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Jean-Jacques Rousseau: Bekenntnisse (Sprache & Litteratur).

Publié le 13/06/2013

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Jean-Jacques Rousseau: Bekenntnisse (Sprache & Litteratur). Die Confessions (Bekenntnisse) des französischen Aufklärers Rousseau wurden zum Prototyp der modernen intellektuellen Autobiographie. Die Betonung von Empfindung und Gefühl, wie sie in dem Textausschnitt anklingt, weist voraus auf die wenig später entstehende Romantik. Das Textbeispiel entstammt einer Übersetzung aus dem Jahr 1790. Jean-Jacques Rousseau: Bekenntnisse Zwey Jahre lang habe ich geduldet und geschwiegen, aber jetzt ergreife ich, Troz meiner Entschlüsse, die Feder wieder. Leser! urtheile nicht zu voreilig über die Gründe, die mich dazu nöthigen! du kannst dieß nur dann, wenn du mich wirst gelesen haben. Man weißt, wie meine stille Jugend mir in sanfter Gleichförmigkeit dahin floß; ich kannte die höchste Stuffe des Glücks so wenig, wie die des Unglücks, und dieses Mittelmaas war grossen Theils das Werk meines feurigen, aber schwachen Temperaments. Ich war eben so furchtsam als unternehmend, heftige Erschütterungen rüttelten mich zwar aus meinem Gleichgewichte, aber bald kehrte ich wieder aus Ermattung und Vorliebe zur gewohnten Ruhe zurück. Ich war nicht Heiliger, nicht Bösewicht, mein Phlegma versperrte mir den Weg der Tugend und des Lasters, der Ehre und der Schande. Welches verschiedene Gemählde werde ich bald aufstellen müssen! das Schicksal, welches 30 Jahre hindurch jede meiner Neigungen begünstigt hatte, neckte mich während der 30 übrigen unbarmherzig; und dieser ewige Kampf meiner Neigungen mit meiner Lage war für mich eine Quelle ungeheurer Fehler, seltenen Unglücks, und gab mir alle Tugenden, die das Elend adlen können, nur nicht Stärke. (...) Das süsse Angedenken an meine frohe so ruhig so unschuldig verflossene Jugend ließ mir tausend angenehme Eindrücke, die ich mir immer mit Vergnügen zurück ruffe. Ach! wie verschieden sind sie von denen meines übrigen Lebens! Wie theuer kam dem Manne das geborgte Glück des Jünglings zu stehen! - Doch weg mit dem Andenken, das mein Herz zerreißt! Ich will nicht das Traurige meiner Lage durch diese unangenehme Erinnerungen noch mehr verbittern, will nicht das gegenwärtige Unglück durch das vergangene erhöhen! Ich ersticke jedes erwachende Andenken meines Kummers, und vergesse bisweilen, selbst dann wenn ich mich daran erinnern sollte, daß die Hälfte meines Lebens freudenlos war. Diese Leichtigkeit, das Unglück zu vergessen, ist ein Trost, den mir der Himmel geschenkt hat, um die Widerwärtigkeiten leichter zu ertragen, die einst das Schicksal über mich aufhäuffen sollte. Mein Gedächtniß, das mir einzig die angenehme Gegenstände zurückbringt, ist das glückliche Gegengewicht meiner scheuen Einbildungs-Kraft, die mich nur eine grause Zukunft vorher sehen läßt. Alle die Papiere, die ich sammlete, um meinem Gedächtnusse aufzuhelfen, und mich in dieser Unternehmung zu leiten, sind in andere Hände gekommen, und werden nie wieder in die meinige zurückkehren. Ich habe nur Einen treuen Führer, auf den ich mich verlassen kan: Die Kette meiner Empfindungen, als eben so vieler Merkmale, welche die Reihe meines Seyns, und durch sie, die Folge der Begebenheiten, die entweder Würkungen oder Ursachen derselben waren, bezeichnen. Ich vergesse leicht mein Unglück, aber nie meine Fehler, und weniger noch meine bessere Gefühle. Ihr Andenken ist mir zu theuer, als daß mein Herz es verlieren sollte. Ich kan vielleicht in einer Thatsache etwas vergessen, versezt, vielleicht die Zeit unrichtig angegeben haben; aber nie kan ich über meine Gefühle, nie über die Resultate dieser Gefühle, meine Handlungen, mich betrügen; und dieß ist mir genug! Der eigentliche Zweck meiner Bekenntnisse ist: mein Inneres in allen Lagen meines Lebens genau zu zeigen. Die Geschichte meiner Seele habe ich versprochen, und um sie getreu zu schreiben, brauche ich keine Urkunden. Genug, wenn ich wie bisher mich getreu schildere. J.-J. Rousseau: Bekenntnisse. Erster Band. Tübingen 1790, S. 1-4. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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