.2 Alexander I. Innere Reformen Durchdrungen von den liberalen und rechtsstaatlichen Ansätzen Katharinas und ausgebildet von dem Schweizer Denker Frédéric César de La Harpe, stellte Alexander I. die Amnestie politischer Gefangener an den Beginn seiner Regierungszeit. Zudem machte er viele restriktive Maßnahmen seines Vaters rückgängig und plante sogar eine Verfassung für das Reich. Seine Innenpolitik war am westlichen Vorbild orientiert und sollte Russland am staatspolitischen und kulturellen Fortschritt teilhaben lassen, ohne dass jedoch die kaiserliche Selbstherrschaft in Frage gestellt wurde. Ein höheres Maß an Effizienz versprachen die Einrichtung von acht Fachministerien (1802) und der streng hierarchische Aufbau der Exekutive mit einem dem Zaren verantwortlichen Minister an der Spitze (1811). Der Senat wurde zum Obersten Gerichtshof (1802/1810), und ein neu gebildeter Staatsrat beriet den Kaiser bei der Gesetzgebung. Bildungsreformen sollte größeren Bevölkerungskreisen den Schulbesuch (Elementar- und Oberschulen) ermöglichen; Dorpat, Wilna, Kasan, Charkow und Sankt Petersburg erhielten Universitäten. Die Innenpolitik wurde jedoch bald nebensächlich, weil Alexander, getrieben von Geltungssucht und Sendungsbewusstsein, sein Reich in weitere Kriege führte und Russland schließlich zur stärksten Militärmacht Europas machte. Russland gegen, mit und erneut gegen Frankreich 1805 verbündete sich Russland mit Großbritannien, Österreich und Schweden in der 3. Koalition gegen Napoleon I. Doch wurden die österreichisch-russischen Truppen in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz am 2. Dezember 1805 vernichtend geschlagen. Die erneute Niederlage des im 4. Koalitionskrieg mit Preußen verbündeten Russland in der Schlacht bei Friedland am 14. Juni 1807 veranlasste Alexander zur außenpolitischen Kehrtwende: Im Frieden von Tilsit trat er auf die Seite Napoleons, der ihm im Gegenzug freie Hand gegen Schweden und das Osmanische Reich ließ: Schweden musste nach einem kurzen Krieg (1808/09) Finnland und die Ålandinseln abtreten, und der 5. Russisch-Türkische Krieg (1806-1812) brachte Russland in den Besitz von Bessarabien. Auch gelang es Alexander durch seinen Krieg gegen Persien (1804-1813), den Einfluss Russlands in der Kaukasusregion auszuweiten. Zwischenzeitlich hatten sich die Beziehungen zu Frankreich verschlechtert, weil Russland sich nicht weiter an der Kontinentalsperre gegen Großbritannien beteiligen wollte. 1812 marschierte Napoleons Grande Armée in Russland ein und besetzte am 14. September Moskau. Aber die Russen setzten die Stadt in Flammen und Alexander verweigerte das erwartete Friedensangebot, so dass die Truppen Napoleons schließlich zum Rückzug gezwungen waren. Dieser endete in einer Katastrophe: Die Soldaten waren Hunger, Kälte und dauernden Partisanenangriffen ausgesetzt, die russische Taktik der ,,verbrannten Erde" hinterließ ein verwüstetes Durchzugsgebiet. An der Beresina löste sich die Grande Armée auf, Napoleon kehrte nach Paris zurück und unterlag schließlich den Alliierten der 5. Koalition in der Völkerschlacht bei Leipzig (16. bis 19. Oktober 1813). Der endgültige Sieg über Napoleon unter maßgeblicher Beteiligung Russlands machte Alexander zum ,,Befreier Europas" und zu einer zentralen Figur der Heiligen Allianz, die sich anschickte, Europa unter dem Zeichen der Restauration neu zu ordnen. Der Wiener Kongress (1814/15) brachte Russland den größten Teil des napoleonischen Herzogtums Warschau ein, das so genannte Kongresspolen, das als Königreich in Personalunion mit dem russischen Reich verbunden wurde. Das letzte Jahrzehnt von Alexanders Regierungszeit war von Rückschritt und Repression gekennzeichnet; zugleich drangen durch den zunehmenden intellektuellen Austausch mit dem Westen liberales Gedankengut in Kreise der Studentenschaft, der oberen Mittelschicht und der aufgeklärten jungen Adeligen vor. Sie empfanden Russland als despotischen Staat mit korrupter Bürokratie, wenig besorgt um die breite, weitestgehend rechtlose Masse, und begannen sich in geheimen politischen Gesellschaften zu organisieren. 7.5 Restauration und Niedergang (1825-1905) 7.5.1 Nikolaus I. - Gendarm Europas Alexander starb 1825 ohne Nachkommen; der Thron ging an seinen jüngsten Bruder Nikolaus I. Pawlowitsch über (1825-1855). Eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der Thronfolge - die entsprechende Verfügung Alexanders von 1823 war geheim geblieben - machte sich eine Gruppe junger Offiziere zunutze und organisierte einen Staatsstreich gegen den zaristischen Absolutismus, der allerdings schlecht vorbereitet war und schnell in sich zusammenbrach. Die freiheitlichen, demokratischen und sozialrevolutionären Ziele der Dekabristen sollten jedoch noch viele russische Revolutionäre inspirieren. Schon zu diesem Zeitpunkt wurden indes zwei grundsätzlich verschiedene politische Orientierungen sichtbar, welche die russische Intelligenz in Slawophile und ,,Westler" spaltete. Unter Nikolaus wurde Russland zur konservativen, antiliberalen Ordnungsmacht, die sich die europaweite Aufrechterhaltung des monarchischen Prinzips auf die Fahnen geschrieben hatte. Den polnischen Novemberaufstand von 1830 ließ der autokratische Nikolaus innerhalb eines Jahres niederschlagen; anschließend beseitigte er die Autonomie Polens durch das ,,Organische Statut" von 1832. 1849 unterstützte er die Habsburger militärisch bei der Unterdrückung des ungarischen Aufstandes gegen die österreichische Herrschaft. Nach den europäischen Revolutionen von 1848 verschrieb sich Nikolaus endgültig einer repressiven Innenpolitik, die schon nach der Niederschlagung des Dekabristenaufstandes mit dem Aufbau der so genannten Dritten Abteilung und der Aufstellung des Gendarmeriekorps eingeleitet worden war (1826). Er initiierte eine Kampagne gegen die Ausbreitung liberaler Ideen, an den Universitäten wurden die Lehrstühle für Geschichte und Philosophie als potentielle Gefahrenquellen abgeschafft, und es durften nicht mehr als 300 Studenten eingeschrieben sein. Zahlreiche Schriftsteller wurden verhaftet, ins Exil getrieben oder zur Zwangsarbeit verurteilt. Doch verhinderten auch der zaristische Unterdrückungsapparat und die staatliche Zensur nicht das Aufblühen einer weithin politisierten russischen Literatur, die epochale Geister wie Aleksandr Puschkin, Fjodor Dostojewskij und Lew Tolstoj hervorbrachte. Unter Nikolaus expandierte Russland in drei Richtungen: nach Südwesten zum Balkan und Mittelmeer, nach Süden in den Kaukasus und nach Zentralasien sowie nach Osten zum Pazifik. 1826 begann ein Krieg mit Persien, der zwei Jahre später mit der Annexion eines Teiles von Armenien einschließlich der strategisch wichtigen Stadt Jerewan endete. Parallel dazu griff Nikolaus an der Seite der Aufständischen in den Griechischen Unabhängigkeitskrieg (1821-1829) ein: Ein Verband aus russischen, britischen und französischen Kriegsschiffen besiegte am 20. Oktober 1827 in der Schlacht von Navarino (Pílos) die osmanisch-ägyptische Flotte. Im Frieden von Adrianopel vom 14. September 1829, der den 6. Russisch-Türkischen Krieg (1828/29) beendete, sicherte sich Russland weitere Gebiete am Ostrand des Schwarzen Meeres und am Donaudelta sowie das Protektorat über die Donaufürstentümer Moldau und Walachei. Durch den wachsenden Einfluss Russlands im Nahen Osten fühlten sich jedoch die anderen europäischen Großmächte in ihren Interessen bedroht, besonders nachdem russische Truppen 1833 in die Dardanellen vorgestoßen waren, um den Sultan im Konflikt mit Mehmed Ali von Ägypten beizustehen. Großbritannien, Frankreich, Preußen und Österreich gelang es jedoch, 1841 die Meerengen- bzw. orientalische Frage durch den Dardanellenvertrag in ihrem Sinn zu regeln. Doch führte russisches Expansionsstreben 1853 zum Krimkrieg bzw. 7. Russisch-Türkischen Krieg (1853/54-1856), in dem Russland gegen Großbritannien, Frankreich, das Osmanische Reich und das Königreich Sardinien eine vernichtende Niederlage erlitt. 