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Sagen des klassischen Altertums: Der Tod Hektors - Anthologie.

Publié le 17/06/2013

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Sagen des klassischen Altertums: Der Tod Hektors - Anthologie. Der deutsche Schriftsteller Gustav Schwab, Mitglied des spätromantischen Schwäbischen Dichterkreises um Ludwig Uhland und Justinus Kerner, war vorwiegend als Lyriker produktiv. Doch während sein literarisches Schaffen weitgehend in Vergessenheit geraten ist, fanden seine Nacherzählungen klassischer antiker Sagen weite Verbreitung und werden weiterhin gedruckt. Schwabs Nachdichtungen mythologischer Stoffe wurden in drei Bänden (1838-1840) unter dem Titel Die schönsten Sagen des klassischen Altertums publiziert. Der Quellentext bietet eine Darstellung von Hektors Tod. Der größte trojanische Held, Sohn des Königs Priamos, tötet Achilles' engsten Freund Patroklos. Achilles nimmt grausame Rache. Er erschlägt Hektor und schleift den Leichnam mit seinem Streitwagen zum Grab des Patroklos. Sagen des klassischen Altertums: Der Tod Hektors Immer näher kam Achilles geschritten, dem Kriegsgott an furchtbarer Herrlichkeit gleich; auf der rechten Schulter bebte entsetzlich seine Lanze aus Pelions Eschenholz, seine Erzwaffen schimmerten um ihn wie eine Feuersbrunst, oder wie die aufgehende Sonne. Als Hektor ihn sah, mußte er unwillkürlich zittern; er vermochte nicht mehr still zu stehen: er wandte sich um, dem Tor zu, und hinter ihm her flog der Pelide, wie ein Falk der Taube nachstürzt, die oft seitwärts schlüpft, während der Raubvogel gerade andringt auf seinem Flug. So flüchtete Hektor längs der Mauer von Troja über den Fahrweg hinüber an den beiden sprudelnden Quellen des Skamander vorbei, der warmen und der kalten, immer weiter um die Mauer: ein Starker floh, aber ein Stärkerer folgte. Also kreisten sie dreimal um die Stadt des Priamos, und vom Olymp sahen alle ewigen Götter dem Schauspiele mit gespannter Aufmerksamkeit zu. ,,Erwägt es wohl, ihr Götter", sprach Zeus, ,,die Stunde der Entscheidung ist gekommen; jetzt fragt es sich: Soll Hektor dem Tod noch einmal entfliehen, oder soll er, wie tapfer er auch sein mag, fallen?" Da nahm Pallas Athene das Wort und sprach: ,,Vater, wo denkst du hin? Einen Sterblichen, der längst dem Verhängnis anheimgefallen ist, willst du vom Tod erlösen? Tu, was dir gut dünkt, aber hoffe nicht, daß die Götter deinen Rat billigen werden!" Zeus nickte seiner Tochter Gewährung zu, und sie schwang sich wie ein Vogel von den Felsenhöhen des Olymps aufs Schlachtfeld hinab. Hier floh Hektor noch immer vor seinem Verfolger, der ihn, wie ein Jagdhund den aus dem Lager aufgejagten Hirsch, bedrängte und ihm, wie dieser seinem Wild, keinen Schlupfwinkel und keine Rast gönnte. Auch winkte Achilles seinem Volk zu, daß keiner sein Geschoß auf Hektor werfen und ihm den Ruhm rauben sollte, der erste und einzige gewesen zu sein, der den furchtbarsten Feind der Griechen erlegte. Als sie nun zum vierten Male auf ihrer Runde um die Mauer an die Quellen des Skamander gelangt waren, da erhob sich Zeus auf dem Olymp, streckte die goldene Waage vor und legte zwei Todeslose hinein, das eine für den Peliden, das andere für Hektor. Dann faßte er die Waage in der Mitte und wog: da sank Hektors Waagschale tief nach dem Hades zu, und augenblicklich verließ Phöbos Apollo seine Seite. Zu Achilles aber trat Athene, die Göttin, und flüsterte ihm ins Ohr: ,,Steh und erhole dich, während ich jenem zurede, dich kühn zu bekämpfen." Achilles lehnte sich, der Göttin gehorchend, auf seinen eschenen Speer, sie aber, in der Gestalt des Deïphobos, trat ganz nahe zu Hektor und sprach zu ihm: ,,Ach, mein älterer Bruder, wie bedrängt dich der Pelide! Wohlan, laß uns standhalten und ihn abwehren." Freudig aufblickend, erwiderte Hektor: ,,Du warst immer mein trautester Bruder, Deïphobos! Jetzt aber muß dich mein Innerstes nur um so mehr hochachten, daß du dich aus der Stadt gewagt hast, während die anderen alle hinter den Mauern sitzen!" Athene winkte dem Helden zu und schritt ihm, die Lanze gehoben, voran, dem ausruhenden