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Judentum - Religion.

Publié le 17/06/2013

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Judentum - Religion. 1 EINLEITUNG Judentum, Bezeichnung für die Religion des Volkes Israel. Das Judentum, aus dem Christentum und Islam hervorgingen, ist die älteste der drei monotheistischen Offenbarungsreligionen. Der Begriff geht auf die abgeleitete lateinische bzw. griechische Übersetzung des Wortes Jehudi (Jude; Plural Jehudim) zurück. Ursprünglich bezeichnete dieser nur einen Einwohner Judäas im Süden Palästinas. Nach dem Babylonischen Exil wurden jedoch alle Anhänger der jüdischen Reformatoren Esra und Nehemia sowie alle Einwohner der Provinzen Israel und Judäa Juden genannt. Die Juden selbst bezeichneten sich, soweit religiöse Angelegenheiten betroffen waren, als Israeliten oder Bne Israel (Söhne Israels). Die Herkunft der Bezeichnung Hebräer (ivri) ist nicht sicher zu bestimmen. Sie wird zwar häufig synonym mit Israeliten verwendet, doch scheint ihre ursprüngliche Bedeutung weniger auf eine religiöse oder nationale Gruppe denn auf eine soziale Schicht landloser Wanderer im Sinn von Nomaden abzuzielen. Abraham ist der Erste, der in der Bibel als Hebräer bezeichnet wird (Genesis 13, 14). Im biblischen Hebräisch existierten die Begriffe Judentum und Religion nicht. Von grundlegender Bedeutung für das Judentum ist der unbedingte Monotheismus, dem zufolge ein einziger transzendenter Gott die Welt erschaffen hat und ihre Geschicke lenkt. Traditionsbewusste Juden erkennen Gottes Geist sowohl in der natürlichen Ordnung, wie sie in der Schöpfung zum Ausdruck kommt, als auch im geschichtlichen Prozess. Gottes Wille ist in der Thora, der Unterweisung und Lehre, offenbart. Sie enthält unter anderem Gebote (Mizwot), welche den Umgang der Menschen untereinander und ihr Verhältnis zu Gott regeln. Das Verhältnis des Einzelnen zu Gott ist unmittelbar und persönlich; es bedarf nach jüdischer Auffassung keiner Vermittlung, weder durch Priester noch durch Handlungen wie etwa der Beichte oder der Sakramente. Darüber hinaus ist der Mensch völlig frei in seinen Entscheidungen: Er kann bzw. muss sich stets aufs Neue zwischen dem guten Trieb (Jezer ha Tow) und dem bösen Trieb (Jezer ha Ra) entscheiden, die ihm innewohnen und beide von Gott kommen. 2 DER BUND Der Überlieferung nach trat Gott durch seinen Bund (hebräisch Brit) mit Abraham (Genesis 15, 18; 17, 3) und Jakob (Genesis 28, 13-15), den er durch Moses auf dem Berg Sinai bestätigte (Exodus 19, 3-6), in eine besondere Beziehung zu den Israeliten. Sie betrachten Gott als ihren alleinigen, obersten König und Gesetzgeber, dessen Regeln sie gehorchen, und sich als sein auserwähltes Volk. Das Gesetz besteht aus den Zehn Geboten (siehe Dekalog), die die Juden auf dem Berg Sinai annahmen, und aus 613 Geboten bzw. Verboten, einem umfangreichen Kodex für das tägliche Leben. In den Zehn Geboten wurde der Glaube der Patriarchen erstmals fixiert. Die Nachkommen Abrahams sahen sich als eine dem Dienst Gottes verpflichtete Nation: ,,Wenn ihr nun auf meine Stimme hören und meinen Bund wahren werdet, ... sollt [ihr] mir sein ein Reich von Priestern und ein heilig Volk" (Exodus 19, 5-6). Durch den Ritus der Beschneidung (Brit mila) werden jüdische Knaben im Alter von acht Tagen offiziell in den Bund Abrahams aufgenommen. Männer, die sich zum Judentum bekehren, müssen ebenfalls beschnitten werden. Der Gedanke des Bundes bestimmte auch die traditionelle Perspektive des Judentums in Bezug auf Natur und Geschichte. Gott belohnt und bestraft das jüdische Volk für dessen Taten, denn jüdische Gläubigkeit erweist sich in der praktischen Erfüllung der Gesetze. Wenn also Israels Wohlergehen von der Einhaltung der Gebote abhängt, sind sowohl Naturereignisse als auch historische Begebenheiten, die Israel unmittelbar betreffen, das Resultat der Befolgung bzw. Übertretung der Gesetze. Aus dieser Perspektive stellt sich die Theodizeefrage, die Frage nach dem Sinn des Leids. So befasst sich u. a. das Buch Hiob mit der Frage, wie der Einzelne trotz aller Leiderfahrung dennoch an einen gerechten und gütigen Gott glauben kann. Diese Frage versuchten die Theologen zu beantworten, indem sie auf das göttliche Gericht verwiesen, das nach dem Tod Wohlverhalten belohnt, Sünden bestraft und auf diese Weise die im Leben erlittene Ungerechtigkeit ausgleicht. Auch das Joch der Fremdherrschaft und des Exils fern vom Gelobten Land würde am Ende der Zeiten aufgehoben. Sichtbares Zeichen hierfür wäre die Ankunft des Messias (maschiach: der Gesalbte), eines Sohnes aus dem Haus König Davids. Mit ihm würde das Zeitalter des ewigen Friedens für Israel und die gesamte Menschheit anbrechen, in dem alle Gegensätze überwunden wären. Dieser Messianismus gehört seit frühester Zeit zur jüdischen Vorstellungswelt. Er führte in Krisenzeiten aber auch dazu, dass Pseudomessiase eine große Anhängerschaft um sich scharen konnten. Bei den Schriftgelehrten oder den polnischen Chassidim des 18. Jahrhunderts verband sich der Messianismus mit der Überzeugung, dass der Einzelne das Nahen des Erlösers beschleunigen könne, wenn er nur die Schrift genau studiere und die göttlichen Gebote strikt einhalte. 3 THORA UND HEBRÄISCHE BIBEL Alle Traditionen des Judentums wurzeln in der Thora, den fünf Büchern Mose oder Pentateuch. Ihr Studium zählt nach jüdischer Auffassung zum Dienst an Gott. Inhaltlich spannt die Thora den Bogen vom Schöpfungsmythos der Erzväter bis hin zum Tod des Religionsstifters Moses. Zusammen mit den Büchern der Propheten, den Newiim, und den Schriften, den Ketuwim, bildet sie den Kanon der hebräischen Bibel. Diese trägt auch den Namen Tanach, ein Akronym für ihre drei Bestandteile: Thora, Newiim und Ketuwim. Während des täglichen Morgengebets rezitieren die Gläubigen aus der Heiligen Schrift, aus dem Talmud, der Kommentare zur Thora enthält, und aus den fünf Megillot (Rollen), also den Büchern Ruth, Esther und Prediger sowie dem Hohen Lied und den Klageliedern. Am Montag- und Donnerstagmorgen erfolgt mit einer feierlichen Prozession das Entnehmen der Thora aus dem Schrein am Kopf der Synagoge. Die wichtigsten liturgischen Lesungen der Thora finden am Sabbat und an den Festtagen statt. Im Verlauf eines Jahres wird der gesamte Pentateuch am Sabbat vorgelesen. Die einzelnen Lesungen beinhalten die für den jeweiligen Tag vorgesehenen Themen und Gebete, die am Sabbat und an Feiertagen durch Rezitationen aus den Prophetenbüchern ergänzt werden. Das Rezitieren der Schrift macht einen Großteil des Gottesdienstes aus. Der Zyklus beginnt im Herbst am Ende des Laubhüttenfestes. 4 DIE RABBINISCHE TRADITION Das Wort rabbi kommt aus der aramäischen und hebräischen Sprache und bedeutet ,,mein Lehrer" (siehe Rabbiner). Es bezeichnete die Schriftgelehrten, die als Experten der jüdischen Tradition und des Gesetzes erachtet wurden. Als nach der endgültigen Zerstörung Jerusalems durch die Römer 76 n. Chr. die jüdischen Gemeinden außerhalb Palästinas immer größer wurden und auch immer weiter voneinander entfernt lebten, begannen einzelne Schriftgelehrte zunächst vereinzelt, dann aber systematisch, das Wissen der mündlichen Überlieferung, die ebenfalls normativen Charakters war, schriftlich niederzulegen. Dies geschah auch, weil sich allmählich durch die räumliche Trennung der einzelnen Gemeinden unterschiedliche religiöse Auffassungen herauszubilden begannen. So stellten etwa die Gemeinschaft der Essener, das junge Christentum oder - zur Zeit der islamischen Eroberungen - die Karäer eine Konkurrenz zur alten mündlichen Überlieferung dar. In dieser Entwicklung lagen die Anfänge des rabbinischen Judentums, nämlich die Weitergabe und Kodifizierung des halachischen (d. h. religionsgesetzlichen) und des haggadischen (d. h. des ethisch-moralischen) Wissens durch einzelne Rabbiner oder Rabbinerschulen. In Auseinandersetzung mit dem Hellenismus - und gegen die Bestrebungen der Sadduzäer - versuchten die Pharisäer seit dem Ende der makkabäischen Aufstände, das Judentum zu reformieren. Sie erwarben sich dabei besondere Verdienste in der Schriftauslegung. Seit 70 n. Chr. setzte die Schule des Rabbi Hillel weitere Reformen durch. Schriftlich fixiert wurde die mündliche Überlieferung schließlich in der Mischna, dem frühesten rabbinischen Dokument, das um 200 n. Chr. begonnen und Ende des 3. Jahrhunderts unter dem Rabbi Jehuda Hanasi in Palästina abschließend redigiert wurde. Der im 6. Jahrhundert in seine endgültige Form gebrachte Talmud, auf den sich das rabbinische Judentum gründet, umfasst die Mischna sowie die ergänzenden Auslegungen der Gemara. Den Inhalt des Talmud bilden sowohl juristische Fragen als auch Erzählungen; Erstere werden in Form von Diskussionen behandelt, bei der alle logisch und exegetisch möglichen Aspekte einer Frage, einer Auslegung oder eines Zitates berücksichtigt werden. Auf diese Weise bleiben auch der unterlegene Standpunkt und seine Argumente in der Überlieferung erhalten. Die frühen rabbinischen Schriften schließen auch exegetische und homiletische Kommentare zur Bibel sowie einige aramäische Übersetzungen des Pentateuch und weitere Bücher zur Schrift (siehe Targum) mit ein. Mittelalterliche rabbinische Werke beinhalten Kodifizierungen des Talmud. Höchste Autorität genießt in diesem Zusammenhang das im 16. Jahrhundert veröffentlichte Kompendium Schulchan Aruch (Gedeckter Tisch) von Joseph ben Ephraim Karo. Das Studium der Thora umfasst nicht nur den Pentateuch, sondern die gesamte rabbinische Literatur. 