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Europäische Verfassung - Geschichte.

Publié le 15/06/2013

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Europäische Verfassung - Geschichte. Europäische Verfassung, eigentlich Vertrag über eine Verfassung für Europa (VVE), 2004 verabschiedetes und 2007 endgültig verworfenes grundlegendes Vertragswerk, in dem die Werte, Ziele, Organe, Zuständigkeiten, Beschlussfassungsverfahren und Politikbereiche der Europäischen Union (EU) definiert wurden. Im VVE wurden die bisherigen Verträge der Europäischen Gemeinschaften (EG) teilweise in reformierter Form und angereichert mit neuen Elementen und unter Einbezug der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in einem geschlossenen Dokument mit konstitutionellem Charakter zusammengeführt. Den Anstoß zu einer Verfassung gab der Europäische Rat auf seinem Gipfel im Dezember 2000 in Nizza, um die Union mit Blick auf die geplante große Erweiterung handlungsfähig zu erhalten. Das auf Vorarbeiten des Europäischen Verfassungskonvents basierende Vertragswerk wurde nach fast einjährigen Beratungen in der Regierungskonferenz aller EU-Mitgliedsstaaten sowie Beitrittskandidaten am 18. Juni 2004 in Brüssel verabschiedet. Die feierliche Unterzeichnung durch die Staats- und Regierungschefs erfolgte am 29. Oktober 2004 in Rom. In Kraft treten sollte die Europäische Verfassung ursprünglich am 1. November 2006, sofern sie bis dahin in allen Mitgliedsländern der EU ratifiziert wäre. Nach zwei gescheiterten Referenden über die Verfassung 2005 wurde der Ratifizierungszeitraum und damit auch das In-Kraft-Treten der Verfassung allerdings verschoben. Die Gültigkeit der nationalen Verfassungen wurde von der Europäischen Verfassung nicht tangiert. Der VVE gliederte sich in vier Teile mit insgesamt rund 460 Artikeln. Die wesentlichsten Änderungen gegenüber den EU-Verträgen ergaben sich bei den Organen und in der Kompetenzordnung. Darüber hinaus trug die Verfassung zur Bereinigung einer Reihe von Unklarheiten zwischen Union und Mitgliedsstaaten bei. Erstmals wurde der Europäische Rat - bis dato ein informelles Gremium der Staats- und Regierungschefs ohne vertragliche Grundlage - als Institution festgeschrieben, seine Aufgaben blieben aber dieselben: die Ziele der Union vorgeben und Impulse für die Rechtsetzung schaffen. Die halbjährlich rotierende EU-Präsidentschaft wurde indessen abgelöst durch einen für die Dauer von zweieinhalb Jahren gewählten hauptamtlichen Präsidenten, durch den die Europäische Union ein Gesicht erhält. Zur Schärfung ihres internationalen Profils sollte ein Außenminister der Europäischen Union beitragen, der die Ämter des bisherigen Kommissars für Auswärtige Beziehungen und des Hohen Vertreters für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) in einer Person vereinigte. Der EU-Außenminister, zugleich Vizepräsident der Europäischen Kommission, sollte vom Europäischen Rat ernannt werden, den Vorsitz im Rat für Auswärtige Beziehungen (siehe Rat der Europäischen Union) führen und Unterstützung durch einen zu schaffenden Europäischen Auswärtigen Dienst erhalten. Der Rat der Europäischen Union (Ministerrat) sollte bei allen Beratungen über Gesetzgebungsvorhaben öffentlich tagen. Für die Beschlussfassung war dabei wie im Europäischen Rat das Prinzip der so genannten qualifizierten Mehrheit vorgesehen, durch die den unterschiedlichen Bevölkerungsstärken in den Ländern der Europäischen Union Rechnung getragen wurde. Gleichberechtigung galt diesbezüglich weiterhin in der Europäischen Kommission. Aus Effizienzgründen sollte dieses Kollegium allerdings ab 2014 deutlich verkleinert werden: Nur noch zwei Drittel der Mitgliedsstaaten (statt bis dahin jedes EU-Mitglied) sollten in einem penibel festgelegten Rotationsverfahren jeweils einen Kommissar entsenden. Die Stellung des Kommissionspräsidenten, der auf Vorschlag des Europäischen Rates vom Europäischen Parlament gewählt wird, wurde deutlich aufgewertet. Die demokratischen Grundlagen der Europäischen Union erfuhren durch die Verfassung eine wesentliche Stärkung. So näherte sich etwa der politische Entscheidungsprozess durch das Zusammenspiel von Europäischem Parlament und Ministerrat dem Grundmuster parlamentarischer Zweikammersysteme. Im regulären Gesetzgebungsprozess sollte das