Achilles entgegen. Diesem rief Hektor zuerst zu: ,,Nicht länger entfliehe ich dir, Pelide! Mein Herz treibt mich, dir fest entgegenzustehen, daß ich dich töte oder falle! Laß uns aber die Götter zu Zeugen eines Eidschwures nehmen; wenn mir Zeus den Sieg verleiht, werde ich dich nimmermehr mißhandeln, sondern, nachdem ich dir deine Rüstung abgezogen, die Leiche deinen Volksgenossen zurückgeben. Ein gleiches sollst du mir tun!" ,,Nichts von Verträgen geplaudert!" erwiderte finster Achilles; ,,so wenig ein Hund zwischen Löwen und Menschen Freundschaft stiftet, so wenig zwischen Wölfen und Lämmern Eintracht besteht, so wenig wirst du dich mit mir befreunden. Einer von uns muß blutig zu Boden stürzen. Nimm deine Kunst zusammen, du mußt Lanzenschwinger und Fechter zugleich sein. Doch du wirst mir nicht entrinnen, all das Leid, das du den Meinigen mit der Lanze angetan hast, das büßest du mir jetzt auf einmal!" So schalt Achilles und schleuderte die Lanze; doch Hektor sank in die Knie, und das Geschoß flog über ihn weg in die Erde; hier faßte es Athene und gab es dem Peliden, unbemerkt von Hektor, sogleich zurück. Mit zornigem Schwung entsandte nun Hektor auch seinen Speer, und dieser fehlte nicht, er traf mitten auf den Schild des Achilles, aber prallte auch davon ab; bestürzt sah sich Hektor nach seinem Bruder Deïphobos um, denn er hatte keine zweite Lanze zu versenden. Doch dieser war verschwunden. Da wurde Hektor inne, daß es Athene war, die ihn getäuscht hatte. Wohl sah er ein, daß das Schicksal ihn jetzt fassen würde; er dachte daher nur darauf, wie er nicht ruhmlos in den Staub sinken wollte, zog sein gewaltiges Schwert von der Hüfte und stürmte, das geschwungene in der Rechten, wie ein Adler einher, der auf einen geduckten Hasen oder ein Lämmlein aus der Luft herabschießt. Der Pelide wartete den Streich nicht ab, auch er drang unter dem Schild vor; sein Helm nickte, die Mähne flatterte, und sternhell strahlte sein Speer, den er grimmig in seiner Rechten schwenkte. Sein Auge durchspähte den Leib Hektors, forschend, wo etwa eine Wunde haften könnte. Da fand er alles blank von der geraubten Rüstung umhüllt; nur wo Achsel und Hals das Schlüsselbein verbindet, erschien die Kehle ein Weniges entblößt. Dorthin lenkte Achilles schnell besonnen seinen Stoß und durchstach ihm den Hals so mächtig, daß die Lanzenspitze zum Genick herausdrang. Doch durchschnitt ihm der Speer die Gurgel nicht so, daß der Verwundete nicht noch reden konnte, obgleich er in den Staub sank, während Achilles laut frohlockte und den Leichnam Hunden und Vögeln preiszugeben drohte. Da begann der liegende Hektor, schon schwächer atmend, zu flehen: ,,Ich beschwöre dich bei deinem Leben, Achilles, bei deinen Knien, bei deinen Eltern, laß mich bei den Schiffen der Danaer nicht die Hunde zerreißen! Nimm Erz und Gold, so viel du willst, zum Geschenk und entsende dafür meinen Leib nach Troja, daß Männer und Frauen ihm dort die Ehre des Scheiterhaufens zuteil werden lassen." Aber Achilles schüttelte sein fürchterliches Haupt und sprach: ,,Beschwöre mich nicht bei meinen Knien und meinen Eltern, du Mörder meines Freundes! Niemand sei, der dir die Hunde verscheuche von deinem Haupt, und wenn mir deine Landsleute zwanzigfältige Sühnung darwögen und noch mehr verhießen. Ja, wenn dich Priamos mir selbst mit Gold aufwägen wollte!" ,,Ich kenne dich", stöhnte Hektor sterbend, ,,ich ahnte, daß du nicht zu erweichen sein würdest; dein Herz ist eisern! Aber denk an mich, wenn die Götter mich rächen und am hohen, skäischen Tore du dem Geschosse Phöbos Apollos getroffen im Staub endest wie jetzt ich!" Mit dieser Weissagung verließ Hektors Seele den Leib und flog zum Hades hinunter. Achilles aber rief der Fliehenden nach: ,,Stirb du; mein Los empfang ich, wann Zeus und die Götter wollen!" So sprach er und zog den Speer aus dem Leichnam, legte ihn beiseite und zog die eigene, blutige Rüstung von den Schultern des Gemordeten. Gustav Schwab: Sagen des klassischen Altertums. Erlangen 1997, S. 310ff. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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