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Hugo Wolf: Nachruf auf Franz Liszt - Texte.

Publié le 22/06/2013

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Hugo Wolf: Nachruf auf Franz Liszt - Texte. Der österreichische Komponist Hugo Wolf ist neben Franz Schubert und Robert Schumann einer der bedeutendsten Schöpfer des Kunstliedes des 19. Jahrhunderts. Daneben machte er sich als streitbarer und polemischer Musikkritiker einen Namen. Von Januar 1884 bis April 1887 schrieb er für das ,,Wiener Salonblatt", in dem er am 8. August 1886 einen Nachruf auf Franz Liszt publizierte, der am 31. Juli in Bayreuth gestorben war (das Todesdatum wurde von Wolf irrtümlich mit dem 1. August angegeben). Hugo Wolf: Nachruf auf Franz Liszt 8. August 1886. Franz Liszt + 1. August 1886. Wieder ist einer der Gewaltigen zur ewigen Ruhe abberufen worden. Ein Stern ist erblichen, vor dessen siegreichem Lichte alles Unrechte und Erborgte erblindete, dessen Wunderglanz dem Bedrängten freundlich winkte, dorthin weisend, wo Kampf und Mißgunst, aber auch Sieg und Vollendung seiner harren; dessen heiliges Feuer, vernichtende Blitze sprühend, die Altäre der Götzendiener zerschmetterte und hochaufflammend den Brand der Begeisterung entfachte, das wahrhaft Große schützend und fördernd. Wohl hat sich das Auge dieses strahlenden Phänomens für immer geschlossen, aber es war das Auge eines Unsterblichen. Sage und Geschichte werden sich in die Aufzeichnungen der Wundertaten des größten aller Virtuosen teilen, um aber sein Andenken für kommende Geschlechter nicht im Bilde der Erinnerung, nicht durch das Medium des Biographen, sondern in lebensvoller Wirklichkeit wachzuhalten, hinterläßt uns der große Tote ein unschätzbares Vermächtnis: seine Werke. Eine faustische Natur, stets Neues ersinnend und rastlos vorwärtsdrängend, wirkte der Meister auf alle Gebiete der Vokal- und Instrumentalmusik reformatorisch ein. Geist, Tiefe der Gedanken und Empfindungen und ein unvergleichlicher Schönheitssinn für musikalische Formen sind die charakteristischen Merkmale seiner Schöpfungen. In dieser Hinsicht stehen seine sinfonischen Dichtungen, ,,Faust" und die Dante-Sinfonie mit inbegriffen, obenan. Der ganze romantische Zauber von Liszts dämonischer Persönlichkeit weht uns aus diesen Tondichtungen an; in ihnen hat er sein Eigenstes gegeben. Hier steht er auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Auf dieser Höhe einsam thronend, blieb er der Menge freilich ein Unverständlicher, wie der Meister ja selbst in dem berühmten Vorworte zu seinen sinfonischen Dichtungen diesen Werken keine ,,Alltagspopularität" zugesprochen wissen wollte. Aber wer liebevoll in diese eigenartige Individualität sich versenken konnte, dem tat sich wohl eine Welt auf, herrlich und ideal, wie sie nur ein Dichter träumt. Nun rastet der Ruhelose. Der alles belebende Funke ist erloschen; die Hand, die einst Welten erstehen ließ und sie wieder zertrümmerte, - sie ist erstarrt - tot, tot der Mann, der als ein zweiter Orpheus nur Leben, blühendes Leben in die Welt ergoß ... Wie ein halbverklungenes Märchen wird spätere Geschlechter die überschwengliche Verzückung derer, die über Liszts Klavierspiel, namentlich zur Zeit seiner Virtuosenlaufbahn, mehr gedichtet, als berichtet - denn die Begeisterung macht auch nüchterne Geister zu Dichtern - anmuten. Und nun Liszt! Der mit Feder und Taktierstab unermüdliche Vorkämpfer Richard Wagners und Berlioz', - der anderen Trefflichen nicht zu gedenken -, der allen Neidern und Schmähern zum Trotz Ausharrende, Duldende und schließlich Siegreiche! - - - Wer könnte solcher Selbstentäußerung und neidlosen Hingabe an Werke geistesverwandter Rivalen seine Bewunderung versagen? Müssen wir ihn nicht lieben, verehren? Deshalb pflegen wir in Treue sein geweihtes Andenken, scharen wir uns um das Panier, das der Meister so erfolg- und segensreich gegen die kleinlichen Zweifler geschwungen und vor allem: Folgen wir unbeirrt den Spuren der Erdentage, die der Unsterbliche in Ehren gewandelt; hüten wir das Vermächtnis seines Genies, wahren wir diesen kostbaren Hort, und sein Geist walte segnend über uns! Hugo Wolf. Hugo Wolf: Vom Sinn der Töne. Briefe und Kritiken. Leipzig 1991, S. 340f. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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