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Philosophie als Illumination: Suhrawardî

Publié le 06/01/2010

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Averroes’ Ideen wurden rasch bekannt und fanden eine erstaunliche Verbreitung. Das gilt vor allem für Europa. Dort las man seine Aristoteles-Kommentare bald in lateinischen (oder hebräischen) Übersetzungen und hielt an ihnen trotz der Kritik, die sie auslösten (beginnend mit Thomas von Aquins Über die Einheit des Intellekts gegen die Averroisten aus dem Jahr 1270), bis ins 16. Jahrhundert fest. In der islamischen Welt ist die Entwicklung weniger überschaubar. Hier fand Averroes zwar ebenfalls Leser. Zu ihnen gehörten, wie wir inzwischen wissen, nicht nur Ibn Tumlûs, sein unmittelbarer Schüler (frühes 13. Jahrhundert, Maghreb), sondern (mit unterschiedlicher Optik) auch Ibn Taimîya (frühes 14. Jahrhundert, Syrien und Ägypten), Ibn Khaldûn (14./15. Jahrhundert, Maghreb und Ägypten), Tâschköprüzâde (16. Jahrhundert, Osmanisches Reich) und Mullâ Sadrâ (17. Jahrhundert, Iran). Insofern ist es irreführend, wenn in der Sekundärliteratur immer wieder behauptet wird, seine Ideen seien von den Muslimen ignoriert worden und hätten ausschließlich in Europa gewirkt. Gleichwohl war das Interesse in der islamischen Welt vergleichsweise gering. Es beschränkte sich offenbar auf einige wenige, unter Gelehrten diskutierte Fragen. Der Hauptstrom der Philosophie ging jedenfalls andere Wege und rückte Autoren in den Vordergrund, deren konzeptionelle Entwürfe Averroes’ Auffassungen deutlich widersprachen. Zu ihnen zählte Schihäbaddin as-Suhrawardî (gest. 1191). Er stammte aus dem Nordwesten Irans, studierte Theologie und Philosophie in Maragha (Aserbaidschan) und Isfahan und lebte anschließend wohl eine Zeitlang in Bagdad. Ins Rampenlicht trat er aber erst, als er im Jahr 1183, knapp dreißigjährig, in Aleppo eintraf. Hier gelang es ihm nämlich, den Gouverneur für sich zu gewinnen, einen Sohn des berühmten Saladin, der zu dieser Zeit von Kairo aus über Ägypten, Palästina und Syrien regierte. Das verschaffte Suhrawardî offenkundig den Freiraum, den er für seine Arbeit benötigte; denn jetzt entstand der Hauptteil seines philosophischen OEuvres. Es umfasst zwei Gattungen von Texten: 1) systematische Werke wie Die Andeutungen, Die Philosophie der Erleuchtung und Die Tempel des Lichts, die in der Regel auf Arabisch verfasst sind; und 2) allegorische Schriften wie Das Pfeifen des Simurgh, Die Sprache der Ameisen und Der rote Intellekt, bei denen er sich gerne der persischen Sprache bedient. Der Erfolg am Hof und die privilegierte Stellung waren indes nicht von Dauer. Denn schon nach wenigen Jahren sah sich Suhrawardî in Aleppo mit schwer wiegenden Anschuldigungen konfrontiert. Sie führten dazu, dass er die Unterstützung seines Gönners verlor und ins Gefängnis geworfen wurde.

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« auch nennt und mitunter sogar zu Unrecht als Legitimation für seine eigenen Überlegungen verwendet).

Aber diewichtigsten Anstöße dürften doch von Avicenna ausgegangen sein.

In Avicennas Epistemologie ließen sich zweiHauptlinien unterscheiden (vgl.

oben S.

51-55).

Einerseits beschrieb er den Weg der Erkenntnis, wie es Aristotelesim Organon getan hatte, d.h.

als einen mehrstufigen Vorgang, der sich in Syllogismen vollzieht und von Axiomen zuDefinitionen und zur Erklärung von komplexeren Sachverhalten fortschreitet.

Andererseits betonte er, dassbestimmte Menschen (Philosophen, Propheten) auch unmittelbar zu Erkenntnissen gelangen könnten, weil sie übereine besondere intellektuelle Fähigkeit, die Intuition (hads), verfügten.

