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Bernard Guibert März 2005 Eine "symptômale Lektüre"

Publié le 11/11/2015

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Bernard Guibert März 2005 Eine "symptômale Lektüre" der "symptômalen Kapital-Lektüre" in Frankreich Die Eule der Minerva fliegt in der Dämmerung Le manuscrit du texte présenté ici a été rédigé d'abord en français. Il a été traduit allemand en 2006 par Frieder Otto Wolf dans un ouvrage collectif intitulé "Das Kapital neu lesen. -Beiträge zur radikalen Philosophie" (page 72 à 101). (Lire à nouveau Le Capital. Contribution à la philosophie radicale). Édité par Jan HOFF, Alexis PETRIOLI, Ingo STÜTZLE et Frieder Otto WOLF chez Westfälisches Dampfboot. Il reprend les notes qui ont été nécessaires au traducteur (Frieder Otto Wolf) pour expliquer les allusions au contexte français de l'époque à un public allemand supposé ne pas le connaître et même à un public français qui l'a sans doute lui-même oublié. La version primitive de ce texte (rédigé en avril 2005) a été remaniée à plusieurs reprises au cours des discussions avec les éditeurs dans le même but de faciliter l'intercompréhension des marxistes français et allemands, ce qui est un début à une relecture commune du Capital. Les notes de l'éditeur allemand ont été traduites en étant précédées de l'abréviation NdE et celles du traducteur (Frieder Otto Wolf) ont été également traduites en étant précédées de NdT lorsqu'il s'agissait d'une note du traducteur et de AdT lorsqu'il s'agissait d'une addition. Vor 40 Jahren, also im Jahr 1965, leiteten zwei Veröffentlichungen, die Schlag auf Schlag erfolgten, eine revolutionäre Neulektüre des marxschen Werks und insbesondere des Kapital ein: Pour Marx [Für Marx] von Louis Althusser1 und Lire le Capital [Das Kapital lesen] von ihm zusammen mit vier seiner Studenten an der École Normale Supérieure: Étienne Balibar, Pierre Macherey, Jacques Rancière, Roger Establet.2 Diese ,symptômale Lektüre' stützte sich auf den Strukturalismus, der gerade auf den Höhepunkt seiner Hegemonie innerhalb der [frankophonen, AdÜ] Humanwissenschaften erreicht hatte. Sie wollte einen Bruch mit einer ideologischen Lektüre des Marxismus vollziehen, um zu einer wissenschaftlichen Lektüre der Geschichte übergehen zu können. Diese neue Marxlektüre beruhte auf der zentralen These, dass Marx auf dem Weg von seinen Jugendschriften zu den Werken seiner Reifezeit einen ,epistemologischen Einschnitt' (coupure épistémologique) vollzog, indem er eine Wissenschaft begründete: die Wissenschaft von der Geschichte, deren erste systematische Darstellung sich im Kapital findet. Dieser Einschnitt entsprach demjenigen, den die exakten Naturwissenschaften im Moment ihrer historischen Begründung vollzogen hatten. Im vorliegenden Beitrag geht es darum, die Wirkungen dieser strukturalistischen Kapital-Lektüre, dieser ,symptômale Lektüre', im intellektuellen Leben Frankreichs zu bilanzieren. Als Ausgangspunkt dieser retrospektiven Bewertung dient dabei die Paradoxie, dass dieses lobenswerte Postulat einer Wissenschaftlichkeit, welche mit jeder Ideologie bricht, gerade in dem Moment proklamiert wurde, als der Strukturalismus - nach Auskunft seiner Historiker - schon beginnt, zu einer Ideologie zu degenerieren, wenn nicht zu einem bloßen intellektuellen Imponiergehabe. Daraus ergibt sich das zweite Moment dieser Inventur des Beitrags des Strukturalismus zur Kapital-Lektüre: Es wird auch darum gehen, die negativen Auswirkungen dieser Ideologisierung des Strukturalismus herauszuarbeiten, in Gestalt von drei Erstarrungen des Marxismus in Frankreich, die ich mit den Stichworten einer philologischen, einer