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Hinduismus - Religion.

Publié le 17/06/2013

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Hinduismus - Religion. 1 EINLEITUNG Hinduismus, nach Christentum und Islam die dritte der großen Weltreligionen. Die Bezeichnung subsumiert verschiedenste (und unterschiedlichste) religiöse Gruppierungen und Religionsformen und vereint die Vorstellungen und Praktiken all derer, die für sich den Namen Hindu (Inder) beanspruchen. Sie umfasst somit all jene Religionen des indischen Subkontinents, die sich nicht ausdrücklich als nichthinduistisch verstehen. Hindu wurde zunächst von den als Eroberer auf den indischen Subkontinent vordringenden Muslimen für die Bevölkerung jenseits des Flusses Sindhu (Indus), also für alle nichtmuslimischen Inder, verwendet und erst im 19. Jahrhundert als Selbstbezeichnung übernommen. Vor der Trennung des Subkontinents in die Staaten Indien und Pakistan betrug der Anteil der Hindus an der Gesamtbevölkerung etwa 70 Prozent. Im heutigen Staat Indien sind etwa 80 Prozent Hindus; mehr als 90 Prozent aller Hindus leben dort. Trotz der ethnischen Verankerung des Hinduismus gab es in seiner Geschichte immer wieder geographische Expansionen über das Stammland hinaus. So war er seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. in ganz Südostasien verbreitet, wo er durch Kontakte mit den lokalen Traditionen neue Formen annahm: Noch heute etwa sind 90 Prozent der Bevölkerung auf Bali Hindus. Zur Zeit der politischen Vorherrschaft der Briten wanderten Hindus als Lohnarbeiter in verschiedene Teile des britischen Weltreiches aus, eine neuerliche Ausbreitungswelle ging vom Neohinduismus aus. Heute gibt es zahlreiche Yogaschulen in Europa und Amerika, und indische Gurus gründen unter mehr oder minder großer Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit in aller Welt neue Religionen. 2 HEILIGE SCHRIFTEN Die Heiligen Schriften des Hinduismus werden in die zwei großen Gruppen Shruti (Sanskrit: das Hören, das Gehörte) und Smriti (Sanskrit: Erinnerung), unterteilt. Erstere bezeichnet das Gehörte und Erschaute der Weisen der Vorzeit in der Versenkung, und somit das ewige, unwandelbare Wissen, die göttliche Offenbarung. Smriti bezeichnet die alte, heilige Überlieferung, die auf inspirierte Heilige und Dichter zurückgeführt wird. 2.1 Shruti Zur Shruti zählt der Veda. Er besteht aus vier Sammlungen (Samhitas) von Hymnen, Sprüchen, Gebeten und Zauberformeln. Die einzelnen Verse heißen Mantra, ein Name, der später allgemein für heilige Silben und symbolträchtige Lautfolgen Verwendung fand. Die älteste Sammlung ist der Rig-Veda, die Sammlung der Götterhymnen. Unterteilt in zehn Liederkreise, die als Bücher bezeichnet werden, enthält er 1 028 Preislieder an die Götter und Rätsellieder. Er stellt das hervorragendste frühe dichterische Werk aus der indo-europäischen Sprachfamilie dar. Der Sama-Veda versammelt Opfergesänge, der Ayurveda Opfersprüche und der Atharva-Veda Zaubersprüche; Letzterer enthält aber auch Texte kosmogonischen und philosophischen Inhalts. In einem weiteren Sinn wird auch die sich an die Veden anschließende Literatur Veda genannt. Dazu gehören die Brahmanas (Texte der Priester, ab ca. 1000 v. Chr.), die Aranyakas (Waldbücher oder Bücher der Wildnis im Sinn von Geheimlehren) und die Upanishaden - philosophische Texte, auf die die indische Philosophie immer wieder zurückgreift. Die Upanishaden werden auch Vedanta (also Ende des Veda) genannt. Die Veden spielen im Denken des Hinduismus eher in formaler Hinsicht eine zentrale Rolle: Sie sind jene Instanz, auf die sich der Gläubige beruft, wobei meist die formelle Anerkennung genügt. Inhaltlich sind die Upanishaden die wichtigsten der frühen Texte. Die autoritative und appellative Funktion des Veda mit seinen vier Sammlungen zeigt sich auch darin, dass im Lauf der Geschichte immer wieder Schriften, deren besondere Bedeutung hervorgehoben werden soll, als fünfter Veda bezeichnet werden. 2.2 Smriti Smitri sind alle Schriften, die nach den Upanishaden als heilige Texte überliefert sind; hierzu gehören u. a. Rechtstexte, Epen, Puranas und Tantras. Die wichtigsten Textgattungen heißen Sutra, Shastra (Lehrtext) und Bashya (Kommentar). Der wichtigste und einflussreichste Rechtstext des Hinduisums ist das Manu-Smriti, das Gesetzbuch des Manu, das so heißt, weil es die Offenbarung des Schöpfergottes Brahma an Manu, den Urvater des Menschengeschlechts, enthält. Dieses zwischen dem 2. Jahrhundert v. Chr. und dem 2. Jahrhundert n. Chr. entstandene Werk stellt mit seinen Rechtssatzungen zu Religion und Sitte ein Kompendium des Hinduismus dar. Das Ramayana und das Mahabharata sind die beiden großen Nationalepen Indiens. Sie wurden über die Jahrhunderte mündlich vorgetragen; heute bilden ihre Stoffe nicht zuletzt die Vorlagen für Filme, Fernsehserien und Comics. Sie enthalten aber nicht nur fesselnde Geschichten, sondern stellen zugleich eine Art narrativer Theologie und Ethik dar. Das Ramayana erzählt die Abenteuer Ramas, einer Inkarnation Vishnus, von seiner Geburt und Kindheit, von seiner Frau Sita und deren Entführung durch einen Dämon, von ihrer Wiedergewinnung und vom goldenen Zeitalter unter seiner Regierung. In Indien gilt Rama heute noch als Inbegriff perfekter Männlichkeit. Das Mahabharata beschreibt den Bruderkrieg um den Thron in der Königsfamilie der Bharatas zwischen den Kauravas und ihren Vettern, den Pandavas, die dank der Hilfe Krishnas als Sieger hervorgehen. Wie Rama, so ist auch Krishna eine Inkarnation des Gottes Vishnu. Das Epos, das von Peter Brook als Menschheitsepos dramatisiert wurde, ist eine geradezu unerschöpfliche Informationsquelle über die Welt des Hinduismus. Als sechstes Buch ist mit der Bhagavadgita einer der bedeutendsten und bekanntesten Texte des Hinduismus überhaupt eingebettet: Ein religiös-philosophisches