5 GEBETE UND RITEN Gläubige Juden verstehen das gesamte Leben als Dienst an Gott. Der Spruch ,,Ich habe den Herrn allezeit vor Augen" (Psalm 16, 8), der auf der Vorderwand zahlreicher Synagogen steht, kennzeichnet die traditionelle jüdische Frömmigkeit. Orthodoxe Juden beten dreimal am Tag: am Morgen (schacharit), am Nachmittag (mincha) und am Abend (maarib). Zu diesen Zeiten brachte man früher Opfergaben im Tempel von Jerusalem dar, so dass das Gebet in gewissem Sinn den Tempeldienst nach der Zerstörung des Gotteshauses fortsetzt. Als einzig festes Element umfasst der Gottesdienst eine Reihe von Segnungen, im Stehen verrichtete, hymnische Gebete ( siehe Numeri 6, 22-27). Dazu gehört vor allem das Schemone Esre (Achtzehngebet), ein Bittgebet, das im sephardischen Ritus Amida (das Stehen) bzw. (in älteren Quellen) auch Tefilla genannt wird. An Wochentagen besteht dieses heutzutage aus 19 Segnungen, die 13 Bitten um Wohlergehen und messianische Erfüllung umfassen. Am Sabbat und an Festtagen werden die Bitten durch Gebete ersetzt, die dem jeweiligen Anlass entsprechen. Zu den Morgen- und Abendgebeten gehört überdies das Schema Israel, das jüdische Glaubensbekenntnis. Jeder Gottesdienst schließt mit zwei messianischen Gebeten, dem Alenu sowie dem Kaddisch, einer aramäischen Doxologie. Als Zeichen seiner Ergebenheit trägt der erwachsene männliche Vorbeter während des Morgengebets einen Gebetsmantel (Tallit) mit Quasten (Zizit) sowie das Tefillin, an einem Ledergehäuse befestigte Gebetsriemen (vgl. Deuteronomium 6, 8). Am Türpfosten eines Hauses erinnert die Mesusa an Gottes Allgegenwart. Diese Rollenkapsel ist auf der rechten Seite des Türpfostens, vom Eintretenden aus gesehen, angebracht. Sie besteht aus einem kleinen Pergamentstreifen, der mit den Worten aus Deuteronomium 6, 4-9 und 11, 13-21 beschriftet ist. Der zusammengerollte Streifen ist in eine kleine Kapsel gelegt; sie wird an allen Eingängen jedes Wohnraums befestigt. Als Zeichen des Respekts vor Gott bedecken die Juden ihren Kopf während des Gebets mit einem Hut oder einem Gebetskäppchen ( kippa; jiddisch jarmulke). Orthodoxe Juden betrachten die Kopfbedeckung in und außerhalb der Synagoge als Zeichen der Treue gegenüber der jüdischen Tradition. Chassidische Jüdinnen tragen entweder ständig eine Kopfbedeckung oder scheren sich den Kopf und tragen eine Perücke (Scheitel). Die jüdischen Speisegebote gehen auf den Tempelkult zurück. Der häusliche Esstisch wird analog zum Altar des Herrn aufgebaut. Bestimmte Tiere gelten als unrein und dürfen daher nicht gegessen werden (Deuteronomium 14, 3-21). Hierzu zählen Schweine und Fische ohne Flossen oder Schuppen. Erlaubt (hebräisch: kascher; jiddisch: koscher) ist das Fleisch von Tieren mit gespaltenen Hufen, die ihr Futter wiederkäuen, jedoch nur, wenn der Schlachter strenge Regeln beachtet und das gesamte Blut im Vorgang des Schächtens vor dem Verzehr vollständig entfernt hat. Fleisch- und Milchprodukte dürfen nicht zusammen verzehrt werden. Orthodoxe Haushalte verfügen daher auch über getrennte Geschirre und Töpfe für milchige und fleischige Speisen. 6 DER SABBAT Der liturgische Kalender der Juden richtet seine Zeiteinteilung nach den Vorschriften der Thora und den Traditionen des Tempelkultes. Am siebten Tag, dem Sabbat, soll die Arbeit ruhen. Sie verbringen den Sabbat mit Gebeten, Bibelstudien, Erholung und beim gemeinsamen Mahl im Familienkreis. Wie an Festtagen gibt es auch am Sabbat einen zusätzlichen (mussaf) Gottesdienst in der Synagoge, der mit einer Opferhandlung in Verbindung steht, die früher im Tempel ausgeführt wurde. 7 KALENDER UND FESTE Der jüdische Kalender ist ein Mondkalender. Im 19-jährigen Schaltzyklus sind die Jahre 3, 6, 8, 11, 14, 17, 19 Schaltjahre. Die Länge der Jahre variiert zwischen 353, 354 und 355 Tagen, die der Schaltjahre zwischen 383, 384 und 385 Tagen. Die Jahreszählung entspricht dadurch der des christlichen Kalenders. Die jüdische Zeitrechnung beginnt mit dem Tag der Schöpfung, der dem 5. Oktober 3761 v. Chr. entsprechen würde. Ende 1998 schrieb man nach jüdischem Kalender das Jahr 5759. Das jüdische Jahr umfasst fünf große und zwei kleine Feste. Drei der Hauptfeiern wurzeln in der bäuerlichen Kultur und folgen dem Rhythmus der Jahreszeiten. Passah, das Frühlingsfest, markiert den Beginn der Gerstenernte, die 50 Tage später mit dem Wochenfest Schawuot (Fest der Schnitternte) endet. Mit dem Laubhüttenfest (Sukkot) wird die Herbsternte gefeiert, der eine zehntägige Phase der allgemeinen Reinigung vorausgeht. Passah erinnert an den Exodus aus Ägypten, Schawuot an die Übergabe der Gesetzestafeln auf dem Berg Sinai, weshalb zu diesem Anlass die feierliche Verlesung der Zehn Gebote in der Synagoge gehört. Die zehn Tage währende Bußzeit vor dem Laubhüttenfest beginnt mit Rosch Haschana, der Neujahrsfeier, und endet mit Jom Kippur, dem Versöhnungstag. Nach alter Tradition wird die Welt an jedem Neujahrstag gerichtet und der Bund am Versöhnungstag von neuem besiegelt. Am Neujahrstag wird das Volk mit einem Schofar (Widderhorn) zur Buße aufgerufen. Der Versöhnungstag, der heiligste Tag des jüdischen Kalenders, dient dem Fasten, dem Gebet und der Umkehr. Seine Liturgie beginnt mit dem Klagegesang des Kol Nidre und schließt eine Erinnerung an den Ritus dieses Tages (avoda) im Tempel ein. Für die Israeliten kennzeichnete das Laubhüttenfest traditionell das Ende des landwirtschaftlichen Jahres. Es war daher eine Zeit der Freude und der Danksagung an Gott. Da der Sühnetag Jom Kippur nur fünf Tage vorher gefeiert wurde, hatte man das Empfinden, mit Gott im Reinen zu sein. Verpflichtend war die Teilnahme zwar nur für Männer, in der Regel nahm jedoch die ganze Familie an diesem Fest teil. Sie wohnte während der sieben Tage des Festes in Laubhütten. Die Hütten wurden in den Höfen der Häuser und Tempel, auf den Dächern der Wohnungen, auf öffentlichen Plätzen und auf Straßen erbaut. Sie durften nicht weiter als eine Sabbat-Tagereise von der Stadt entfernt sein. Die Gleichheit aller Teilnehmer am Fest wurde dadurch betont, dass reiche und arme Juden während der sieben Tage in einfachen Laubhütten wohnten. Die beiden kleineren Feste, Chanukka und Purim, entstanden später als die fünf vom Pentateuch vorgeschriebenen Feiern. Chanukka, das Tempelweihfest, feiert den Aufstand der Makkabäer gegen den syrischen König Antiochos IV. 165 v. Chr. und die anschließende Weihe des zweiten Tempels. Charakteristisch für dieses Fest ist das Anzünden von Kerzen während acht Tagen. An Purim (Losfest) wird die Befreiung der persischen Juden durch Esther und Mordechai gefeiert. Auf dem Höhepunkt dieses Festes, das einen Monat vor Passah stattfindet, wird die Esther-Rolle (megilla) in der Synagoge verlesen. Vier Fastentage, die Ereignisse im Rahmen der Belagerung und Zerstörung der beiden Tempel in den Jahren 586 v. Chr. und 70 n. Chr. wachrufen, vervollständigen das liturgische Jahr. Der Wichtigste trägt den Namen Tischa be Aw (neunter Tag des Monats Aw) und erinnert an die zweimalige Zerstörung des Tempels und die Vertreibung der Juden aus Spanien im Jahr 1492. Mit 13 Jahren erreichen jüdische Knaben die gesetzliche und religiöse Mündigkeit und übernehmen von da an selbst die Verantwortung für die Beachtung aller Gebote (BarMizwa). Auch dürfen sie dann zum ersten Mal in der Synagoge aus der Thora vorlesen. Dieser Brauch entstand erst im 15. Jahrhundert. Mädchen sind mit zwölf Jahren volljährig und feiern dies in modernen, liberalen Synagogen mit dem gleichen Ritus wie die Jungen (Bat-Mizwa). Den nächsten Wendepunkt im Leben eines gläubigen Juden stellt die Hochzeit (kidduschin: Heiligung) dar. Die sieben Vermählungssegnungen schließen Bittgebete für den Wiederaufbau von Jerusalem und die Rückkehr des jüdischen Volkes nach Zion ein. Desgleichen bettet der jüdische Bestattungsritus die Hoffnung auf die Auferstehung des Toten in ein Gebet für die Erlösung des gesamten Volkes ein. Fromme Juden lassen sich in ihrem Tallit (Gebetsmantel) begraben. Zu den verschiedenen Strömungen im Judentum siehe die Artikel Reformjudentum, konservatives Judentum, Rekonstruktionismus, orthodoxes Judentum, Chassidismus. 8 GESCHICHTE 8.1 Die Hebräer in Kanaan Die biblischen Berichte der hebräischen Genealogie und Geschichte sind in den meisten Punkten glaubwürdig und lassen sich vielfach durch archäologische oder historische Studien bestätigen. Obwohl Moses seinen Vater im Alten Testament als Aramäer bezeichnet (Deuteronomium 26, 5), stammen die Israeliten nicht allein von den Aramäern, sondern auch von Amoritern und Hethitern ab. Die jüdische Sprache, das Hebräische, wird zur Gruppe der nordwestlichen semitischen Sprachen gerechnet. 