etatistischen und einer franko-französischen Erstarrung andeuten möchte. Aber unter der Oberfläche dieser drei ideologischen Erstarrungen ist die revolutionäre Umwälzung weiterhin wirksam geblieben, wie sie für jede wirkliche Wissenschaft konstitutiv ist. Das wird gerade heute wieder deutlich, wo die theoretische Vernunft wieder einmal die Vernunft der Praxis einholt - wo der 1979 als Garant der konservativen Konterrevolution durchgesetzte Washington Consensus unter dem Gegenwind der weltweiten globalisierungskritischen3 Bewegung (und in Frankreich der Dezemberstreiks 1995) die ersten Risse aufweist. Im Rückblick von diesem Neuanfang der Oppositionsbewegung wird doch deutlich, dass die strukturalistische Kapital-Lektüre zumindest partiell dazu beigetragen hat, das Kapital von seiner szientistischen und positivistischen Entstellung durch die vorherrschende Lektüre zu befreien. Erst dadurch wurde es wieder möglich, eine wahrhafte Versöhnung der Absicht, wirkliche Wissenschaft zu produzieren, mit der Arbeit an einer tiefgreifenden Veränderung der Welt zu erreichen. Es liegt eine Art von historischer Ironie darin, dass in diesem Text gleichsam eine symptômale Lektüre in zweiter Potenz vorgestellt wird, die sich auf die Zeitgeschichte des politischen Lebens in Frankreich bezieht. Als ironische Lektüre zeigt sie, dass die symptômale Lektüre des Kapital selbst ein unbemerktes Symptom war - eine ,Fehlleistung', wie Freud und Lacan es bezeichnet hätten: Das Symptom eines Szientismus, der so kritisch er auch ist, grundlegend doch ein hyperkritisch gesteigert Positivismus bleibt - eines Szientismus, der unter der Faszination der Naturwissenschaften steht, die von der Geschichte nichts wissen.4 Dabei ist die historische Leerstelle, welche diese symptômale Kapital-Lektüre verdeckt hat, selber zeitgenössisch gewesen - ging es doch um das Ereignis des Mai 1968. Gegenwärtig kommt aber die unterirdische Wühlarbeit des eigentlichen Begehrens nach wirklicher Wissenschaft wieder an die Oberfläche - um einem Bruch den Weg zu bereiten, der sich nicht mit der Dimension der Epistemologie begnügen wird, sondern wahrhaft revolutionär sein wird. Und der sich nicht auf das ,Hexagon' Frankreichs beschränken, sondern im Weltmaßstab erfolgen wird. 1. Die Geschichte als Wissenschaft und der Strukturalismus als Ideologie Im Abstand des Rückblicks - nach der phantastischen Distanzierung von der Realität der 1960er Jahre, wie sie der Fall der Berliner Mauer symbolisiert hat - erscheint uns die Zusammenfassung der ,vier Musketiere des Strukturalismus' - Claude Lévi-Strauss, Jacques Lacan, Roland Barthes und Louis Althusser - als das Ergebnis einer allgemeinen Verwirrung und Verwechslung, denen mit ,Struktur' ein ,passe-partout' Wort zugrunde lag, in das alles hineinpasste und in dem sich jeder wiederfinden konnte. Rückblickend können wir diese Verwirrung und Verwechslung als eine typisch französische ,Komödie der Irrungen' interpretieren, in der jeder der Beteiligten hätte vor sich hin murmeln können "Ich bin kein Strukturalist!", ganz wie Marx sich seinerzeit dagegen verwehrt hatte, ein ,Marxist' zu sein. 1.1 Der Zusammenfassung der ,vier Musketiere' liegt ein Missverständnis zugrunde Louis Althusser war der einzige in dieser ,Viererbande', der sich Marx, genauer, den historischen Materialismus, zum Gegenstand nahm. Die anderen waren zwar auch irgendwie ,fortschrittlich', mehr oder minder offen - insgesamt aber doch auf eine eher diskrete Art und Weise. Im Unterschied zu den Intellektuellen der vorhergehenden Generation verwehrten sie sich gegen jede Vermischung von wissenschaftlicher Forschung und politischem Engagement. Diese