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GOETHE UND HEGEL

Publié le 22/02/2012

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Goethe bildete die deutsche Literatur zur Weltliteratur und Hegel die deutsche Philosophie zur Weltphilosophie. Ihre Hervorbringungskraft war von einer vollkommenen Normalität, weil ihr Wollen im Einklang mit ihrem Können stand. Was nachher kommt, kann sich an Weite des Umblicks und Energie der Durchdringung nicht damit messen; es ist überspannt oder abgespannt, extrem oder mittelmäßig und mehr versprechend als haltend. Im selben Jahr 1806, als Napoleon durch Jena und Weimar kam, vollendete Hegel die Phänomenologie des Geistes und Goethe den ersten Teil des Faust, zwei Werke, in denen die deutsche Sprache ihre breiteste Fülle und ihre tiefste Dichte erreicht. Doch ist das Verhältnis von Hegel zu Goethe viel unscheinbarer als das von andern deutschen Denkern und Dichtern, so daß es den Anschein erweckt, als hätten sie nur nebeneinander gelebt, ohne miteinander zu wirken. Während Schiller durch Kant und die Romantiker durch Fichte und Schelling geprägt sind, ist Goethes Anschauung der natürlichen und menschlichen Welt durch keinen der klassischen Philosophen bestimmt. Sein Dichten bedurfte keines philosophischen Rückhalts, weil es in sich selber gedankenvoll war und seine naturwissenschaftlichen Forschungen waren von derselben Einbildungskraft geleitet wie seine Dichtung. Hegel und Goethe kann also nicht bedeuten, daß ihr Lebenswerk von einander abhängig ist oder unmittelbar ineinander greift, wohl aber soll die Verbindung andeuten, daß zwischen der Anschauung Goethes und dem Begreifen Hegels eine innere Beziehung besteht, die sowohl eine Nähe wie eine Entfernung bezeichnet. Die Anerkennung, die jeder von beiden dem Werk und dem Wirken des andern zollte, beruht auf dem Abstand, den ihre Verbindung behielt. Indem aber jeder das Seine tat, war die Gesinnung, in der sie es taten, doch in entscheidenden Dingen dieselbe. Die Differenz, welche sie auseinander hält und vereinigt, wird deutlich, wenn man beachtet, daß Goethes »Urphänotnene « und das »Absolute« von Hegel sich in der Sache genau so respektvoll begegnen wie Goethe und Hegel selber in ihrem persönlichen Leben.2 17 Ihre beiderseitige Beziehung erstreckt sich über drei Jahrzehnte. Einige Tagebuchaufzeichnungen und mündliche Äußerungen von Goethe sowie die wenigen Briefe, die zwischen ihnen gewechselt wurden, sind alles, was ihr Verhältnis dokumentiert. In Hegels Werken wird beiläufig einige Male auf Goethe verwiesen, ausführlicher mit Bezug auf die Farbenlehre in den beiden Ausgaben der Encyclopädie.3 Andrerseits hat Goethe eine Briefstelle Hegels über denselben Gegenstand im 4. Heft zur Naturwissenschaft abgedruckt. Doch ging ihr Verhältnis über diese sachliche Anteilnahme hinaus. Hegel schreibt am 24. April 1825 an Goethe von den näheren Motiven seiner »Anhänglichkeit und selbst Pietät«; »denn wenn ich den Gang meiner geistigen Entwicklung übersehe, sehe ich Sie überall darein verflochten und mag mich einen Ihrer Söhne nennen; mein Inneres hat gegen die Abstraktion Nahrung zu widerhaltender Stärke von Ihnen erhalten und an Ihren Gebilden wie an Fanalen seinen Lauf zurechtgerichtet.« 4 Dem entspricht Goethes Äußerung nach Hegels Tod zu Varnhagen, er empfinde ein tiefes Bedauern über den Verlust dieses »hochbegabten, bedeutenden Reihenführers«, der ein so »wohlbegründeter und mannigfach tätiger Mann und Freund« gewesen sei. »Das Fundament seiner Lehre lag außer meinem Gesichtskreis, wo aber sein Tun an mich heranreichte oder auch wohl in meine Bestrebungen eingriff, habe ich immer davon wahren geistigen Vorteil gehabt.