Beide Wege sollten indes nicht miteinanderkonkurrieren.

Denn Avicenna wollte mit dem Konzept des hads (das ja auch aristotelische Ursprünge hat) keineprinzipiell andere Form des Erkennens einführen.

Intuition zu haben hieß für ihn lediglich: imstande sein, den langenWeg über die Axiome, Definitionen und Syllogismen mit einem Mal und ohne Mühe zurückzulegen.

Der Vorgang alssolcher blieb dabei unverändert.

Denn auch Erkenntnisse, die auf intuitive Weise gewonnen werden, sollten denlogischen Regeln, die Aristoteles im Organon festgehalten hatte, unterliegen.

Diese Verknüpfung möchte Suhrawardîaufheben.

Nach seiner Auffassung werden damit nämlich zwei Dinge verbunden, zwischen denen keinerleiZusammenhang besteht.

Eines ist das Konzept der Intuition.

Es wird von Suhrawardî geschätzt und zum wichtigstenModell für die Erklärung von Erkenntnisvorgängen erhoben.

Man kann sogar sagen, dass seine gesamte Epistemologieauf der Annahme, dass sich unsere Erkenntnis intuitiv vollziehe, aufbaut.

Das andere ist die aristotelische Logik.

Siewird von ihm scharf attackiert und als irreführend verworfen.

Damit distanziert er sich von einer langen Tradition derHochschätzung des Organons, der nicht nur die Philosophen, die wir bislang betrachtet haben, angehörten, sonderndie seit dem späten ii.

Jahrhundert (durch das Wirken Ghazâlîs) auch in der islamischen Theologie Einzug hielt.Entsprechend ausführlich muss Suhrawardî seinen Standpunkt begründen.

Zu diesem Zweck trägt er eine Reihe vonArgumenten gegen das Organon und insbesondere gegen die Wissenschaftslehre, die in den Zweiten Analytikenentwickelt wird, vor.

Eines von ihnen richtet sich gegen die Grundannahme des Textes, d.h.

gegen die Behauptung,alle Menschen hätten ein unmittelbares Wissen um die Axiome.

Unter ihnen verstand Aristoteles Sätze, die allenWissenschaften gleichermaßen zugrunde liegen und die ohne Beweisführung einleuchtend sind (wie z.

B.

den Satzvom Widerspruch).

Diese Annahme wird von Suhrawardî abgelehnt.

Denn er meint zwar, dass unser Wissentatsächlich von einem unmittelbaren Erfassen ausgehe.

Aber die Gegenstände, auf die sich diese Tätigkeit richte,seien keine allgemein gültigen, logischen Sätze.

Vielmehr erfassten wir immer zuerst einzelne, konkrete Dinge, allenvoran das uns Nächstliegende: unser eigenes Selbst.

Ein zweites Argument wendet sich gegen die aristotelischeDefinitionslehre.

Sie ist nach Suhrawardls Auffassung ebenfalls unzureichend, weil sie sich (zumindest nach seinemDafürhalten) auf die schematische Angabe der Gattung (genus) und des artbildenden Unterschiedes (differentiaspecified) beschränkt (z,B.

«Der Mensch ist ein vernunftbegabtes Lebewesen»).

Mit diesen beiden Bestimmungenkönne ein Gegenstand aber nicht erfasst werden.

Denn jeder Gegenstand weise eine Vielzahl von spezifischen, zuseiner Essenz gehörenden Konstituenten (muqauwimât) auf.

Sie alle müssten genannt werden, wenn man ein Dingwirklich beschreiben wolle.

Deswegen sei es ein Trugschluss zu glauben, dass mit der Angabe der «Gattung» und des«artbildenden Unterschiedes» das Wesentliche über einen Gegenstand gesagt sei.

Damit ist der aristotelischen Logikeigentlich schon die Grundlage entzogen.

Denn wenn uns weder allgemein anerkannte Axiome noch verbindliche(Wesens- )Definitionen zur Verfügung stehen, ist es unmöglich, beweiskräftige Schlussfolgerungen aus ihnen zuziehen.

Hinzu kommt aber noch ein drittes Problem, wie Suhrawardî hervorhebt.