7.5.2 Alexander II. - Reformen und imperiale Politik Den Frieden von Paris von 1856 zur Beendigung des Krimkrieges schloss schon Nikolaus' Sohn und Nachfolger Alexander II. Nikolajewitsch (1855-1881): Russland musste Armenien, das Donaudelta und den südlichen Teil von Bessarabien aufgeben, das Schwarze Meer wurde zur entmilitarisierten und neutralen Zone (so genannte Pontusklauseln) erklärt und das russische Protektorat über die Donaufürstentümer durch eine gemeinsame Garantie der europäischen Großmächte ersetzt. Dieser demütigende Rückschlag bremste jedoch nicht das imperiale Ausgreifen des russischen Reiches in Asien: 1850 schob sich Russland bis zur Flussmündung des Amur vor und besetzte 1855 die Nordhälfte der Insel Sachalin. Bis 1860 wurde die gesamte Amurregion und das Küstengebiet bis zum neu errichteten Hafen von Wladiwostok annektiert. In Zentralasien dehnte Russland seinen Herrschaftsbereich ab 1853 bis an die Grenze zu Persien und Afghanistan aus: Taschkent (1865), Buchara (1866), Samarkand (1868), Chiwa (1873) und Kokand (1876), Aschchabad (1881), Merw (heute Mary, 1884) wurden russisches Territorium (als Russisch-Turkestan) bzw. Protektorat. Im Innern leitete Alexander nach dem Debakel des Krimkrieges überfällige Reformen ein. Nachdem den Bauern in den Ostseeprovinzen (Estland, Kurland, Livland) 1819 bereits persönliche Freiheit (allerdings kein Landbesitz) zugestanden worden war, aber der Versuch Nikolaus' I. gescheitert war, den Landadel freiwillig zur Aufhebung der Gutsuntertänigkeit (siehe Gutsherrschaft) zu veranlassen, hob Alexander II. schließlich per Manifest vom 19. Februar 1861 die Leibeigenschaft auf. Ein umfangreiches Gesetzeswerk, das die unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten zu berücksichtigen hatte, entließ die Bauern in die persönliche Freiheit, band sie jedoch gleichzeitig an die Dorfgemeinde (Mir-System, bis 1906). Die zunächst durch den Staat vorgestreckten Entschädigungszahlungen erschwerten jedoch die Arrondierung des überdies viel zu knapp bemessenen bäuerlichen (Privat)anteils an Grund und Boden und verhinderten damit die Bildung eines wirtschaftlich gesunden Bauernstandes. Die permanente Krise im Agrarsektor, der bis zum 1. Weltkrieg die Hauptexportgüter Russlands - Getreide, Vieh und Holz - erwirtschaftete, wurde noch durch die rasch wachsende Landbevölkerung verschärft. Die Bauernbefreiung machte auch eine Reform der kommunalen Verwaltung notwendig. 1864 wurden gewählte Bezirksversammlungen mit Vertretern des Adels, der Städte und der Bauernschaft installiert, die sich mit regionalen und lokalen Aufgaben wie Ausbildung, öffentliche Wohlfahrt und Gesundheitsdienst, Schul- und Verkehrswesen widmen sollten. Die Semstwos und die 1870 eingerichtete städtische Selbstverwaltung brachten liberale Grundsätze zur Geltung, wurden aber nie im gesamten Reich verwirklicht und litten unter den Ansprüchen des autoritären zaristischen Staates, der z. B. nur zeitweise eine Lockerung von Universitätsaufsicht (1863) und Zensur (1865) zuließ. Auch das Justizsystem wurde unter Alexander einer Reform unterzogen: Die Unabhängigkeit der Richter und die Rechte der Angeklagten wurden gestärkt, die Gerichtsverfahren vereinfacht und transparenter gemacht. Dem Erlass einer Verfassung oder der Einberufung einer Volksvertretung verweigerte sich Alexander jedoch. Auch die Bildungsreformen auf dem Lande kamen nur mühsam voran. Auf der anderen Seite gewannen die sich weiter radikalisierenden sozialrevolutionären Bewegungen Narodniki an Einfluss, allerdings weniger unter der Bauernschaft als in der Intelligenz. Russischer Nationalismus und slawophiles Sendungsbewusstsein führte im Innern des Reiches zu einer verstärkten Russifizierung, unter der nach dem Scheitern des zweiten großen Aufstandes, des Januaraufstandes von 1863, auch Polen zu leiden hatte, das nun auch noch den Rest seiner Autonomie verlor. In der Außenpolitik nahm Russland seine aggressive Politik gegenüber dem Osmanischen Reich wieder auf. Mit dem Sturz des französischen Kaisers Napoleon III. während des Deutsch-Französischen Krieges 1870 verschwand der Hauptgegner russischer Intervention in Südosteuropa von der internationalen Bühne, und 1871 erreichte Russland, unterstützt vom Deutschen Reich, auf der Pontuskonferenz die Aufhebung der Rüstungsbegrenzungen am Schwarzen Meer und konnte mit dem Aufbau einer Schwarzmeerflotte beginnen. Der Aufstand Serbiens und Montenegros 1876 gegen das Osmanische Reich bot Russland willkommenen Anlass zum politischen und militärischen Eingreifen: Nach dem 8. RussischTürkischen Krieg (1877/78) erreichte Alexander II. im Frieden von San Stefano umfangreiche Zugeständnisse seitens des Osmanischen Reiches, die jedoch auf einer Konferenz der europäischen Mächte, dem Berliner Kongress, wieder zurückgenommen werden mussten. Die bisher favorisierte außenpolitische Bindung an ÖsterreichUngarn und das Deutsche Reich erwies sich langfristig als instabil: Die Nichtverlängerung des deutsch-russischen Rückversicherungsvertrages 1890 und die Rivalität zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie auf dem Balkan führten Russland an die Seite Frankreichs. Die russisch-britischen Gegensätze in Asien konnten durch Verträge geklärt werden (1885/87, 1907). 7.5.3 Alexander III. und Nikolaus II. - Niedergang des Reiches 1881 fiel Alexander II. dem Bombenattentat eines russischen Revolutionärs zum Opfer. Sein Sohn und Nachfolger, Alexander III. Alexandrowitsch (1881-1894), verschärfte Zensur und Polizeiüberwachung, beschnitt die Befugnisse der Semstwos und setzte die zahlreichen nationalen Minderheiten Russifizierungsprogrammen aus. Die Juden wurden in Ghettos verbannt und durften bestimmte Berufe nicht ausüben; zahlreiche Juden wurden in Pogromen getötet. Durch die intensive, mit dem Eisenbahnbau sich beschleunigende Industrialisierung lösten sich allmählich die alten feudalen Abhängigkeiten. Die mit ausländischem Kapital aufgebauten Großunternehmen der Textil-, Montan- und Schwerindustrie, vor allem um Sankt Petersburg, Moskau und im ukrainischen Donbass sowie im Gebiet um Baku (Erdölförderung), ließen die Zahl der Fabrikarbeiter und die städtische Bevölkerung rasch steigen. Gegen die miserablen Arbeits- und Lebensbedingungen wandte sich eine im Untergrund agierende Arbeiterbewegung, die sich revolutionärem Gedankengut öffnete. Dabei konkurrierten Sozialrevolutionäre und Marxisten (1898 Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands, SDAPR) miteinander. Die Führung der Sozialisten, seit 1903 gespalten in Menschewiki und Bolschewiki ( siehe Bolschewismus), agitierte meist vom Ausland aus. Nikolaus II. Alexandrowitsch (1894-1917), der älteste Sohn Alexanders III., war ein schwacher und leicht beeinflussbarer Herrscher, der zwar die autokratischen Prinzipien aufrechterhielt, dem aber die Rücksichtslosigkeit fehlte, sie durchzusetzen. Zur wachsenden Unruhe im Innern, der die Regierung mit verstärkter Repression und Überwachung beizukommen versuchte, gesellte sich eine familiäre Tragödie, die staatspolitische Dimensionen annehmen sollte: Auf der Suche nach Heilung seines Sohn Alexej von der Bluterkrankheit geriet die kaiserliche Familie in den Bannkreis von Quacksalbern und religiösen Fanatikern, darunter der sibirische Mönch Grigorij Jefimowitsch Rasputin. Außenpolitisch stand Russland in der Mandschurei dem expandierenden japanischen Kaiserreich gegenüber. Die Spannungen führten zum Russisch-Japanischen Krieg (1904/05), der mit einer russischen Niederlage endete. 7.6 Untergang des Zarenreiches (1905-1917) 7.6.1 Die Revolution von 1905 Da sie für den Krieg gegen Japan die öffentliche Zustimmung brauchte, gestattete die kaiserliche Regierung im November 1904 einen Kongress der Semstwos in Sankt Petersburg. Als die Regierung die Forderungen des von gemäßigten Konstitutionalisten beherrschten Kongresses nach liberalen Reformen zurückwies, erfasste im Januar 1905 eine Streikwelle die Hauptstadt. Arbeitervertreter riefen zu einer Demonstration auf, die in die Russische Revolution von 1905 mündete. Am 22. Januar 1905 marschierten Tausende unter Führung von Georgij Apollonowitsch Gapon, eines revolutionären Priesters, zum Winterpalais, der Residenz des Zaren, um ihre Forderungen dem Zaren zu überreichen. Kaiserliche Elitetruppen schossen die Demonstranten nieder; Hunderte wurden an diesem Blutsonntag getötet und verwundet. Das Massaker war das Signal zum Aufstand, der sich in allen Industriestädten Russlands erhob und die geschwächte Regierung zu Zugeständnissen zwang: Nikolaus II. gewährte den Altgläubigen Religionsfreiheit (29. April), den Polen größere Selbstbestimmung (16. Mai), und in einem Manifest vom 30. Oktober 1905 garantierte er die bürgerlichen Grundfreiheiten sowie die Einberufung einer Volksvertretung (Duma). Doch ließ sich die revolutionäre Welle nicht aufhalten: Soldaten und Matrosen meuterten, streikende Eisenbahner legten den Verkehr lahm. Am 14. Oktober 1905 schlossen sich in Sankt Petersburg Streikkomitees zu einem Rat aus Arbeiterdeputierten (Sowjet) zusammen, der sich an die Spitze eines Generalstreiks stellte. Dieser war begleitet von Bauernunruhen und Aufständen der nichtrussischen Völker, die schon im Frühjahr eingesetzt hatten, so an der Wolga und in Lettland, aber auch von Judenpogromen. Die gewaltsame Auflösung des Petersburger Sowjets im Dezember 1905 provozierte einen von den Bolschewiki initiierten Arbeiteraufstand in Moskau, der aber von ArmeeEinheiten rasch niedergeschlagen wurde. Der im Februar 1905 nach Russland zurückgekehrte Führer der Bolschewiki, Wladimir I. Lenin, floh wieder außer Landes, der Vorsitzende des Petersburger Sowjets, Lew Trotzkij, wurde verhaftet und nach Sibirien verbannt. Anfang des Jahres 1906 hatte die kaiserliche Regierung die Lage wieder unter Kontrolle. 