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Ludwig Feuerbach: Das Wesen des Christentums - Anthologie.

Publié le 17/06/2013

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Ludwig Feuerbach: Das Wesen des Christentums - Anthologie. Der Philosoph Ludwig Andreas Feuerbach (1804-1872) war einer der größten Religionskritiker des 19. Jahrhunderts. Der folgende Auszug aus Das Wesen des Christentums (1841) illustriert die Theorie der Religion als eine Projektion menschlicher Ideale auf ein höheres Äußeres, namentlich auf Gott. Ludwig Feuerbach: Das Wesen des Christentums In dem entwickelten Widerspruch zwischen Glaube und Liebe haben wir den praktischen, handgreiflichen Nötigungsgrund, über das Christentum, über das eigentümliche Wesen der Religion überhaupt uns zu erheben. Wir haben bewiesen, daß der Inhalt und Gegenstand der Religion ein durchaus menschlicher ist, und zwar menschlicher in dem doppelten Sinn dieses Wortes, in welchem es eben sowohl etwas Positives als Negatives bedeutet, daß die Religion nicht nur die Mächte des menschlichen Wesens, sondern selbst auch die Schwachheiten, die subjektivsten Wünsche des menschlichen Herzens, wie z. B. in den Wundern, unbedingt bejaht - bewiesen, daß auch die göttliche Weisheit menschliche Weisheit, daß das Geheimnis der Theologie die Anthropologie, des absoluten Geistes der sogenannte endliche subjektive Geist ist. Aber die Religion hat nicht das Bewußtsein von der Menschlichkeit ihres Inhalts; sie setzt sich vielmehr dem Menschlichen entgegen, oder wenigstens sie gesteht nicht ein, daß ihr Inhalt menschlicher ist. Der notwendige Wendepunkt der Geschichte ist daher dieses offene Bekenntnis und Eingeständnis, daß das Bewußtsein Gottes nichts anderes ist als das Bewußtsein der Gattung, daß der Mensch sich nur über die Schranken seiner Individualität erheben kann und soll, aber nicht über die Gesetze, die positiven Wesensbestimmungen seiner Gattung, daß der Mensch kein anderes Wesen als absolutes Wesen denken, ahnen, vorstellen, fühlen, glauben, wollen, lieben und verehren kann als das Wesen der menschlichen Natur. Unser Verhältnis zur Religion ist daher kein nur negatives, sondern ein kritisches; wir scheiden nur das Wahre vom Falschen - obgleich allerdings die von der Falschheit ausgeschiedene Wahrheit immer eine neue, von der alten wesentlich unterschiedene Wahrheit ist. Die Religion ist das erste Selbstbewußtsein des Menschen. Heilig sind die Religionen eben, weil sie die Überlieferungen des ersten Bewußtseins sind. Aber was der Religion das Erste ist, Gott, das ist an sich der Wahrheit nach das Zweite, denn er ist nur das sich gegenständliche Wesen des Menschen und was ihr das Zweite ist, der Mensch, das muß daher als das Erste gesetzt und ausgesprochen werden. Die Liebe zum Menschen darf keine abgeleitete sein; sie muß zur ursprünglichen werden. Dann allein wird die Liebe eine wahre, heilige, zuverlässige Macht. Hinter der religiösen Liebe kann sich, wie bewiesen, auch der Haß sicher verbergen. Ist das Wesen des Menschen das höchste Wesen des Menschen, so muß auch praktisch das höchste und erste Gesetz die Liebe des Menschen zum Menschen sein. Homo homini Deus est - dies ist der oberste praktische Grundsatz - dies der Wendepunkt der Weltgeschichte. Die Verhältnisse des Kindes zu den Eltern, des Gatten zum Gatten, des Bruders zum Bruder, des Freundes zum Freund, überhaupt des Menschen zum Menschen, kurz, die moralischen Verhältnisse sind per se wahrhaft religiöse Verhältnisse. Das Leben ist überhaupt in seinen wesentlichen, substantiellen Verhältnissen durchaus göttlicher Natur. Seine religiöse Weihe empfängt es nicht erst durch den Segen des Priesters. Die Religion will durch ihre an sich äußerliche Zutat einen Gegenstand heiligen; sie spricht dadurch sich allein als die heilige Macht aus; sie kennt außer sich nur irdische, ungöttliche Verhältnisse; darum eben tritt sie hinzu, um sie erst zu heiligen, zu weihen. Aber die Ehe - natürlich als freier Bund der Liebe - ist durch sich selbst, durch die Natur der Verbindung, die hier geschlossen wird, heilig. Nur die Ehe ist eine religiöse, die eine wahre ist, die dem Wesen der Ehe, der Liebe entspricht. Und so ist es mit allen sittlichen Verhältnissen. Sie sind nur da moralische, sie werden nur da mit sittlichem Sinn gepflogen, wo sie durch sich selbst als religiöse gelten. Wahrhafte Freundschaft ist nur da, wo die Grenzen der Freundschaft mit religiöser Gewissenhaftigkeit bewahrt werden, mit derselben Gewissenhaftigkeit, mit welcher der Gläubige die Dignität seines Gottes wahrt. Heilig ist und sei dir die Freundschaft, heilig das Eigentum, heilig die Ehe, heilig das Wohl jedes Menschen, aber heilig an und für sich selbst. Rolf Günter Renner: Klassiker deutschen Denkens. Band 2: Vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Freiburg i. Br., Basel, Wien 1992, S. 97-99. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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