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Goethes Verbindung der Humanität mit dem Kreuz

Publié le 22/02/2012

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Der Inhalt des Gedichtes ist kurz folgender: Ein junger Ordensbruder verirrt sich im Gebirge und gelangt schließlich vor ein Kloster, über dessen Eingangstor sich das Symbol eines mit Rosen umwundenen Kreuzes befindet. Im Kloster sind zwölf ritterliche Mönche versammelt, die früher im weltlichen Leben zerstreut gewesen waren. Ihr geistliches Oberhaupt ist ein geheimnisvoller Unbekannter, der den Namen »Humanus« trägt. Im Unterschied zu dieser Verkörperung einer reinen und allgemeinen Menschlichkeit repräsentieren die zwölf andern je besondere Nationen und Religionen mit je eigentümlich verschiedenen Denk- und Empfindungsweisen. Durch ihr Zusammenleben unter der Leitung des Humanus hat sich aber auch ihnen der eine und umfassende Geist des Humanus mitgeteilt. Dieser will sie nun verlassen. Es bedarf seiner Anwesenheit nicht mehr, nachdem er sich allen eingebildet hat. Die Religion der Humanität ist also keine besondere Religion unter andern, sie besteht auch nicht in der bloßen Unterschiedslosigkeit verschiedener Religionen, wie in Lessings Parabel, sondern sie bedeutet »die ewige Dauer erhöhter menschlicher Zustände«. Trotzdem hat aber das Rosenkreuz nach Goethes eigener Erklärung einen Bezug auf das christliche Geschehen der Karwoche. Diesem Glauben »einer halben Welt« gibt Goethe »einen ganz neuen Sinn«, indem er die theologische Härte des christlichen Kreuzes mildert und es zum Sinnbild der reinen Humanität erhebt. Die Rosen begleiten das »schroffe Holz« 31 mit Weichheit. Das Sinnbild ist von keinen es erklärenden Worten umgeben, vielmehr soll sein Sinn geheimnisvoll sichtbar und, wie der Faust, ein »offenbares Rätsel« bleiben. Das menschliche Geheimnis des christlichen Kreuzes wird mit dem »schwer verstandenen Wort« von der Selbstbefreiung durch Selbstüberwindung angedeutet. Ein »Stirb und Werde« enthält Goethes humanen Karfreitag. Insofern haben sowohl Goethe wie Hegel Luthers Theologie des Kreuzes vermenschlicht bzw. vergeistigt und im Gleichnis von Rose und Kreuz das Wappen von Luther und das der Rosenkreuzer ins Weltliche gedeutet. Der Unterschied in der Verwendung des gleichen Symbols ist jedoch folgender: bei Goethe bleibt das Sinnbild ein in Worten nicht faßbares Geheimnis; bei Hegel ist es nur die Versinnlichung eines in Begriffen erfaßbaren Verhältnisses. Goethe hebt das Christentum in der Humanität auf und die Geheimnisse offenbaren, was das »Rein- Menschliche« ist; Hegel hebt das Christentum in der Vernunft auf, die als christlicher Logos das »Absolute« ist. Goethe läßt die Rose der Humanität das Kreuz frei umwinden und die Philosophie der Theologie gegenüber bleiben; Hegel versetzt die Rose der Vernunft in die Mitte des Kreuzes, und der philosophische Gedanke soll sich die dogmatischen Vorstellungen der Theologie einverleiben. In Goethes Erklärung seines Gedichts wird das Ereignis zwar in die Karwoche verlegt, aber die Feier des Kreuzestodes und die Auferstehung von Christus bedeuten ihm nur die »Besiegelung« erhöhter menschlicher Zustände. Hegels Philosophie will das historische Ereignis der Karwoche entsiegeln, indem er aus ihm einen »spekulativen Karfreitag« und aus der christlichen Dogmatik eine Religionsphilosophie macht, worin das christliche Leiden mit der Idee der höchsten Freiheit und die christliche Theologie mit der Philosophie identisch werden.48 Dieser Verbindung ist Goethe von Grund aus abgeneigt. Gerade weil er »als Mensch und als Dichter« das christliche Kreuz zu ehren weiß, widerstrebt ihm der Umweg des Philosophen, der damit weder dem christlichen Glauben noch der Vernunft des Menschen eine Ehre erweist.

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