8.2 Die zwölf Stämme Der alttestamentlichen Überlieferung sowie der historischen Theorie zufolge kamen die aramäischen Vorfahren Israels aus der Gegend von Ur in Sumer am unteren Euphrat. Um 2800 v. Chr. gelangte eine Gruppe aramäischer Stämme in die Region von Carrhae (heute Harran, Türkei), einer alten babylonischen Kolonie. Einige Jahrhunderte später zogen mehrere Familienverbände weiter in südwestliche Richtung und ließen sich in vereinzelten Gruppen am Jordan nieder. Die Siedler schlossen sich zu Stämmen zusammen, die neben den an Jahwe glaubenden Israeliten auch die Ammoniter, Moabiter und Edomiter umfassten. Das Alte Testament (siehe Bibel) spricht von zwölf Stämmen, den Nachfahren der zwölf Söhne Jakobs. Diese sind nach Alter geordnet: Ruben, Simeon, Levi, Juda (von Lea), Dan, Naphtali (von Leas Magd Bilha), Gad, Ascher (von Rahels Magd Silpa), Issaschar, Sebulon (von Lea), Joseph und Benjamin (von Rahel). Die Forschung sieht die Jakobsgeschichte als symbolhafte Darstellung an, bei der sich die Stammesgeschichte mit persönlichen Erfahrungen vermischt hat. Zwischen den Stämmen herrschte Blutsverwandtschaft, einige von ihnen, vor allem Ruben, Simeon, Levi und Juda (Söhne derselben Mutter) unterhielten noch engere Beziehungen. Ascher und Gad (Kinder von Dienerinnen) gehörten zu den unterworfenen Stämmen. Auch der Bund zwischen Jakob und Laban (Genesis 31, 44-54) steht symbolisch für die Stammesgeschichte. Die Forschung nimmt heute an, dass der Hintergrund dieses Bundes ursprünglich ein Vertrag zwischen hebräischen und syrischen Stämmen war, die darin die Grenzen ihrer Weideländer im Norden von Gilead absteckten. 8.3 Der Exodus Einige der Stämme, die traditionell der Gruppe des Joseph zugerechnet werden, wanderten als Halbnomaden zwischen 1694 und 1600 v. Chr. nach Ägypten ein, wo die Hyksoskönige, die semitischen Eroberer Ägyptens, seit etwa 1700 v. Chr. herrschten. Bis zu deren Absetzung um 1570 v. Chr. herrschte weitgehend Frieden. Vermutlich wurden die Hebräer von den neuen Herrschern als Fremde ohne Bürgerrechte eingestuft, versklavt und bei Bauprojekten der Pharaonen im östlichen Nildelta und bei der Errichtung der Stadt Ramses II. eingesetzt. Viele Historiker werten den Exodus als erfolgreichen Versuch der gefangenen Hebräer, sich mit verwandten Stämmen zu vereinigen und zu erheben. Die jüdische Geschichte misst dem Exodus große Bedeutung bei. Moses hatte auf dem heiligen Berg Sinai den Bund mit Jahwe geschlossen und damit den Grundstein für den jüdischen Glauben gelegt, mit dem sich auch Vorstellungen von Eigentum, individuellem Recht, Sexualmoral und der Gleichheit aller Mitglieder der Gemeinschaft verbanden, wie sie für Nomaden- und Halbnomadenkulturen typisch sind. Die Betonung der Freiheit und der Gedanke eines gesetzgebenden, königlichen Schöpfergottes bildeten weitere Hauptmerkmale der Religion und späteren politischen Theorie Israels. Unter Moses' Nachfolger Josua überquerten die Israeliten den Jordan, nahmen Jericho sowie die umliegende Ebene ein und siedelten sich im Westen Palästinas an. Zwar vermochten sie die Zahl der Kanaaniter nicht aufzuwiegen, doch fühlten sie sich durch ihren religiösen Bund und ihre gemeinsame Abstammung vereint. In der Zeit der Richter ab 1200 v. Chr., der großen militärischen und zivilen Führer, sicherten die Israeliten ihr Land (Buch der Richter). Sie schlugen Angriffe der Moabiter, Midianiter und vor allem der Philister zurück, die aus der Ägäis gekommen waren. 8.4 Das Königreich Mit der Thronbesteigung Sauls, des ersten israelitischen Königs, vollzog sich um 1020 v. Chr. der Zusammenschluss der Stämme zu einer politischen Einheit. Sauls Nachfolger David erweiterte die Grenzen des Reichs. 8.4.1 Das Königreich unter David David eroberte Jerusalem (1010-979 v. Chr.), die stärkste Bastion Palästinas, und machte es zu seiner Hauptstadt. Unter seinem Oberbefehl besiegte das israelitische Heer die Philister und nahm Edom, Ammon sowie Moab ein. David regelte die Pflichten der Priesterschaft und machte die Religion der Israeliten zum vorherrschenden Kult in Palästina. Bei seinem Tod waren alle benachbarten Länder entweder unterworfen oder durch Freundschaftsverträge an Israel gebunden. 8.4.2 Salomos Herrschaft Davids Sohn und Nachfolger Salomo machte sich einen Namen als Erbauer des Tempels von Jerusalem (979-931 v. Chr.). Salomo besaß große Macht und führte das Reich zur wirtschaftlichen Blüte. Er vereinheitlichte die Verwaltung des Reiches und förderte den Handel, indem er Handelsstraßen nach Afrika, Asien, Arabien und Kleinasien bauen ließ. Um die Vormachtstellung des Königreiches aufrechtzuerhalten, vermählte er sich mit zahlreichen Fürstentöchtern aus benachbarten Reichen. Salomos aufwendiger Lebensstil sowie die Förderung von Künsten und Wissenschaften verschlangen jedoch große Geldsummen und erforderten ein riesiges Heer von Sklaven. Zwangsarbeit und hohe Steuern lösten Unzufriedenheit in der Bevölkerung aus und führten zu politischen Unruhen. Im Südosten unternahmen die Edomiter eine erfolgreiche Revolte, und der Bezirk von Damaskus im Nordwesten befreite sich von der Hegemonie der Israeliten. Salomos Hang zum Luxus und die damit verbundene Ausbeutung seiner Untertanen widersprachen der nomadischen Tradition der Israeliten, in der Zusammengehörigkeit und Verbundenheit zu den höchsten Prinzipien zählten, so dass sich nach dem Tod des Königs um 922 v. Chr. das Reich spaltete. 8.4.3 Das geteilte Reich Nach Salomos Tod kehrte Jerobeam I., der nach einer fehlgeschlagenen Verschwörung gegen Salomo im ägyptischen Exil gelebt hatte, zurück. Eine von ihm geführte Abordnung forderte von Salomos Sohn und Nachfolger Rehabeam Reformen. Diese Forderung wurde abgelehnt. In der nun folgenden Auseinandersetzung fand Jerobeam Unterstützung durch den ägyptischen König Scheschonk I. (Regierungszeit 946-913 v. Chr.), der mit biblischem Namen Schischak hieß. Er drang in Rehabeams Königreich ein, plünderte dort und raubte schließlich den Tempel aus. Das Reich wurde geteilt, und als Jerobeam I. trat der Rebell die Herrschaft über die nördlichen Landesteile an. Nach biblischer Überlieferung gehörten zum nördlichen Königreich Israel zehn der zwölf Stämme, nämlich alle mit Ausnahme von Juda und Benjamin. Rehabeam regierte im Süden das spätere Königreich Juda, das mit nur 775 Quadratkilometern auch politisch nur noch von untergeordneter Bedeutung war. In Dan und Bethel errichteten die Israeliten eigene Heiligtümer, und obgleich die Bewohner beider Staaten sich nach wie vor als ein Volk fühlten, blieben sie politisch getrennt. In der Folgezeit prägten eine Vielzahl von Kämpfen zwischen den Kleinstaaten die jüdische Geschichte. So führten Israel, Juda, Moab, Edom und Damaskus Krieg gegeneinander. Zu Beginn des 9. Jahrhunderts v. Chr. erlangte Israel unter König Omri (Regierungszeit 876-869 v. Chr.) einen Teil seiner alten Macht zurück. Um 870 v. Chr. gründete Omri Samaria als Hauptstadt Israels und leitete eine Phase des Friedens ein. Unter Ahab, seinem Sohn und Thronfolger, wurde das Reich durch einen innenpolitischen Streit um religiöse Fragen zerrüttet. Ahabs Frau Isebel, eine Prinzessin von Tyrus, förderte den Baalkult und stellte dadurch die alleinige Verehrung Jahwes in Frage. Dies führte zu einem religiös wie auch politisch motivierten Sturm der Entrüstung. Zahlreiche Propheten versuchten, das Gewissen des Volkes wachzurütteln. So riefen im Nordreich Elia, Elisa, Amos und Hosea dazu auf, zu den Werten und Traditionen zurückzukehren, die sich in der Nomadenzeit entwickelt hatten. In Juda kämpften Jesaja und Micha gegen Idolatrie und Prunksucht. Im 8. Jahrhundert v. Chr. hatte Assyrien sich zur entscheidenden Macht im Mittleren Osten aufgeschwungen und stand nun an den Grenzen der geschwächten Königreiche. Über ein Jahrhundert lang hatten die Assyrer danach getrachtet, Palästina zu erobern. 853 v. Chr. kam es zu einer ersten großen Invasion unter der Führung von König Schalmaneser III. (Regierungszeit 859-824 v. Chr.). In der Schlacht von Karkar gelang es indes einem Verbund kleiner Staaten (Israel eingeschlossen) unter Ben-Hadad I., dem König von Damaskus (gestorben um 841 v. Chr.), den Angriff zurückzuschlagen. Assyrien zog sich zurück, doch seine Truppen bedrohten weiterhin die Grenzen zu Palästina. Als 734 v. Chr. Streitigkeiten unter den betroffenen Ländern eine erneute Koalition verhinderten, nahm die assyrische Armee unter Tiglat-Pileser III. (Regierungszeit 745-727 v. Chr.) Israel ein. Nur die Bastion von Samaria konnte sich bis 721 v. Chr. halten, ehe die Assyrer sie stürmten und die Stadt besetzten. Sie zerstörten das Königreich Israel und verschleppten viele seiner Einwohner. In Samaria wurden Einwanderer aus Mesopotamien angesiedelt, die die Religion der Israeliten annahmen und eine unter dem Namen Samariter bekannte Glaubensgemeinschaft bildeten. Das Königreich Juda musste zwar an die Assyrer Tribut entrichten, konnte seine nominelle Unabhängigkeit aber weitere 135 Jahre wahren. 8.4.4 Die Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar Im darauf folgenden Jahrhundert bewahrte Juda seine nationale Identität, während sich die Macht im Mittleren Osten von Assyrien nach Ägypten und schließlich zum wieder erblühten babylonischen Reich der Chaldäer verschob. Hatte sich Juda schon den Assyrern nicht unterworfen, so weigerte es sich nun erst recht, die Herrschaft der Chaldäer anzuerkennen. 