7.6.2 Die Dumas Die erste indirekt gewählte Reichsduma trat im Mai 1906 zusammen. Vor dieser Versammlung verkündete die Regierung jedoch die so genannten Reichsgrundgesetze, die der kaiserlichen Regierung weit reichende Befugnisse beließen und der Duma ein weiteres Legislativorgan, den Reichs- oder Staatsrat, dessen Mitglieder zur Hälfte von der Regierung ernannt wurden, gegenüberstellte. Als die mehrheitlich von den so genannten Kadetten (liberalen konstitutionellen Demokraten) beherrschte Duma energische Reformen verlangte, wurde sie nach zwei Monaten aufgelöst. Eine zweite Duma versammelte sich 1907 und wurde ebenfalls nach kurzer Zeit wieder aufgelöst. Ein neues Wahlgesetz, das die oberen und besitzenden Klassen der Bevölkerung bevorzugte, sollte nun eine der zaristischen Regierung genehme Duma erbringen. Der weiter gärenden Unzufriedenheit und revolutionären Unruhe begegnete die Regierung mit verstärkten Repressionen (z. B. Einrichtung von Standgerichten). In der dritten Duma (1907-1912) arbeitete die Mehrheit der konservativen und rechten Gruppen mit der Regierung zusammen und unterstützte Ministerpräsident Pjotr Stolypin (1906-1911) bei seiner Agrarreform, die das Mir-System überwinden und eine Schicht selbständiger Mittelbauern schaffen sollte, die so genannten Kulaken. Nach der vollen Legislaturperiode konstituierte sich 1912 eine vierte, die letzte Duma (bis 1917), in der Bolschewiki und Menschewiki weiter zurückgedrängt wurden; die Sozialrevolutionäre waren nur in der zweiten Duma vertreten und danach in die Illegalität abgetaucht. 7.6.3 1. Weltkrieg und Untergang des Zarenreiches Die von Österreich-Ungarn 1908 ausgelöste Annexionskrise um Bosnien-Herzegowina und die Balkankriege 1912/13 brachten Russland Prestigeverluste, da es die Forderungen des von ihm gestützten Serbien nicht gegen Österreich-Ungarn durchsetzen konnte. Der durch die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 ausgelöste 1. Weltkrieg traf Russland weitgehend unvorbereitet und im Zustand wirtschaftlicher und militärischer Schwäche. In der europäischen Mächtekonstellation stand es aufseiten Frankreichs und Großbritanniens, mit denen es 1907 die Tripelentente geschlossen hatte. Im September 1914 ging die Tripelentente in ein Kriegsbündnis über. Bis zum Ende des Jahres 1914 erlitt die russische Armee schwere Rückschläge, besonders in Ostpreußen (Schlacht von Tannenberg), die militärischen Erfolge in Galizien Anfang 1915 waren nur vorübergehend, und auch die Brussilow-Offensiven 1916 brachten keine Entlastung, so dass eine Niederlage ähnlichen Ausmaßes wie im Krimkrieg und Russisch-Japanischen Krieg drohte. Hohe Verluste an Soldaten und Ausrüstung, Nachschub- und Versorgungsschwierigkeiten, unzureichende Transportmöglichkeiten sowie die Unfähigkeit der militärischen Führung demoralisierten die russische Armee. Die Zahl der Deserteure stieg, und der Krieg wurde nach anfänglicher Begeisterung in ganz Russland unpopulär, Kriegsmüdigkeit machte sich breit, Streiks flammten wieder auf. Auch die vierte Duma geriet in Gegensatz zur kaiserlichen Regierung. Der Zar selbst hielt sich an der Front auf, und seine deutschstämmige Frau Alexandra geriet stark in den Bann Rasputins, der überdies noch Einfluss auf politische und militärische Entscheidungen nahm. Auch die Ermordung Rasputins im Dezember 1916 durch eine Gruppe von Aristokraten, darunter auch Mitglieder der Zarenfamilie, führte zu keiner Entspannung der Lage, zumal Nikolaus II. den Krieg keinesfalls beenden wollte. Eine Frauendemonstration am 23. Februar 1917 in dem in Petrograd umbenannten Sankt Petersburg, der sich große Teile der Arbeiterschaft anschlossen, leitete die Februarrevolution ein. Den Befehl, die sich ausbreitenden Unruhen gewaltsam niederzuschlagen, beantworteten die Soldaten mit Passivität und Meuterei; die Petrograder Garnison verbrüderte sich mit den Demonstranten. Die Duma, von den Ereignissen überrollt, bildete ein Komitee, das sich als Provisorische Regierung konstituierte. Unter dem Druck der Revolution dankte Nikolaus II. am 2. März 1917 zugunsten seines Bruders ab, der jedoch Tags darauf ebenfalls auf den Thron verzichtete. Mit der Abdankung der Romanows fand das seit 1547 bestehende Zarenreich sein Ende. 7.7 Revolution und Sowjetära (1918-1990) Zur Februar- und zur Oktoberrevolution siehe Russische Revolution (1917) und zur Geschichte Sowjetrusslands bzw. der Sowjetunion siehe Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. 7.8 Das unabhängige Russland - die Ära Jelzin (1990-1999) Im Schatten der sich von der Sowjetunion lösenden baltischen Staaten gewann auch die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR) Eigenstaatlichkeit. Seit dem 26. Dezember 1991 ist die Russische Föderation völkerrechtlich unabhängig. Wichtige Stationen waren die Wahl von Boris Jelzin zum Vorsitzenden des Obersten Sowjets der sich nun Russische Föderation nennenden sowjetischen Teilrepublik im Mai 1990, die Souveränitätserklärung im Juni 1990 und die erste freie Präsidentenwahl im Juni 1991, aus der Jelzin als Sieger hervorging. Die weiteren Vorgänge im Auflösungsprozess der UdSSR - der Augustputsch 1991, das Verbot der KPdSU durch den russischen Präsidenten, die weitgehende Entmachtung des sowjetischen Staatsoberhaupts Michail Gorbatschow und dessen mit dem Augustputsch gescheiterter Versuch, die Union über einen Vertrag zwischen den Republiken zu erneuern - mündeten in die Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) durch Russland, Weißrussland und die Ukraine im Dezember 1991, der bis 1993 alle ehemaligen Sowjetrepubliken außer Estland, Lettland und Litauen beitraten. Innerhalb dieser losen Staatenverbindung blieb Russland die Führungsmacht, unterstrichen durch Stationierung von Truppenkontingenten in verschiedenen Republiken. Doch die Bemühungen der Russischen Föderation, eine stärkere politische, militärische und wirtschaftliche Integration innerhalb der GUS durchzusetzen, scheiterten in den neunziger Jahren. Stattdessen bildeten sich innerhalb der GUS Gruppen verstärkter Zusammenarbeit, während Russland gleichzeitig versuchte, über bilaterale Verträge (z. B. den Unionsvertrag mit Weißrussland 1996/1998) und wirtschaftlichen Druck (Energielieferungen) seinen Einfluss zu wahren bzw. wieder zu verstärken. Erst im Februar 1999 endete mit der Ratifizierung des 1997 unterzeichneten ukrainisch-russischen Grundlagenvertrags der langjährige Konflikt um die ehemalige sowjetische Schwarzmeerflotte und die mehrheitlich von Russen bewohnte Krim. Das Abkommen regelte den Status der russischen Kriegsflotte in der Ukraine und die Aufteilung der Kriegsschiffe. Russland erkannte die Grenzen der Ukraine und die Zugehörigkeit der Halbinsel zur Ukraine an. Der Flottenstützpunkt Sewastopol wurde für einen Zeitraum von 20 Jahren an Russland verpachtet. 