Lehrgedicht und zugleich das heiligste Erbauungsbuch der Hindus, das sich seit seinem Bekanntwerden im Westen (1785) auch dort größter Wertschätzung erfreut. Die Puranas (alte Erzählungen) präsentieren die Volksreligion. Sie handeln von Göttern bzw. Göttinnen sowie ihren Beziehungen zueinander und bilden als eine Art Enzyklopädie der hinduistischen Religionsformen mit ihren zahlreichen Traditionen die wichtigste Quelle für indische Mythologie und Ikonographie. Zu den bekanntesten Puranas gehören das Vishnu-Purana und das berühmteste und beliebteste Purana überhaupt, das Bhagavata-Purana oder Bhagavatam. Dessen zehntes Buch Sundar Khand (Schöner Teil) handelt vom Leben Krishnas, von seinen Tänzen und Liebesspielen mit Radha und den Gopis (Kuhhirtinnen). Die Tantras bzw. Agamas oder Samhitas nehmen ab 500 n. Chr. die Gedanken der Puranas auf und führen sie weiter. Sie handeln vor allem von den kultischen Aspekten des Hinduismus. Die Agama-Literatur etwa enthält die Regeln, nach denen Tempel gebaut sowie Götterbilder aufgestellt und verehrt werden. In den Tantras werden Mantras und Yantras (mystische Diagramme) eingesetzt. Die Tantras haben oft esoterischen Charakter, sie enthalten geheimnisvolle Anweisungen zur Erlangung übernatürlicher Fähigkeiten. Die Praktiken, mit denen Mikrokosmos und Makrokosmos in Einklang gebracht werden sollen, erinnern an Magie - besonders Übungen, die zur Vereinigung der Energien des Männlichen und Weiblichen durchgeführt werden, wurden oft als Sexualmagie interpretiert und abgelehnt. 3 HINDUISTISCHE GRUNDBEGRIFFE Der Brahmin oder Brahmana (der Brahmane) ist ein Mitglied der priesterlichen Kaste; er allein ist bevollmächtigt, bei den Opfern die vedischen Mantras zu rezitieren. Das Neutrum Brahman bezeichnete ursprünglich den heiligen Spruch oder das Gebet, gewann aber dann die Bedeutung von Wirksamkeit des Gebets und wird in den Upanishaden zum Ausdruck für das höchste oder das absolute Wesen. Atman meint im Hinduismus das Leben, die Seele und den Geist. In den Upanishaden gilt Atman als Urgrund der individuellen Seele. Wenn Atman sich seiner selbst bewusst geworden ist, erkennt er seine Wesenseinheit mit dem Brahman. Durch die täuschende Kraft der Maya wird die Erkenntnis des Einen in diesem Leben jedoch verschleiert und für Vielheit gehalten. Die Lehre von Samsara ist die zentrale Lehre nicht nur aller hinduistischen Gruppierungen, sondern aller indischen Religionen. Sie meint jenen kosmischen Prozess, in dem Leben geboren und wiedergeboren wird. Das Individuum ist als Welle im Meer des Samsara gedacht. Die menschliche Seele (Atman) kehrt so lange in die Welt zurück, bis sie ihre Einheit mit dem Brahman erkannt hat. In welcher Form die neuerliche Verkörperung erfolgt, ist abhängig vom Karma, das jede Handlung nach sich zieht. Es wirkt nach eigenen Gesetzen: Selbst die Götter unterliegen seiner zwingenden Kraft. Die Welt, die aus einem göttlichen Urgrund hervorgegangen ist und nach dem Ablauf eines Weltenzyklus wieder in ihm aufgeht, ist nur die Bühne für die endlose Kette der Wiederverkörperungen. Ursache des Übels und allen Leides ist das Ausgeliefertsein an das Karma. Die Unerbittlichkeit dieses Vergeltungsmechanismus wurde allerdings im Lauf der religionsgeschichtlichen Entwicklung abgemildert. Inzwischen kennt der Hinduismus Wege, dem Samsara zu entrinnen und Moksha bzw. Mukti (Befreiung und Erlösung von allen Missständen und Leiden) zu erlangen: Wird Moksha schon zu Lebzeiten erreicht, dann läuft ab diesem Zeitpunkt nur noch der letzte Rest von Karma-Impulsen aus; Bild hierfür ist das Töpferrad, das nicht mehr angestoßen wird. Als Oberbegriff für den Weg des Zurücklassens der weltlichen Vielfalt mit dem Ziel der ,,Einswerdung" wird oft der Begriff Yoga verwendet; die jeweilige Methode oder das eingesetzte Mittel wird dabei dem Ausdruck Yoga vorangestellt: Hatha-Yoga, Lala-Yoga, Raja-Yoga, Kundalini-Yoga usw. Es gibt zahlreiche Schemata, die die unterschiedlichen Yogas in ein System einbinden. Bei der Leitermethode werden die Yogas in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet, wobei einer zum anderen führt und der jeweils bevorzugte Yoga an der obersten Stelle steht, während die Radmethode die verschiedenen Formen als gleichwertig beurteilt und wie die Speichen eines Rades sieht. Die verschiedenen Yogas werden auch Marga (Weg) genannt. Der im Westen am weitesten verbreitete Yoga ist der Hatha-Yoga, der die Übungen des Körpers in den Vordergrund stellt. Ein mögliches Schema ist die Zuordnung zu den Dimensionen der menschlichen Person: Körper - Hatha-Yoga; Geist - Raja-Yoga; Wissen - Jnana-Yoga; Fühlen - Bhakti-Yoga; Wollen - Karma-Yoga. Eine oft angewandte und für das Verstehen der hinduistischen Religiosität insgesamt fruchtbare Einteilung ist die Aufgliederung in Karma-, Bhakti- und Jnana-Yoga, insofern jeder dieser Begriffe eine charakteristische Form des Hinduismus benennt. Karma-Yoga ist der Weg des Handelns; ursprünglich war damit das Opfer gemeint, dann die Pflichterfüllung; im Neohinduismus umfasst dieser Weg den ganzen Bereich der Sozialethik und auch des verantwortungsvollen politischen Handelns. Bhakti ist die liebevolle Hingabe, die Gottesliebe; die Tradition unterscheidet zwei Schulen, den Katzen- und den Affenweg, je nachdem, ob die Erlösung ausschließlich durch Gottes Gnade erfolgt (das Katzenjunge wird von der Mutter ohne eigenes Zutun getragen) oder ob der Mensch etwas beitragen muss (das Affenjunge klammert sich mit eigener Kraft an der Mutter fest). Jnana-Yoga ist der Weg der Erkenntnis, der Weisheit; es geht um die Erkenntnis der letzten Wirklichkeit, dass Atman und Brahman eins sind. Es ist der Weg des Studiums der heiligen Texte, der Philosophie, der philosophischen Systeme, aber auch der strengen Entsagungspraktiken. Dharma ist ein zentraler Begriff des Hinduismus, der sich selbst