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Ein neuer Ansatz: Mullâ Sadrâ und die Schule von Isfahan

Publié le 06/01/2010

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Dass die beharrliche Reflexion über die vertrauten Texte auch zu neuen Ergebnissen führte, sollte sich im Übrigen zu Beginn des 17. Jahrhunderts erweisen. In dieser Zeit wirkte in Iran eine Reihe von Denkern, die als die «Schule von Isfahan« bekannt geworden ist. Sie studierten ebenfalls die Werke von Avicenna, Suhrawardî, Ibn al- Arabî und deren Interpreten. Außerdem lasen sie Schriften von Averroes (zumindest in Auswahl) und griffen sogar die Lehrüberlieferung, die vor Avicenna gepflegt worden war, wieder auf (d. h. Aristoteles, Alexander von Aphrodisias, die Theologie des Aristoteles, Kindî, Fârâbî u.a.). Trotzdem sind ihre eigenen Überlegungen nicht einfach die Repetition des Tradierten. Im Gegenteil: Sie enthalten neue Konzepte und originelle Interpretationsansätze. Deswegen gehen manche Beobachter so weit, im Zusammenhang mit dieser Entwicklung von einer «Renaissance« der Philosophie in der islamischen Welt zu sprechen. Den Auftakt dazu bildete Mîr Dâmâd (gest. 1630), ein Gelehrter aus Nordiran (Astarâbâd, später Maschhad), der lange Zeit in Isfahan wirkte. Dort entfaltete er eine viel beachtete und einflussreiche Unterrichtstätigkeit, die ihm den Ehrentitel «der dritte Lehrer« (nach Aristoteles und Fârâbî) eintrug. Sein OEuvre ist immens (Philosophie, Koranexegese, Hadithauslegung, Theologie, Recht und eine Vielzahl von Gedichten); doch in der Regel werden zwei Schwerpunkte in seinem Denken hervorgehoben. Einer betrifft die Erkenntnislehre. Der andere sind seine Spekulationen über die Zeit, die sich im Grenzbereich zwischen Physik und Metaphysik bewegen. In der Epistemologie erinnern manche seiner Aussagen an die Vorstellungen Suhrawardis (bzw. Ibn al- Arabîs). Denn Mir Dâmâd meint ebenfalls, dass wir auf dem Wege der Intuition Erkenntnisse gewinnen (durch Illumination/ischrâq bzw. durch eine visionäre Schau/kaschf). Er ist sogar davon überzeugt, solche Erfahrungen persönlich gemacht zu haben, und notiert in Protokollen, welche Einsichten er dabei erhielt (z. B. für den 16. Scha bân 1023 Hidjra/21.September 1623 n. Chr. die Einsicht in den Ursprung/mabda’ und das Ziel/ma âd unseres Daseins). Allerdings betrachtet er diesen Weg nicht als exklusiv. Vielmehr soll das diskursive Denken ebenfalls zu Erkenntnissen führen. Nach seiner Ansicht befruchten sich diese beiden Wege sogar. Denn die Tätigkeit unseres Intellekts soll die Möglichkeit einer intuitiven Einsicht fördern, die Einsicht wiederum das diskursive Denken stimulieren und uns zur Entwicklung neuer Konzepte anregen. Ähnlich synthetisch geht Mîr Dâmâd vor, wenn er seine Überlegungen über die Zeit entwickelt. Sie nehmen ihren Ausgang von der alten Frage, ob die Welt von Ewigkeit her existiere oder in der Zeit entstanden sei. Dazu hatten sich inzwischen zahlreiche Denker geäußert. Aber das Problem harrte nach wie vor einer Lösung.

« absolut (mutlaq) und in jeder Hinsicht vollkommen.

Das Sein der Geschöpfe hingegen muss man als defizitärbezeichnen, weil sie von anderem abhängig, unvollkommen und kontingent sind.

Selbst im Bereich der Schöpfunglassen sich aber bei genauerer Betrachtung noch einmal verschiedene Seinsweisen (anhâ' al-wudjûd) unterscheiden.Denn je weiter eine Kreatur von Gott entfernt ist, desto kleiner wird der Anteil, den sie am Sein besitzt.

Dass dieWelt überhaupt existiert, erklärt Mullâ Sadrâ damit, dass Gott denkt und dass sein Denken eine Wirkunghervorbringt.

Damit steht er in einer langen Tradition, die, wie wir gesehen haben, über Avicenna hinaus bis zuFârâbî zurückreicht (vgl.

oben S.

34).

Im Gegensatz zu diesen älteren Autoren meint Mullâ Sadrâ jedoch nicht, dassGottes Denken eine einzige Entität bewirke (bei FäräbT und Avicenna: den ersten Intellekt).

