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Aristoteles: Nikomachische Ethik - Anthologie.

Publié le 17/06/2013

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Aristoteles: Nikomachische Ethik - Anthologie. Die Nikomachische Ethik ist eins der zentralen Werke des Aristoteles. Mit ihm etablierte er die Ethik als philosophische Disziplin gleichberechtigt neben Logik und Physik. In der hier wiedergegebenen Einleitung des ersten Buches entwirft der Philosoph ein Bild des anvisierten Themas. Aristoteles: Nikomachische Ethik 1. Jedes praktische Können und jede wissenschaftliche Untersuchung, ebenso alles Handeln und Wählen strebt nach einem Gut, wie allgemein angenommen wird. Daher die richtige Bestimmung von ,,Gut" als ,,das Ziel, zu dem alles strebt". Dabei zeigt sich aber ein Unterschied zwischen Ziel und Ziel: das eine Mal ist es das reine Tätig-sein, das andere Mal darüber hinaus das Ergebnis des Tätig-seins: das Werk. Wo es Ziele über das Tätig-sein hinaus gibt, da ist das Ergebnis naturgemäß wertvoller als das bloße Tätig-sein. Da es aber viele Formen des Handelns, des praktischen Könnens und des Wissens gibt, ergibt sich auch eine Vielzahl von Zielen: Ziel der Heilkunst ist die Gesundheit, der Schiffsbaukunst das Schiff, das Ziel der Kriegskunst: Sieg, der Wirtschaftsführung: Wohlstand. Überall nun, wo solche ,,Künste" einem bestimmten Bereich untergeordnet sind - so ist z. B. der Reitkunst untergeordnet das Sattlerhandwerk und andere Handwerke, die Reitzeug herstellen, während die Reitkunst ihrerseits, wie das gesamte Kriegswesen, unter der Feldherrnkunst steht, und was dergleichen Unterordnungen mehr sind -, da ist durchweg das Ziel der übergeordneten Kunst höheren Ranges als das der untergeordneten: um des ersteren willen wird ja das letztere verfolgt. Hierbei ist es gleichgültig, ob das Tätig-sein selber Ziel des Handelns ist oder etwas darüber hinaus wie bei den eben aufgezählten Künsten. Wenn es nun wirklich für die verschiedenen Formen des Handelns ein Endziel gibt, das wir um seiner selbst willen erstreben, während das übrige nur in Richtung auf dieses Endziel gewollt wird, und wir nicht jede Wahl im Hinblick auf ein weiteres Ziel treffen - das gibt nämlich ein Schreiten ins Endlose, somit ein leeres und sinnloses Streben -, dann ist offenbar dieses Endziel ,,das Gut" und zwar das oberste Gut. Hat nun nicht auch für die Lebensführung die Erkenntnis dieses Gutes ein entscheidendes Gewicht und können wir dann nicht wie Bogenschützen, die ihr Ziel haben, leichter das Richtige treffen? Wenn ja, so müssen wir versuchen, wenigstens umrißhaft das Wesen des obersten Gutes zu fassen und (zwar zunächst) in welchem Bereich der Wissenschaften oder der praktischen Künste es zu finden ist. Man wird zugeben: es gehört in den Bereich der Kunst, welche dies im eigentlichsten und souveränsten Sinne ist. Als solche aber erweist sich die Staatskunst. Sie nämlich setzt fest, welche Formen praktischen Könnens in den einzelnen Gemeinwesen unbedingt vertreten sein sollen, ferner, mit welchen und bis zu welchem Grad der einzelne Bürger sich zu beschäftigen hat. Wir sehen es ja, wie ihr selbst die angesehensten ,,Künste" untergeordnet sind, z. B. Kriegs-, Haushalts- und Redekunst. Da sie es also ist, die sich der übrigen praktischen Künste als Mittel bedient und dazu noch gesetzgeberisch bestimmt, was zu tun und was