als Sanatana Dharma, als ewige Religion oder Ordnung, versteht; Varnashrama-Dharma meint den Dharma der Stände und Lebensstadien, der Kasten. Ursprünglich bedeutete Varna Farbe und verweist damit auf die ethnographische Komponente des Kastenwesens: Die nach Indien eindringenden Arier hoben sich aufgrund ihrer helleren Hautfarbe von den dunkleren Einheimischen ab. Zunächst wurden wohl nur die Brahmanen (Priester), Kshatriyas (Könige und Krieger) und Vaishyas (Händler und Bauern) als Kasten bezeichnet. Dazu kamen dann später Shudras (Arbeiter und Sklaven) und schließlich die Chandalas (Unberührbare), die in gewissem Sinn außerhalb des Systems stehen und dennoch für dessen innere Logik unersetzlich sind. Während dieses Schema jedoch eher ein theoretisches Konstrukt darstellt, wird die gesellschaftliche Wirklichkeit von den Jatis (Jati: Geburt) bestimmt, Gruppen, die sich durch Beruf, Herkunft, Speisevorschriften (Kommensalität), Endogamie usw. voneinander unterscheiden. Es wird geschätzt, dass es im heutigen Indien 3 000 bis 4 000 Kasten im Sinn von Jatis gibt. Es hat immer schon Bestrebungen gegeben, das Kastensystem zu überwinden, so lebten Einsiedler und Asketen außerhalb der Kasten, Jainisten und Buddhisten lehnten das System ab, und auch die Bhakti- und Tantra-Religionen standen allen Menschen offen. Dass Mohandas Karamchand Gandhi die Unberührbaren Harijans (Kinder Gottes) nannte, war Bestätigung der Kastenordnung und Kritik an ihr in einem. Der in Varnashrama enthaltene zweite Begriff Ashrama meint in diesem Zusammenhang Lebensstadium im Sinn einer Einteilung des Lebens in vier Perioden. Das erste Stadium ist Brahmacharya (Brahmanwandel), eine Zeit der Unterweisung, die durch das Studium der heiligen Texte sowie durch Enthaltsamkeit gekennzeichnet ist. Es folgt das Stadium des Hausvaters, der für seine Familie sorgt, anschließend (nach Geburt des ersten Enkelsohns) das Stadium des Waldeinsiedlers. Das vierte Stadium ist die Lebenstufe des Sannyasa, des Entsagers. Für das rechte Handeln, das im hinduistischen Dharma eine zentrale Stelle einnimmt, gibt es vier Ziele: Kama (Lust), Artha (Wohlstand), Dharma (Rechtschaffenheit) und Moksha (Befreiung). Neben dem Kastensystem gelten im Westen die heiligen Kühe als Charakteristikum des Hinduismus, was häufig als religiös oder (mehr noch) ideologisch begründeter, entwicklungshemmender Anachronismus gilt. In der Mythologie Indiens verkörpert die Kuh die mütterlich nährenden Kräfte der Erde; Stier oder Bulle wurden als Sinnbild der männlichen Zeugungskraft verehrt. Rinder waren traditionelle Arbeitstiere; darüber hinaus dienten sie als Nahrungslieferanten und Opfergabe. Ihre Produkte (Milch und Butter, aber auch Dung und Urin) sind noch im heutigen Indien von lebenswichtiger ökonomischer sowie von ritueller Bedeutung. Die Wertschätzung, die der Hinduismus der Kuh entgegenbringt, findet hierin seine Begründung. 4 GOTT UND GÖTTER Die Schar der Götter, Geister und Dämonen sowie der als göttlich verehrten Heiligen im Hinduismus ist nahezu unüberschaubar. Dennoch würde die Kennzeichnung als Polytheismus in die Irre führen, da die ,,gewählte Gottheit" (Ishtadevata) der jeweiligen religiösen Richtung oder des einzelnen Hindu die anderen göttlichen Manifestationen in sich aufnimmt und geradezu monotheistisch verehrt werden kann. Der Rig-Veda kennt 33 Götter, eine Zahl, die im Lauf der Religionsentwicklung auf 33 000, 330 000 und 33 Millionen (also unendlich viele) erweitert wurde. Aber es gab auch die Auffassung, die unterschiedlichen Namen der Götter seien nur verschiedene Bezeichnungen für das eine höchste Wesen. Zudem verloren auftauchende Götter auch wieder an Bedeutung, während andere in den Vordergrund traten. Darüber hinaus gab es immer auch Versuche, Zusammenhänge herzustellen und Klassifizierungen vorzunehmen. Die wichtigsten Götter des Vedismus sind Agni, der Gott des Feuers und des Opfers, Indra, der Himmels- und Kriegsgott, sowie Varuna, der Erhalter der kosmischen Ordnung. Im klassischen Hinduismus wird die Idee einer dreigestaltigen Einheit (Trimurti) von Brahma, Vishnu und Shiva als Schöpfer, Erhalter und Zerstörer des Universums entworfen. Den drei Göttern sind Göttinnen zugeordnet: Sarasvati, die Gemahlin Brahmas, ist die Göttin der Gelehrsamkeit und der Wahrheit; Lakshmi, die Frau Vishnus, ist die Göttin der Schönheit und des Glücks, Kali oder Durga, die Gemahlin Shivas, ist wohltätig und zerstörend zugleich. In der religiösen Praxis spielt Brahma allerdings kaum eine Rolle: Seine Stelle nimmt vielmehr die weibliche Verkörperung des Göttlichen, die Göttin in einer ihrer vielen Gestalten und Namen, ein. Jede göttliche Gestalt kann Züge der anderen aufnehmen und zum alleinigen Ausdruck des Absoluten werden, als sein bzw. ihr Gegenteil in Erscheinung treten, sich unendlich vervielfachen oder in den verschiedenen Zeitaltern als Avatara herabsteigen. Hierzu existieren Listen, darunter die klassische Zehnerliste der Avataras von Vishnu, aus der zwei Gestalten, Rama und Krishna, selbst wieder den Rang eines Hochgottes angenommen haben. 