598 v. Chr. zog Nebukadnezar II., der in Chaldäa regierte, gegen die Judäer ins Feld, eroberte Jerusalem und ernannte Zedekia zum König über Juda. 588 v. Chr. führte dieser eine Revolte gegen die Chaldäer an. Zwei Jahre später eroberten die Soldaten Nebukadnezars Juda und zerstörten Jerusalem. Alle Judäer, die im Verdacht standen, an dem Aufruhr beteiligt gewesen zu sein, verschleppten sie nach Babylon. Eine kleine Gruppe floh nach Ägypten und nahm - gegen dessen Willen - den Propheten Jeremia mit. Nur die arme Landbevölkerung blieb in der Heimat. Das Babylonische Exil beendete, abgesehen von einem kurzen Zeitraum mehr als vier Jahrhunderte später, die politische Unabhängigkeit des alten Israel. 8.5 Das unterworfene Judäa Als die Chaldäer das Königreich Juda auflösten, lebten die Judäer in Ägypten, Babylon und unter der bäuerlichen Bevölkerung Palästinas. 8.5.1 Leben in Babylon Die größte und bedeutendste Gemeinschaft war in Babylon angesiedelt. Hier gründeten die Verbannten gemeinsam mit 597 v. Chr. aus Judäa verschleppten Glaubensbrüdern und anderen, die sich während der Zerstörung Israels 721 v. Chr. hier niedergelassen hatten, eine blühende Kolonie. Unter der Führung des Priesters und Reformers Ezechiel bewahrte die Gemeinde ihre Identität, indem sie die ehemals politische Einheits Israels durch eine religiöse ersetzte. Neu eingeführte Rituale und Liturgien regelten das Leben in der Fremde. Schriftsteller begannen, die israelitischen Traditionen zu sammeln und zu den späteren biblischen Büchern zusammenzustellen. Gebetsversammlungen nahmen den Platz des früheren Tempeldienstes ein. Ein anonymer Prophet, der Deutero-Jesaja genannt wird, da seine Worte den zweiten Teil des Buches Jesaja bilden, bereitete die Gläubigen auf ein neues Leben in einem wieder aufgebauten Jerusalem vor. 8.5.2 Rückkehr nach Jerusalem 539 v. Chr. wurde Babylon von Kyrus II., dem Großen, dem Begründer des Persischen Großreiches ( siehe Persien), erobert. Im darauf folgenden Jahr gab er ein Edikt heraus, das den Juden die Freiheit schenkte. 42 000 Mitglieder der babylonischen Gemeinde bereiteten ihre Rückkehr nach Palästina vor und machten sich, versehen mit Spenden der in Babylon verbleibenden Israeliten und Geschenken von Kyrus, auf den Weg. Serubbabel, ein Fürst aus dem Hause David, führte den Zug nach Jerusalem. Unter der Leitung der Propheten Haggai und Sacharja, die ihnen vorhersagten, dass ihre Arbeit belohnt werde, machten sich die Juden an den Wiederaufbau und weihten 516 v. Chr. den zweiten Tempel ein. Dieses Datum gilt daher nach jüdischer Auffassung auch als eigentliches Ende des Babylonischen Exils, das insgesamt 70 Jahre, von 586 bis 516 v. Chr., dauerte. Der jüdische Hohepriester übernahm die Regierung über die Provinz Juda oder Judäa, die von nun an als Theokratie organisiert war. Die Konsolidierung des Landes ging nur langsam vonstatten. 445 v. Chr. betraute man daher Nehemia, einen jüdischen Günstling des persischen Königs Artaxerxes I. (Regierungszeit 465-425/424 v. Chr.), mit den Aufbauarbeiten. Unter seiner Leitung blühte Jerusalem wieder zu einer bedeutenden Metropole auf. Zeitgleich entsandte der Überlieferung nach die babylonische Gemeinde den berühmten Schriftgelehrten Esra nach Judäa, um auch religiöse Reformen in Angriff zu nehmen. (Da die Person von Artaxerxes im Buch Esra nicht notwendig mit jener zur Zeit des Nehemia übereinstimmt, könnte der Prophet jedoch auch 398 oder 397 v. Chr. nach Judäa zurückgereist sein.) Mitte des 4. Jahrhunderts hatte sich Judäa in einen gut organisierten Staat verwandelt, in dem eine mächtige Priesterschaft die wesentlichen Glaubensinhalte festlegte und kontrollierte. Die Gesetzesbücher der Thora regelten jeden Aspekt des jüdischen Lebens, und die Schrift- oder Rechtsgelehrten gaben den Texten ihre endgültige Form. Zugleich wuchs der Wohlstand. In nur 150 Jahren hatten sich die Juden den verschiedensten Gegebenheiten angepasst und sich dabei von einer politisch definierten Gesellschaft zu einer im Wesentlichen religiös bestimmten gewandelt. 8.5.3 Die Diaspora Im ausgehenden 4. Jahrhundert v. Chr. stieg Makedonien unter Alexander dem Großen zu einer bedeutenden Macht auf. Nach der Unterwerfung Persiens 331 v. Chr. wurde Judäa eine Provinz in Alexanders Großreich. Der Überlieferung zufolge schenkte Alexander den Juden seine besondere Aufmerksamkeit. Tausende von ihnen siedelten sich nach der Gründung von Alexandria in Ägypten an. Als die Handelsverbindungen innerhalb des riesigen Reiches zunahmen, ließen sich viele Juden an den Ufern des Schwarzen Meeres, auf den griechischen Inseln und an den Mittelmeerküsten nieder. Die Abwanderung erreichte solche Ausmaße, dass man die neuen Gemeinden als Diaspora (griechisch diaspora: Zerstreuung) bezeichnete. Weit entfernt von den Zentren des jüdischen Lebens in Judäa setzte sich bei den Emigranten die griechische gegenüber der hebräischen Sprache durch, und die Einwanderer übernahmen griechische Sitten und Vorstellungen. Im 3. Jahrhundert v. Chr. wurde der Pentateuch ins Griechische übersetzt. Da der Legende nach 70 Gelehrte an dieser Übersetzung arbeiteten, wird sie auch Septuaginta genannt. Später wurden auch andere Teile der hebräischen Bibel ins Griechische übersetzt; sie bildeten zusammen mit der Septuaginta die religiöse Grundlage der Diasporajuden. Der Hellenismus, die griechische Lebensart und Kultur, gewann ebenfalls mehr und mehr an Einfluss. Bedeutendster Vertreter des hellenistischen Judentums war der Philosoph Philon von Alexandria, der von etwa 20 v. Chr. bis 50 n. Chr. lebte. 8.5.4 Die Zeit der Hasmonäer Als Handelsroute nach Arabien besaß das jüdische Gebiet strategische Bedeutung und war daher zwischen Ägypten und den in Syrien herrschenden Seleukiden umkämpft. 198 v. Chr. siegte Antiochos I. von Syrien in der Schlacht bei Paneas über Ägypten und verleibte Judäa seinem Reich ein. Die seleukidischen Könige versuchten nun mit aller Macht, das Judentum durch den Hellenismus zu ersetzen. Ihren Höhepunkt erreichte die Hellenisierung unter Antiochos IV., der den jüdischen Glauben 168 v. Chr. für gesetzeswidrig erklärte und den Altar Jahwes im Tempel von Jerusalem dem Zeus weihte. Diese Entweihung des jüdischen Heiligtums führte noch im gleichen Jahr zu einem Aufstand, der von dem jüdischen Priester Mattathias und seinen Söhnen, den Makkabäern, angeführt wurde. Nach einem erbitterten Kampf schlugen die jüdischen Aufständischen das syrische Heer. Die Dynastie der Hasmonäer oder Makkabäer übernahm die Regierung und ernannte sich zu Königen des unabhängigen jüdischen Staates. Unter den Hasmonäern konzentrierten sich die Juden darauf, ihren Glauben von fremden Einflüssen zu befreien. Die Ansichten der beiden wichtigsten neu entstandenen Fraktionen, der Sadduzäer und der Pharisäer, unterschieden sich sowohl in religiöser als auch in politischer Hinsicht grundlegend voneinander. Daneben gab es noch die Essener, einen mönchsartigen Orden. Die Hasmonäer richteten das Synedrion ein, einen aus 71 hochrangigen Persönlichkeiten bestehenden Obersten Gerichtshof, der über zivilrechtliche und religiöse Fragen entschied. Das Königreich dehnte sich aus und umfasste unter Johannes I. Hyrkan auch Samaria und Edom, das zu dieser Zeit Idumäa genannt wurde. Ihre Bewohner wurden dazu gezwungen, das Judentum anzunehmen. Auch in der hasmonäischen Zeit kam es zu größeren inneren Konflikten. Im letzten Jahrhundert v. Chr. brach ein Streit zwischen den Brüdern Hyrkan II. und Aristobul II. aus, die beide Anspruch auf den Thron erhoben. Antipater, ein Idumäer, der Hyrkan zu unterstützen schien, nutzte die Auseinandersetzung für seine Zwecke und verbündete sich mit dem römischen General Pompeius. Dieser marschierte 62 v. Chr. in Jerusalem ein, und ab 47 v. Chr. übernahm Antipater das Amt des Prokurators für die Provinz Judäa, die fortan direkt Rom unterstellt war. Antipaters Sohn, Herodes der Große, bestieg den Thron 37 v. Chr. 8.5.5 Der große Aufstand Im 1. Jahrhundert n. Chr. mündete die antirömische Stimmung in Judäa zu blutigen Kämpfen, die in der völligen Zerstörung Jerusalems und der Zerschlagung Judäas durch römische Truppen führte. Auslöser des so genannten 1. Jüdischen Krieges war die Forderung des römischen Prokurators Gessius Florus, Teile des Tempelschatzes an die Römer zu übergeben. Diese Forderung löste eine Welle der Empörung unter den Judäaern aus, zumal diese Forderung nach Herausgabe des Tempelschatzes nur symptomatisch stand für das despotische und provozierende Verhalten der römischen Besatzungstruppen. 66 n. Chr. brach unter Führung der Zeloten der Aufstand gegen Rom los. Kaiser Nero entsandte den römischen General und späteren Kaiser Vespasian, der mit drei Legionen und mehr als 50 000 weiteren Soldaten die Revolte zwischen 70 und 73 n. Chr. niederschlug. Jerusalem wurde nach Wochen der Belagerung eingenommen und der Tempel zerstört. Als letzte Bastion fiel im Jahr 73 n. Chr. nach dreijähriger Belagerung die Bergfestung Masada am Toten Meer. Der Historiker Flavius Josephus berichtete in seinem siebenbändigen Jüdischen Krieg (Bellum Judaicum) von diesen Kämpfen, deren Augenzeuge und Beteiligter er war. 8.5.6 Bar Kochba Die Niederlage im 1. Jüdischen Krieg schürte jedoch nur noch mehr die antirömische Stimmung in Judäa, obwohl nicht immer alle Einwohner für den gewaltsamen Widerstand gegen die Römer eintraten. Nach einer Reihe kleinerer Aufstände gegen römische Truppen kam es zwischen 132 und 135 in Judäa unter Simon Bar Kochba, der von vielen als Messias begrüßt wurde, noch einmal zu einem gewaltsamen Aufstand gegen die römische Besatzungsmacht. Doch brachte diese zweite große Erhebung die völlige Zerschlagung der jüdischen Eigenstaatlichkeit in Palästina. Wer von den Juden nicht getötet wurde, wurde in die Sklaverei verkauft. Jerusalem erhielt den Namen Aelia Palaestina, Judäa selbst wurde unter dem Namen Syrien-Palästina eine Provinz des Römischen Reiches. Darüber hinaus war den Juden jedes Betreten der Stadt Jerusalem bei Todesstrafe verboten. Die traumatische Bedeutung dieser letzten Ereignisse für das jüdische Selbstverständnis lässt sich daran ersehen, dass in den nun folgenden Jahrhunderten der Wunsch ,,Schana ba`a be Jeruschlaim" (,,Nächstes Jahr in Jerusalem") zu einem der großen Sehnsüchte des jüdischen Volkes avancierte. 