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Philosophie in der Nachfolge Avicennas und Suhrawardis

Publié le 06/01/2010

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philosophie

 Ibn Taimîya bekämpfte also nicht nur die Philosophie. Er bekämpfte vor allem den Einfluss der Philosophen. Insofern ist seine harsche und weit ausholende Kritik ein deutliches Indiz dafür, wie groß deren Wirkungsradius inzwischen gewesen sein muss. Die Zahlen bestätigen das auch. Gerade im 13. und 14. Jahrhundert entstanden – neben den Traktaten zur Logik – eine Fülle von Schriften zur Physik und zur Metaphysik. Sie belegen eindrücklich, dass die Philosophie nicht nur in den Reflexionen der Theologen oder der Sufis weiterlebte, sondern nach wie vor eine eigene intellektuelle Disziplin war. Diese Disziplin veränderte sich allerdings, denn jetzt kam es zunehmend zur Ausbildung von Traditionen. Sie hatten ursprünglich die Form von Lehrer-Schüler-Verhältnissen, nahmen aber auch den Charakter von Lehrzirkeln oder sogar von Schulen an (obwohl nur die Logik und nicht die Philosophie als Ganze an den Hochschulen gelehrt wurde). Ihr Bezugspunkt war jeweils eine anerkannte (ältere) Autorität. Deren Werke wurden gelesen, diskutiert, in Lehrbüchern resümiert und in Kommentaren erläutert. Auf diese Weise kristallisierte sich eine Form des Lernens und Tradierens heraus, die man bei aller Vorsicht, die gegenüber einem solchen Terminus geboten ist, als scholastisch bezeichnen kann. Dieser Prozess war aufs Ganze gesehen konservativ, aber er hatte auch selektive Tendenzen. Sie betrafen vor allem Averroes (und seine spanischen Kollegen). Was er geschrieben hatte, wurde nämlich nur noch von wenigen Lesern zur Kenntnis genommen (vgl. oben S. 77) und nicht in der Breite und schon gar nicht auf eine Weise, die schulbildend hätte sein können, rezipiert. Ganz anders verhielt es sich mit zwei anderen Denkern; gemeint sind Avicenna und Suhrawardî. Sie fanden jeweils eine große Gefolgschaft. Deswegen kann man als generelle Beobachtung festhalten, dass die Philosophie nach 1200 vom Erbe dieser beiden Autoritäten dominiert war. Im Falle Avicennas kam dieser Erfolg nicht überraschend. Er hatte eigentlich immer Schüler. Zu Lebzeiten waren es u. a. Djûzdjânî (sein Biograph), Bahmanyâr (gest. 1066) und Ibn Zaila (gest. 1067). Später machten Laukarî (gest. 1123), Umar ibn Sahlân as-Sâwî (gest. nach 1140) und andere seine Thesen überall in Iran bekannt. Trotzdem brachte das 13. Jahrhundert noch einmal eine spürbare Steigerung seines Einflusses. Sie zeigt sich erstmals bei Saifaddîn al-Âmidî (gest. 1233). Von ihm (der auch als Theologe und Jurist bekannt war) stammt Die Enthüllung der Verfälschungen im Kommentar zu den «Hinweisen «, ein Werk, das Avicennas Hinweise und Mahnungen ausdrücklich gegen die Kritik des Fakhraddîn ar-Râzî (vgl. oben S. 90) in Schutz nimmt. Die eigentliche Renaissance seiner Philosophie begann jedoch mit Kamâladdîn ibn Yûnus (gest. 1242). Aus dessen Feder ist uns zwar leider keine einzige Schrift erhalten.

philosophie

« interessiert.

Schîrâzî studierte, wie erwähnt, bei Tûsî (und glossierte ein Werk des Nadjmaddîn al-Kâtibî, der zumTûsî-Kreis gehörte).

Sein Vorgänger, Ibn Kammüna, war nicht nur ein großer Kenner der Andeutungen Suhrawardis,sondern hat daneben Avicennas Hinweise und Mahnungen kommentiert.

Auch der umgekehrte Fall kam vor.

Daslegen unsere Informationen über Athîraddîn al-Abharî nahe.

Er hatte zwar mit seiner Einführung in die Logik (vgl.oben S.

87) und seiner Anleitung durch die Philosophie (vgl.

oben S.

93) entscheidenden Anteil daran, dassAvicennas Lehre allenthalben verbreitet wurde.

