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Sagen des klassischen Altertums: Dido und Äneas - Anthologie.

Publié le 17/06/2013

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Sagen des klassischen Altertums: Dido und Äneas - Anthologie. Der deutsche Schriftsteller Gustav Schwab, Mitglied des spätromantischen Schwäbischen Dichterkreises um Ludwig Uhland und Justinus Kerner, war vorwiegend als Lyriker produktiv. Doch während sein literarisches Schaffen weitgehend in Vergessenheit geraten ist, fanden seine Nacherzählungen klassischer antiker Sagen weite Verbreitung und werden weiterhin gedruckt. Schwabs Nachdichtungen mythologischer Stoffe wurden in drei Bänden (1838-1840) unter dem Titel Die schönsten Sagen des klassischen Altertums publiziert. Der Quellentext präsentiert die Sage von Dido und Aeneas, die von dem römischen Dichter Vergil in seinem Versepos Aeneis künstlerisch ausgearbeitet wurde. Sie erzählt von der verzweifelten Liebe der karthagischen Königin Dido zu dem Trojaner Aeneas, der nach der Zerstörung seiner mächtigen Stadt durch die Griechen nach einer neuen Heimat sucht. Sagen des klassischen Altertums: Dido und Äneas Aber die himmlische Mutter des Helden war nicht beruhigt über sein Schicksal, sie fürchtete die doppelzüngigen Tyrer und das betrügliche Königshaus. Auch daß Juno, die Todfeindin des Äneas, Schutzgöttin des Landes war, machte ihr schwere Sorge. Sie sann deswegen auf eine ganz neue List. Ihr Sohn, der Liebesgott, sollte die Gestalt des Knaben Ascanius annehmen und an seiner Stelle in Karthagos Hofburg erscheinen. Würde nun Dido den holden Jungen beim königlichen Schmaus auf den Schoß nehmen und ihn harmlos herzen und küssen, so sollte ihr Amor das heimliche Feuer der Liebe einhauchen. Der Liebesgott gehorchte dem Gebot seiner Mutter, er entledigte sich in aller Eile seiner Flügel und wandelte in kurzem, vergnügt über die Rolle, die er zu spielen hatte, dem kleinen Julus oder Ascanius täuschend ähnlich, an der Hand des Achates, der keinen Betrug ahnte, der Königsstadt entgegen. Den wahren Ascanius hatte Venus im Schlummer in ihr eigenes Gebiet, in den Hain Idaliums, entführt und ihn dort in duftenden Majoran unter kühlen Schatten gelegt. Als Achates mit dem kleinen Gott an der Hand in Karthagos Burg eintraf, hatte sich die Königin schon auf einem goldenen mit köstlichen Teppichen gepolsterten Throngestell in der Mitte des Saales niedergelassen; Äneas und die trojanischen Helden kamen von allen Seiten herbei und lagerten sich die Tische entlang auf purpurne Polster; Diener boten Reinigungswasser und Handtücher herum, langten das Bort aus den Körben hervor und stellten die goldenen Becher vor die Gäste. Auch die Tyrer kamen jetzt scharenweise herbei und lagerten sich auf das Gebot ihrer Königin an den Tafeln. Die Geschenke des Äneas wurden herumgegeben und bewundert. Dann richteten sich aller Blicke auf den kleinen vermeintlichen Julus, der mit heuchlerischen Umarmungen sich an den Hals seines Vaters warf, seinen Mund mit Küssen bedeckte und wunderkluge Worte dazu sprach. Endlich riß sich der kleine Liebesgott von dem erheuchelten Vater los und eilte auf die Königin zu. Diese nahm ihn arglos auf die Arme, blickte ihn liebreich an und herzte ihn zärtlich, ohne zu ahnen, welch ein mächtiger Gott sich ihr anschmiege. Der Schmaus ging zu Ende, die Gerichte wurden von den Tafeln genommen, gewaltige Weinkrüge aufgestellt und die Becher aufs neue gefüllt. Lautes Rauschen wälzte sich durch die Säle des Palastes; die Nacht war herbeigekommen und flammende Kronleuchter hingen von dem goldenen Deckengetäfel herunter. Jetzt ließ sich Dido die herrlichste Schale, schwer von Gold und Edelsteinen, reichen und füllte sie bis zum Rand mit Wein; sie war längst der Mundbecher aller tyrischen Könige. Diese hielt die Königin, von ihrem Thron sich erhebend, hoch in der Rechten, und in diesem Augenblick verstummte der Lärm in den Sälen des Palastes. ,,Jupiter", sprach sie mit feierlicher Stimme, ,,mächtiger Beschirmer des Gastrechts, laß diesen Tag den Tyriern und unseren trojanischen Freunden günstig sein, und unsere späten Enkel mögen seiner noch mit Lust gedenken! Auch du, Freudengeber Bacchus, auch du, huldreiche Juno, sei mit uns!" So sprechend, goß sie das Trankopfer auf den Tisch aus, nippte dann von der goldenen Schale selbst und bot sie dem tyrischen Häuptling, der ihr zunächst saß. Nun machte der Pokal bei Tyriern und Trojanern die Runde, und derweil sang ein lockiger Sänger zur goldenen Zither sinnvolle Lieder vom Ursprung der Welt, der Menschen und der Tiere. Als der Gesang zu Ende war, hing Dido am Mund des erzählenden Äneas, vernahm seine Schicksale mit pochendem Herzen und schlürfte in langen Zügen das Gift der süßen Liebe ein. Gustav Schwab: Sagen des klassischen Altertums. Erlangen 1997, S. 532ff. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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