7.8.1 Kampf um die Staatsmacht (1990-1993) Nach der Unabhängigkeit setzte Jelzin mit Nachdruck auf die schnelle Weiterführung der grundlegenden konstitutionellen und marktwirtschaftlichen Umgestaltung des Landes, doch verschärfte die Wirtschaftskrise mit ihren starken sozialen Verwerfungen die politischen Spannungen zwischen altkommunistischen und nationalistischen sowie reformorientierten Kräften. Der Präsident war mit großen Vollmachten ausgestattet, aber ihm standen nach der weiterhin gültigen (kommunistischen) Verfassung von 1978 mit dem Obersten Sowjet und dem Kongress der Volksdeputierten zwei parlamentarische Körperschaften gegenüber. Konservative Kräfte unter der Führung des Vorsitzenden des Obersten Sowjets, Ruslan Chasbulatow, versuchten, die Macht Präsident Jelzins einzuschränken. Im Dezember 1992 gelang ihnen der Sturz des seit Juni 1992 amtierenden Ministerpräsidenten Jegor Gaidar, des Hauptarchitekten der wirtschaftlichen Umgestaltung. An seine Stelle trat Wiktor Tschernomyrdin, ein langjähriger KPdSU-Funktionär und ehemaliger Minister für die sowjetische Erdgasindustrie. Zugleich nahm der Volksdeputiertenkongress einige Vollmachten zurück, die er Jelzin gewährt hatte, und das Verfassungsgericht legalisierte wieder die Kommunistische Partei in Russland. Jelzin reagierte auf diese Entwicklung im März 1993 mit der Einführung eines Präsidialregimes, das durch eine Volksabstimmung im April des Jahres gebilligt wurde; auch erreichte der Präsident eine - allerdings nur knappe - Zustimmung für seine Wirtschaftsreformen. Der Ausgang des Referendums beendete den Machtkampf zwischen Präsident und Parlament jedoch nicht. Im September 1993 enthob Jelzin Vizepräsident Aleksander Rutzkoi unter dem Vorwurf der Korruption seines Amtes, löste das Parlament auf und setzte für den Dezember Neuwahlen an. Das Parlament seinerseits erklärte Jelzins Vorgehen für verfassungswidrig und setzte Rutzkoi als Präsidenten ein. Etwa 100 Abgeordnete und Hunderte bewaffneter Anhänger besetzten unter Führung von Chasbulatow und Rutzkoi das Weiße Haus, das Parlamentsgebäude in Moskau. Mehrere Tage lang herrschte eine angespannte, aber relativ ruhige Pattsituation. Erst als Anhänger der ,,Aufständischen" das Moskauer Rathaus und einen Fernsehsender besetzten, stürmten regierungstreue Truppen das Parlament und nahmen die ,,Rebellen" fest. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen forderten über 140 Tote. Jelzins Sieg war damit jedoch noch nicht gefestigt. Die Wahlen vom Dezember 1993 gaben extrem nationalistischen und linken Parteien einen unverhofften Schub, besonders der extrem nationalistischen Liberaldemokratischen Partei unter Führung von Wladimir Schirinowski. Andererseits wurde in einem Referendum eine neue Verfassung für die Russische Föderation angenommen; sie schuf ein Zweikammersystem mit Staatsduma und Föderationsrat als Gesetzgebungsorganen und stattete den Präsidenten mit weit reichender Exekutivgewalt und legislativen Befugnissen (z. B. Vetorecht, Präsidialerlasse) sowie eigenem Präsidialapparat aus. 7.8.2 Zwischen Stabilisierung und Krise (1993-2000) 7.8.2.1 Kontinuität der Außenpolitik In der Außenpolitik setzte Jelzin den am Ausgleich mit dem Westen orientierten Kurs Gorbatschows fort. Die Abrüstung wurde mit der Unterzeichnung des START-IIAbkommens (siehe SALT) 1993 und der Konvention über chemische Waffen 1997 vorangetrieben; innerhalb der GUS verblieb Russland einzige Atommacht. Als Nachfolgerin der Sowjetunion nahm Russland auch deren ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wahr (1991). Partnerschaftsabkommen führten die Russische Föderation 1994 an die Europäische Union und die NATO heran; im Februar 1996 wurde Russland Mitglied des Europarats und erreichte 1997 im Rahmen der G-7 die formale Anerkennung als gleichberechtigter Partner im Kreis der führenden Industriestaaten. Auch im Fernen Osten zeichnete sich eine Entspannung der Lage ab: Durch Abkommen mit China 1993 und 1997 stellten beide Staaten ihre Beziehungen auf eine neue Grundlage. Russisch-japanische Gipfeltreffen 1993 und 1997 brachten die Aussicht auf einen Friedensvertrag, der jedoch wegen des fortdauernden Streits um die Kurilen vorerst nicht zum Abschluss kam. Die nur innerhalb der GUS erfolgreichen Bemühungen, seine Großmachtstellung zu behaupten, brachte Russland jedoch auch immer wieder in Gegensatz zur Nordatlantischen Allianz, etwa in der Frage der NATOOsterweiterung, der Balkanpolitik und besonders im Kosovo-Konflikt. Doch setzte Russlands wirtschaftliche, finanzielle und militärische Schwäche seinem Einfluss in der internationalen Politik enge Grenzen. 7.8.2.2 Tschetschenienkrieg Im März 1992 schloss Jelzin mit den Republiken innerhalb der Russischen Föderation einen Föderationsvertrag, der die 1990/91 erlangten Autonomierechte bestätigte. Bis 1994 akzeptierten alle Republiken (zuletzt Tatarstan), die Einbindung in den föderativen Staat - mit Ausnahme von Tschetschenien. Dessen 1991 gewählter Präsident Dschochar Dudajew forcierte den Unabhängigkeitskurs der Kaukasusrepublik, der in gewaltsame Auseinandersetzungen eskalierte und Russland im Dezember 1994 zum militärischen Eingreifen veranlasste. Der eineinhalb Jahre dauernde erste Tschetschenien-Krieg forderte vermutlich etwa 80 000 Opfer, vorwiegend unter der Zivilbevölkerung, 90 Prozent der Ortschaften wurden zerstört, mindestens ein Drittel der Bevölkerung wurde zur Flucht gezwungen. Der im August 1996 von Jelzin zum Beauftragten für Tschetschenien ernannte ehemalige General Alexander Lebed handelte gegen zum Teil erbitterte innenpolitische Widerstände einen Waffenstillstand aus, der noch im August 1996 in Kraft trat. Im Mai 1997 folgte ein Friedensvertrag zwischen Russland und Tschetschenien; die Frage nach dem staatsrechtlichen Status der Republik blieb jedoch ausgeklammert - Potenzial für neue Konflikte. 7.8.2.3 Destabilisierung Im Februar 1994 gewährte die neu gewählte Staatsduma Rutzkoi und Chasbulatow sowie allen Initiatoren des Augustputsches von 1991 Amnestie. Die Regierung Tschernomyrdin suchte durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit dem Parlament und einer Verlangsamung der Reformen die innenpolitische Lage zu stabilisieren. Der unpopuläre Krieg in Tschetschenien und anhaltende Wirtschaftsprobleme kamen den oppositionellen Kommunisten, die aus den Parlamentswahlen im Dezember 1995 als stärkste Fraktion in der Staatsduma hervorgingen. Bei den Präsidentschaftswahlen im Juni 1996 erreichte im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten die erforderliche absolute Mehrheit: Jelzin kam auf 35 Prozent, sein kommunistischer Herausforderer Gennadij Sjuganow erreichte 32 Prozent und Alexander Lebed 14,5 Prozent der Stimmen. Den Stichentscheid im Juli konnte Jelzin erst für sich entscheiden, nachdem er Lebed zum Sekretär des Sicherheitsrates und nationalen Sicherheitsberater gemacht und dieser seinen Anhängern die Wahl Jelzins empfohlen hatte. Im Oktober 1996 entledigte sich der Präsident Lebeds wieder, nachdem dieser die TschetschenienVerhandlungen erfolgreich zum Abschluss gebracht hatte. Im März 1997 verfügte Jelzin eine umfassende Regierungsumbildung; unmittelbar zuvor hatte er in einer Rede zur Lage der Nation der Regierung Inkompetenz, mangelnde Durchsetzungsfähigkeit und Verantwortungslosigkeit vorgeworfen. Wichtigste Punkte der Kabinettsumbildung waren die Ernennung der als Reformer geltenden Anatolij Tschubais und Boris Nemzow zu Stellvertretenden Ministerpräsidenten und die Berufung des Generals Igor Sergejew zum neuen Verteidigungsminister; zugleich wurden die Kompetenzen Tschernomyrdins stark beschnitten. Unterdessen verschärfte sich die Finanzkrise: Die öffentlichen Einnahmen blieben weit hinter den Schätzungen zurück, und der Staat sah sich außerstande, Löhne, Gehälter und Renten in vollem Umfang auszuzahlen; Bergarbeiter und die Angehörigen der Streitkräfte erhielten monatelang keinen Lohn bzw. Sold mehr. Die Inflation beschleunigte sich - von 11 Prozent 1997 auf 84 Prozent 1998, die Verarmung weiter Kreise der Bevölkerung schritt fort. Folge waren landesweite Demonstrationen und Streiks, die teilweise die Energieversorgung des Landes massiv einschränkten und in deren Verlauf immer wieder die Forderung nach dem Rücktritt des auch gesundheitlich geschwächten Präsidenten laut wurde. Im Februar 1998 drohte Jelzin in einer Rede zur Lage der Nation die Entlassung der gesamten Regierung an, sofern sie nicht binnen kurzem deutliche Erfolge in der Wirtschaftspolitik aufweisen könne. Im März 1998 entließ er wie angedroht, aber dennoch überraschend, die gesamte Regierung Tschernomyrdin und berief den gerade erst 35-jährigen Sergej Kirijenko zum Ministerpräsidenten; die Staatsduma bestätigte ihn nach anfänglich entschiedener Ablehnung erst im dritten Wahlgang. Die Regierungsumbildung wurde von vielen Investoren als Anzeichen für eine innenpolitische Destabilisierung gewertet. Die daraus resultierende Kapitalflucht, der Verfall der Energiepreise auf dem Weltmarkt wie auch die Nachwirkungen der Asienkrise lösten einen rapiden Währungsverfall und eine mehrmonatige Finanzkrise aus, die im August 1998 ihren Höhepunkt erreichte. Wegen der dramatisch hohen Auslandsverschuldung drohte Russland der Staatsbankrott, der aber durch umfangreiche Umschuldungen und mit wirtschaftlichen Auflagen verbundene Kredite der internationalen Finanzorganisationen abgewendet werden konnte. Folgen der Finanzkrise waren massive Einkommensverluste, ein Anstieg der Arbeitslosigkeit und eine erneute Rezession, nachdem die Wirtschaft 1997 erstmals seit langem ein verhaltenes Wachstum von 0,4 Prozent aufgewiesen hatte. 