Aber nach seinen eigenen Angaben stammt von ihm auch ein Werk,das den Vorstellungen Suhrawardis gewidmet ist.

Von einer Verschmelzung der Traditionen kam man allerdings erstspäter sprechen.

Sie scheint sich im Verlauf des 14.

Jahrhunderts angebahnt zu haben (z.B.

bei Ali Turka Isfahânî,gest.

1427) und im 15.

Jahrhundert zu einem verbreite- ten Modell geworden zu sein.

Jetzt begegnen uns Autorenwie Ibn Abî Djumhîr al-Ahsâ'î (gest.

nach 1501) und Djalâladdîn ad-Dawânî (gest.

1502).

Sie verknüpften nicht nurdie Lehren Avicennas und Suhrawardîs miteinander, sondern nahmen auch Konzepte, die von Ibn al- Arabî oder ausder islamischen Theologie stammten, in ihr Gedankengut auf.

Bei Dawânî geschah das in Form eines vielgestaltigenOEuvres.

Es umfasst neben zahlreichen theologischen Schriften Kommentare zu den «Avicennianern » Athîraddîn al-Abharî (Die Einführung in die Logik) und Sirâdjaddîn al-Urmawî (Die Erscheinungsorte der Lichter); einen Kommentarzu Suhrawardî (Die Tempel des Lichts); Erläuterungen zur Lehre Ibn al- Arabîs sowie eine Bearbeitung der Ethik desTûsî (d.

h.

der Ethik Nâsirs), die unter dem Titel Die Ethik Djalâls bekannt geworden ist.

Für Ibn Abî Djumhûr giltÄhnliches, aber bei ihm wird der Wille zur Synthese noch greifbarer.

Das liegt vor allem an seinem umfangreichenWerk Der Enthüllende.

Dort macht er nämlich schon im Untertitel die programmatische Ankündigung, dass er sich«auf die Theologie, die beiden Philosophien (d.

h.

die Lehren Avicennas und Suhrawardis) und den Sufismus»beziehen werde (fî l-kalâm wal-hikmatain wa-t-tasauwuf).

Ob diese Versuche, eine Synthese zu formulieren,gelungen sind, sei dahingestellt.

Um das beurteilen zu können, müssten wir erst einmal zahlreiche Autoren des 14.bis 16.

Jahrhunderts studieren.

Bislang besitzen wir lediglich einen Anhaltspunkt.

Gemeint ist eine kürzlicherschienene Untersuchung über Ibn Abî Djumhûr al-Ahsâ'î.

Sie demonstriert sehr deutlich, wie er mit denverschiedenen gedanklichen Strömungen ringt und sie teils harmonisiert, teils assoziativ nebeneinander stellt.

Daszeigt beispielsweise ein Blick auf seine Gotteslehre.

Sie verbindet mehrere disparate Elemente.

Einerseits akzeptiertIbn Abî Djumhûr den klassischen Gottesbeweis der islamischen Theologen (die von der Zeitlichkeit der Welt auf dieExistenz eines frei wählenden Schöpfergottes schlössen).

Andererseits schließt er sich Avicenna an; ihm zufolgekann man aus der Kontingenz der möglich-seienden Dinge ableiten, dass es eine notwendig-seiende und notwendig-wirkende Ursache gibt (vgl.

oben S.

46 f.).

Das führt Ibn Abî Djumhûr zu einem philosophischen Gottesbegriff.

Indiesem Sinne akzeptiert er, dass Gott die Welt hervorbringen musste und dass zumindest Teile von ihr von Ewigkeither existieren.

Aber dann will er auch diesen Gedanken wieder überhöhen, indem er nicht die philosophischeMetaphysik, sondern die sufische Lehre von der Ein(s)heit des Seins (wabdat al-wudjûd) zum Fluchtpunkt und zumsubtilsten Ausdruck des Ein-Gott-Glaubens (tauhîd) erklärt.

Ibn Abî Djumhûr lebte im Irak und in verschiedeneniranischen Städten.

Damit wirkte er (wie Djalâladdîn ad-Dawânî) in dem Gebiet (zwischen Transoxanien und demFruchtbaren Halbmond), das seit dem 13.

Jahrhundert als Zentrum der philosophischen Studien angesehen werdenkann.

Inzwischen war aber auch in anderen Regionen der islamischen Welt Interesse an der Philosophieaufgekommen.

Das gilt weniger für den Westen der islamischen Ökumene (d.h.

für den Maghreb), umso mehr aber fürdas Osmanische Reich, genauer gesagt für dessen Kerngebiete sowie für den Teil Indiens, der unter islamischerHerrschaft stand.