8.6 Die Juden im Exil (Galut) 8.6.1 Die religiöse Entwicklung im Galut Schon lange vor dem Ende des jüdisches Staates in Palästina hatten sich Juden auch außerhalb Palästinas angesiedelt. Bereits seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. gab es in Babylonien eine große jüdische Gemeinde. Unter der Herrschaft der Parther, seit 227 n. Chr. unter der der Sassaniden oder Neuperser, entwickelten sich in Palästina, aber vor allem in Galiläa und Babylonien bedeutende Zentren der jüdischen Glaubenslehre. Ein Exilarch stand der babylonischen Kolonie als Oberhaupt vor. Die beiden Akademien (Jeschiwot) in Sura und Pumbedita genossen unter den Juden hohes Ansehen. Die Lehrer, die im 1. und 2. Jahrhundert an der Kodifizierung und Erweiterung der Mischna arbeiteten, wurden als Tannaiten (von aramäisch: lehren) bezeichnet. Auf diese folgten im 3. Jahrhundert die Amoräer (aramäisch: Sprecher), die sich mit der Gemara befassten und im 5. Jahrhundert von den Saboräern (aramäisch: nachdenken) abgelöst wurden. Mit der Fertigstellung der Gemara, die den Kommentar zur Mischna bildete, erhielt der Talmud zu Beginn des 6. Jahrhunderts seine endgültige Fassung. (Bereits 150 Jahre früher war in Jerusalem eine Fassung des Talmud, der so genannte palästinensische oder Jerusalemer Talmud, entstanden, doch war diese von weniger großer Bedeutung für die weitere Entwicklung.) Die führenden Vertreter der babylonischen Schulen nannten sich Gaonen (Plural des hebräischen Wortes gaon: Vorzüglichkeit). Ihre Rechtsbelehrungen zu Fragen des Glaubens wurden ab dem 9. Jahrhundert bestimmend für die religiöse Praxis. 8.6.2 Islamische Toleranz Während schon bald nach dem Übertritt Konstantins des Großen zum Christentum in den ehemals griechischen Gebieten die Juden häufig in Bedrängnis gerieten, stellte der Islam für die jüdischen Gemeinden Babyloniens zunächst keine ernsthafte Bedrohung dar. Die Juden in Arabien hatten sich in vorislamischer Zeit in vielerlei Hinsicht assimiliert. Sie benutzten das Arabische als Verkehrssprache, ihre soziale Gliederung in Stämme und Sippen und auch ihre Wirtschaftsweise glich denen der arabischen Wüstenbewohner. Zwar hielt Mohammed die geheiligten jüdischen Schriften für Verfälschungen der ursprünglichen Lehre, stellte die Gültigkeit des Judentums als ebenfalls monotheistischer Religion aber nie grundsätzlich in Frage. 637 eroberten die Muslime Mesopotamien, später ganz Nordafrika und weite Teile der Iberischen Halbinsel. Hier herrschte eine kleine arabische Oberschicht über ein riesiges Gebiet, das in seiner Mehrheit von Christen, Zoroastriern und Juden bevölkert war. Einerseits waren Juden und Christen wie andere Nichtmuslime restriktiven Auflagen und Gesetzen unterworfen, andererseits wurden sie als ,,Volk des Buches" respektiert. Im Abkommen mit Omar (Kodex Omar), das unter Kalif Omar I. getroffen wurde, regelte eine Reihe Beschränkungen und Pflichten das Verhältnis der Nichtmuslime, also der Christen und Juden, zu den Muslimen. So durften Erstere keine politischen Ämter bekleiden oder Muslime als Dienstboten beschäftigen. Auch war es ihnen verboten, Waffen zu tragen und Pferde zu reiten; sie durften keine neuen Gotteshäuser bauen und in der Öffentlichkeit keine religiösen Feiern abhalten. Es war ihnen auch nicht gestattet, Bekehrungen vorzunehmen. Genaue Kleidervorschriften sollten darüber hinaus Nichtmuslime von der übrigen Bevölkerung unterscheiden; Juden sollten als Erkennungszeichen gelbe Flicken an ihren Ärmeln tragen, Christen dagegen einen dunkelblauen Flicken. Ebenso wurde eine Kopf- und Grundsteuer für Juden eingeführt. Zahlreiche dieser Bestimmungen waren aus den Diskriminierungsgesetzen gegen Juden übernommen worden, wie sie in von den Arabern eroberten byzantinischen Provinzen geltendes Recht gewesen waren. In der Praxis aber wurden diese Bestimmungen in der arabischen Welt unterschiedlich streng umgesetzt. Die Kalifen von Bagdad etwa fühlten sich kaum an das Gesetz gebunden, zumal es zahlreiche Möglichkeiten gab, die einschränkenden Bestimmungen zu umgehen. Die relative Toleranz der Muslime den Juden gegenüber lag auch darin begründet, dass die Juden in den meisten muslimischen Ländern eine Minderheit unter anderen Minderheiten bildeten, die für die Muslime alle unter die Kategorie Nichtmuslime fielen. Darüber hinaus waren die Juden nicht auf bestimmte Berufe oder gesellschaftlichen Nischen beschränkt bzw. angewiesen, wie dies etwa in den christlichen Ländern Europas der Fall war, sondern in fast allen Berufen und allen sozialen Ständen der arabischen bzw. muslimischen Welt vertreten. Für die Zeit zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert dokumentieren beispielsweise zahlreiche Urkunden und Dokumente, die in der Genisa der Esra-Synagoge in Kairo gefunden wurden, die relative Selbstverständlichkeit des Umgangs zwischen Juden und Muslimen. 8.7 Die Juden in Europa Im Laufe des 1. Jahrtausends hatte sich allmählich das geistige Zentrum des Judentums von Mesopotamien nach Europa, vor allem nach Spanien und in den nordfranzösichen Raum, verlagert. Schon zu Beginn des 1. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung waren auf der Iberischen Halbinsel die ersten jüdischen Kolonien entstanden. In den Umbrüchen und Veränderungen, die der Zerfall des Weströmischen Reiches mit sich brachte, gerieten die Juden überall dort in Bedrängnis, wo größere Bevölkerungsgruppen zum Christentum übertraten. So lebten die Juden unter den nach Spanien eingewanderten Westgoten in weitgehender Freiheit und unbehelligt, solange die Westgoten Anhänger des Arianismus waren und die Lex Romana Visigothorum kaum Auswirkungen auf das alltägliche Zusammenleben hatte. Als aber die Westgotenkönige im 6. Jahrhundert zum römisch-katholischen Glauben übertraten, wurden die antijüdischen Bestimmungen dieses Gesetzes durchgeführt, deren Ziel die Zwangstaufe bzw. Vertreibung der Juden war. Zu Beginn des 8. Jahrhunderts, nur wenige Jahre vor der Eroberung weiter Teile Spaniens durch die Araber 711, tauchten sogar die ersten antijüdischen Verschwörungstheorien auf, wonach die in Spanien lebenden Juden zusammen mit den Juden des Orients Aktionen gegen Staat und Kirche planten. Die arabische Eroberung verhinderte eine weitere Eskalation der antijüdischen Stimmung. Tatsächlich brachten die ersten Jahrhunderte der arabischen Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel eine Zeit des Friedens für die jüdischen Einwohner, und dies, obwohl es in den ersten Jahrzehnten immer wieder zu jüdischen und auch jüdischchristlichen Aufständen gegen die Araber kam. Zu jener Zeit lebte fast die Hälfte aller Juden auf der Iberischen Halbinsel. Das 10. und 11. Jahrhundert brachte eine Hochblüte des sephardischen Judentums in Kultur und Wissenschaft. Eines der frühesten Zentren jüdischer Gelehrsamkeit und arabischer Kultur entstanden in Córdoba. Hier wirkte der Arzt und Diplomat Chasdai ibn Schaprut (915-961). Auch die erste jüdische Gelehrtenschule Spaniens entstand in Córdoba, gegründet von dem aus Sura als Sklaven hierher gebrachten Moses ben Chanoch. Sein Schüler Josef ben Abitur übersetzte die Mischna ins Spanische. Aus Córdoba stammte auch der berühmteste jüdische Philosoph des Mittelalters, Moses Maimonides. Im Königreich Granada und Málaga wurde Samuel ha Nagid Wesir des Königs, eine Stelle die er fast 30 Jahre lang innehatte. Sein Zeitgenosse war der aus Málaga stammende Dichter Salomon ibn Gabriol (1021-1058), dessen geistliche Werke Eingang in die Liturgie fanden und dessen weltliche Gedichte, zumeist Liebesgedichte, einen Höhepunkt der mittelalterlich sephardischen Dichtung darstellen. Unter dem Pseudonym Avecebron übte sein posthum erschienenes philosophisches Werk Mekor Chajim (Quell des Lebens) einen großen Einfluss auf die christlichen Autoren seiner Zeit aus. Bachja ibn Pakuda, der Begründer der jüdischen Moralphilosophie, über dessen Lebensdaten nichts bekannt ist, verfasste mit Chewot halewawot (Herzenspflichten) eine der lange Zeit beliebtesten Erbauungsschriften über die jüdisch-talmudistische Frömmigkeit. Während der Zeit der Almoraviden und Almohaden im 12. und 13. Jahrhundert kam es vonseiten der arabischen Herrscher zu einer Reihe von Verfolgungen, die immer auch wieder abgelöst wurden von Perioden relativen Friedens und relativer Sicherheit für die Juden. Viele der verfolgten und vertriebenen Juden flüchteten in den