Parlament nun grundsätzlich ein Mitentscheidungsrecht haben und darüber hinaus in nahezu doppelt so vielen Politikfeldern gleichberechtigt involviert sein. Dies im Verein mit dem Instrument europäischer Volksinitiativen (Bürgerbegehren) sollte zu einem signifikanten indirekten und direkten Einflussgewinn der EU-Bürger führen und damit zu einer Aufwertung der Europawahlen. Als Stärkung der demokratischen Spielregeln wurde auch die Einrichtung eines Frühwarnsystems gewertet, das den nationalen Parlamenten Einspruch gegen Kommissionsvorschläge ermöglichte, die das Subsidiaritätsprinzip verletzten. Ein Subsidiaritätsprotokoll legte fest, dass die Union nur dort tätig werden sollte, wo ihr in der Verfassung Aufgaben zugewiesen werden und sofern diese am besten auf der europäischen und nicht auf der nationalen oder regionalen Ebene gelöst werden können. Die nationalen Parlamente sollten sich durch Kontrollrechte und Klagemöglichkeiten vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Gehör verschaffen können. Gestärkt wurden diesbezüglich auch die Rechte der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, also insbesondere der Städte und Gemeinden. Zudem weitete die Verfassung die Zugangsmöglichkeiten zum Europäischen Gerichtshof auch für Privatleute deutlich aus, u. a. durch individuelle Klagebefugnis bei unmittelbarer Betroffenheit durch verordnetes EU-Recht. Der Prozess der Ratifizierung der Verfassung begann kurz nach der Unterzeichnung des Dokuments durch die Staats- und Regierungschefs im Oktober 2004: Als erstes Land ratifizierte im November 2004 Litauen die Verfassung; es folgten Ungarn (Dezember 2004), Slowenien und Spanien (Februar 2005), Italien und Griechenland (April 2005) sowie die Slowakei, Belgien, Österreich und Deutschland (Mai 2005). In Frankreich (29. Mai) und den Niederlanden (1. Juni) verweigerten die Wähler in Referenden der Verfassung deutlich die Zustimmung, was in den Augen von EU-Kritikern die gesamte Verfassung in Frage stellte und in der Tat einen gravierenden Rückschlag im Prozess der europäischen Einigung bedeutete. In der Folge beschloss der Europäische Rat, den Ratifizierungsprozess bis 2007 zu verlängern, womit natürlich auch der 1. November 2006 als Datum des In-Kraft-Tretens der Verfassung hinfällig wurde. Ungeachtet dessen ratifizierten in der Folgezeit die Parlamente von Lettland und Zypern (Juni 2005), Malta (Juli 2005), Luxemburg (Oktober 2005), Estland (Mai 2006) und Finnland (Dezember 2006) die Verfassung; die zum 1. Januar 2007 der EU beigetretenen Länder Bulgarien und Rumänien ratifizierten die Verfassung als Teil ihrer Beitrittsverträge. Die übrigen sieben EU-Staaten hatten die Ratifizierung vorerst ausgesetzt. Nach den negativen Voten in Frankreich und den Niederlanden hatten die Staats- und Regierungschefs der EU eine ,,Zeit des Nachdenkens" verordnet. Weitgehend einig war man sich, dass die Verfassung nicht, wie oft behauptet, tot sei und dass das Verfassungsprojekt fortgesetzt werden müsse. In der am 25. März 2007 unterzeichneten so genannten ,,Berliner Erklärung" setzten sich die EU-Mitgliedsstaaten das Ziel, ,,die Europäische Union bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 auf eine erneuerte gemeinsame Grundlage zu stellen", d. h., bis 2009 einen neuen oder erneuerten Verfassungs- oder Grundvertrag in Kraft zu setzen. Das Wort ,,Verfassung" wurde in der Erklärung allerdings vermieden. Auf dem EU-Gipfel (unter deutschem Vorsitz) im Juni 2007 wurde die Verfassung endgültig verworfen, d. h. vor allem der Begriff ,,Verfassung"; stattdessen beschlossen die Staats- und Regierungschefs den Entwurf eines ,,Reformvertrages", der jedoch die wesentlichen Vorgaben aus dem Verfassungsvertrag übernahm und im Grunde nur in einigen wenigen Streitpunkten von dem Verfassungsvertrag abwich. Diese kontroversen Punkte waren vor allem die Frage der Stimmengewichtung im Rat der EU, in der sich Polen benachteiligt fühlte, sowie die Position des EU-Außenministers und die Verbindlichkeit der EUGrundrechtecharta, wogegen Großbritannien Einwände hatte. Auf dem EU-Gipfel in Lissabon im Dezember 2007 wurde der den Verfassungsvertrag ablösende Reformvertrag unterzeichnet. Verfasst von: Roland Detsch Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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