7.8.2.4 Das Ende der Ära Jelzin Bereits im August 1998 entließ Jelzin die Regierung Kirijenko wieder. Im September 1998 wählte die Staatsduma Außenminister Jewgenij Primakow zum neuen Regierungschef, nachdem sie zuvor Jelzins Wunschkandidaten Tschernomyrdin abgelehnt hatten. Im Mai 1999 entließ Jelzin die gesamte Regierung Primakow. Als Grund nannte er - wie auch bei der Entlassung Kirijenkos - die anhaltende Wirtschaftskrise. Das Amt des Ministerpräsidenten übernahm der bisherige Innenminister Sergej Stepaschin, der seinerseits schon nach kurzer Amtszeit im August 1999 durch den Leiter des Geheimdienstes, Wladimir Putin, ersetzt wurde. Bei der Wahl zur Staatsduma im Dezember 1999 schnitt das erst drei Monate zuvor zur Unterstützung der neuen Regierung gegründete Bündnis Jedinstwo (,,Einheit") mit 23,3 Prozent der Stimmen überraschend gut ab. Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation blieb jedoch mit 24,3 Prozent und 117 Abgeordneten weiterhin stärkste Fraktion in der Staatsduma. Zum Wahlerfolg von Jedinstwo trug auch die breite Zustimmung der Bevölkerung zum wieder ausgebrochenen Krieg in Tschetschenien bei. Das Eindringen muslimischer Freischärler aus Tschetschenien in Dagestan und eine Reihe von Bombenanschlägen in Moskau und anderen russischen Städten, die 304 Menschen das Leben kosteten und für die tschetschenische Terroristen verantwortlich gemacht wurden, hatte die russische Regierung im Spätsommer 1999 zum Anlass genommen, den Unruheherd Tschetschenien mit einem neuen Krieg zu überziehen. Nach monatelanger Belagerung wurde die weitgehend zerstörte Hauptstadt Grosnyj im Februar 2000 von russischen Truppen eingenommen. Zahlreiche Staaten und Menschenrechtsorganisationen nahmen Russland wegen Kriegsverbrechen, Verletzungen der Menschenrechte und dem unverhältnismäßig harten Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung in Tschetschenien scharf in die Kritik, und die Parlamentarische Versammlung des Europarats entzog den 18 russischen Abgeordneten im April 2000 das Stimmrecht. Anlässlich seiner Neujahrsansprache am 31. Dezember 1999 erklärte Präsident Jelzin überraschend seinen Rücktritt und ließ sein Amt verfassungsgemäß am 1. Januar 2000 kommissarisch auf Ministerpräsident Putin übergehen. Die letzten Amtsjahre Jelzins waren überschattet gewesen vom schlechten Gesundheitszustand des Präsidenten, der sich einer Herzoperation hatte unterziehen und mehrere Monate den Regierungsgeschäften fernbleiben müssen. Korruptionsskandale in seiner Umgebung und ein von der Staatsduma angestrengtes Amtsenthebungsverfahren hatten seine politische Bewegungsfreiheit weiter eingeschränkt. 7.9 Russland unter Präsident Putin (seit 2000) Aus den vorgezogenen Präsidentschaftswahlen im März 2000 ging Putin schon im ersten Wahlgang mit 52,5 Prozent der Stimmen (bei einer Wahlbeteiligung von 68 Prozent) als klarer Sieger hervor - allerdings gab es verschiedentlich Berichte über Unregelmäßigkeiten und Wahlfälschungen. Im Mai 2000 wurde Putin als zweites Staatsoberhaupt der Russischen Föderation vereidigt. 7.9.1 Innenpolitische Reformen Aufgrund des harten militärischen Vorgehens in Tschetschenien, den Ankündigungen, Russland international wieder Anerkennung als Großmacht zu verschaffen und im Innern die ,,Diktatur des Gesetzes" walten zu lassen, sowie dank seiner persönlichen Integrität wurde dem neuen Präsidenten zu Beginn seiner Amtszeit großes Vertrauen entgegengebracht, das auch durch das Fehlverhalten von Regierung und Militärführung nach dem Untergang des Atom-U-Bootes Kursk im August 2000 kaum beeinträchtigt wurde. Putins Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, Michail Kasjanow, der das Amt bereits seit Januar 2000 kommissarisch führte, erhielt in der Staatsduma die größte Zustimmung, die bisher ein Kandidat erhalten hatte: 70 Prozent der Abgeordneten billigten im Mai 2000 seine Ernennung. Seinem Amtsvorgänger gewährte Putin Immunität vor eventueller Strafverfolgung, wechselte aber einen Großteil von Jelzins Gefolgsleuten im Präsidialapparat aus und ersetzte sie durch eigene loyale Mitarbeiter, die bald auch an die Spitze der wichtigsten Ministerien gelangten. Eine Allianz zwischen der Jedinstwo, die ihn unterstützte, und anderen so genannten zentristischen Parteien Mitte 2001 erweiterte außerdem die parlamentarische Basis seiner Regierung. Die Vielzahl von Gesetzesinitiativen, die die Regierung Putin einbrachte, betrafen u. a. die Stärkung der Rechtssicherheit (neue Strafprozessordnung ab 2003), die Bekämpfung von Korruption und Wirtschaftskriminalität (u. a. Gesetz zur Eindämmung der Geldwäsche), die Verbesserung des Wirtschaftsklimas (Transparenz in der Finanzwirtschaft durch drei Bankengesetze), die Förderung der Investitionsbereitschaft (Beseitigung administrativer Hindernisse bei der Gründung von Privatbetrieben) und die Sicherung der Staatseinnahmen (Senkung der Lohnsteuer). Gute Konjunkturdaten begünstigten die Reformvorhaben Putins: Das reale Wirtschaftswachstum nahm 2000 gegenüber dem Vorjahr um 8,3 Prozent zu. Die Außenwirtschaft profitierte von zeitweise hohen Weltmarktpreisen für Erdöl und Erdgas und von der Abwertung des Rubels. Die vergleichsweise guten Wirtschaftsdaten, die erstmals seit der Unabhängigkeit für 2002 einen Haushaltsüberschuss möglich erschienen ließ, führten 2001 zu Konzessionen bei der Bedienung internationaler Schulden. Eines der wichtigen innenpolitischen Ziele Putins war die Stärkung der Zentralgewalt auf Kosten der föderalen Gebietseinheiten und eine Vereinheitlichung der Beziehungen zwischen den Regionen und dem Machtzentrum. Ein erster Schritt war im August 2000 die Schaffung von sieben neuen, größtenteils mit den Militärbezirken identischen Großregionen, an deren Spitze je ein bevollmächtigter Vertreter des Präsidenten trat. Des Weiteren setzte Putin - allerdings gegen großen Widerstand und in weniger weitgehender Form als ursprünglich geplant - eine Neuordnung des Föderationsrates durch, die den Einfluss der Präsidenten und Gouverneure der Föderationssubjekte erheblich beschnitt. Reformen wie Privatisierungen im Staatssektor, die Deregulierung des Energiebereichs - dort dominierte der Staatskonzern Gasprom - sowie Maßnahmen, die - allerdings sehr beschränkt - den privaten Erwerb von Grund und Boden ermöglichten, riefen vielfach politischen Widerstand hervor. Weit reichende Reformpläne betrafen auch den militärisch-industriellen Komplex: Einerseits sollte die Personalstärke der lange vernachlässigten Streitkräfte innerhalb von fünf Jahren um ein Fünftel, also um 600 000 Militärangehörige und Zivilbeschäftigte verringert werden; andererseits wurden die Militärausgaben kräftig erhöht. Autoritäre Tendenzen in der Innenpolitik wurden in den Versuchen des Staates sichtbar, regierungsunabhängige Medien wie den Nachrichtensender NTW des Medienmoguls Wladimir Gussinskij auszuschalten und den Krieg in Tschetschenien weitgehend öffentlicher Kontrolle zu entziehen. Aus den Wahlen zur Staatsduma am 8. Dezember 2003 ging die putintreue Partei Einiges Russland (eine Fusion aus ,,Einheit" und ,,Vaterland - ganz Russland") mit gut 37 Prozent der Stimmen klar als Siegerin hervor. Die bisher stärkste Partei, die Kommunisten, verloren gegenüber 1999 etwa die Hälfte ihrer Wähler, wurden aber mit 12,7 Prozent der Stimmen immer noch zweitstärkste Partei. Die Wahlen waren relativ regulär verlaufen, wenngleich von verschiedenen Seiten Zweifel am Auszählungsergebnis angemeldet wurden. Während des Wahlkampfes aber waren die regierungstreuen Kräfte von den Medien, insbesondere dem staatlichen Fernsehen, eindeutig bevorzugt worden. Bei der konstituierenden Sitzung des Parlaments Ende Dezember 2003 schrieben sich knapp über 300 Abgeordnete in