Gemeint ist die Schwierigkeit, dasswir keine verbindlichen Aussagen über künftige Ereignisse machen können.

Sie hat nach seiner Ansicht dieKonsequenz, dass wir auch keine Wissenschaft im Sinne der Zweiten Analytiken (die von zeitlos gültigenFeststellungen ausgehen müsste) konzipieren können.

Das habe Aristoteles ebenfalls nicht erkannt.

Denn er sei zwarauf die Frage, wie sich Aussagen über die Zukunft logisch einordnen lassen, innerhalb des Organons eingegangen(insbesondere in dem bekannten Kapitel über die contingentia futuri in der Hermeneutik).

Aber dabei habe er nichtbedacht, welche weit reichenden Konsequenzen aus diesem Problem abgeleitet werden müssten.

Die Stoßrichtungder Kritik ist klar: Suhrawardî wendet sich gegen den Versuch, eine universale, auf syllogistischen (und damitdeduktiven) Beweisen ruhende Wissenschaft zu konzipieren.

Alle Kritikpunkte, die er vorträgt, sollen zeigen, dass einsolches Konzept von falschen epistemologischen Voraussetzungen ausgeht.

Erkennen heißt nämlich nach seinerAnsicht nicht, einen Gegenstand aufgrund einzelner Merkmale (wie «lebend» oder «vernunftbegabt») zukategorisieren und in ein festgelegtes Ordnungsschema (Gattung, Art, Individuum usw.) einzufügen.

Erkennen ist fürihn vielmehr ein Akt, in dem ein Gegenstand in seiner Einmaligkeit und mit all seinen spezifischen Merkmalen erfasstwird.

Das aber geschieht nicht deduktiv.

Es geschieht unmittelbar, intuitiv, im direkten Zugriff auf ein konkretesGegenüber.

Deswegen spricht Suhrawardî auch davon, dass unser Erkennen ein «Erkennen (bzw.

ein Wissen) durchGegenwart » ( ilm hudûrî) sei.

Auch ein solcher Vorgang muss indes definiert sein und über eine klare Konturverfügen.

Dem versucht Suhrawardî dadurch Rechnung zu tragen, dass er sein epistemologisches Konzept in zweiRichtungen konkretisiert.

Zum einen meint er, man könne die geistige Erkenntnis mit der sinnlichen Wahrnehmungvergleichen.

Dabei denkt er speziell an den Vorgang des Sehens, der nach seiner Auffassung in vieler Hinsichtmodellhaft ist.

Wer etwas sieht, erhält nämlich laut Suhrawardî ein Bewusstsein von dem Objekt seinerWahrnehmung.

Er erfasst das gesamte Objekt, das ihm «präsent» ist und das von seinen Augen wahrgenommenwird.

Das Gleiche lasse sich über den Vorgang der Erkenntnis aussagen.

Denn auch hier gehe es darum, einenGegenstand, der uns «präsent» sei, zu erfassen.

Das geschehe durch den Intellekt, durch dessen Tätigkeit dasObjekt als ganzes (d.

h.

nicht auf einzelne, angeblich artspezifische Merkmale reduziert) in unser Bewusstseinaufgenommen werde.

Wie das geschehen soll, erklärt der zweite Hinweis, den Suhrawardî angibt.

Er ruft uns wiederin Erinnerung, dass seine Philosophie als Illuminationslehre (hikmat al-ischrâq) bezeichnet wird.

Suhrawardîbehauptet nämlich, jeder Erkenntnisvorgang sei ein Akt der Erleuchtung.

Denn immer dann, wenn wir etwasbegreifen und uns der Wahrheit annähern könnten, werde uns ein Lichteinfall bzw.

ein Lichtblitz zuteil.

Das klingtzunächst nicht sonderlich originell.

Auch andere Denker hatten in diesem Zusammenhang von Illuminationgesprochen.

Insofern könnte man meinen, dass hier nur wieder einmal – wie so oft in der Epistemologie – eineLichtmetapher bemüht werde (vgl.

beispielsweise oben S.

35 für Fârâbî).

Bei Suhrawardî hat diese Aussage jedocheinen anderen Sinn.

Sie dient ihm nicht dazu, den Vorgang zu illustrieren oder metaphorisch zu umschreiben.

Er. »

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