5 RELIGIONSGESCHICHTE DES HINDUISMUS Während der Hinduismus sich selbst als eine Religion ohne Anfang und ohne Ende (als ewige Religion und Ordnung) versteht, werden in der Religionswissenschaft drei unterschiedliche Anfänge benannt. Versteht man unter Hinduismus die Vorstellungen und Praktiken all jener Menschen, die sich Hindus nennen, dann sind jedenfalls auch die so genannten archaischen Religionen, d. h. die Religionen aus der Zeit vor der Einwanderung der Arier, in die hinduistische Religionsgeschichte einzubeziehen. Identifiziert man den Hinduismus mit den Veden, kann man seinen Anfang auf etwa 1500 v. Chr. datieren. Verbreitet ist aber auch der Ansatz, als Hinduismus erst die Religion zu bezeichnen, die auf die Herausforderung des Vedismus durch den Buddhismus und Jainismus entstand; der Hinduismus wäre dann zwischen dem 6. und 4. vorchristlichen Jahrhundert entstanden. Heute wird zwischen der ,,großen" (brahmanischen, schriftlichen und gelehrten) und der ,,kleinen" (lokalen und folkloristischen) Tradition der Stammesgesellschaften unterschieden. Beide bestanden nebeneinander und beeinflussten sich über die Jahrhunderte hinweg wechselseitig. Die Religiösität der ,,kleinen" Traditionen trägt stark pantheistische Züge und erkennt überall in Natur und Kosmos Zeichen der Transzendenz. Auch hat sie ein starkes Empfinden für heilige Zeiten und Orte: Der Mensch ist umgeben von einem Bedeutungskosmos, in dem grundsätzlich jeder Gegenstand zum Träger spiritueller Kraft werden kann. Die Industal-Kultur (siehe Indus- oder Harappakultur) als die erste Epoche des Hinduismus anzusetzen hat darin einen guten Grund, dass zahlreiche Elemente des Hinduismus, die im Vedismus fehlen, allem Anschein nach auf diese Epoche zurückgeführt werden können, darunter das volkstümliche Ritual der Puja und die Verehrung von Götterdarstellungen, der Muttergöttin sowie von Göttern in Tiergestalt. Zwar lässt sich die Religion dieser Epoche nur bruchstückhaft aus archäologischen Funden erschließen, ihr Einfluss auf die späteren Religionen der schriftlichen Tradition ist aber unbestritten. 5.1 Die vedische Religion (ca. 1500 bis 500 v. Chr.) Die vedische Religion (Vedismus) kann als die älteste der literarisch belegten Religionen Indiens gelten. Träger waren halbnomadische Völkerschaften, die zwischen 1700 und 1200 v. Chr. wahrscheinlich in mehreren Wellen aus dem Westen und Nordwesten nach Indien einwanderten und sich selbst als Arya (Arier, die Edlen) bezeichneten. Der Vedismus war eine polytheistische Religion; im Zentrum des Kultes stand das Opfer an die Götter. Die Spätphase der vedischen Religion wird auch als Brahmanismus bezeichnet. In dieser Phase wurde die Lehre von Samsara, Karma und Wiedergeburt und von Atman und Brahman entfaltet - Konzepte, die über den Vedismus hinausführen. Nach der Entdeckung der Veden durch europäische Forscher kam es auch in Indien zu einer Rückbesinnung; vor allem in den neohinduistischen Reformbewegungen spielte die Berufung auf die Veden eine große Rolle. 5.2 Der klassische Hinduismus (ca. 500 v. Chr. bis 1000 n. Chr.) Im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. setzten sich Jainismus und Buddhismus vom Vedismus bzw. Brahmanismus ab. Wie auch der Sikhismus, so werden sie von der heutigen indischen Rechtsprechung als Hindureligionen eingestuft, von der westlichen Religionswissenschaft jedoch als selbständige Religionen behandelt. Aber auch Vedismus und Brahmanismus traten in eine neue Phase ein - in gewisser Weise bildete sich der ,,eigentliche" Hinduismus aus, so dass diese Epoche auch als die Zeit des ,,klassischen" Hinduismus oder als goldenes Zeitalter bezeichnet wird. Es ist die Zeit der schöpferischen Phase des philosophischen Denkens und der Systembildungen, der Blüte der Sanskrit-Literatur und der höfischen Kultur. Theologie, Philosophie und Literatur bildeten noch eine Einheit und widmeten sich der Kommentierung, Erklärung und Anwendung der kanonischen heiligen Schriften. Die sechs Darshanas und die sechs Schulen der hinduistischen Philosophie (Samkhya, Yoga, Vedanta, Nyaya, Vaisheshika und Mimansa) sollten die Seele von der Wiedergeburt befreien und den Menschen mit Gott oder dem Absoluten vereinen helfen. Der Vishnuismus bzw. Vaishnavismus mit seinen Anhängern, den Vishnuiten oder Vaishnavas, ist eine praktisch monotheistische Religion, die durch die Integration mehrerer Volkskulte, insbesondere der Krishna-Verehrung, in den Vishnu-Kult zwischen dem 6. und 2. Jahrhundert v. Chr. in Nordindien Bedeutung erlangte. Mit der Gestalt des Krishna verbanden sich mehrere Kulte, die erst allmählich zu einer größeren Einheit verschmolzen. Im Lauf der Zeit konnte der Vishnuismus ferner große Teile des indischen Sonnenkultes absorbieren. Die Vishnuiten sehen in Vishnu das höchste Wesen und verehren ihn in seinen verschiedenen Avataras, vor allem als Rama und Krishna. Die beiden großen indischen Nationalepen Ramayana und Mahabharata sowie die Bhakti-Bewegung trugen zu seiner Verbreitung weit über die Grenzen Indiens hinaus bei. Bildliche Darstellungen zeigen den Gott im Tiefschlaf auf der Schlange Endlos ruhend, die den Ur-Ozean darstellt und mit fünf, sieben oder elf Köpfen und der gespreizten Kobra-Halshaut den schlafenden Gott überwölbt. Vishnu wird außerdem als strahlender jugendlicher Gott mit vier Armen dargestellt. Der Diskus, die Muschel bzw. das Muschelhorn, der Lotos und die Keule in seinen Händen sind zugleich seine markantesten Erkennungszeichen. Vishnus Begleiter und Träger ist der Adlermensch Garuda. Seine Gemahlin ist die gütig lächelnde Lakshmi oder Shri. Der Shivaismus bzw. Shaivismus mit seinen Anhängern, den Shivaiten oder Shaivas, ist eine Religion mit vorherrschend monotheistischer Theologie, allerdings mit Tendenzen zum Dualismus, die aus der Verbindung des Rudra-Shiva-Kultes mit vorarischen Volkskulten hervorgegangen ist. Shiva ist erdgebunden; sein Begleiter und Reittier ist der Stier Nandi, seine Gemahlin ist Parvati, die ,,Tochter der Berge". Shiva ist der Gott der Gegensätze: Er ist schrecklich, aber auch mild und freundlich, er ist der Zerstörer, zugleich aber auch Erneuerer und Schöpfer der Welt. Wichtigstes Kultbild der Shivaiten ist das Lingam, ein phallisches Symbol, das seine Schöpferkraft versinnbildlicht. Ein Lingam bildet das Allerheiligste eines jeden Shiva-Tempels. Meist handelt es sich um eine glatte Steinsäule auf einem Stufensockel, der zu einem weiblichen Genitale (Yoni) ausgeformt sein kann. Verbreitet ist auch die Darstellung Shivas als Nataraja, König des Tanzes. Der Shivaismus absorbierte im Lauf der Zeit eine Reihe früher selbständiger Kulte, darunter diejenigen