die Fraktion von Einiges Russland ein, neben den direkt und über die Parteilisten gewählten Abgeordneten von Einiges Russland auch zahlreiche unabhängige Abgeordnete sowie Vertreter kleiner Parteien. Die kremltreue Fraktion verfügte damit über die Zweidrittelmehrheit, die ihr u. a. Verfassungsänderungen erlaubt. Jedoch wurde die Unverhältnismäßigkeit - 37 Prozent der Stimmen und über 66 Prozent der Duma-Mandate - sogar aus den eigenen Reihen kritisiert und sogar als nicht verfassungskonform verurteilt. Im Februar 2004 entließ Putin - drei Wochen vor den Präsidentschaftswahlen - die gesamte Regierung, beauftragte sie aber mit Ausnahme von Ministerpräsident Kasjanow mit der Weiterführung der Amtsgeschäfte bis zur Bildung einer neuen Regierung. Als neuen Ministerpräsidenten bestätigte die Duma den von Putin vorgeschlagenen, bisher kaum in Erscheinung getretenen Michail Fradkow. Den Personalwechsel wollte Putin als richtungweisend für die Arbeit der Regierung nach den Präsidentschaftswahlen verstanden wissen. Wenige Tage vor den Wahlen ernannte Putin eine neue Regierung. Sie wurde im Rahmen der umfassenden Verwaltungsreform, an der Putin seit seinem Amtsantritt arbeitete, von 30 auf 17 Ministerien verkleinert; außerdem wurden zahlreiche Agenturen und untergeordnete Ämter aufgelöst. Dadurch sollten vor allem Überschneidungen vermieden und die Entscheidungswege deutlich verkürzt werden. Dem neuen Kabinett gehörten nur noch acht Minister aus der alten Regierung an, darunter die Leiter der Schlüsselministerien wie des Verteidigungs-, des Innen- und des Wirtschaftsministeriums; Frauen waren in der neuen Regierung nicht mehr vertreten. Eine der wichtigsten Neubesetzungen betraf das Außenministerium: Hier wurde Igor Iwanow durch Sergej Lawrow abgelöst. Die Präsidentschaftswahlen im März 2004 gewann Putin erwartungsgemäß klar, und zwar mit über 71 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die OSZE jedoch kritisierte die Wahlen und den Wahlkampf als den Anforderungen an eine gesunde Demokratie nicht entsprechend. Als Reaktion auf die Geiselnahme in Beslan durch vermutlich tschetschenische Terroristen im September 2004 ( siehe im folgenden Abschnitt) leitete Putin einen grundlegenden Umbau des Staatswesens ein, der Macht und Kontrolle in noch stärkerem Maß als bisher in den Händen des Präsidenten konzentrierte. So wurden die Gouverneure der Provinzen nun nicht mehr direkt von der Bevölkerung gewählt, sondern vom Präsidenten vorgeschlagen und von den regionalen Parlamenten bestätigt. Für die Duma galt nur noch das Verhältniswahlrecht (bis dahin wurde die Hälfte der Abgeordneten per Mehrheitswahlrecht direkt in Wahlkreisen gewählt), d. h., kleine Parteien, unabhängige Kandidaten und Vertreter aus den Provinzen haben keine Chance mehr auf einen Sitz in der Duma. Zudem wurde die bisherige Fünfprozentklausel durch eine Siebenprozentklausel ersetzt und darüber hinaus die Zulassung von Parteien zu Parlamentswahlen deutlich restriktiver gestaltet. Des Weiteren wurde ein Ministerium für Regional- und Nationalitätenpolitik geschaffen - wie es seit Beginn der Sowjetunion bestand (sein erster Leiter war Stalin) und das erst 2001 abgeschafft worden war. Und schließlich wurde eine ,,Bürgerkammer" eingerichtet, in der gesellschaftliche Organisationen (mit Ausnahme von Parteien und Ähnlichem) und bekannte Personen des öffentlichen Lebens vertreten sind und die ursprünglich als Aufsichtsgremium über Sicherheitsdienste, Regierung und andere staatliche Organe gedacht war, am Ende aber nur noch beratende Funktion bekam. Darüber hinaus wurde ein Drittel der 126 Mitglieder vom Präsidenten ernannt. In Bezug auf den Kampf gegen den Terrorismus räumte Putin schwere Versäumnisse ein und brachte in der Folge ein umfassendes Antiterrorgesetz auf den Weg, das Maßnahmen von weitreichender Überwachung und Personenkontrolle bis zu Präventivaktionen gegen mutmaßliche Terroristen notfalls auch im Ausland zuließ. Daneben erfuhr die Meinungs- und Pressefreiheit immer weitere Einschränkungen: Neben dem staatlichen Rundfunk standen unterdessen auch nahezu alle anderen großen Rundfunksender sowie viele der landesweiten Zeitungen unter staatlicher Kontrolle, unabhängige Medien hatten ständig mit Restriktionen und Repressionen zu kämpfen, die Ermordung oppositioneller Journalisten - wie etwa von Anna Politkowskaja im Oktober 2006 - war schon beinahe an der Tagesordnung. Auch die oppositionellen politischen Parteien wurden durch immer neue Gesetze und verschiedene Aktionen in ihrer Arbeit behindert oder sogar ganz aufgelöst. Im September 2007 entließ Putin Ministerpräsident Fradkow bzw. Fradkow reichte selbst seinen Rücktritt ein, um - so seine Begründung - Putin vor den Parlamentswahlen im Dezember 2007 und den Präsidentschaftswahlen im März 2008 freie Hand in Personalfragen zu geben. Neuer Ministerpräsident wurde der Finanzexperte und bisherige Leiter der Finanzaufsichtsbehörde Viktor Subkow. Die Duma-Wahlen am 2. Dezember 2007 waren das erwartet klare Plebiszit für Putin: Seine Partei Einiges Russland gewann mit 64,2 Prozent der Stimmen 315 der insgesamt 450 Mandate und damit die für Verfassungsänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit. Zweitstärkste Kraft wurde mit 11,6 Prozent (57 Mandate) die Kommunistische Partei, die zugleich die einzige echte Oppositionspartei in der neuen Duma war. Außerdem zogen noch zwei weitere regierungsnahe Parteien in die Duma ein: die Liberaldemokratische Partei Russlands (LDPR, 40 Mandate) und Gerechtes Russland (38 Mandate). Die anderen sieben Parteien, die zur Wahl zugelassen worden waren, scheiterten an der zum ersten Mal angewandten Siebenprozentklausel. Die Wahlen selbst waren begleitet von Unregelmäßigkeiten und Manipulationen zugunsten der Präsidentenpartei, und auch im Vorfeld waren die demokratischen Grundregeln nicht eingehalten und die Oppositionsparteien etwa durch Verletzung der Medien- und Versammlungsfreiheit erheblich behindert worden. Auch die Präsidentschaftswahlen am 2. März 2008 entsprachen nicht in jeder Hinsicht den demokratischen Standards, und auch sie endeten wie erwartet: Mit etwa 70 Prozent der Stimmen wurde Putins Protegé und Wunschnachfolger Dmitrij Medwedjew zum neuen Präsidenten gewählt. Am 7. Mai löste Medwedjew Putin im Präsidentenamt ab und ernannte sogleich Putin zum Ministerpräsidenten, der damit weiterhin die Politik des Landes bestimmen konnte; dass das Amt des Ministerpräsidenten laut Verfassung mit deutlich weniger Kompetenzen ausgestattet war als das des Präsidenten, tat Putins Dominanz in der russischen Führungsriege keinen Abbruch. 7.9.1.1 Tschetschenien-Konflikt Im Oktober 2002 nahmen etwa 50 schwer bewaffnete tschetschenische Terroristen in einem Moskauer Musicaltheater etwa 800 Besucher als Geiseln und drohten mit der Sprengung des Gebäudes. Als Gegenleistung für die Freilassung der Geiseln forderten sie das Ende des Krieges und den Abzug der russischen Truppen aus Tschetschenien. Nach drei Tagen stürmten Spezialeinheiten des russischen Geheimdienstes unter Einsatz eines Betäubungsgases das Theater. Dem giftigen Gas fielen 41 der Terroristen, aber auch 129 Geiseln zum Opfer. Putin verschärfte nach der Beendigung des Geiseldramas den Tonfall gegenüber Tschetschenien, lehnte Verhandlungen über eine friedliche Lösung des Konflikts weiterhin strikt ab und kündigte massive Vergeltung für die Geiselnahme an. Als Zugeständnis an Tschetschenien und in der Hoffnung, die Lage in Tschetschenien dadurch beruhigen zu können, ließ die russische Regierung im Oktober 2003 in Tschetschenien einen neuen Präsidenten wählen. Diese Wahl, die von vielen Seiten als undemokratische Farce bezeichnet wurde, gewann - wie zu erwarten war - der Kandidat des Kreml, Ahmed Kadyrow. Zuvor hatten die Tschetschenen in einer Volksabstimmung eine - ebenfalls von der russischen Regierung diktierte - Verfassung angenommen, die Tschetschenien als ,,unabtrennbaren Teil der Russischen Föderation" definiert. Kadyrow kam im Mai 2004 durch ein Attentat vermutlich tschetschenischer Terroristen ums Leben. Zu seinem Nachfolger wurde am 29. August 2004 mit Alu Alchanow wieder der Kandidat der russischen Regierung gewählt; aussichtsreiche Mitbewerber um das Präsidentenamt waren von den Wahlen ausgeschlossen worden. Im Umfeld der Wahlen in Tschetschenien wurde Russland von mehreren schweren Terroranschlägen erschüttert: Am 24. August 2004 