Haltung hat dann in der Mitte der 1970er Jahre Michel Foucault rationalisiert: Für Foucault geht es darum, dass der ,spezifische Intellektuelle' einen spezifischen technischen Sachverstand in den Dienst einer besonderen ,Sache' stellt - also etwa seine Kenntnis der Techniken der Zwangsausübung in den Dienst der Bewegung der Revolte in den Gefängnissen. Ein derartiger ,spezifischer Intellektueller' steht im Gegensatz zum ,generischen Intellektuellen', welcher die Reichweite einer moralischen Verurteilung dadurch verstärkt, dass er seinen in anderen Arbeitsfeldern erworbenen Ruf ins Spiel bringt. Die exemplarische Inkarnation eines derartigen generischen Intellektuellen in der vorhergehenden Generation war Sartre. Dieser hat mutig sein literarisch erworbenes ,symbolisches Kapital', welches durch seine Ablehnung des Nobelpreises nur noch gewachsen war, politisch eingesetzt, indem er etwa die Position des Chefredakteurs der Zeitung ,Libération' übernahm - damals ein linksradikales Blatt, das beständig Gefahr lief, verboten zu werden. Im Rückblick weist das Gewimmel der damals entstandenen, durchaus bewunderungswürdigen strukturalistischen Werke einen durchaus pathetischen Zug auf, nämlich ihren entschiedenen Willen, die Einheit des Realen zu retten.5 Die Auswirkungen der strukturalistischen Revolution reichten weit über den Kreis der Kapital-Lektüre hinaus und erreichten, mit einigen sehr bedeutsamen Ausnahmen, wie der der Wirtschaftswissenschaft, die Gesamtheit der [frankophonen, AdÜ] Human- und Sozialwissenschaften. In der emphatischen Sprache jener Zeit hat die strukturalistische Revolution einen ganzen ,neuen Kontinent' entdeckt: den Kontinent der Geschichte, in Bezug auf den die unterschiedlichen Disziplinen der Human- und Sozialwissenschaften bloße territoriale bzw. administrative Abgrenzungen vornahmen. Als wichtigste Subkontinente traten damals auf: die strukturale Anthropologie (Claude Lévi-Strauss), die strukturale Linguistik (Chomsky, Benveniste, Roland Barthes, usf.) und die Psychoanalyse (Jacques Lacan). Für den wissenschaftlichen Charakter des gesamten Unternehmens übernahm die Epistemologie die Gewährleistung. In dieser Hinsicht standen die Arbeiten von Louis Althusser, Jacques Derrida, Michel Foucault, Michel Serres, Dominique Lecourt usf. in der Tradition der Arbeiten von Gaston Bachelard, Georges Canguilhem und Alexandre Koyré, also einer hoch angesehenen Linie von Untersuchungen über die Geschichte der exakten Wissenschaften und der Medizin. Was die Geschichte anging, so hatte die berühmt geworden Schule der Annalen (Lucien Febvre, Marc Bloch, Fernand Braudel, Pierre Vilar u.a, vgl. Schöttler 1985 u. 1988) gleichsam unbewusst Wissenschaft und Stukturalismus betrieben - so wie einst Molières M. Jordan zum eigenen Erstaunen Prosa schrieb, ohne sich dessen bewusst gewesen zu sein -, da ihr Gegenstand seit den 1930er Jahren die gesellschaftlichen Tiefenstrukturen und die lange Zeitdauer der Zivilisationen gewesen waren. Dieses Projekt einer epistemologischen Neubegründung knüpfte spezifisch an die in Frankreich von Gaston Bachelard vertretene Tradition kritischer Wissenschaftsforschung an. Deren epistemologische Lehren wurden aber im Wesentlichen aus der Geschichte der Naturwissenschaften und zwar vor allem der mathematischen Physik gewonnen.6 1.2 Die paradoxe Situation von 1965: Der Stellenwert der strukturalistischen Kapital-Lektüre in der Geschichte des Strukturalismus Nach etwa 40 Jahren erscheint uns im Rückblick das Bild, das die Situation des Jahres 1965 uns bietet, als so wenig natürlich wie ein französischer Barockgarten nach dem Modell von Versailles. Die von uns dabei angerufene ,Eule der Minerva' hat inzwischen die Gestalt einer ,Geschichte des Strukturalismus' angenommen, die François Dosse (1992) vorgelegt hat, und zehn Jahre später die der Selbstkritik eines Althusser-Schülers, der im Bereich der Linguistik gearbeitet hat (Milner 2002). Bei beiden gliedert sich die Geschichte des Strukturalismus in zwei unterschiedliche Perioden: Die in wissenschaftlicher Hinsicht fruchtbare Periode in den Bereichen der Linguistik und der Anthropologie geht dabei von 1945 bis 1966. François Dosse spricht hier von einer Phase der Erforschung des ,Feldes des Zeichens' in der Nachfolge der Pionierarbeiten von Ferdinand de Saussure in der Linguistik und von Jakobson, Hjelmslev, Trubetzkoy in der Phonologie, sowie in Frankreich von Émile Benveniste, André Martinet u.a.. Danach wird diese Wissenschaft auf andere Bereiche übertragen und missbräuchlich außerhalb ihres wissenschaftlichen Geltungsbereichs verwendet, um dann in anderen Disziplinen der Human- und Sozialwissenschaften in ideologischer Weise zu wirken. 1967 bis 1992 kommt es so, wie es François Dosse formuliert, zum ,Schwanengesang' des Strukturalismus. Im Rückblick müssen wir also festhalten, dass sich der historische Materialismus in eben dem Moment selber zu einer "streng begründeten Wissenschaft" auf der Grundlage eines im Namen des Strukturalismus in aller Form vollzogenen epistemologischen Bruchs erklärt hat, in dem dieser Strukturalismus sich im Übergang von der Wissenschaft in die Ideologie befand! Ist das alles also bloß eine ,Komödie der Irrungen' auf dem an Täuschungen reichen Theater der Pariser Salons gewesen? Nachdem inzwischen auch noch die letzten Zuckungen der strukturalistischen Mode schon längst zu Ende gegangen ist, steht es jetzt an, eine Bilanz des Strukturalismus zu ziehen. 1.3 Zwei wissenschaftliche Paradigmen des Strukturalismus: Das Paradigma der Algebra und das Paradigma der Linguistik In der ,wissenschaftlichen' Periode des Strukturalismus von 1945 bis 1966 sind zwei relativ unterschiedliche wissenschaftliche Paradigmen zu unterscheiden: das der Ethnologie und das der Linguistik. Das Werk von Claude Lévi-Strauss gehört zunächst einmal zur Ethnologie, indem er die Verwandtschaftssysteme in den sogenannten primitiven Stammesgesellschaften untersuchte. Dabei benutzte er formale Werkzeuge aus der mathematischen Gruppentheorie. Der geniale Mathematiker André Weil, Träger der Field-Medaille, Bruder Simone Weils, befand sich während des Krieges in New York im Exil, ganz wie Lévi-Strauss, und konstruierte das mathematische Modell, das den "Elementaren Strukturen der Verwandtschaft" zugrunde lag, die Lévi-Strauss 1949 veröffentlicht hat. Als sich Lévi-Strauss dagegen in den 1960er Jahren für die Untersuchung der Mythen interessiert, lässt er sich ganz ausdrücklich vom Formalismus der formalisierten Grammatiken inspirieren und ganz besonders von den generativen Grammatiken, wie sie Noam Chomsky innerhalb der Linguistik entwickelt hatte. 1.4 Am Scheideweg zwischen Ethnologie und Mythologie Damit stehen wir vor einer ersten Bifurkation7 innerhalb des Strukturalismus: Auf der einen Seite stehen die Arbeiten zur Ethnologie der Verwandtschaftsbeziehungen, unter einem algebraischen Paradigma, wie sie beispielsweise die Afrikanisten wie vor allem Maurice Godelier und Françoise Héritier in Lévi-Strauss' Abteilung am Collège de France weiter verfolgt haben. Auf der anderen Seite stehen die semiologischen Untersuchungen, die dem Paradigma der generativen Grammatik angehören. Ihre Bedeutung kommt darin zum Ausdruck, dass Roland Barthes als vierter Musketier der strukturalistischen Schule betrachtet wird. Barthes überträgt ...

