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Wilhelm Raabe: Der Hungerpastor (Sprache & Litteratur).

Publié le 13/06/2013

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Wilhelm Raabe: Der Hungerpastor (Sprache & Litteratur). Wilhem Raabe gehört zu den wichtigsten Repräsentanten des literarischen Realismus in Deutschland. Sein Bildungsroman Der Hungerpastor (1864), der zusammen mit Abu Telfan (1867) und Der Schüdderump (1870) die so genannte Stuttgarter Trilogie bildet, war das erfolgreichste Buch in Raabes OEuvre. Es schildert kontrastierend die Vita des Schustersohnes Hans Unwirsch und seines Freundes, des jüdischen Trödlersohnes Moses Freudenstein. Bei der ausgewählten Textpassage handelt es sich um den Anfang des Romans. Wilhelm Raabe: Der Hungerpastor Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag. Wie er für die Welt im ganzen Schiwa und Wischnu, Zerstörer und Erhalter in einer Person ist, kann ich freilich nicht auseinandersetzen, denn das ist die Sache der Geschichte; aber schildern kann ich, wie er im einzelnen zerstörend und erhaltend wirkt und wirken wird, bis an der Welt Ende. Dem Hunger, der heiligen Macht des echten, wahren Hungers widme ich diese Blätter, und sie gehören ihm auch von Rechts wegen, was am Schluß hoffentlich vollkommen klar geworden sein wird. Mit letzterer Versicherung bin ich einer weiteren Vorrede, welche zur Gemütlichkeit, Erregung und Aufregung des Lesers doch nur das wenigste beitragen würde, überhoben und beginne meine Geschichte mit unbegrenztem Wohlwollen sowohl gegen die Mitwelt und Nachwelt als auch gegen mich selber und alle mir im Lauf der Erzählung vorübergleitenden Schattenbilder des großen Entstehens, Seins und Vergehens - des unendlichen Werdens, welches man Weltentwicklung nennt, welches freilich ein wenig interessanter und reicher als dieses Buch ist, das aber auch nicht, wie dieses Buch, in drei Teilen zu einem befriedigenden Abschluß kommen muß. ,,Da haben wir den Jungen! Da haben wir ihn endlich - endlich!" rief der Vater meines Helden und tat einen langen, erleichternden Atemzug, wie ein Mann, der langes vergebliches Sehnen, schwere Arbeit, viele Mühen und Sorgen getragen hat und endlich glücklich zu einem glücklichen Ziel gekommen ist. Mit klugen, glänzenden Augen sah er herab auf das unansehnliche, kümmerliche Stück Menschentum, welches ihm die Wehmutter in die Arme gelegt hatte, grad als die Feierabendglocke erklang. Eine Träne stahl sich über die hagere Backe des Mannes, und die scharfe, spitze, kluge väterliche Nase senkte sich immer tiefer gegen das unbedeutende, kaum erkennbare Näschen des Neugeborenen, bis sie plötzlich mit einem Ruck wieder emporfuhr und sich ängstlich fragend gegen die gute, hilfreiche Frau, die soviel zu seinem Entzücken beigetragen hatte, richtete. Wilhelm Raabe: Der Hungerpastor. München 1957, S. 5. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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