des Kriegsgottes Kanda und des elefantenköpfigen Gottes Ganesha. Die Bhakti-Bewegung führte auch zu einer Blüte des Shivaismus, der nach dem Vishnuismus die bedeutendste Hindureligion ist. Im Zentrum des Shaktismus steht Shakti, die weibliche Gottheit oder das weibliche Prinzip des Göttlichen, die Große Mutter, die höchste Kraft des Alls. Shakti ist die Summe und Präsenz der Kräfte aller Götter, vornehmlich Shivas und Vishnus. Der Shaktismus integrierte zahlreiche regionale Kulte von weiblichen Gottheiten und trug dabei wesentlich zur Hinduisierung von Stammesreligionen bei. Shakti ist daher unter vielen Namen bekannt und tritt unter vielen Namen auf. In Bengalen heißt sie Durga oder Kali, deren Kult eine Mischung von tiefer Hingabe, Frömmigkeit und Ehrfurcht und grausamen blutigen Riten ist. Ihr Kult schließt Tieropfer und bis in die Zeit der kolonialen Herrschaft auch Menschenopfer ein und bevorzugt tantrisches Ritual, das durch Wortmagie und esoterische Symbolik, manchmal in Verbindung mit ritueller Paarung, gekennzeichnet ist. Der Tantrismus ist keine eigenständige Religion, sondern eine Komponente der genannten Religionen. Er kann als sakramentaler Ritualismus bezeichnet werden, mit esoterischen und magischen Elementen, der alle indischen philosophischen Systeme und religiösen Kulte mitgeprägt hat. Der Tantrismus vertritt eine sakramentale Sicht der Welt, wonach jede materielle, psychische und geistige Erscheinung zum Symbol für die göttliche Wirklichkeit und zum Heilsmittel werden kann. Kein Aspekt der Wirklichkeit ist minderwertig - darum gilt: ,,Vollkommenheit wird erlangt auch durch das, was sonst zur Verderbnis führt", und zwar durch Transformation vermittels geistiger Sublimation. Die schriftlichen Quellen des Tantrismus, die Tantras, die ab etwa 500 n. Chr. greifbar werden, sind gewöhnlich anonym verfasst. Formal geben sie sich als Lehrreden des Gottes Shiva an seine Gemahlin Devi oder als Dialoge, in denen auch die Göttin den Gott belehrt. Untergliederungen des Tantrismus ergeben sich aus der Zugehörigkeit zu den verschiedenen religiösen Richtungen. Auch im Buddhismus gibt es eine tantrische Richtung. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Vamachara (Weg der linken Hand; zu Vama: links, verkehrt, widrig, schlecht, widerwärtig, aber auch schön, gefällig, und Chara: Weg, Gang) und dem Dakshinachara (Weg der rechten Hand); während im linkshändigen Weg die fünf Makaras (Alkohol, Fleisch, Fisch, Frau, Geschlechtsverkehr) praktisch verwendet und vollzogen werden, werden im rechtshändigen Weg Ersatzstoffe oder symbolische Handlungen eingesetzt. Der Advaita-Vedanta war ursprünglich ein Darshana, eines der philosophischen Systeme, das sich zu einer Religion entwickelt hat. Sein Hauptvertreter ist Shankara, der auf der Grundlage der Upanishaden, der Bhagavadgita und der Brahmasutras eine Erlösungslehre entwickelte, die nachhaltigen Einfluss auf den Neohinduismus ausübte. 5.3 Die Zeit der Fremdherrschaft (ca. 1000 n. Chr. bis 1850) Seit dem 8. Jahrhundert drangen immer wieder muslimische Eroberer nach Indien vor, vom 13. bis zum 18. Jahrhundert regierten in Indien muslimische Herrscher. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts nahm der Einfluss der Briten immer mehr zu: 1857 wurde Indien britische Kronkolonie. Im neohinduistischen Rückblick erschienen die Jahrhunderte der muslimischen Fremdherrschaft als Epoche der Dekadenz oder Stagnation. Zwar war es gelungen, vom 9. bis zum 13. Jahrhundert den Buddhismus zurückzudrängen - schon im 10. Jahrhundert war der Hinduismus wieder zur vorherrschenden Religion des gesamten Subkontinents geworden. Unter muslimischer Herrschaft begann er jedoch, sich politisch zurückzuziehen. Als Ausdruck dieser säkularen Ohnmacht kann gelten, dass die Zahl der Sannyasin, der Weltentsager, immer größer wurde. Dennoch brachte die Zeit auch Neuerungen. Die Verbreitung des Islam etwa führte dazu, dass der Hinduismus Schriftreligion wurde. Zwar blieb das Sanskrit als die ,,Sprache der Götter" die Domäne der Brahmanen, aber ab dem 11. Jahrhundert beginnt mit der Übersetzung und den Adaptionen der traditionellen Texte in so genannte Volkssprachen eine neue Epoche. Die Bhakti-Bewegung wurde zum 10. Jahrhundert hin eine mächtige Strömung, die eine große Zahl von Dichtern, Gründergestalten und Führerpersönlichkeiten sowie die Blütezeit der Bhakti-Kulte (13.-18. Jahrhundert) hervorbrachte. Ein wichtiges Merkmal der Bhakti-Bewegung ist die Betonung der Kraft, die der Name Gottes besitzt, den Menschen zu erlösen. Japa, das Wiederholen dieses Namens (vor allem von Krishnas, aber auch von Rama), wurde dadurch zu einer allgegenwärtigen religiösen Übung. Auf der Grundlage der Bhakti-Bewegung entstand auch eine neue Religion, so der von Guru Nanak begründete Sikhismus. 5.4 Der Neohinduismus Durch den Kontakt mit der westlichen Welt - vor allem durch die britische Kolonisation ab der Mitte des 18. Jahrhunderts und in der Auseinandersetzung mit dem westlichen Denken - entstanden ab 1800 mehrere Reformbewegungen, die unter der Bezeichnung Neohinduismus zusammengefasst werden. Dieser interpretierte den Hinduismus im Licht der Ideen der europäischen Aufklärung, in der Begegnung mit dem Christentum und den modernen Wissenschaften, und er stellte die ,,große" brahmanische, schriftliche und gelehrte Tradition in den Vordergrund. Damit vermittelte er dem Westen ein recht einseitiges Bild Indiens, das auch von vielen Indern als ihr Selbstbild angenommen wurde. Wichtige Persönlichkeiten waren Ram Mohan Roy (1772-1833), der Gründer des Brahma-Samaj, Dayananda Sarasvati, Gründer des Arya-Samaj, Swami Vivekananda, Sri Aurobindo, Rabindranath Tagore, Mahatma Gandhi und Sarvepalli Radhakrishnan. Als Symbol für das religiöse Selbstverständnis des Neohinduismus und für die Faszination, die er auf den Westen ausübte, kann der Auftritt von Swami Vivekananda auf dem Weltkongress der Religionen in Chicago 1893 stehen. Die Rezeption dieser Sichtweise macht auch verständlich, dass die Mission und Verbreitung hinduistischer Gruppen, die zu den neuen Religionen gezählt werden, im Westen oft nicht richtig verstanden wird und Irritationen auslöst. 