stürzten fast zeitgleich zwei Passagierflugzeuge ab; 89 Menschen kamen dabei ums Leben. Es waren vermutlich zwei tschetschenische Selbstmordattentäterinnen, die die Flugzeuge zum Absturz gebracht hatten. Eine Woche später riss eine weitere tschetschenische Selbstmordattentäterin in Moskau zehn Menschen mit sich in den Tod. Und am 1. September 2004 brachten über 30 Terroristen in einer Schule in der Stadt Beslan in Nordossetien mehr als 1 000 Schulkinder und Erwachsene als Geiseln in ihre Gewalt. Zwar beteuerte Putin, das Leben der Geiseln keinesfalls aufs Spiel setzen zu wollen; dennoch wurde am 3. September die Schule von russischen Sicherheitskräften gestürmt, was nahezu zwangsläufig in ein entsetzliches Blutbad ausartete: 331 Geiseln kamen bei dieser Aktion ums Leben. Neben dem offensichtlichen Versagen der Sicherheitsdienste im Vorfeld und dem schlechten Krisenmanagement während der Geiselnahme wurde vor allem auch die mangelhafte Informationspolitik der russischen Regierung scharf kritisiert: Angaben über die Zahl der Geiseln, die Herkunft der Terroristen, die Hintergründe der Erstürmung der Schule und über die Zahl der Opfer waren widersprüchlich und zum Teil falsch. Auch über die Forderungen der Geiselnehmer wurde nichts Genaues bekannt: Verlangten sie den Abzug der russischen Truppen aus Tschetschenien oder die Freilassung tschetschenischer Rebellen oder gingen ihre Forderungen noch weiter? Waren sie zu Verhandlungen bereit oder nicht? Als Drahtzieher der Geiselnahme wurden der ehemalige tschetschenische Präsident Aslan Maschadow sowie der Radikale Schamil Bassajew, kurzzeitig Ministerpräsident von Tschetschenien und verantwortlich für eine Reihe früherer Anschläge, genannt; Maschadow jedoch distanzierte sich nachdrücklich von der Geiselnahme. Einer öffentlichen Untersuchung der Geiselnahme und ihres blutigen Endes durch eine parlamentarische Kommission (wie sie etwa nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA und vom 11. März 2004 in Madrid eingesetzt wurden) stimmte Putin nach anfänglicher strikter Ablehnung schließlich zu. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass Versäumnisse und Inkompetenz der Sicherheitskräfte sowohl vor als auch während der Geiselnahme und der Erstürmung der Schule die Katastrophe erst ermöglicht bzw. ihr Ausmaß verschlimmert hätten. Der einzige überlebende Geiselnehmer wurde im Mai 2006 zu lebenslanger Haft verurteilt; der mutmaßliche Drahtzieher Bassajew, Russlands ,,Staatsfeind Nummer eins", kam im Juli 2006 in Inguschetien ums Leben, nach Angaben der russischen Regierung durch eine Spezialoperation der Geheimdienste. 7.9.2 Außenpolitik Die russische Außenpolitik, die vor allem in den USA ihren Gegenpol sah, schwankte in den ersten beiden Amtsjahren Putins zwischen Kooperation (Ratifizierung des STARTII-Vertrags und des Atomteststoppabkommens von 1996), begrenzter Konfrontation (etwa in Bezug auf die NATO-Erweiterung, die Balkanpolitik und die Raketenabwehrpläne der USA) und dem Versuch, den eigenen Spielraum im internationalen Kräftespiel zu erweitern. Zielgerichtet ergriff Putin daher die Möglichkeit, die sich für Russland nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 im Zusammenwirken mit den USA gegen den islamistischen Terror bot: Putin ordnete das international scharf kritisierte Vorgehen Russlands in Tschetschenien in den weltweiten Feldzug gegen den internationalen Terrorismus ein. Das neu gewonnene Einverständnis mit den USA und das Zusammenwirken in der Antiterrorkoalition im Kampf gegen die afghanischen Taliban und das Terrornetzwerk alQaida demonstrierten Putin und US-Präsident George W. Bush auf insgesamt drei Gipfeltreffen im Jahr 2001. Auch wurden Gespräche über die Fortführung der Abrüstung bei strategischen Atomwaffen aufgenommen. Selbst die Kündigung des ABM-Vertrags von 1972 durch die USA, die freie Hand bei der Entwicklung und Erprobung neuer Raketenabwehrsysteme haben wollten, führte nicht zu einer Eintrübung der Beziehungen; sie offenbarte jedoch einmal mehr das im Vergleich zur ehemaligen Sowjetunion geringe strategische Gewicht Russlands. Diesen Mangel versuchte Putin u. a. dadurch zu beheben, dass er Russlands Einfluss in der Kaukasusregion und in Zentralasien offensiver zur Geltung zu bringen versuchte, u. a. durch den Ausbau der dominierenden Rolle Russlands in der GUS und der Zollunion mit Weißrussland, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan, durch stärkere wirtschaftliche Verflechtungen mit Weißrussland und der Ukraine sowie durch eine Annäherung an das mit Armenien verfeindete Aserbaidschan und durch politischen und militärischen Druck auf Georgien, um eine Annäherung des Landes an die NATO zu verhindern. In der Folgezeit wurden einige Abkommen mit internationalen Organisationen geschlossen sowie mit mehreren Nachbarstaaten Einigung über den Grenzverlauf erzielt. Im Mai 2002 unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs der 19 NATO-Staaten und der russische Präsident Putin eine Erklärung über die Einrichtung eines neuen NATORussland-Rates. In diesem Gremium ist Russland als gleichberechtigter Partner vertreten, dem in allen Fragen bis auf den Bündnisfall und die Erweiterung des Militärbündnisses Mitspracherecht eingeräumt wird. Dem von den westlichen Industriestaaten verfolgten Ziel einer stärkeren Einbindung Russlands entsprechend wurde dem Staat im Juni 2002 der Status eines gleichberechtigten Mitglieds in der Gruppe G-8 (Group of Eight) zuerkannt; vorher nahm Russland an politischen Beratungen der Gruppe teil, blieb aber von finanz- und wirtschaftspolitischen Beratungen ausgeschlossen. Der Beitritt zur Welthandelsorganisation (WTO) scheiterte vorerst jedoch noch vor allem am Widerstand der USA. Russland und die Ukraine legten im Januar 2003 den genauen Grenzverlauf zwischen beiden Staaten von Weißrussland bis zum Asowschen Meer fest. Wenige Monate vorher hatte Russland mit Aserbaidschan und Kasachstan Abkommen über die Grenzziehung im Kaspischen Meer unterzeichnet. Diese für Russland günstigen Einigungen sind im Hinblick auf die Erschließung von Ölfeldern in dem Binnenmeer von großer Bedeutung, da vor dem Hintergrund der angespannten Lage im Nahen Osten von einem gesteigerten Einfluss Russlands als Rohstoffexporteur ausgegangen wird. Im Juni 2003 trat auch das bereits 1997 unterzeichnete Grenzabkommen mit Litauen in Kraft, das eine wichtige Voraussetzung für Litauens Beitritt zur EU bildete und Russland den Abschluss eines günstigen Abkommens über den erleichterten Transitverkehr in die an Litauen grenzende Exklave Kaliningrad ermöglichte. Wenige Tage vor der Osterweiterung der EU am 1. Mai 2004 schlossen die EU und Russland zudem ein Abkommen, in dem die EU Russland den freien Warenverkehr nach Kaliningrad garantiert und das außerdem die wirtschaftlichen Nachteile, die Russland durch die Einführung der EUZollbestimmungen in den neuen EU-Ländern entstehen würden, deutlich vermindert. Im Mai 2002 unterzeichneten Bush und Putin in Moskau ein Abkommen über die weitere Reduzierung ihrer Atomwaffen; ein Jahr später ratifizierten Duma und Föderationsrat das Abkommen. Der Vertrag sah die Verringerung der strategischen Atomgefechtsköpfe beider Seiten von jeweils etwa 6 000 auf je 1 700 bis 2 200 bis zum Jahr 2012 vor. Im Rahmen des Irak-Konflikts profilierte sich Russland u. a. an der Seite von Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland als klarer Gegner eines nicht von den Vereinten Nationen sanktionierten militärischen Alleingangs der USA gegen den Irak und vertrat diese Position auch nachdrücklich in den zahlreichen Verhandlungen im UNSicherheitsrat um die verschiedenen Irak-Resolutionen. Im Atomstreit mit dem Iran bemühte sich Russland intensiv, jedoch weitgehend erfolglos um eine Lösung. Die seit dem Irak-Krieg gespannten Beziehungen zu den USA, aber auch die Beziehungen zu weiteren wichtigen westlichen Ländern verschlechterten sich in der Folgezeit weiter, etwa wegen der von den USA geplanten Stationierung eines Raketenabwehrsystems in Mitteleuropa und der von Putin angekündigten Aussetzung des Vertrages zur Begrenzung der Konventionellen Streitkräfte in Europa (KSE), aber auch aufgrund unterschiedlicher Positionen in verschiedenen Problemfeldern von internationaler Bedeutung, etwa in der Auseinandersetzung um den künftigen Status des Kosovo. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