« 5 Noch ferner als das dogmatische Fundament von Hegels eigener Lehre lagen Goethe die Nachkonstruktionen der Hegelschüler, obgleich er auch von solchen tüchtige Kenntnisse lobend erwähnt. So studierte er noch als Achtundsiebzigjähriger ein Buch von Hinrichs über die antike Tragödie und nahm es zum Ausgangspunkt eines bedeutenden Gesprächs.6 Einem andern Schüler von Hegel, L. von Henning, der an der Berliner Universität Vorlesungen über Goethes Farbenlehre hielt, stellte er das nötige Material zur Verfügung. Zu dem selbständigsten der damaligen Hegelschüler, dem Rechtsphilosophen E. Gans, hat sich Goethe nach dessen Bericht in folgender Weise geäußert: »Er meinte, wenn die Philosophie es sich zur Pflicht mache, auch auf die Sachen und Gegenstände, welche sie behandelt, Rücksicht zu nehmen, so dürfte sie um so wirksamer werden, je mehr sie freilich auch mit den Empirikern zu tun bekomme; nur werde immer die Frage entstehen, ob es zugleich möglich sei, ein großer Forscher und Beobachter und auch ein bedeutender Verallgemeinerer und Zusammenfasser zu sein ... Er traute Hegel zwar sehr viele Kenntnisse in der Natur wie in der Geschichte zu, ob aber seine philosophischen Gedanken 18 sich nicht immer nach den neuen Entdeckungen, die man doch stets machen würde, modifizieren müßten, und dadurch selber ihr Kategorisches verlören, könne er zu fragen doch nicht unterlassen ... Er kam nunmehr auf die Jahrbücher. Ihm mißfiel eine gewisse Schwerfälligkeit und Weitläufigkeit, welche in den einzelnen Abhandlungen läge; er tadelte meine Rezension über Savignys Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter aus dem Gesichtspunkte, daß ich den Autor nötigen wollte, etwas anderes zu tun, als er im Sinn habe ...« 7 Ebenso wie Goethe hier die Aufnötigung einer fremden Denkweise ablehnt, betont er in einem Brief an Hegel, es handle sich bei seinen naturwissenschaftlichen Arbeiten nicht um eine »durchzusetzende Meinung «, sondern um eine »mitzuteilende Methode«, deren sich jeder nach seiner Art als eines Werkzeugs bedienen möge.8 Unmittelbar nach diesem Vorbehalt folgt aber eine Anerkennung von Hegels Bestrebungen, welche zeigt, wie sehr auch Goethe aller zuchtlosen Willkür abgeneigt war. »Mit Freuden höre ich von manchen Orten her, daß Ihre Bemühung, junge Männer nachzubilden, die besten Früchte bringt; es tut freilich not, daß in dieser wunderlichen Zeit irgendwo aus einem Mittelpunkt eine Lehre sich verbreite, woraus theoretisch und praktisch ein Leben zu fördern sei. Die hohlen Köpfe wird man freilich nicht hindern, sich in vagen Vorstellungen und tönenden Wortschällen zu ergehen; die guten Köpfe jedoch sind auch übel daran, denn, indem sie falsche Methoden gewahren, in die man sie von Jugend auf verstrickte, ziehen sie sich auf sich selbst zurück, werden abstrus oder transzendieren.« 9 Der Wille zu einer überlieferbaren Gründung verband Goethe, über Hegels »Lehre« hinweg, mit dessen geistigem »Tun«. Diese für das ganze Verhältnis von Goethe zu Hegel charakteristische Unterscheidung äußert sich drastisch in einem Gespräch mit dem Kanzler Müller: »Ich mag nichts Näheres von der Hegelschen Philosophie wissen, wiewohl Hegel selbst mir ziemlich zusagt. « 10 Konzilianter schreibt Goethe an Hegel selber etwas später: »Ich halte meinen Sinn möglichst offen für die Gaben des Philosophen und freue mich jedesmal, wenn ich mir zueignen kann, was auf eine Weise erforscht wird, welche die Natur mir nicht hat zugestehen wollen. «11 So fühlte sich Goethe zeitlebens von Hegels Philosophie zugleich angezogen und abgestoßen, und doch war er im Grunde gewiß, daß sie im Geiste einander begegneten. Wundersam spricht sich dies aus in seinem letzten Brief an Zelter: »Glücklicherweise ist Dein Talentcharakter auf den Ton, das heißt auf den Augenblick angewiesen. Da nun eine Folge von konsequenten Augenblicken immer eine Art von Ewigkeit selbst ist, so war Dir gegeben, im Vorübergehenden stets beständig zu sein und also mir sowohl als Hegels Geist, insofern ich ihn verstehe, völlig genug zu tun.« 13

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