6 RELIGIÖSES LEBEN In Indien ist die Religion oftmals die das Leben, die sozialen Bezüge und den Alltag bestimmende Macht. Ausdruck findet die Religiosität in den Riten der Pujas (Verehrung, Zeremonie, Gottesdienst), wobei der Großteil der Bevölkerung in den ,,kleinen" Traditionen lebt und sich ihnen verpflichtet fühlt. Ein typisches Element dieser kleinen Traditionen besteht in einer gewissen Kosmosfrömmigkeit: Die Gegebenheiten und die Natur werden in das religiöse Leben einbezogen, Menschliches und Göttliches sind miteinander vermischt. In allen und in allem sprüht ein göttlicher Funken: Berge, Flüsse, das Meer, Bäume, Blumen können zu symbolträchtigen Kraftträgern und zu religiösen Symbolen werden. Der Ganges ist zugleich die Göttin Ganga, Berge sind Sitz von Göttern und Göttinnen. Der Tempel wird zum Symbol für den ganzen Kosmos, die Gottesstatue im Innern des Tempels ist für die Zeit des Gottesdienstes leibhaftig Gott, den der Priester als göttlichen Gast behandelt und am Ende des Gottesdienstes wieder in die Transzendenz entlässt. Die Kosmosfrömmigkeit folgt einer spirituellen Logik, wonach ein Austausch spiritueller Kraft möglich ist von einem höheren, spirituell potenteren Wesen oder Gegenstand auf ein niedrigeres Wesen, einen geringerwertigen Gegenstand. Und dieser Austausch kann durch einfache Präsenz, durch Blickkontakt, am wirkungsvollsten aber durch Berührung erfolgen. Religiöse Handlungen bieten auch eine Möglichkeit, Punya - religiöses Verdienst - zu erwerben. Eine der wichtigsten Möglichkeiten dazu ist Yatra, die Pilgerfahrt. Der Pilgerort heißt Thirta (ursprünglich: Furt, der Ort, an dem man über einen Fluss übersetzte). Es gibt Pilgerrouten, die die heiligen Stätten der jeweiligen Kulte miteinander verbinden und sich über den ganzen Subkontinent ziehen. Viele Hindus unternehmen eine Pilgerfahrt durch ganz Indien mit dem Zug, die je nach Aufenthaltsdauer an den einzelnen Orten bis zu zehn Wochen dauern kann. In der Smriti-Literatur sind 16 Samskaras (Sakramente) für die Berechtigten vorgeschrieben, von denen heute die Hochzeits- und Trauerfeierlichkeiten noch allgemein befolgt werden. Ein Initiationssakrament war die so genannte Schnurzeremonie, bei der ein Junge der drei höheren Varnas durch den Empfang einer heiligen Schnur zu einem Djiva, einem ,,Erneut-Geborenen" wurde und in das Lebensstadium des Brahmacharya eintrat. Die ,,Heiligen" können als die schöpferischen Mittelpunkte des Hinduismus gelten. Sie sind jene Gestalten, die für ihre Zeit am meisten relevant sind, und sie verkörpern und schaffen zugleich die relevante Form und Gestalt des Hinduismus. Selbst die philosophischen Systeme werden auf die Erfahrungen eines oder mehrerer Heiliger und heiliger Seher zurückgeführt. Die Religionsgeschichte des Hinduismus ließe sich statt nach Göttern und Kulten gegliedert auch anhand seiner Heiligen darstellen. So könnte am Beispiel Ramakrishnas der theistische Hinduismus, am Beispiel Gandhis der aktivistische Hinduismus, am Beispiel Ramana Maharshis (1897-1950) der Jnana-Yoga und am Beispiel Sri Aurobindos die Dialektik von Vergewisserung, Aktivismus und Kontemplation dargestellt werden. Wenn ein Heiliger zurück- und ein anderer in den Vordergrund rückt oder ein neuer Heiliger auftritt, lassen sich daraus Rückschlüsse ziehen, welche Tendenzen im religiösen und mentalen Bereich wirkmächtig sind oder sich verstärken werden. 7 RELIGION UND POLITIK Die Republik Indien ist, anders als Pakistan, ein säkularer Staat. Seine Hauptreligion, der Hinduismus, gilt oder galt im Allgemeinen als besonders tolerant. Die Toleranz des Hinduismus hängt mit seiner universalistischen Tendenz zusammen, insofern er andere Wege zum Absoluten gelten lässt und ihnen gegenüber aufgeschlossen ist. Vor allem der Neohinduismus vermittelte die Vorstellung, das religiöse Leben gleiche einer Reise auf verschiedenen Wegen: Dies fügte sich gut in den religiösen Pluralismus der westlichen Welt. Hinzu kam, dass der Kampf, durch den Indien seine politische Unabhängigkeit erlangte, von Mahatma Gandhi unter dem Banner der Gewaltlosigkeit geführt wurde. Aber eine der Konsequenzen der Unabhängigkeit war die Teilung des Subkontinents in Indien und Pakistan auf religiöser Basis, die eine Orgie der Gewalt zur Folge hatte. Millionen Muslime zogen von Indien nach Pakistan und umgekehrt Hindus von Pakistan nach Indien, wobei mindestens eine halbe Million Menschen in Krawallen und Massakern ermordet wurde. Gandhi selbst wurde, weil er der Teilung zugestimmt hatte, am 30. Januar 1948 von einem anderen Hindu, Nathuram Godse, erschossen. Das Aufkommen eines neuen hinduistischen Fundamentalismus und Nationalismus weist auf einen Paradigmenwechsel hin, für den die Vorfälle um die Babri-Moschee in Ayodhya ein Fanal gewesen sein könnten: Nach jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Hindus um die Moschee, die 1528 an der Stelle errichtet wurde, wo vorher ein Rama-Tempel stand, wurde diese 1992 durch Tausende von Hindus abgerissen. Dem Vorfall folgte eine Welle der Gewalt in allen indischen Großstädten, und es wurde die Forderung erhoben, alle Moscheen, die im Lauf der Jahrhunderte an der Stelle von Hindutempeln errichtet worden waren, abzureißen. Der militante Nationalismus ist eine Bedrohung nicht nur für den säkularen Staat Indien und für die ganze Region, sondern für den Sanatana Dharma selbst. Bearbeitet von: Karl Pichler Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.
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« Leben geboren und wiedergeboren wird.