« Stanowoigebirge und Dshugdshurgebirge.

Im Fernen Osten erheben sich das Burejagebirge und der Sichote-Alin. 2.2 Küsten, Flüsse, Seen und Meere Russland hat von allen Ländern der Erde die längste, ununterbrochene Küstenlinie.

Sie erstreckt sich entlang dem Nordpolarmeer und dem Pazifischen Ozean über mehr als32 000 Kilometer.

Weitere Küstenabschnitte bestehen am Schwarzen Meer und Kaspischen Meer im Süden.

Russland besitzt nur sehr wenige ganzjährig zugängigeMeereshäfen; der größte Teil der Küsten liegt an Gewässern, die viele Monate im Jahr zugefroren sind.

Trotz dieser Beschränkungen werden alle Meere für die Schifffahrtund den Fischfang genutzt. Die längsten Flüsse Russlands liegen in Sibirien und dem fernöstlichen Russland.

Der Ob entspringt im südsibirischen Altai und ist eine wichtige regionale Wasserstraße.

DerFluss ist rund 3 680 Kilometer lang und bildet zusammen mit dem Irtysch mit einer Gesamtlänge von 5 642 Kilometern das längste Flusssystem Asiens.

Das zweitgrößteFlusssystem besteht aus Amur, Schilka und Onon.

Es hat eine Gesamtlänge von etwa 4 400 Kilometern und führt vom Norden der Mongolei in östlicher Richtung entlang derchinesischen Grenze zur Pazifikküste.

Die rund 4 400 Kilometer lange Lena fließt zunächst in nordöstliche Richtung, biegt nach dem Einmünden des Aldan nach Norden undmündet in einem ausgedehnten Delta in die Laptewsee.

Mit einer Länge von 3 530 Kilometern ist die Wolga der längste Fluss Europas.

Zusammen mit ihren beidenNebenflüssen Kama und Oka entwässert sie einen großen Teil der Osteuropäischen Ebene nach Südosten zum Kaspischen Meer.

Der fünftlängste Fluss, der Jenissej, fließtaus der Mongolei nach Norden durch Ostsibirien und mündet ins Nordpolarmeer.

Sein Hauptzufluss, der Angara, stellt den einzigen Abfluss des Baikalsees dar.

Der Jenissejführt dem Nordpolarmeer jährlich mehr als 620 Kubikkilometer Wasser zu; damit verzeichnet er die höchste Durchflussmenge aller russischen Flüsse, gefolgt von Lena, Ob,Amur und Wolga. Viele andere Ströme sind als Verkehrswege und als Energiequellen bedeutend, oder sie dienen in trockenen Regionen der Bewässerung.

Der Don nimmt dabei eineherausragende Stellung ein.

Er liegt im bevölkerungsreichen Osteuropäischen Tiefland und entwässert nach Süden in das Asowsche Meer, einen Arm des Schwarzen Meeres.Im nördlichen Osteuropäischen Tiefland fließen Narwa und Düna (Daugava) nach Nordwesten in die Ostsee.

Petschora, Nördliche Dwina, Mezen und Onega fließen Richtung Nordpolarmeer und münden ins Weiße Meer.

In der nordkaukasischen Ebene sind die beiden wichtigsten Flüsse für die Bewässerung der Kuban, der nach Westen insAsowsche Meer fließt, und der Terek, der nach Osten ins Kaspische Meer fließt. Die Sowjetregierung beschleunigte den Bau großer Dämme zur Energiegewinnung und für eine bessere und umfangreichere Bewässerung.

Die umfangreichstenBaumaßnahmen erfolgten am Flusssystem von Wolga und Kama, am Don, im oberen Teil des Jenissej-Angara-Systems und an den Läufen von Ob und Irtysch. In Russland gibt es, besonders im ehemals vergletscherten nordwestlichen Teil des Landes, viele natürliche Seen.

Das Kaspische Meer im Süden ist der größte Binnenseeder Erde.

Der Seespiegel des Salzwassersees befindet sich etwa 28 Meter unterhalb des Meeresniveaus.

Da das Kaspische Meer keinen Abfluss hat, entweicht Wasser nurdurch Verdunstung, wodurch es bei dem hier herrschenden trockenen Klima zur Auskristallisation von Salzen kommt.

Das Kaspische Meer hat eine Fläche von rund371 000 Quadratkilometern.

Zweitgrößter See in Russland ist der Baikalsee mit einer Fläche von 31 500 Quadratkilometern.

Mit einer maximalen Tiefe von 1 637 Metern istder Baikalsee der tiefste Süßwassersee der Erde.

Man schätzt, dass der See etwa ein Fünftel der Süßwasserreserven der Erde enthält.

Die beiden nächstgrößeren Seen sindder Ladogasee und der Onegasee.

Sie liegen in der Karelischen Seenplatte im Nordwesten des europäischen Teiles von Russland.

Beide Süßwasserseen sind eiszeitlichenUrsprungs und haben Abflüsse, die in den Finnischen Meerbusen münden. 2.3 Klima Russland umfasst eine Reihe unterschiedlicher Klimazonen.

Entlang der Küste des Nordpolarmeeres herrscht polares Tundrenklima vor, das im Süden bis in die Gebirgslagender fernöstlichen Region reicht.

Südlich dieser Zone erstreckt sich ein breiter Gürtel mit subarktischem Klima, der im europäischen Russland in südlicher Richtung bis SanktPetersburg reicht, östlich des Uralgebirges jedoch fast ganz Sibirien und den Fernen Osten Russlands umfasst.

Der größte Teil des europäischen Teiles von Russlandunterliegt einem gemäßigten kontinentalen Klima.

Dieser Gürtel reicht von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer und umfasst im Osten auch einen schmalen Streifen dessüdlichen Westsibirischen Tieflandes.

An dieser Klimazone hat auch der südöstliche Teil des Fernen Ostens Russlands Anteil.

An der Schwarzmeerküste herrscht dagegensubtropisches Klima.

Moskau liegt in der kontinentalen Klimazone.

Die Durchschnittstemperaturen betragen dort -9 °C im Januar und 19 °C im Juli.

In Wladiwostok imfernöstlichen Russland betragen die mittleren Temperaturen -14 °C im Januar und 18 °C im Juli. Da sich Russland weit in hohe geographische Breiten erstreckt und das angrenzende Nordpolarmeer nicht von milden Meeresströmungen geprägt ist, herrschen im Nordendes Landes raue klimatische Bedingungen.

Die Winter sind lang und kalt, die Sommer kurz und im Norden auch relativ kühl.

Hohe Gebirge entlang der Südgrenze vonRussland und Zentralasien machen eine Zufuhr von maritimen, tropischen Luftmassen von Süden her nahezu unmöglich.

Im Winter ist das Nordpolarmeer bis zur Küstezugefroren.

Weil das Gebiet im Bereich des Westwindgürtels liegt, reichen warme Einflüsse vom Pazifischen Ozean nicht weit ins Landesinnere.

Dies trifft besonders imWinter zu, wenn sich ein ausgeprägtes, extrem kaltes Hochdruckgebiet mit Zentrum über Ostsibirien über weite Teile Sibiriens und des fernöstlichen Russlands erstreckt. Dem Meereseinfluss unterliegt Russland vom Atlantischen Ozean im Westen her; bis aber die Atlantikluft Russland erreicht, hat sie den gesamten Westteil Europasdurchquert und beträchtliche Veränderungen durchgemacht.

Im Sommer durchdringt sie die Landmassen am leichtesten, wenn tiefer Druck über Russland vorherrscht.Dann kann warme, feuchte Atlantikluft östlich bis nach Mittelsibirien vordringen.

Diese Luftmassen bringen Russland ein ausgeprägtes Sommermaximum an Niederschlag.Vielerorts ist die Verteilung der Niederschläge im Sommer nicht sehr günstig.

Im Frühsommer gibt es oft Dürren, im Hoch- und Spätsommer fallen häufig beträchtlicheNiederschläge, die die Ernten beeinträchtigen.

Das trifft insbesondere auf die fernöstliche Region zu, wo einströmende pazifische Luft im Hoch- und SpätsommerMonsunregen bringt.

In den nördlichen Gebieten, besonders nördlich von Moskau, ist der Himmel insbesondere im Winter so häufig bedeckt, dass die Russen diesesPhänomen Pasmurno (trübes, trostloses Wetter) nennen.

In Moskau ist der Himmel im Dezember an durchschnittlich 23 Tagen bedeckt. In weiten Teilen des Landes ist der jährliche Niederschlag gering.

Das Osteuropäische Tiefland verzeichnet einen mittleren Jahresniederschlag von etwa 800 Millimetern, derbis zur Küste am Kaspischen Meer auf rund 400 Millimeter sinkt.

In Sibirien und dem Fernen Osten Russlands reichen die Jahresmittelwerte in den meisten Regionen von500 bis 800 Millimeter.

In höheren Lagen sind auch Niederschläge bis zu 1 000 Millimetern möglich, doch in Becken im Landesinneren werden teilweise weniger als300 Millimeter erreicht. Das Klima ist durch extreme Temperaturgegensätze gekennzeichnet.

Die niedrigsten Wintertemperaturen verzeichnet Ostsibirien; im Westen mäßigt die Luft vomAtlantischen Ozean her die Bedingungen etwas.

Werchojansk in Ostsibirien wird oft als „Kältepol der Welt” bezeichnet.

Im Januar liegen die Temperaturen beidurchschnittlich -48,9 °C, doch wurde hier auch schon ein Extremwert von -67,8 °C gemessen.

Im Juli liegt die mittlere Temperatur in Werchojansk bei 15 °C, an einzelnenTagen wurden auch Werte um 35 °C erreicht.

Die Stadt verzeichnete damit eine maximale jährliche Temperaturschwankung von 102,8 °C; dieser Wert wurde bisher ankeiner anderen Messstation der Erde übertroffen. 2.4 Natürliche Vegetation und Böden Die breiten Vegetations- und Bodenzonen Russlands entsprechen annähernd den Klimazonen des Landes.

Im hohen Norden wächst auf tief reichendem Dauerfrostbodeneine Tundrenvegetation aus Moosen, Flechten und niedrigen Sträuchern.

Der Untergrund ist hier bis in große Tiefen ganzjährig gefroren, nur eine dünne Oberflächenschichttaut im Sommer auf. Über zwei Fünftel des russischen Territoriums sind waldbedeckt, der größte Teil davon liegt im asiatischen Landesteil.

Insgesamt stellen die Wälder nahezu ein Viertel derWaldfläche der Erde dar.

Die Waldzonen des Landes lassen sich unterteilen in einen nördlichen Teil, den borealen Nadelwaldgürtel (Taiga), und den sehr viel kleineren. »

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