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Der Versuch einer Synthese: Ibn Tufail

Publié le 06/01/2010

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Dieser Ratschlag fand Gehör bei den Autoren, die auf Ibn Bâdjdja folgten. Das zeigt sich schon beim nächsten Philosophen, der uns auf der Iberischen Halbinsel begegnet, Abû Bakr ibn Tufail (gest. 1185). Er hatte eigentlich keinen Grund, sich über die politischen Verhältnisse in seiner Heimat (d. h. über die Herrschaft der Almohaden, die sich über Marokko und weite Teile Spaniens erstreckte) zu beklagen. Denn Ibn Tufail profitierte zeit seines Lebens von ihnen: zunächst als Mediziner und Sekretär in Granada, dann in gleicher Funktion in Ceuta und Tanger, und schließlich sogar als Leibarzt des Sultans in Marrakesch. Trotzdem war er nicht bereit, dem Staat eine wichtige Rolle bei der Glückssuche des Menschen zuzusprechen. Im Gegenteil: In seinen Überlegungen verstärkt sich noch die Tendenz, den Lebensweg des Philosophen vom Leben in der Gemeinschaft abzulösen. Denn während Ibn Bâdjdja nur gemeint hatte, man solle sich in schwierigen Zeiten bzw. in korrupten Staaten von der Politik fernhalten, erklärt Ibn Tufail jetzt, der Rückzug aus der Öffentlichkeit sei grundsätzlich ein anzustrebendes Ideal. Das demonstriert eindrücklich die einzige Schrift, die wir aus seiner Hand besitzen. Gemeint ist ein kurzer, aber viel gelesener Roman mit dem Titel Der Lebende, Sohn des Wachenden (Haiy ibn Yaqzân). Er schildert anschaulich, wie ein Mensch (namens Haiy ibn Yaqzân) von Kind auf alleine auf einer tropischen Insel aufwächst. Dabei kommen viele Beobachtungen (auch psychologische und pädagogische) zur Sprache, die man in einem philosophischen Werk nicht unbedingt erwarten würde. Gleichwohl verfolgt Ibn Tufail mit seinem Text ein klar definiertes Ziel. Ihm geht es darum, die Autonomie des menschlichen Intellekts zu erweisen. In diesem Sinn beschreibt er, wie Haiy ibn Yaqzân Schritt für Schritt – ohne Anleitung durch einen Lehrer oder durch einen Propheten – die ihn umgebende Welt versteht und schließlich bis zu den höchsten Erkenntnissen, die einem Menschen möglich sind, vordringt. Die Darstellung umfasst insgesamt einen Zeitraum von fünfzig Jahren. Ibn Tufail gliedert jedoch seine Ausführungen, indem er je sieben (oder vierzehn) Jahre in der Entwicklung seines Helden zusammenfasst und ihnen einen bestimmten Erkenntnisfortschritt zuweist. So stehen die ersten sieben Jahre ganz im Zeichen des kindlichen Entdeckens. In dieser Zeit wird Haiy von einer Gazelle, die sich seiner annimmt, aufgezogen und in elementare Empfindungen (Zuneigung, Solidarität) und Überlebensstrategien (Nahrungssuche, Selbstverteidigung) eingeführt. Die zweite Phase (bis zum Alter von 21) gibt ihm bereits die Gelegenheit zu eigenen Erkenntnissen. Sie sind meist praktischer Art (Bau einer Höhle, Entdeckung des Feuers). Doch Haiy gewinnt auch schon erste theoretische Einsichten, so etwa, als er beim Tod der Gazelle feststellt, dass Lebewesen nicht nur einen Körper, sondern auch einen Geist, der sie beim Tod verlässt, besitzen (gemeint ist ein Pneuma).

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