Das Individuum ist als Welle im Meer des Samsara gedacht.

Die menschliche Seele (Atman) kehrt so lange in die Welt zurück, bissie ihre Einheit mit dem Brahman erkannt hat.

In welcher Form die neuerliche Verkörperung erfolgt, ist abhängig vom Karma, das jede Handlung nach sich zieht.

Es wirktnach eigenen Gesetzen: Selbst die Götter unterliegen seiner zwingenden Kraft.

Die Welt, die aus einem göttlichen Urgrund hervorgegangen ist und nach dem Ablauf einesWeltenzyklus wieder in ihm aufgeht, ist nur die Bühne für die endlose Kette der Wiederverkörperungen.

Ursache des Übels und allen Leides ist das Ausgeliefertsein an dasKarma.

Die Unerbittlichkeit dieses Vergeltungsmechanismus wurde allerdings im Lauf der religionsgeschichtlichen Entwicklung abgemildert.

Inzwischen kennt derHinduismus Wege, dem Samsara zu entrinnen und Moksha bzw.

Mukti (Befreiung und Erlösung von allen Missständen und Leiden) zu erlangen: Wird Moksha schon zuLebzeiten erreicht, dann läuft ab diesem Zeitpunkt nur noch der letzte Rest von Karma-Impulsen aus; Bild hierfür ist das Töpferrad, das nicht mehr angestoßen wird. Als Oberbegriff für den Weg des Zurücklassens der weltlichen Vielfalt mit dem Ziel der „Einswerdung” wird oft der Begriff Yoga verwendet; die jeweilige Methode oder daseingesetzte Mittel wird dabei dem Ausdruck Yoga vorangestellt: Hatha-Yoga, Lala-Yoga, Raja-Yoga, Kundalini-Yoga usw.

Es gibt zahlreiche Schemata, die dieunterschiedlichen Yogas in ein System einbinden.

Bei der Leitermethode werden die Yogas in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet, wobei einer zum anderen führt undder jeweils bevorzugte Yoga an der obersten Stelle steht, während die Radmethode die verschiedenen Formen als gleichwertig beurteilt und wie die Speichen eines Radessieht.

Die verschiedenen Yogas werden auch Marga (Weg) genannt.

Der im Westen am weitesten verbreitete Yoga ist der Hatha-Yoga, der die Übungen des Körpers in denVordergrund stellt.

Ein mögliches Schema ist die Zuordnung zu den Dimensionen der menschlichen Person: Körper – Hatha-Yoga; Geist – Raja-Yoga; Wissen – Jnana-Yoga;Fühlen – Bhakti-Yoga; Wollen – Karma-Yoga.

Eine oft angewandte und für das Verstehen der hinduistischen Religiosität insgesamt fruchtbare Einteilung ist dieAufgliederung in Karma-, Bhakti- und Jnana-Yoga, insofern jeder dieser Begriffe eine charakteristische Form des Hinduismus benennt.

Karma-Yoga ist der Weg desHandelns; ursprünglich war damit das Opfer gemeint, dann die Pflichterfüllung; im Neohinduismus umfasst dieser Weg den ganzen Bereich der Sozialethik und auch desverantwortungsvollen politischen Handelns.

Bhakti ist die liebevolle Hingabe, die Gottesliebe; die Tradition unterscheidet zwei Schulen, den Katzen- und den Affenweg, jenachdem, ob die Erlösung ausschließlich durch Gottes Gnade erfolgt (das Katzenjunge wird von der Mutter ohne eigenes Zutun getragen) oder ob der Mensch etwasbeitragen muss (das Affenjunge klammert sich mit eigener Kraft an der Mutter fest).

Jnana-Yoga ist der Weg der Erkenntnis, der Weisheit; es geht um die Erkenntnis derletzten Wirklichkeit, dass Atman und Brahman eins sind.

Es ist der Weg des Studiums der heiligen Texte, der Philosophie, der philosophischen Systeme, aber auch derstrengen Entsagungspraktiken. Dharma ist ein zentraler Begriff des Hinduismus, der sich selbst als Sanatana Dharma, als ewige Religion oder Ordnung, versteht; Varnashrama-Dharma meint den Dharma der Stände und Lebensstadien, der Kasten.

Ursprünglich bedeutete Varna Farbe und verweist damit auf die ethnographische Komponente des Kastenwesens: Die nach Indien eindringenden Arier hoben sich aufgrund ihrer helleren Hautfarbe von den dunkleren Einheimischen ab.

Zunächst wurden wohl nur die Brahmanen (Priester),Kshatriyas (Könige und Krieger) und Vaishyas (Händler und Bauern) als Kasten bezeichnet.

Dazu kamen dann später Shudras (Arbeiter und Sklaven) und schließlich dieChandalas (Unberührbare), die in gewissem Sinn außerhalb des Systems stehen und dennoch für dessen innere Logik unersetzlich sind.

Während dieses Schema jedocheher ein theoretisches Konstrukt darstellt, wird die gesellschaftliche Wirklichkeit von den Jatis (Jati: Geburt) bestimmt, Gruppen, die sich durch Beruf, Herkunft,Speisevorschriften (Kommensalität), Endogamie usw.

voneinander unterscheiden.