Im Maghreb verdient vor allem eine Person Erwähnung: Ibn Khaldûn (gest.

1406), der berühmteHistoriker aus Tunis, dessen ausführliche Einleitung in die Geschichte (= der erste Band seiner Universalgeschichte)bis heute gelesen und diskutiert wird.

Dieser Text lässt sich natürlich nicht mit den Werken, die gerade genanntwurden, vergleichen.

Denn Ibn Khaldûn ging es nicht darum, eine Philosophie zu entwerfen, sondern die Bedingungenund Gesetzmäßigkeiten in den historischen Abläufen zu erklären.

Gleichwohl ist sein Vorgehen ohne die Kenntnis derPhilosophie kaum denkbar.

Denn er verweist nicht nur mehrfach auf deren Teildisziplinen (Logik, Arithmetik usw.) undauf bestimmte Autoren (Averroes u.a.).

Ibn Khaldûn entwickelt seine eigene Theorie auch mit Hilfe vonphilosophischen Konzepten (Potenz, Akt, Natur, Bedingung, Ursache, Beweis usw.) und versucht damit, die Analyseder Geschichte in den Rang einer Wissenschaft zu erheben.

Im Osmanischen Reich lässt sich das Aufkommen derPhilosophie ab dem 15.

Jahrhundert genauer verfolgen.

In dieser Zeit Sandini Archiv Philosophie in der NachfolgeAvicennas und Suhrawardis 97 kam es zu einem enormen Ausbau des Unterrichtswesens (mit den Zentren Edirne,Bursa und nach 1453 Konstantinopel), der vor allem von Mehmed II.

vorangetrieben wurde.

Er hatte zur Folge, dasssich die Lehrbücher, die wir inzwischen kennen, auch an den osmanischen Hochschulen verbreiteten.

AbharîsEinführung in die Logik fand also neue Leser; seine Anleitung durch die Philosophie und Urmawis Erscheinungsorte derLichter wurden jetzt auch in Konstantinopel kommentiert.

Daneben entwickelte sich eine eigenständigephilosophische Debatte.

Sie kreiste um die Frage, wer in der berühmten Auseinandersetzung zwischen Ghazâlî undAvicenna (d.

h.

konkret bei den zwanzig Fragen, die Ghazâlî in Die Inkohärenz der Philosophen behandelt hatte; vgl.dazu oben S.

59) im Recht gewesen sei.

Diese Frage galt als brisant.

Sie interessierte sogar Mehmed II.

Deswegensetzte er für denjenigen, der die überzeugendste Antwort formulieren sollte, ein Preisgeld aus.

Die Prämie erhieltschließlich ein Gelehrter namens Khodjazâde (gest.

1488).

Sein Text (der ebenfalls unter dem Titel Die Inkohärenzder Philosophen erhalten ist) überzeugte die Juroren mehr als ein Beitrag, den Alâ'addîn at-Tûsî (gest.

1482)eingereicht hatte (Der Schatz).

Damit war die Debatte aber noch nicht beendet.

Denn einige Jahrzehnte später griffKamälpaschazäde (gest.

1533) zur Feder und verfasste Glossen, in denen er seine Ansichten zu Ghazâlîs Inkohärenzund zu den Ausführungen seiner Vorgänger festhielt.

Über die Entwicklung in Indien lassen sich leider noch keineverlässlichen Angaben machen.

Hier wissen wir nur, dass es spätestens seit der Mogul-Zeit (d.h.

ab dem 16.Jahrhundert) ein wachsendes Interesse an der Philosophie (d.

h.

an Avicenna, Suhrawardî, Ibn al- Arabî usw.) gab.Wie es sich im Einzelnen manifestierte, kann man zur Zeit nicht sagen.

Die Forschung über dieses Gebiet ist imGrunde ein einziges Desiderat.

Wir kennen im Moment lediglich die Namen zahlreicher Gelehrter (wie Fathallâh asch-Schîrâzî, Abdallah von Tulumba und Muhammad al- Ilmî im 16.

Jahrhundert, Muhammad al-Djaunpûrî und Abdalhakimas-Siyâlkûtî im 17.

Jahrhundert usw.) und die Titel vieler Werke.

Aus ihnen geht hervor, dass in den philoso-phischen Debatten nicht nur die Logik, sondern auch die Physik und die Metaphysik zur Sprache kamen.

All das. »

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