christlichen Teil Spaniens, nach Palästina oder nach Nordafrika. Die Bedeutung der arabischen Kultur und der weitgehenden Assimilation der jüdischen Bevölkerung an diese wird auch daran deutlich, dass Moses Maimonides sein More Nevuchim (Führer der Verirrten) zunächst in arabischer Sprache verfasste. Doch auch er musste vor den Verfolgungen durch die Almohaden mit seiner Familie nach Nordafrika flüchten. Für die im maurischen Spanien zurückgebliebenen Juden verschlechterte sich die Lage in dem Maße, in dem die christliche Reconquista Teile Spaniens wieder zurückeroberte. Im christlichen Teil Spaniens war Toledo im 12. und 13. Jahrhundert ein Zentrum jüdisch-christlicher Kultur in Europa. Hier hatte Mitte des 12. Jahrhunderts der Erzbischof Don Raimundo eine Übersetzerschule gegründet, die aus Juden wie Christen gleichermaßen bestand und wesentlich an der Vermittlung antiker Philosophie und arabischer Naturwissenschaft im mittelalterlichen Europa Anteil hatte. Jüdische Gelehrte erlangten hohe Positionen in Staat und Gesellschaft. Josef ha Nasi ben Farrizueul, genannt Cidellus, wurde Leibarzt im Dienst des kastilischen Königs Alfons VI. Nach dessen Tod jedoch kam es zu größeren Judenverfolgungen in Kastilien. Barcelona wurde ein Zentrum talmudischer Gelehrsamkeit; im spanischen-provenzalischen Grenzgebiet entstand die Kabbala. Der eher judenfreundlichen Politik des Königs und des Adels stand im christlichen Spanien jedoch seit der Mitte des 13. Jahrhunderts eine judenfeindliche Einstellung von Kirche und Bürgerschaft gegenüber. Unter dem Einfluss des allgemeinen Konzils von Vienne (siehe Ökumenische Konzile) im Jahr 1311 forderte der spanische Klerus immer lauter die Entfernung der Juden aus allen Staatsämtern, die Trennung von christlichen von jüdischen Lebensbereichen, die Aufhebung des Zeugnisrechtes für Juden und ihre öffentliche Kenntlichmachung durch besondere Kleiderattribute, wie dem Tragen eines Judenabzeichens. Am 6. Juni 1391 stürmte der seit Jahrzehnten durch antijüdische Propaganda von der Kanzel herab aufgeputschte Pöbel das jüdische Viertel Sevillas. Seine Bewohner wurden, wenn sie nicht den Tod fanden, als Sklaven verkauft oder der Zwangstaufe unterzogen. (Letztere wurde bereits seit der Zeit der Westgoten durchgeführt.) Die zwangsgetauften Juden - spanisch conversos bzw. Marranen: Schweine), lateinisch christiani novi, hebräisch annussim: Gezwungene genannt - sollten in den folgenden Jahrzehnten das Ziel blutiger Verfolgungen und Massaker sein. Die Entwicklung in Spanien war jedoch keine Entwicklung am Rande Europas, sondern entsprach dem allgemeinen politischen und sozialen Klima den Juden gegenüber. Bereits 1144 waren im englischen Norwich die ersten Beschuldigungen wegen angeblichen rituellen Christenmordes aufgetaucht, die in der Enteignung und endgültigen Vertreibung der Juden aus England unter Eduard I. gipfelten. 1394 folgte Karl VI. von Frankreich seinem Beispiel. 1215 bereits hatte Papst Innozenz III. auf dem 4. Laterankonzil (siehe Laterankonzilien)eine Reihe von antijüdischen Maßnahmen verkündet. Wie schon im arabischen Kodex Omar forderte auch er, dass sich Juden in der Öffentlichkeit durch bestimmte Farben und Kleidung kenntlich zu machen hätten. Die antijüdischen kirchlichen Gesetze führten schließlich zum Verbot des Talmud und 1240 zu seiner öffentlichen Verbrennung. Zwar hob Innozenz IV. das Talmudverbot wieder auf, doch konnte er die antijüdischen Tendenzen und Haltungen innerhalb der Kirche damit nicht verhindern bzw. abmildern. Zwischen 1298 und 1348 kam es zu schweren Verfolgungen vor allem in den deutschsprachigen Gebieten, so 1298 bis 1303 durch die so genannte Rindfleisch-Bewegung und zwischen 1336 und 1338 durch die Armleder-Bewegung, in deren Verlauf es zu zahlreichen blutigen Pogromen in Deutschland kam. Als in den Jahren 1348 bis 1353 die Pest in ganz Europa wütete - man schätzt, dass während der verschiedenen Schübe, in denen die Pest immer wieder aufflammte, 25 Millionen Menschen in Westeuropa starben - wurden die Juden als vermeintliche Urheber der Seuche verfolgt. In Spanien wurden seit 1391 die Juden offiziell verfolgt und mussten zwischen Hinrichtung und Zwangstaufe wählen. Eine besondere Schärfe erhielten die Verfolgungen, als mit Einführung der Inquisition 1480 unter Ferdinand von Aragonien und Isabella von Kastilien nicht mehr nur die Juden Ziel der Nachstellungen wurden, sondern auch jene, die zwar rein äußerlich zum Christentum konvertiert waren, um ihr Leben zu retten, die aber im Geheimen weiterhin ihrem alten Glauben die Treue hielten. Eine große Zahl dieser zwangskatholisierten spanischen und portugiesischen Juden wurde Opfer der Inquisition und starb auf dem Scheiterhaufen. Nicht zuletzt auf Betreiben des Großinquisitors Tomás de Torquemada wurden am 31. März 1492 alle Juden aus Spanien vertrieben. 1497 folgte auch ihre Ausweisung aus Portugal. Einige der vertriebenen Sephardim ließen sich zunächst in Brasilien nieder. Da dort aber nur den Marranen der Aufenthalt erlaubt war und bald auch in den überseeischen Kolonien die Verfolgung durch die Inquisition eingeführt wurde, verließen viele Juden das Land wieder. 1654 waren es brasilianische Marranen, die erstmals eine Gemeinde in der niederländischen Kolonie Neuamsterdam (heute New York City) gründeten. Die Mehrzahl der sephardischen Juden floh jedoch ins Osmanische Reich, nach Holland, Deutschland, Italien oder Griechenland. Von großer Bedeutung für die weitere kulturgeschichtliche Entwicklung in Europa wurden die nach Italien geflohenen Juden, da sie dank ihrer profunden Kenntnisse antiker Autoren und antiker Philosophie einen entscheidenden Einfluss auf die Entstehung der Renaissance hatten. Die größte jüdische Gemeinde Europas befand sich im 16. Jahrhundert jedoch in Konstantinopel, dem späteren Istanbul. Die einwandernden Marranen trafen hier auf eine bereits bestehende lebendige jüdische Bevölkerung: Neben den Griechisch sprechenden Romanioten - so nannten sich die Byzantiner - lebten hier eine kleinere Gruppe aschkenasischer Juden, eine große Gruppe osteuropäischer Juden, die vor den Verfolgungen aus Osteuropa ins Osmanische Reich geflüchtet waren, sowie eine kleine Gemeinde von Karärern, die bedeutende Vertreter hervorbrachte. In Deutschland spielten die Marranen eine wichtige Rolle bei der Entstehung der jüdischen Aufklärung bzw. Haskala sowie allgemein im Emanzipationsprozess innerhalb der jüdischen Bevölkerung im 18. Jahrhundert. Die meisten dieser Marranen waren erst Anfang des 17. Jahrhunderts von Amsterdam und Antwerpen nach Deutschland, vor allem nach Hamburg, gekommen. Sie waren Nachfahren der ursprünglich aus Spanien und Portugal in die Niederlande geflüchtete Marranen, die dort geschlossen zum Judentum zurückgekehrt waren. Nach der protestantischen Reformation wurden manche Länder Europas toleranter gegenüber den Juden. Erste Anzeichen gab es in England, wo das Commonwealth unter Oliver Cromwell den Juden ab 1650 die Einwanderung anbot. Einflussreiche Männer wie der Philosoph John Locke und der Missionar Roger Williams luden sie zudem ein, sich in den englischen Kolonien Nordamerikas niederzulassen. In Frankreich verlieh die Nationalversammlung den Juden im Zuge der Französischen Revolution 1791 das Wahlrecht. Die meisten aschkenasischen Juden, die zur Zeit der Kreuzzüge und der verschiedenen Pestepidemien in Mitteleuropa vor den Verfolgungen nach Osteuropa geflüchtet waren, hatten sich in Polen und Russland niedergelassen. Um 1648 betrug ihre Zahl in Polen über 500 000, die innerhalb des Königreichs ihre Autonomie bewahrten und das Land zu einem Zentrum des jüdischen Lebens machten. Zwischen 1648 und 1658 kam es zu Pogromen in der Ukraine, die nach dem Aufstand des Kosakenführers Chelmnizki (um 1595 bis 1657) einsetzten. Siehe auch Sabbatai Zwi. Der Zerfall des polnischen Staates und die Teilungen Polens führten zu Beginn des 19. Jahrhunderts dazu, dass von nun an die ursprünglich einheitliche jüdische Bevölkerung Osteuropas in verschiedenen politischen Einflussgebieten lebte und sich auch verschieden entwickelte. Ein Teil der jüdischen Bevölkerung war durch die Teilungen zu Bürgern des Habsburgerreichs bzw. Preußens geworden. Doch der weitaus größere Teil lebte nun im zaristischen Russland, wo die Ansiedlung nicht nur auf den so genannten Ansiedlungsrayons beschränkt war, sondern wo die Juden auch politisch nahezu rechtlos waren. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts verschlechterte sich die Lage der jüdischen Bevölkerung in Osteuropa rapide. In Russland kam es zu zahlreichen Pogromen, die ihren Höhepunkt gegen Ende des Jahrhunderts erreichten und bis zur Russischen Revolution 1917 immer wieder aufflammten. Zwischen 1890 und dem Ende des 1. Weltkriegs emigrierten als Folge der Pogrome rund zwei Millionen Juden aus Russland in die Vereinigten Staaten. Lebten zur Zeit des Nordamerikanischen Unabhängigkeitskriegs um 1780 schätzungsweise 2 000 Juden in den USA, so war ihre Zahl um 1880 schon auf annähernd 250 000 angestiegen. Während der nächsten vierzig Jahre reisten nochmals drei Millionen Juden ein, vor allem aus Osteuropa. Der große Strom versiegte erst 1924 mit der Einführung der Einwanderungsbeschränkungen. Nach 1933 waren die Vereinigten Staaten dann ein wichtiger Fluchtpunkt für die vor dem Terror des Nationalsozialismus flüchtenden Juden aus ganz West- und Osteuropa. Andere Kolonien ehemaliger osteuropäischer Juden waren bereits früh auch in Kanada, Südamerika (insbesondere in Argentinien) sowie in Palästina entstanden. 