« 2 Im vorliegenden Beitrag geht es darum, die Wirkungen dieser strukturalistische n Kapital -Lektüre, dieser ‚symptômale Lektüre’, im intellektuellen Leben Frankreichs zu bilanzieren.

Als Ausgangspunkt dieser retrospektiven Bewertung dient dabei die Paradoxie, dass dieses lobenswerte Postulat einer Wissenschaftlichkeit, welche mit jeder Ideologie bricht, gerade in dem Moment proklamiert wurde, als der Strukturalismus – nach Auskunft seiner Historiker – schon beginnt, zu einer Ideologie zu degenerieren, wenn nicht zu einem bloßen intellektuellen Imponiergehabe.

Daraus ergibt sich das zweite Moment dieser Inventur des Beitrags des Strukturalismus zur Kapital -Lektüre: Es wird auch darum gehen, die negativen Auswirkungen dieser Ideologisierung des Strukturalismus herauszuarbeiten, in Gestalt von drei Erstarrungen des Marxismus in Frankreich, die ich mit den Stichworten einer philologischen, einer etatistischen und einer franko-französischen Erstarrung andeuten möchte.

Aber unter der Oberfläche dieser drei ideologischen Erstarrungen ist die revolutionäre Umwälzung weiterhin wirksam geblieben, wie sie für jede wirkliche Wissenschaft konstitutiv ist.

Das wird gerade heute wieder deutlich, wo die theoretische Vernunft wieder einmal die Vernunft der Praxis einholt – wo der 1979 als Garant der konservativen Konterrevolution durchgesetzte Washington Consensus unter dem Gegenwind der weltweiten globalisierungskritischen 3 Bewegung (und in Frankreich der Dezemberstreiks 1995) die ersten Risse aufweist.

Im Rückblick von diesem Neuanfang der Oppositionsbewegung wird doch deutlich, dass die strukturalistische Kapital -Lektüre zumindest partiell dazu beigetragen hat, das Kapital von seiner szientistischen und positivistischen Entstellung durch die vorherrschende Lektüre zu befreien.

Erst dadurch wurde es wieder möglich, eine wahrhafte Versöhnung der Absicht, wirkliche Wissenschaft zu produzieren, mit der Arbeit an einer tiefgreifenden Veränderung der Welt zu erreichen. Es liegt eine Art von historischer Ironie darin, dass in diesem Text gleichsam eine symptômale Lektüre in zweiter Potenz vorgestellt wird, die sich auf die Zeitgeschichte des politischen Lebens in Frankreich bezieht.

Als ironische Lektüre zeigt sie, dass die symptômale Lektüre des Kapital selbst ein unbemerktes Symptom war – eine ‚Fehlleistung’, wie Freud und Lacan es bezeichnet hätten: Das Symptom eines Szientismus, der so kritisch er auch ist, grundlegend doch ein hyperkritisch gesteigert Positivismus bleibt – eines Szientismus, der unter der Faszination der Naturwissenschaften steht, die von der Geschichte nichts wissen.

4 Dabei ist die historische Leerstelle, welche diese symptômale Kapital- Lektüre verdeckt hat, selber zeitgenössisch gewesen – ging es doch um das Ereignis des Mai 1968. Gegenwärtig kommt aber die unterirdische Wühlarbeit des eigentlichen Begehrens nach wirklicher Wissenschaft wieder an die Oberfläche – um einem Bruch den Weg zu bereiten, der sich nicht mit der Dimension der Epistemologie begnügen wird, sondern wahrhaft revolutionär sein wird.

Und der sich nicht auf das ‚Hexagon’ Frankreichs beschränken, sondern im Weltmaßstab erfolgen wird. 1.

Die Geschichte als Wissenschaft und der Strukturalismus als Ideologie Im Abstand des Rückblicks – nach der phantastischen Distanzierung von der Realität der 1960er Jahre, wie sie der Fall der Berliner Mauer symbolisiert hat – erscheint uns die Zusammenfassung der ‚vier Musketiere des Strukturalismus’ – Claude Lévi-Strauss, Jacques Lacan, Roland Barthes und Louis Althusser - als das Ergebnis einer allgemeinen Verwirrung 3 Im Frz.

bringt der eingeführte Kunstbegriff ‚altermondialisme’ viel besser das positive Anliegen dieser weltweiten Bewegung zum Ausdruck: „Eine andere Welt ist möglich!“ 4 Die in Frankreich herrschende Position des Positivismus – das ist auch in dem im angelsächsischen Bereich, trotz aller methodologischen und logischen durch J.

S.

Mill oder den Wiener Kreis verbreiteten ‚logischen Positivismus’ nicht grundlegend anders, kennt keine wirkliche Geschichtlichkeit der mathematischen Wissenschaften und setzt insofern die platonische Auffassung der Zeitlosigkeit der Mathematik fort.

Eine symptômale Lektüre BG Mars 2005. »

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