Es wird geschätzt, dass es im heutigen Indien 3 000 bis 4 000 Kasten im Sinn von Jatisgibt.

Es hat immer schon Bestrebungen gegeben, das Kastensystem zu überwinden, so lebten Einsiedler und Asketen außerhalb der Kasten, Jainisten und Buddhistenlehnten das System ab, und auch die Bhakti- und Tantra-Religionen standen allen Menschen offen.

Dass Mohandas Karamchand Gandhi die Unberührbaren Harijans (Kinder Gottes) nannte, war Bestätigung der Kastenordnung und Kritik an ihr in einem. Der in Varnashrama enthaltene zweite Begriff Ashrama meint in diesem Zusammenhang Lebensstadium im Sinn einer Einteilung des Lebens in vier Perioden.

Das erste Stadium ist Brahmacharya (Brahmanwandel), eine Zeit der Unterweisung, die durch das Studium der heiligen Texte sowie durch Enthaltsamkeit gekennzeichnet ist.

Es folgt das Stadium des Hausvaters, der für seine Familie sorgt, anschließend (nach Geburt des ersten Enkelsohns) das Stadium des Waldeinsiedlers.

Das vierte Stadium ist dieLebenstufe des Sannyasa, des Entsagers. Für das rechte Handeln, das im hinduistischen Dharma eine zentrale Stelle einnimmt, gibt es vier Ziele: Kama (Lust), Artha (Wohlstand), Dharma (Rechtschaffenheit) undMoksha (Befreiung). Neben dem Kastensystem gelten im Westen die heiligen Kühe als Charakteristikum des Hinduismus, was häufig als religiös oder (mehr noch) ideologisch begründeter,entwicklungshemmender Anachronismus gilt.

In der Mythologie Indiens verkörpert die Kuh die mütterlich nährenden Kräfte der Erde; Stier oder Bulle wurden als Sinnbildder männlichen Zeugungskraft verehrt.

Rinder waren traditionelle Arbeitstiere; darüber hinaus dienten sie als Nahrungslieferanten und Opfergabe.

Ihre Produkte (Milch undButter, aber auch Dung und Urin) sind noch im heutigen Indien von lebenswichtiger ökonomischer sowie von ritueller Bedeutung.

Die Wertschätzung, die der Hinduismusder Kuh entgegenbringt, findet hierin seine Begründung. 4 GOTT UND GÖTTER Die Schar der Götter, Geister und Dämonen sowie der als göttlich verehrten Heiligen im Hinduismus ist nahezu unüberschaubar.

Dennoch würde die Kennzeichnung alsPolytheismus in die Irre führen, da die „gewählte Gottheit” (Ishtadevata) der jeweiligen religiösen Richtung oder des einzelnen Hindu die anderen göttlichen Manifestationenin sich aufnimmt und geradezu monotheistisch verehrt werden kann.

Der Rig-Veda kennt 33 Götter, eine Zahl, die im Lauf der Religionsentwicklung auf 33 000, 330 000und 33 Millionen (also unendlich viele) erweitert wurde.

Aber es gab auch die Auffassung, die unterschiedlichen Namen der Götter seien nur verschiedene Bezeichnungen fürdas eine höchste Wesen.

Zudem verloren auftauchende Götter auch wieder an Bedeutung, während andere in den Vordergrund traten.

Darüber hinaus gab es immer auchVersuche, Zusammenhänge herzustellen und Klassifizierungen vorzunehmen.

Die wichtigsten Götter des Vedismus sind Agni, der Gott des Feuers und des Opfers, Indra, derHimmels- und Kriegsgott, sowie Varuna, der Erhalter der kosmischen Ordnung. Im klassischen Hinduismus wird die Idee einer dreigestaltigen Einheit (Trimurti) von Brahma, Vishnu und Shiva als Schöpfer, Erhalter und Zerstörer des Universumsentworfen.

Den drei Göttern sind Göttinnen zugeordnet: Sarasvati, die Gemahlin Brahmas, ist die Göttin der Gelehrsamkeit und der Wahrheit; Lakshmi, die Frau Vishnus, istdie Göttin der Schönheit und des Glücks, Kali oder Durga, die Gemahlin Shivas, ist wohltätig und zerstörend zugleich.

In der religiösen Praxis spielt Brahma allerdings kaumeine Rolle: Seine Stelle nimmt vielmehr die weibliche Verkörperung des Göttlichen, die Göttin in einer ihrer vielen Gestalten und Namen, ein.

Jede göttliche Gestalt kannZüge der anderen aufnehmen und zum alleinigen Ausdruck des Absoluten werden, als sein bzw.

ihr Gegenteil in Erscheinung treten, sich unendlich vervielfachen oder in denverschiedenen Zeitaltern als Avatara herabsteigen.

Hierzu existieren Listen, darunter die klassische Zehnerliste der Avataras von Vishnu, aus der zwei Gestalten, Rama undKrishna, selbst wieder den Rang eines Hochgottes angenommen haben. 5 RELIGIONSGESCHICHTE DES HINDUISMUS Während der Hinduismus sich selbst als eine Religion ohne Anfang und ohne Ende (als ewige Religion und Ordnung) versteht, werden in der Religionswissenschaft dreiunterschiedliche Anfänge benannt.

Versteht man unter Hinduismus die Vorstellungen und Praktiken all jener Menschen, die sich Hindus nennen, dann sind jedenfalls auchdie so genannten archaischen Religionen, d.

h.

die Religionen aus der Zeit vor der Einwanderung der Arier, in die hinduistische Religionsgeschichte einzubeziehen.Identifiziert man den Hinduismus mit den Veden, kann man seinen Anfang auf etwa 1500 v.

Chr.

datieren.

Verbreitet ist aber auch der Ansatz, als Hinduismus erst dieReligion zu bezeichnen, die auf die Herausforderung des Vedismus durch den Buddhismus und Jainismus entstand; der Hinduismus wäre dann zwischen dem 6.

und 4.vorchristlichen Jahrhundert entstanden. Heute wird zwischen der „großen” (brahmanischen, schriftlichen und gelehrten) und der „kleinen” (lokalen und folkloristischen) Tradition der Stammesgesellschaftenunterschieden.

Beide bestanden nebeneinander und beeinflussten sich über die Jahrhunderte hinweg wechselseitig.

Die Religiösität der „kleinen” Traditionen trägt starkpantheistische Züge und erkennt überall in Natur und Kosmos Zeichen der Transzendenz.

Auch hat sie ein starkes Empfinden für heilige Zeiten und Orte: Der Mensch ist. »

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