8.7.1 Das Leben in Deutschland In keinem anderen Land war zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Idee der Aufklärung so sehr mit der Problematik der bürgerlichen Eingliederung der Juden verbunden wie in den deutschen Staaten. Überlegungen zur nationalen Einheit waren immer auch geprägt von der Frage nach der Rolle der jüdischen Bevölkerung darin, denn eine Verbesserung der Lage aller, so der allgemeine Tenor, könne nur erreicht werden, wenn man auch die Lage der Juden verbessere - und dies sowohl im moralisch-ethischen als auch im politisch-sozialen Sinne. Eines der frühesten Dokumente dieser Entwicklung war Christian Wilhelm Dohms Schrift Über die bürgerliche Verbesserung der Juden (1781), die eine Flut ähnlicher Veröffentlichungen von jüdischer wie nichtjüdischer Seite nach sich zog. Die öffentliche und politische Bedeutung dieser Diskussion lässt sich noch bis in die Zeit des ersten deutschen Parlaments verfolgen, in der nicht nur zahlreiche jüdische Vertreter saßen, sondern in der auch über die Judenfrage verhandelt wurde. Die viel diskutierte Rede von der deutsch-jüdischen Symbiose hat hier ihren Ursprung. Wie weitreichend diese Annäherung war, wird auch auch darin ersichtlich, dass der Aufklärer Moses Mendelssohn sowohl als Vertreter der deutschen Aufklärung wie auch als der Hauptvertreter und eigentlicher Auslöser der jüdischen Haskala gilt. Innerhalb der deutsch-jüdischen Geschichte sind sowohl Leopold Zunz' Wissenschaft vom Judentum sowie die verschiedenen religiösen Reformbewegungen, etwa das Liberale Judentum bzw. Reformjudentum, die Austritts-Bewegung oder die Neo-Orthodoxie ( siehe orthodoxes Judentum), die alle von deutschen Glaubensvertretern ausgingen, nur vor dem Hintergrund der besonderen Entwicklung des Verhältnisses von Deutschen und Juden im 19. Jahrhundert zu verstehen. Auf politischer Ebene gehören auch die Entstehung der zionistischen Bewegung am Ende des 19. Jahrhunderts bzw. die Gründung des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens hierher - beide Bewegungen stehen am jeweils entgegengesetzten Ende jüdischen Selbstverständnisses zum Ausgang des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Obwohl in der ersten Phase des Zionismus die deutschen Vertreter eine zentrale Rolle spielten und bis 1928 die Weltorganisation der Zionisten in Berlin ihren Sitz hatte, stellten die Zionisten innerhalb der jüdischen Bevölkerung in Deutschland eine Minderheit dar. Die Mehrheit sah sich durch den Centralverein vertreten. 8.7.2 Der Antisemitismus Fast gleichzeitig mit der politischen Emanzipation und rechtlichen Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland formierten sich auch Gruppen, die gegen diese Entwicklung opponierten. In Deutschland und Frankreich fand die antijüdische Gesinnung zahlreiche Anhänger. Der sich Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge der Fortschrittsund Wissenschaftsgläubigkeit ausbildende Antisemitismus lieferte die angeblich naturwissenschaftliche Begründung für die antijüdischen Reaktionen der unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppierungen. Mit der Formulierung und Begründung des Antisemitismus durch Joseph Arthur Gobineau, Houston Steward Chamberlain und andere erhielten antijüdische Ressentiments nach der wirtschaftlichen und sozialen Krise der Gründerjahre eine neue Qualität. Während sich diese scheinbar naturwissenschaftlich begründete Form nur am äußersten Rand der Gesellschaft ausbreitete, entstanden in Europa zahlreiche antijüdische Gruppierungen und sogar Parteien. In Deutschland förderte etwa der antisemitische Hofprediger Adolf Stoecker diese Entwicklung. In Deutschland, Frankreich, Österreich und Ungarn schlossen sich politische Gruppen zusammen, deren erklärtes Ziel es war, die Judenemanzipation rückgängig zu machen. Seinen ersten Höhepunkt erreichte der Antisemitismus mit der Dreyfus-Affäre in Frankreich. Aufgrund gefälschter Papiere und falscher Zeugenaussagen war der aus dem Elsass stammende jüdische Offizier unehrenhaft aus der Armee entlassen und in die Verbannung geschickt worden. Diese Affäre spaltete die damalige französische Gesellschaft. Einer der Beobachter des Prozesses und seiner Folgen war der österreichische Journalist und Schriftsteller Theodor Herzl. Er gelangte zu der Überzeugung, dass nur ein jüdischer Nationalstaat das Problem des Antisemitismus dauerhaft lösen könne. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurden rund sechs Millionen Juden ermordet. Die meisten von ihnen kamen während des Holocaust in Vernichtungslagern ums Leben. Dies trug maßgeblich zur Gründung des Staates Israel bei und bestimmt bis heute das Verhältnis von Deutschen und Juden. 8.8 Das Judentum in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg Nach dem 2. Weltkrieg lebte nur noch eine gegenüber der Zeit vor 1933 verschwindend geringe Anzahl von Juden in Deutschland. Die meisten waren in Verstecken oder dank ihrer nichtjüdischen Ehepartner der Verfolgung entgangen, manche hatten die Vernichtungslager überlebt, und einige waren nach dem Krieg aus dem Exil wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Gerade Letzteres traf bei jüdischen Organisationen im Ausland auf großes Unverständnis; einige jüdisch-amerikanische Vereinigungen forderten die in Deutschland lebenden Juden 1950 sogar ultimativ auf, das Land zu verlassen - ein Appell, der aber von nur wenigen befolgt wurde. Gleichzeitig nahm Bundeskanzler Konrad Adenauer auf internationalen Druck Wiedergutmachungsverhandlungen mit Israel auf, die schließlich zum Abkommen von Luxemburg führten. Ebenfalls 1950 konstituierte sich der Zentralrat der Juden in Deutschland. Die Tatsache, dass in dieser Dachorganisation nicht mehr von ,,deutschen Juden" die Rede war, zeigte, wie tief der Bruch zwischen dem jüdischen Leben in Deutschland vor 1933 und dem nach 1945 empfunden wurde. 1950 lebten etwa 15 000 Juden in Deutschland. Die jüdischen Gemeinden, die sich sofort nach Kriegsende wieder bildeten, waren sehr klein, was sich auch auf die Gemeindestrukturen auswirkte: Es entstanden so genannte Einheitsgemeinden, in denen die Pluralität der religiösen Richtungen zugunsten einer einzigen aufgegeben wurde. Seitdem aber durch die jüdischen Auswanderer aus Osteuropa (vor allem aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion) die jüdischen Gemeinden wieder anwuchsen, bildeten sich auch wieder andere jüdische Gemeinschaften wie etwa die Reformgemeinde in München oder die Agudass Israel in Berlin. Viele der nach dem Krieg aus dem Exil zurückkehrenden jüdischen Kommunisten entschieden sich für die Sowjetische Besatzungszone bzw. die DDR. Der Schriftsteller Stefan Heym und der Literaturhistoriker Hans Mayer ließen sich nach Kriegsende ebenso hier nieder wie die Schriftstellerin Anna Seghers, der Komponist Hanns Eisler oder der Schriftsteller Arnold Zweig. Mit der fortschreitenden Ausrichtung der DDR an der antizionistischen stalinistischen Politik der Sowjetunion wurden ab 1953 viele Personen aufgrund ihrer jüdischen Herkunft von hohen Staatsämtern ausgeschlossen. Nur wenige der zurückgekehrten Juden wurden in der jüdischen Gemeinde aktiv: Ihre Zahl sank auf 350 in den achtziger Jahren. Die DDR hat den Staat Israel nie offiziell anerkannt. 8.8.1 Das Judentum im vereinigten Deutschland Im Vorfeld der Wahl des Bundespräsidenten 1994 sprachen sich viele Vertreter des öffentlichen Lebens dafür aus, den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, als Präsidentschaftskandidaten zu nominieren, um so ein sehr deutliches Zeichen gegen den zunehmenden Rassismus und Antisemitismus im vereinigten Deutschland zu setzen. Unterdessen wuchsen die jüdischen Gemeinden in Deutschland rapide an: 1989 hatten die jüdischen Gemeinden in Deutschland etwa 26 000 Mitglieder, in den darauf folgenden 15 Jahren kamen etwa 80 000 jüdische Immigranten aus Osteuropa, vor allem aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion hinzu; die Zahl der Gemeinden stieg auf mehr als 100. Insgesamt wanderten in den Jahren 1989 bis 2004 rund 190 000 so genannte jüdische Kontingentflüchtlinge aus dem Osten nach Deutschland ein, d. h., die Mehrheit schloss sich keiner jüdischen Gemeinde an. Durch die starke Zuwanderung ist die Struktur der jüdischen Gemeinden einem ständigen Wandel unterworfen. Entgegen der Hoffnung der jüdischen Gemeinden, die Einwanderer aus Osteuropa stünden den religiösen Traditionen des Judentums näher als die eingesessenen Gemeindemitglieder, ist bei den Juden, die in den ehemals sozialistischen Staaten gelebt haben, die Säkularisierung weit fortgeschritten. Die Gemeinden sind mehr und mehr dazu gezwungen, den von Arbeitslosigkeit und anderen Problemen bei der Integration überforderten Neubürgern Hilfestellung zu leisten. Ihrem Selbstverständnis nach sehen sie sich aber eher als Bewahrer der jüdischen Glaubenstradition denn als soziale Hilfsorganisation. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.
religion