zu lassen sei, so umfaßt ihr Endziel die Ziele aller anderen und dieses ihr Ziel ist daher für den Menschen das oberste Gut. Wenn auch somit das Ziel für den einzelnen und für das Gemeinwesen identisch ist, so tritt es doch am Gemeinwesen bedeutender und vollständiger in Erscheinung: im Moment des Erreichens sowohl wie bei seiner Sicherung. Es ist gewiß nicht wenig, wenn der einzelne für sich es erreicht; schöner noch und erhabener ist es, wenn Völkerschaften oder Polis-Gemeinden so weit kommen. Das also ist der Gegenstand unserer wissenschaftlichen Untersuchung. Wir sind damit, wenn man so will, in dem Bereich der Wissenschaft vom Staate. Die Darlegung wird dann befriedigen, wenn sie jenen Klarheitsgrad erreicht, den der gegebene Stoff gestattet. Der Exaktheitsanspruch darf nämlich nicht bei allen wissenschaftlichen Problemen in gleicher Weise erhoben werden, genausowenig wie bei handwerklich-künstlerischer Produktion. Bei den Erscheinungsformen des Edlen und Gerechten, die den Gegenstand der Staatswissenschaft bilden, gibt es so viele Unterschiede und Schwankungen, daß die Ansicht aufkommen konnte, sie beruhten nur auf Konvention, nicht aber auf natürlicher Notwendigkeit. Ähnliches Schwanken herrscht aber auch bei den Lebensgütern, weil schon so manchem Schaden daraus erwachsen ist: es ist schon vorgekommen, daß der eine durch Reichtum, der andere durch Tapferkeit zugrunde ging. Man muß sich also damit bescheiden, bei einem solchen Thema und bei solchen Prämissen die Wahrheit nur grob und umrißhaft anzudeuten sowie bei Gegenständen und Prämissen, die nur im großen und ganzen feststehen, in der Diskussion eben auch nur zu entsprechenden Schlüssen zu kommen. Im selben Sinne nun muß auch der Hörer die Einzelheiten der Darstellung entgegennehmen: der logisch geschulte Hörer wird nur insoweit Genauigkeit auf dem einzelnen Gebiet verlangen, als es die Natur des Gegenstandes zuläßt. Es ist nämlich genauso ungereimt, vom Mathematiker Wahrscheinlichkeiten entgegenzunehmen wie vom Rhektor denknotwendige Beweise zu fordern. Jeder beurteilt das zutreffend, wovon er ein Wissen hat, und ist hierin ein guter Richter. Auf einem begrenzten Gebiet urteilt also der darin Geschulte richtig, umfassend aber der allseitig Ausgebildete. Für Vorträge über Staatswissenschaft ist daher als Hörer nicht geeignet der Jüngling. Er hat ja noch keine Erfahrung im wirklichen Leben. Gerade von diesem aber gehen die Vorträge aus und dieses haben sie zum Gegenstand. Da der junge Mann ferner noch ganz zu Gefühl und Leidenschaften neigt, kann er nur zweck- und nutzlos zuhören, denn das Ziel ist hier nicht Erkenntnis, sondern Handeln. Dabei ist es ganz gleichgültig, ob er an Jahren jung oder dem Charakter nach unfertig ist. Denn nicht an der Zahl der Jahre hängt das Ungenügen, sondern daran, daß die jungen Leute unter dem Einfluß der Leidenschaft leben und unter diesem Einfluß ihre jeweiligen Ziele verfolgen. Solchen bleibt, wie den haltlosen Menschen, die Erkenntnis ohne Frucht. Wer aber sein Streben und Handeln nach klarem Plan einrichtet, dem bringt das Wissen von diesen Gegenständen hohen Nutzen. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Übersetzung und Nachwort von Franz Dirlmeier. Anmerkungen von Ernst A. Schmidt. Stuttgart 1969, S. 5-8. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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