Nach seiner Ansichtumfasst die göttliche Selbstreflexion vielmehr zwei Aspekte, die auch zu unterschiedlichen ontischen Konsequenzenführen.

Eine Folge besteht darin, dass Gott ein reines Sein hervorbringt.

Es ist – wie er selbst – absolut, ohneVerschiedenheit, vollkommen eines.

Im Unterschied zu ihm bleibt es jedoch nicht auf sich selbst beschränkt, sondernkann mit und in den Dingen (die es hervorbringen wird) existieren.

Deswegen spricht Mullâ Sadrâ davon, dies sei«das Sein, das sich selbst entfaltet» (alwudjûd al-munbasit).

Es ist «mit dem Ewigen ewig», «mit dem Zeitlichenzeitlich», «mit dem Notwendigen notwendig» und «mit dem Möglichen möglich».

Mit anderen Worten: Es ist GottesZeuge in der Schöpfung.

In ihm hat sich seine Relation zu dem, was entstehen wird, manifestiert.

Das zweiteErgebnis der göttlichen Selbstreflexion verweist bereits auf die Vielheit der Dinge.

Es sind nämlich die AttributeGottes (sifât Allâh), die im Koran genannt werden und seit jeher von den islamischen Theologen diskutiert wordensind (d.h.

Allmacht, Wissen, Leben usw.).

Sie erhalten bei Mullâ Sadrâ eine doppelte Funktion: Einerseits bilden sie,wie es der theologischen Tradition entspricht, die verschiedenen Aspekte des Göttlichen.

Andererseits werden sie,was an Mîr Dâmâd bzw.

an Ibn al- Arabî erinnert, als Archetypen der Schöpfung interpretiert.

Als solche kann MullâSadrâ sie mit den platonischen Ideen identifizieren und erklären, dass in ihnen die Formen der zu erschaffendenDinge präfiguriert seien.

An der Schöpfung selbst sind sowohl «das Sein, das sich entfaltet » als auch die AttributeGottes beteiligt.

Ersteres ruft die Dinge in die Existenz.

Letztere formen die Dinge und verleihen ihnen ihr Spezifikum,also ihre Essenz.

So entsteht ein Kosmos, der eigentlich harmonisch ist, weil er in jeder Hinsicht das Göttlichespiegelt.

Aber das heißt nicht, dass er in einem Zustand der Vollendung wäre und keine innere Dynamik mehr, keinStreben nach Vollkommenheit besäße.

Hier setzt vielmehr eine weitere Lehre ein, für die Mullâ Sadrâ berühmt wurde.Gemeint ist die Idee, dass sich das gesamte geschaffene Sein in einer «substantiellen Bewegung» (harakadjauharîya) befinde.

Sie geht davon aus, dass alle Geschöpfe (unabhängig von ihrem jeweiligen Platz in derHierarchie) eine unvollkommene Seinsstufe besitzen.

Also dürfen die Dinge auch nicht als feste Substanzen, alsunverrückbare Bausteine des Seins (d.h.

als Substanzen im aristotelischen Sinn) betrachtet werden.

Jedes Geschöpfstrebt vielmehr danach, sein Sein zu vervollkommnen.

Das heißt konkret: Es möchte eine größere Nähe zu Gottgewinnen.

Deswegen durchzieht das Sein eine aufwärts gerichtete «substantielle Bewegung».

So wie es von seinemUrsprung (mabda') ausgegangen ist, möchte es dereinst wieder zu ihm zurückkehren (ma ‘ad).

Das könnte man anzahlreichen konkreten Beispielen zeigen.

Am eindrücklichsten manifestiert sich dieser Vorgang jedoch an uns selbst,d.

h.

an dem Weg, den unsere Seele (nafs) nimmt.

Sie entsteht laut Mullâ Sadrâ zusammen mit unserem Körper.

Ja,sie ist anfänglich sogar an das körperliche Sein gebunden, denn Mullâ Sadrâ glaubt nicht – wie Avicenna (vgl.

obenS.

50f.)-, dass die Seele als eigene, geistige Substanz geschaffen werde.

Gleichwohl wohnt in ihr von Beginn an einauf das Geistige gerichtetes Streben.

Sie will sich reinigen, um als Gereinigte Wissen zu erwerben.

Das führt dazu,dass die Seele «an Sein» gewinnt, denn sie kommt auf dem Weg des Erkennens dem göttlichen Sein immer näher.

Soerklärt es sich, dass wir schließlich im Zustand des vollkommenen Wissens zu Gott, unserem Seinsgrund,zurückkehren können.. »

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