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Carl Friedrich Zelter: Über Joseph Haydn - Texte.

Publié le 22/06/2013

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Carl Friedrich Zelter: Über Joseph Haydn - Texte. Der Liederkomponist Carl Friedrich Zelter, Leiter der Berliner Singakademie und Freund Goethes, veröffentlichte 1802 in der ,,Leipziger Musikalischen Zeitung" einen Aufsatz über den von ihm sehr geschätzten österreichischen Komponisten Joseph Haydn. In dem folgenden Auszug beschreibt Zelter Haydns Sinfonik und seine Streichquartette, die er als das Zentrum seines OEuvres betrachtet. Carl Friedrich Zelter: Über Joseph Haydn ,,Diejenigen Werke, in welchen Haydn sich vor allen Komponisten ausgezeichnet hat, bestehen besonders in Symphonien und Quartetten, zu deren Einrichtung er sich eine ganz neue Bahn gebrochen hat, die vor ihm kein musikalisches Stück hatte. Diese Symphonien und Quartette sind eine Suite von Stücken, deren Teile in keiner Verbindung untereinander stehen: erst ein Allegro, dann ein Adagio, dann ein Menuett und zuletzt ein Rondeau oder sonst ein lebhafter Satz. Die Allegro sind kräftig, lebhaft, geistvoll und sehr fließend. Die zweiten Hälften derselben sind mehrenteils gedacht, gelehrt und auf das eigentümlichste entwickelt. Es gibt keinen musikalischen Gedanken, sei er auch noch so einfältig oder bunt, der nicht durch Verkehrungen, Zerteilungen, Versetzungen und Ähnlichkeiten interessant würde, die Sicherheit und Gewandtheit in den Künsten des Kontrapunkts, von einer nie erschöpften Gedankenquelle unterhalten, führen das Ohr unvermutet in Wildnisse und Tiefen, wohin es einer so sicheren Leitung gerne folgt und immer dafür reichlich belohnt wird. Dieses Spiel der leichten Phantasie, die sich alle Kunstmittel untertan zu machen weiß, gibt dem kleinsten Fluge des Genius eine Keckheit und Dreistigkeit, die von allen Seiten abwärts geht und das Feld ästhetischer Kunst bis ins Unendliche erweitert, ohne Schaden oder Furcht zu bewirken. So wie die Natur selbst, der jedes neue Produkt gelingen muß, ist dieser Genius. In ihm ruht alles beisammen; er setzt sich in Bewegung, und was da wird, das bleibt und gehört zu den Dingen. Haydns Stücke haben manchmal gar kein Thema und scheinen in der Mitte anzufangen, und doch haben sie bei aller Leichtigkeit einen Fluß und eine Ordnung, die überall eine sichere Meisterhand verkündigen. Die Adagio oder Andante haben die allerverschiedensten Formen. Mehrenteils haben sie einen breiten Umfang und das Ansehen eines großen Stils, doch verlangen sie einen brillanten, lebendigen Vortrag und sind, im ganzen genommen, nicht von der sentimentalen und rührenden Gattung, vielmehr atmen sie einen Nationalgeist der Heiterkeit und Laune, der in einer schmelzenden, ernsthaften Verfassung nicht ausdauern mag. Selbst was man darin leidenschaftlich nennen möchte, ist mehr eine Art idealistischen Übermutes und der Gesundheitsfülle, als daß eine entstehende oder bestimmte Gemütslage durchgeführt werden sollte. Die Menuette sind mit Schätzen praktischer Kunst und des Genies dermaßen ausgeschmückt, daß oft in einem einzigen Haydnschen Menuett so reiche Gelehrsamkeit und Genie anzutreffen ist, um ein großes Musikwerk damit auszustatten. Man würde sich irren, diese Stücke nach der Theorie der eigentlichen Tanzmenuette kritisieren zu wollen. Sie sind vielmehr eine ganz eigene Gattung und stehen wie kleinere leuchtende Körper am Firmamente der Kunst, die ebenso wohl zur Garnitur des Konvoluts gehören, wie so manche Erscheinungen in der Natur, deren Ursachen man oft nicht sieht oder übersieht. Die letzten Allegri oder Rondeaus, wo sich Haydn aller Formen und Mittel bedient, die der Rhythmus, das Zeitmaß und die Harmonie nur gewähren, bestehen im ganzen mehrenteils aus kurzen, leichten Sätzen, die durch eine oft sehr ernsthafte und fleißige Bearbeitung den höchsten Grad des Komischen gewinnen, den kein Begriff durch Worte so vollkommen erreicht, als er hier mit der größten Schnelligkeit mitgeteilt und angenommen wird. In der Mitte und gegen das Ende sind sie voller Leben, Geist und Würze, und haben eine Freiheit, Kühnheit und Stärke, wodurch das gewandteste Ohr bezaubert und berückt wird. Jener Schein von Ernsthaftigkeit ist nur da, um uns die Leichtfertigkeit des angenehmen Tonspiels recht unerwartet zu machen und uns von allen Seiten zu necken, bis wir müde, zu erraten, was kommen wird, und zu begehren, was wir wünschen, und zu fordern, was billig ist, uns auf Diskretion ergeben und dafür von dem Meister in eine geistreiche Stimmung des Wohlwollens und einer heiteren, wohltätigen Laune versetzt werden, die nicht beglückender sein kann. Diesen hier entwickelten Elementargeist haben bis jetzt alle Haydnschen Werke mehr oder weniger offenbart, und das Resultat desselben ist: daß alle Haydnschen Instrumentalkompositionen eine ganz neue, von ihm allein erschaffene Art romantischer Gemälde für das Ohr sind, die sich ebensowenig in Worte und Begriffe übersetzen lassen, wie Verstand und Empfindung ihren angenehmen Eindrücken widerstehen können ..." Carl Friedrich Zelter: Joseph Haydn, der Instrumentalist. In: Josef Rufer: Bekenntnisse und Erkenntnisse. Komponisten über ihr Werk. München 1981, S. 21-23. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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