« Pentateuch, sondern die gesamte rabbinische Literatur. 5 GEBETE UND RITEN Gläubige Juden verstehen das gesamte Leben als Dienst an Gott.

Der Spruch „Ich habe den Herrn allezeit vor Augen” (Psalm 16, 8), der auf der Vorderwand zahlreicherSynagogen steht, kennzeichnet die traditionelle jüdische Frömmigkeit.

Orthodoxe Juden beten dreimal am Tag: am Morgen (schacharit), am Nachmittag (mincha) und am Abend (maarib) .

Zu diesen Zeiten brachte man früher Opfergaben im Tempel von Jerusalem dar, so dass das Gebet in gewissem Sinn den Tempeldienst nach der Zerstörung des Gotteshauses fortsetzt. Als einzig festes Element umfasst der Gottesdienst eine Reihe von Segnungen, im Stehen verrichtete, hymnische Gebete ( siehe Numeri 6, 22-27).

Dazu gehört vor allem das Schemone Esre (Achtzehngebet), ein Bittgebet, das im sephardischen Ritus Amida (das Stehen) bzw.

(in älteren Quellen) auch Tefilla genannt wird.

An Wochentagen besteht dieses heutzutage aus 19 Segnungen, die 13 Bitten um Wohlergehen und messianische Erfüllung umfassen.

Am Sabbat und an Festtagen werden die Bitten durchGebete ersetzt, die dem jeweiligen Anlass entsprechen.

Zu den Morgen- und Abendgebeten gehört überdies das Schema Israel, das jüdische Glaubensbekenntnis.

JederGottesdienst schließt mit zwei messianischen Gebeten, dem Alenu sowie dem Kaddisch, einer aramäischen Doxologie.

Als Zeichen seiner Ergebenheit trägt der erwachsene männliche Vorbeter während des Morgengebets einen Gebetsmantel (Tallit) mit Quasten (Zizit) sowie das Tefillin, an einem Ledergehäuse befestigte Gebetsriemen (vgl.Deuteronomium 6, 8).

Am Türpfosten eines Hauses erinnert die Mesusa an Gottes Allgegenwart.

Diese Rollenkapsel ist auf der rechten Seite des Türpfostens, vom Eintretenden aus gesehen, angebracht.

Sie besteht aus einem kleinen Pergamentstreifen, der mit den Worten aus Deuteronomium 6, 4-9 und 11, 13-21 beschriftet ist.

Derzusammengerollte Streifen ist in eine kleine Kapsel gelegt; sie wird an allen Eingängen jedes Wohnraums befestigt. Als Zeichen des Respekts vor Gott bedecken die Juden ihren Kopf während des Gebets mit einem Hut oder einem Gebetskäppchen ( kippa; jiddisch jarmulke ).

Orthodoxe Juden betrachten die Kopfbedeckung in und außerhalb der Synagoge als Zeichen der Treue gegenüber der jüdischen Tradition.

Chassidische Jüdinnen tragen entwederständig eine Kopfbedeckung oder scheren sich den Kopf und tragen eine Perücke (Scheitel). Die jüdischen Speisegebote gehen auf den Tempelkult zurück.

Der häusliche Esstisch wird analog zum Altar des Herrn aufgebaut.

Bestimmte Tiere gelten als unrein unddürfen daher nicht gegessen werden (Deuteronomium 14, 3-21).

Hierzu zählen Schweine und Fische ohne Flossen oder Schuppen.

Erlaubt (hebräisch: kascher; jiddisch: koscher ) ist das Fleisch von Tieren mit gespaltenen Hufen, die ihr Futter wiederkäuen, jedoch nur, wenn der Schlachter strenge Regeln beachtet und das gesamte Blut im Vorgang des Schächtens vor dem Verzehr vollständig entfernt hat.

Fleisch- und Milchprodukte dürfen nicht zusammen verzehrt werden.

Orthodoxe Haushalte verfügendaher auch über getrennte Geschirre und Töpfe für milchige und fleischige Speisen. 6 DER SABBAT Der liturgische Kalender der Juden richtet seine Zeiteinteilung nach den Vorschriften der Thora und den Traditionen des Tempelkultes.

Am siebten Tag, dem Sabbat, soll dieArbeit ruhen.

Sie verbringen den Sabbat mit Gebeten, Bibelstudien, Erholung und beim gemeinsamen Mahl im Familienkreis.

Wie an Festtagen gibt es auch am Sabbateinen zusätzlichen (mussaf) Gottesdienst in der Synagoge, der mit einer Opferhandlung in Verbindung steht, die früher im Tempel ausgeführt wurde. 7 KALENDER UND FESTE Der jüdische Kalender ist ein Mondkalender.

Im 19-jährigen Schaltzyklus sind die Jahre 3, 6, 8, 11, 14, 17, 19 Schaltjahre.

Die Länge der Jahre variiert zwischen 353, 354und 355 Tagen, die der Schaltjahre zwischen 383, 384 und 385 Tagen.

Die Jahreszählung entspricht dadurch der des christlichen Kalenders.

Die jüdische Zeitrechnungbeginnt mit dem Tag der Schöpfung, der dem 5.

Oktober 3761 v.

Chr.

entsprechen würde.

Ende 1998 schrieb man nach jüdischem Kalender das Jahr 5759. Das jüdische Jahr umfasst fünf große und zwei kleine Feste.

Drei der Hauptfeiern wurzeln in der bäuerlichen Kultur und folgen dem Rhythmus der Jahreszeiten.

Passah, dasFrühlingsfest, markiert den Beginn der Gerstenernte, die 50 Tage später mit dem Wochenfest Schawuot (Fest der Schnitternte) endet.

Mit dem Laubhüttenfest (Sukkot) wird die Herbsternte gefeiert, der eine zehntägige Phase der allgemeinen Reinigung vorausgeht. Passah erinnert an den Exodus aus Ägypten, Schawuot an die Übergabe der Gesetzestafeln auf dem Berg Sinai, weshalb zu diesem Anlass die feierliche Verlesung der ZehnGebote in der Synagoge gehört.

Die zehn Tage währende Bußzeit vor dem Laubhüttenfest beginnt mit Rosch Haschana, der Neujahrsfeier, und endet mit Jom Kippur, demVersöhnungstag.

Nach alter Tradition wird die Welt an jedem Neujahrstag gerichtet und der Bund am Versöhnungstag von neuem besiegelt.

Am Neujahrstag wird das Volkmit einem Schofar (Widderhorn) zur Buße aufgerufen.

Der Versöhnungstag, der heiligste Tag des jüdischen Kalenders, dient dem Fasten, dem Gebet und der Umkehr.

Seine Liturgie beginnt mit dem Klagegesang des Kol Nidre und schließt eine Erinnerung an den Ritus dieses Tages (avoda) im Tempel ein. Für die Israeliten kennzeichnete das Laubhüttenfest traditionell das Ende des landwirtschaftlichen Jahres.

Es war daher eine Zeit der Freude und der Danksagung an Gott.Da der Sühnetag Jom Kippur nur fünf Tage vorher gefeiert wurde, hatte man das Empfinden, mit Gott im Reinen zu sein.

Verpflichtend war die Teilnahme zwar nur fürMänner, in der Regel nahm jedoch die ganze Familie an diesem Fest teil.

Sie wohnte während der sieben Tage des Festes in Laubhütten.

Die Hütten wurden in den Höfender Häuser und Tempel, auf den Dächern der Wohnungen, auf öffentlichen Plätzen und auf Straßen erbaut.

Sie durften nicht weiter als eine Sabbat-Tagereise von der Stadtentfernt sein.

Die Gleichheit aller Teilnehmer am Fest wurde dadurch betont, dass reiche und arme Juden während der sieben Tage in einfachen Laubhütten wohnten. Die beiden kleineren Feste, Chanukka und Purim, entstanden später als die fünf vom Pentateuch vorgeschriebenen Feiern.

Chanukka, das Tempelweihfest, feiert denAufstand der Makkabäer gegen den syrischen König Antiochos IV.

165 v.

Chr.

und die anschließende Weihe des zweiten Tempels.

Charakteristisch für dieses Fest ist dasAnzünden von Kerzen während acht Tagen. An Purim (Losfest) wird die Befreiung der persischen Juden durch Esther und Mordechai gefeiert.

Auf dem Höhepunkt dieses Festes, das einen Monat vor Passah stattfindet,wird die Esther-Rolle (megilla) in der Synagoge verlesen.

Vier Fastentage, die Ereignisse im Rahmen der Belagerung und Zerstörung der beiden Tempel in den Jahren 586 v.

Chr.

und 70 n.

Chr.

wachrufen, vervollständigen das liturgische Jahr.

Der Wichtigste trägt den Namen Tischa be Aw (neunter Tag des Monats Aw) und erinnert an die zweimalige Zerstörung des Tempels und die Vertreibung der Juden aus Spanien im Jahr 1492. Mit 13 Jahren erreichen jüdische Knaben die gesetzliche und religiöse Mündigkeit und übernehmen von da an selbst die Verantwortung für die Beachtung aller Gebote (Bar-Mizwa).

Auch dürfen sie dann zum ersten Mal in der Synagoge aus der Thora vorlesen.

Dieser Brauch entstand erst im 15.

Jahrhundert.

Mädchen sind mit zwölf Jahrenvolljährig und feiern dies in modernen, liberalen Synagogen mit dem gleichen Ritus wie die Jungen (Bat-Mizwa). Den nächsten Wendepunkt im Leben eines gläubigen Juden stellt die Hochzeit ( kidduschin: Heiligung) dar.

Die sieben Vermählungssegnungen schließen Bittgebete für den Wiederaufbau von Jerusalem und die Rückkehr des jüdischen Volkes nach Zion ein. Desgleichen bettet der jüdische Bestattungsritus die Hoffnung auf die Auferstehung des Toten in ein Gebet für die Erlösung des gesamten Volkes ein.

Fromme Juden lassensich in ihrem Tallit (Gebetsmantel) begraben. Zu den verschiedenen Strömungen im Judentum siehe die Artikel Reformjudentum, konservatives Judentum, Rekonstruktionismus, orthodoxes Judentum, Chassidismus. 8 GESCHICHTE. »

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